Protokoll der Sitzung vom 28.09.2000

(Beifall bei der SPD)

Ich könnte weitermachen und die Förderung der Sportvereine und weiteres ansprechen. Ich möchte aber zu einem Thema kommen, das seit einigen Tagen unwahrscheinlich emotionsgeladen diskutiert wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir nehmen die Proteste der Spediteure, der Landwirte und der Gartenbaubetreiber ernst.

(Ach (CSU): Bis jetzt noch nicht!)

Im Vergleich zu Ihnen nehmen wir sie ernst. Sie missbrauchen die Sorgen und Nöte der Bauern und Spediteure, um Ihr parteipolitisches Süppchen zu kochen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wissen alle, dass wir einen solchen Ölpreisschock schon einmal in den siebziger Jahren erlebt haben. Die CSU im Bayerischen Landtag hat jetzt erst die Pendler entdeckt. Es gehört unwahrscheinlich großer Mut dazu, dies zu äußern. In Niederbayern, Herr Staatsminister Huber, gibt es Pendler. Das hätten Sie früher bemerken müssen, nicht erst jetzt. Sie haben plötzlich die Pendler entdeckt.

(Willi Müller (CSU): Sie haben sie vergessen!)

Jemand, der hier über die Belastungen der Ökosteuer redet, sollte sich erinnern. Nicht nur der frühere Bundeskanzler, sondern viele von der CDU und der CSU haben ein kurzes oder gar kein Gedächtnis. Sie können sich nicht daran erinnern, dass die CSU am 1. Juli 1991 die Mineralölsteuer für Benzin von 60 Pfennig um 22 Pfennig auf 82 Pfennig und für Diesel um 10 Pfennig erhöht hat. Das muss man den Menschen sagen. Das machte 14 Milliarden DM Mehreinnahmen aus. Jemand, der die Steuern für das Auto ständig erhöht hat, hat nicht das Recht, uns zu belehren.

(Beifall bei der SPD)

Gelinde ausgedrückt ist das unredlich, eigentlich ist es noch viel mehr. Überlegen Sie sich, was Sie machen: Sie hetzen Menschen auf. Ich hatte vor drei Tagen ein Gespräch mit Kreisobmännern des Bauernverbandes. Sie waren von diesen Zahlen überrascht, dass die Ursache für die hohe Mineralölsteuer bei CSU und CDU liegt. Ich habe niemals vernommen, dass Sie, Herr Faltlhauser, damals nein gesagt hätten. Sie haben die Mineralölsteuer dazu benützt, die Löcher im Haushalt zu schließen. Das war Ihre Politik.

(Beifall bei der SPD)

Sehen Sie sich diese Haushaltslöcher doch an. Meine Partei hat gesagt: Wir nehmen das Geld, um die Arbeit billiger zu machen. Wir haben versprochen, die Lohnnebenkosten zu senken. Das war ein Signal für die Wirtschaft und für die wirtschaftliche Entwicklung. Wir haben die Rentenversicherungsbeiträge von 20,3% auf 19,3% reduziert. Wir haben dieses Versprechen eingelöst, um

die Wirtschaft anzukurbeln, um dem Mittelstand zu helfen. Das sollten Sie endlich zur Kenntnis nehmen. Wir haben unser Versprechen eingelöst, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich würde mir bei diesem Thema mehr Gelassenheit wünschen. Wir nehmen die Sorgen im Übrigen ernster, als Sie das tun.

(Willi Müller (CSU): Also wird die Ökosteuer wieder abgeschafft!)

Die Ökosteuer ist kein Teil des christlichen Glaubensbekenntnisses und sie steht nicht im Grundgesetz. Sie ist ein Instrument, zur Senkung der Lohnnebenkosten. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, eines sollten Sie sich aber merken: Dieses Thema taugt nicht als Schwerpunktthema für die nächste Bundestagswahl, das können wir Ihnen heute schon versichern.

(Ach (CSU): Dann schaffen Sie sie wieder ab!)

Wenn Sie, Herr Minister, hier an diesem Pult aufzählten, was man alles tun muss, dann kann ich Ihnen nur entgegenhalten: Unser Kurs ist der Richtige. Wir müssen den Kurs von Hans Eichel und der Bundesregierung unterstützen und deshalb gilt als Allererstes: Wir müssen die Bundesfinanzen gründlich konsolidieren.

(Herbert Müller (SPD): Jawohl!)

Es geht nicht an, dass wir in einem Jahr 82 Milliarden DM an Zinsen für die Schulden ausgeben müssen, die die CSU angerichtet hat.

(Herbert Müller (SPD): So ist es! – Beifall bei der SPD)

Deshalb müssen Sie konsequenterweise auch hier hergehen und zugeben, dass die Entscheidung der SPDBundestagsfraktion, die Entscheidung des SPD-Bundesfinanzministers richtig war, die 100 Milliarden DM aus UMTS-Erlösen herzunehmen, um die Schulden zu tilgen. Eine Milliarde Schulden bedeutet 50 Millionen DM an Zinsausgaben. Deshalb ist es auch richtig, 5 Milliarden DM aus Zinseinsparungen herzunehmen, um etwas anderes damit zu tun.

