Protokoll der Sitzung vom 17.10.2000

Ein weiteres wichtiges Datum, das man sich anschauen muss: Am Donnerstag, dem 12. November 1998, gab die Staatsregierung im Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr und Technologie einen Bericht über die Standortentscheidungen der Bayernwerk AG. Bereits damals wiesen wir von der SPD darauf hin, dass man die 25,5-prozentige Beteiligung entsprechend nutzen müsse, um Einfluss auf die Konzernentscheidungen zu nehmen. Dies ist nicht geschehen.

Außerdem wies ich bereits damals darauf hin – das ist auch im Protokoll nachzulesen –, dass die Zukunft der übrigen konventionellen Kraftwerke in Bayern gefährdet ist. Es ist damals nicht nur um Arzberg bzw. um Aschaffenburg und Schwandorf gegangen. Zu dieser Zeit schrieb das Bayernwerk in bunten Broschüren noch von den sicheren Arbeitsplätzen in seinem Konzern.

Ganz entschieden habe ich dann dem Herrn Ministerpräsidenten am 2. September 1999 einen flammenden Brief geschrieben und ihm mitgeteilt, dass in den bayerischen konventionellen Kraftwerken Arbeitsplätze gefährdet seien und bei den Fusionsverhandlungen zwischen Viag und Veba die bayerischen Standorte gesichert werden müssten. Dies war eigentlich die letzte Gelegenheit, noch etwas Entscheidendes zu tun.

Noch einmal: Wir als Sozialdemokraten bekennen uns zu dieser Fusion. Nur, was Sie daraus gemacht haben, das ist doch das Entscheidende. Sie haben schlecht verhandelt und die Ergebnisse, die Sie erreicht haben, sind hundsmiserabel. Denn mit den verbleibenden 5,5% in der e.on AG – da haben Sie völlig Recht – kann man nichts Entscheidendes mehr machen.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Sehr vielen geht es jedenfalls so: Wenn man dem Ministerpräsidenten schreibt, enthält sein Antwortbrief am Anfang immer eine nette Geste, aber dann steht im Prinzip nichts anderes

drin als: Ich und der Herrgott, wir wissen schon, was zu machen ist, wir machen es schon. –

Fast ein Jahr später, nämlich am 7. September, war es dann so weit; es hat sich abgezeichnet, dass der e.onKonzern speziell in Bayern Kraftwerke abschalten will. Ich schrieb dem Ministerpräsidenten, dass in Arzberg 240 Arbeitsplätze eiskalt fallen gelassen würden, aber das Gleiche gelte auch für die anderen Standorte Franken II und Schwandorf genauso dramatisch.

Hier geht ein Lehrbeispiel in Sachen Kapitalismus über die Bühne, dargeboten als Trauerspiel.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Warum müssen acht Kraftwerke im e.on-Konzern stillgelegt werden? Der Vorstandsvorsitzende hat in einer Presseerklärung recht deutlich gesagt, was das Ziel ist. Der Gewinn soll nämlich in der nächsten Zeit um 1,4 Milliarden DM verbessert werden. Eiskalter Kapitalismus pur.

Wir stellen fest, dass die Marktstruktur in diesem unseren Lande eine nackte Machtstruktur geworden ist und dass es die soziale Marktwirtschaft eines Ludwig Erhard nicht mehr gibt.

Noch etwas müssen wir feststellen: Die Regierungen samt den Parlamenten und den Bürgern, die sie wählen, haben nichts mehr zu sagen. Das Sagen haben Konzerne wie e.on, die als Beutegemeinschaft mit 500 großen Konzernen die Wirtschaft dieser Welt kontrollieren.

Wie reiner Zynismus klingt jetzt, auch ein Jahr später, die Pressemitteilung des Staatsministers Schnappauf, der heute leider nicht anwesend ist, des einzigen oberfränkischen Ministers im Kabinett. Er hat vor einem Jahr in einer Presseerklärung verkündet – das Original kann jeder nachlesen – „Viag-Veba-Fusion – Stärkung der Landesentwicklung in Oberfranken“. Heute klingt das in den Ohren der Kumpel und der Arbeitnehmer in Arzberg wie Hohn.

Beim Gespräch mit den Betriebsräten im September wusste der Umweltminister nichts anderes, als dass er die Zukunft des Kraftwerkes Arzberg in einem Glasblock sehe.

Mir stellt sich die Frage nach der Zukunftsfähigkeit dieser Staatsregierung. Sie ist doch gleich Null, wenn man hier nichts anderes bringt als dies.

(Hofmann (CSU): Das werden wir nächste Woche sehen!)

Ja, Kollege Hofmann, bleiben Sie ruhig bei dieser Meinung, sie ist gut für Sie.

(Zuruf von der SPD: Gut genug!)

Gut genug, okay. Aber in den entscheidenden Momenten hat diese Staatsregierung doch immer versagt, wenn ich an LBS, Maxhütte etc. denke.

(Heiterkeit bei der CSU)

Das, was Sie als Erfolge vorweisen, sind eigentlich reine Selbstläufer, bei denen es sowieso gut geht.