Meine Damen und Herren von der CSU, Sie kommen jetzt und sagen, da wird vom Bund privatisiert. Herr Minister Faltlhauser, ich habe Sie vermisst, als die Bundesregierung damals unter dem CSU-Landesvorsitzenden Theo Waigel im Bund ganz lustig privatisiert und Milliardenbeträge einkassiert hat, um die Haushaltslöcher zu stopfen. Ab 1994 wurde die Lufthansa privatisiert, die Telekom ab 1997. Tankstellen und Raststätten – Sie haben alles privatisiert. Wo waren denn damals die Ansprüche der Länder? Damals haben Sie diese Privatisierungen stillschweigend zur Kenntnis genommen.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind von unserem Kurs überzeugt. Er ist richtig. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU sind im Grunde schlechte Verlierer.

(Zuruf von der SPD: Aber Verlierer sind sie!)

Sie sollten endlich das Signal der Bundesregierung ernst nehmen und es entsprechend umsetzen. Wenn Sie davon sprechen, dass wir einen Gestaltungsspielraum für künftige Generationen schaffen und dass die Schulden abgebaut werden müssen, dann müssten Sie, Herr Faltlhauser, im Grunde hier sagen: Herr Finanzminister Eichel, Sie haben richtig gehandelt. Die Bundesschulden, für die ich mitverantwortlich bin, müssen abgebaut werden. Das wäre der richtige Weg, wenn man wirklich glaubhafte Politik machen will.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden unsere Anträge für den nächsten Doppelhaushalt einbringen. Dabei ist einer unserer Schwerpunkte, die Kommunen endlich zu entlasten. Herr Minister, Sie haben den Finanzausgleich in Bayern angesprochen. Wir fordern eine Kommunalmilliarde. Das ist nichts Unanständiges, denn es ist einfach nicht in Ordnung, wenn die Kommunen oder die Sportvereine acht, neun oder gar zehn Jahre warten müssen, bis sie ihr Geld bekommen. Es ist nicht in Ordnung, eine Politik zu machen, die die Banken fördert und nicht die Kommunen, denn die Kommunen müssen die Zinsen zahlen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre Forderungen hingegen sind unglaubwürdig. Gestern tritt Ministerpräsident Stoiber einer Initiative bei, um die Familien zu stärken. Wie wichtig die Familien sind, das höre ich von Ihnen in letzter Zeit immer wieder. Diese Forderung ist in Ordnung, Sie haben sie von uns abgeschrieben, denn wir fordern das schon lange. Wenn man das fordert, muss man aber auch eine entsprechende Politik machen. Doch gerade in diesem Haushaltsgesetz erhöhen Sie die Eigenbeteiligung der Eltern bei den Schulwegkosten um 20%, während Sie gleichzeitig ständig betonen, wie wichtig die Familien sind. Damit muten Sie den Eltern aber 14 Millionen DM an Mehrausgaben zu.

(Frau Radermacher (SPD): Pfui!)

Wir sind entschieden dagegen, dass die Eltern zusätzlich belastet werden, wenn sie ihre Kinder auf die Schulen schicken. Das ist nicht in Ordnung. 14 Millionen DM sind nicht hinnehmbar. Wir werden dafür sorgen, dass das wieder zurückgenommen wird.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Bravo!)

Auf Ihrer Klausurtagung im Kloster Banz haben Sie offensichtlich wieder ein paar Entdeckungen gemacht. Ich habe nachgeblättert, was wir in den letzten Jahren als Schwerpunkte genannt haben. Dabei habe ich festgestellt, dass die CSU die Bildungspolitik entdeckt hat.

Dazu kann ich nur sagen: Guten Morgen, CSU. Es ist wirklich unglaublich: Plötzlich bezeichnet die CSU die Bildungspolitik als Schwerpunkt. Wir Sozialdemokraten haben schon immer darauf hingewiesen, wie enorm wichtig die Bildungspolitik für die ganze Entwicklung ist. Sie aber haben sie sträflich vernachlässigt. Deshalb ist es nur richtig, wenn Sie jetzt endlich unsere Positionen in der Bildungspolitik übernehmen.

Ich möchte jetzt noch auf ein paar Kleinigkeiten und Aspekte hinweisen, die uns hinsichtlich des Haushalts Sorgen machen. Die Personalkosten steigen ständig. Im Freistaat Bayern ist man nach der Rasenmähermethode vorgegangen und hat Stellen abgebaut. Wir meinen, wir brauchen auch hier ein sorgfältiges Konzept. Noch vor zehn Jahren wurden im Haushalt des Freistaats Bayern für die Personalkosten etwa 19 Milliarden DM veranschlagt. Jetzt liegen sie bei 27 Milliarden DM. Wir brauchen ein ordentliches Personalentwicklungsgesetz. Es dürfen nicht nur die unteren Stellen eingespart werden, sondern das Sparkonzept muss in allen Bereichen angewandt werden; es muss auch für die oberen Etagen Lösungsansätze geben. Das ist unsere Forderung.

(Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser (Finanzministe- rium): Das machen wir doch!)

Ein zweiter, ganz wichtiger Punkt ist die Personalpolitik ganz allgemein. Die Vermessungsämter waren die ersten, die den Stellenabbau konsequent durchgezogen haben. Dort wurden überall Stellen eingespart. Ich habe den Haushaltsplan wiederholt durchgearbeitet, ich habe Kolleginnen und Kollegen zu Rate gezogen. Es ist eine Tatsache: Im ganzen Freistaat wurden Stellen reduziert und abgebaut. Aber wer genehmigt sich mehr Stellen, wer will seinen Machtapparat ausbauen? Das ist die Staatskanzlei mit Ministerpräsident Stoiber. Für die Staatskanzlei wollen Sie in diesem Haushalt mehr Stellen ausweisen. Es ist doch nicht in Ordnung, wenn der Bayerische Kreml immer mehr Machtzuwachs bekommt.

(Beifall bei der SPD)

Folgender Vergleich sollte uns ein wenig zum Nachdenken bewegen: Der Landtag hat 217 Stellen, die Staatskanzlei hingegen 380.

Nun noch einige Anmerkungen zur Kraftfahrzeugsteuer. Sie sprechen immer wieder davon, dass der Autofahrer zusätzlich belastet werde. Dabei begreife ich etwas nicht, und vielleicht können Sie, Herr Finanzminister, mir das erklären. Bei dem Gespräch mit den kommunalen Spitzenverbänden hat sich gezeigt, dass diese Verbände von der Rückläufigkeit der Kraftfahrzeugsteuer ausgehen. Wenn ich aber den Haushalt betrachte, dann haben wir bei der Kraftfahrzeugsteuer mehr eingestellt und Mehreinnahmen zu verzeichnen. Die Mehreinnahmen erhöhen sich um etwa 29%. Angesichts dessen kann man doch nicht behaupten, dass es weniger Geld bei der Kraftfahrzeugsteuer gibt. Ich stelle hingegen fest, im Jahr 2000 werden für die Kraftfahrzeugsteuer 1,2 Milliarden DM angesetzt, im Jahr 2001 2,5 Milliarden DM und im Jahr 2002 2,6 Milliarden DM. Die Bayerische Staatsregierung geht also davon aus, dass sie aufgrund der Kraftfahrzeugsteuer, die den Ländern zufließt, Mehr

einnahmen verzeichnen wird. Das ist das Resultat eines von Ihnen im Jahr 1997 beschlossenen Gesetzes, wonach die Autofahrer am 01.01.2001 mehr Geld zu bezahlen haben. Das muss genau geprüft werden. Wenn Sie schon jemandem entgegenkommen wollen und der Auffassung sind, dass die bayerischen Spediteure zu große Probleme haben, dann können Sie doch diese Einnahmen dazu hernehmen.

(Beifall bei der SPD – Alois Glück (CSU): Das ist bayerische Interessensvertretung!)

Sie von der CSU, haben 1997 ein Gesetz beschlossen, das den Ländern ab 2001 einen größeren Anteil an der Kraftfahrzeugsteuer gibt. Sie sollten nicht nur vom Föderalismus reden, sondern auch Überlegungen anstellen, wo man ihn praktizieren kann.

Ich möchte das Thema „R 6“ inhaltlich nicht vertiefen. Ich weiß noch den Zeitpunkt, als Frau Staatsministerin Hohlmeier hier erklärt hat, die R 6 werde nichts kosten, sie werde kostenneutral umgesetzt.

(Frau Radermacher (SPD): Das war noch Herr Zehetmair! – Hofmann (CSU): Das hat sie nicht gesagt!)

Das steht im Protokoll drin; schauen Sie nach; wir können es Ihnen jederzeit geben. Sie haben Schwierigkeiten mit dem Einzelfall, denn daran wird Ihr System deutlich. Sie sagen am Anfang nicht, was wirklich Sache ist. Sie sagen, das kostet nichts, aber später kostet es doch etwas. Ich könnte Ihnen ein Dutzend Fälle nennen, in denen Sie in diesem Stil vorgegangen sind. Sie haben gesagt, die Pinakothek kostet 200 Millionen DM – nein, sie kostet nicht 200 Millionen DM, sie kostet wesentlich mehr. Das ist Ihre Politik. Sie rechnen nicht sauber, Sie rechnen nicht zum richtigen Zeitpunkt, und Sie nennen nicht die richtigen Zahlen. Das ist der Punkt. Das gleiche gilt für die Berechnung der Steuerkraft.

Ich möchte noch ein paar Worte zur Steuerkraft sagen. Die Bayerische Staatsregierung sagt in Bezug auf den Länderfinanzausgleich immer wieder, es müsse gerecht zugehen. Ich denke, bevor der bayerische Steuerzahler immer mehr Kosten für die Reisen der Staatskanzlei nach Berlin bezahlen muss, sollten der Ministerpräsident und die Minister hier bleiben und die Hausaufgaben im eigenen Land machen. Wir haben genügend zu tun.

(Beifall bei der SPD)