(Beifall bei der SPD)

Aber es kommt noch lustiger. Laut der „Süddeutschen Zeitung“ vom 28. September 1999 zeigte sich Ministerpräsident Stoiber zufrieden, dass – und jetzt hören Sie zu -die bayerischen Viag-Standorte gesichert werden konnten.

Herr Ministerpräsident – so würde ich ihn fragen, wenn er da wäre –, wie kurzsichtig ist Ihre Wirtschafts- und Energiepolitik? Ein Jahr später: Scherbenhaufen. Wörtlich hat er damals gesagt:

Es ist ein beachtliches Ergebnis – um mich nicht noch mehr zu loben.

(Heiterkeit bei der SPD)

Da kann man nur sagen: Hochmut kommt vor dem Fall.

(Frau Biedefeld (SPD): Das ist wirtschaftliche Inkompetenz!)

Der CSU-Fraktionsvorsitzende Alois Glück lobte die Fusion wortwörtlich – das kann man auch nachlesen – als „weiteres erfolgreiches Kapitel der bayerischen Standortpolitik“.

(Huber (CSU): Sind Sie dagegen?)

Die politische Führung habe die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannt.

(Kaul (CSU): Was ist Ihre Alternative?)

Da frage ich mich: Warum musste es jetzt so weit kommen? Eigentlich peinlich, was?

Meine Kolleginnen und Kollegen, wir fordern vom e.onKonzern, dass er seine Standorte aufrechterhält.

(Zuruf von der CSU: Wenn Sie das sagen!)

Sollte dies aus verschiedenen Gründen nicht möglich sein, dann fordern wir, dass dieser Konzern, der über 200000 Mitarbeiter hat, in den Kommunen, in denen er Kraftwerke schließt, entsprechend neue Arbeitsplätze schafft. In Berlin schafft er zum Beispiel auch 800 neue Arbeitsplätze. Warum soll das in Bayern nicht gehen? Hier hätte die Bayerische Staatsregierung wieder eine wunderbare Aufgabe, nämlich an das anzuknüpfen, was in Preußen geht. Das sollte doch bei uns auch möglich sein.

Aber wir fordern auch noch etwas vom bayerischen Staat. Der Deal Viag/Veba, der 3,1 Milliarden DM in die Kassen gespült hat, dem wir – ich sage es noch einmal – zugestimmt haben und zu dem wir uns auch bekennen, geht, wie wir jetzt sehen, zulasten einiger Standorte. Deswegen ist es wichtig, dass auch die Bayerische

Staatsregierung vermehrt in diese Standorte investiert und sie durch weitere Industrieansiedlungen etc. unterstützt.

Wie lautete das Schlagwort des Ministerpräsidenten seinerzeit bei diesem Deal: „Gestalten statt besitzen“. Wir müssen ehrlich zugeben, wenn wir heute besitzen würden, könnten wir mehr gestalten.

(Beifall der Abgeordneten der SPD)

Wir fordern die Bayerische Staatsregierung auf, dafür zu sorgen, dass es nicht zum Ausverkauf bayerischer Interessen kommt. Wir merken, dass wir in der Zwischenzeit nur mehr sehr wenig zu sagen haben. Die Warnungen der Gewerkschaften und der Arbeitnehmervertreter aus den betroffenen Betrieben haben Sie ignoriert. Wenn Sie vorhin Gewerkschaftsvertreter aufgezählt haben, die es befürwortet haben, dann befinden wir uns in der gleichen Gesellschaft: Wir befürworten es auch. Wir brauchen uns doch nicht auseinander dividieren zu lassen. Aber noch einmal: Das, was daraus gemacht worden ist, das ist etwas anderes.

Hunderte von Millionen Mark wurden in den vergangenen Jahren in diesen Kraftwerken in modernste Umwelttechnik investiert, wofür es in der Regel auch staatliche Mittel gab. Für die tschechische Braunkohle gibt es Lieferverträge noch bis zum Jahr 2005, und außerdem gibt es noch diesen schönen Vertrag mit der OberfrankenStiftung. Wir haben also einige Chancen. Nutzen wir sie.

Man muss natürlich auch sehen, dass viele Kraftwerke stillgelegt werden – in Kalifornien wurde das bereits vorexerziert –, um später die Strompreise wieder anheben zu können. Sollte der e.on-Konzern seine Beschlüsse nicht revidieren, sollten wir doch noch einmal gemeinsam versuchen, wie weit Marktwirtschaft funktioniert, wie weit die Macht des Verbrauchers eingesetzt werden kann. Das heißt mit anderen Worten, Bayern als Staat, aber auch die einzelnen Bürger sollten dann von e.on keinen Strom mehr kaufen nach dem Motto: Wer uns kündigt, dem kündigen wir auch.

(Beifall der Abgeordneten der SPD)

Der Herr Ministerpräsident hat in den letzten Tagen wörtlich gesagt: „Wir werden jetzt vor allem sehr, sehr hart darum ringen, welche sozialen Umstrukturierungsmittel zur Verfügung gestellt werden.“ Ich sage: Das harte Ringen um diese Standorte, vor allem auch über Ersatzmaßnahmen, wäre vor über einem Jahr besser und leichter gewesen. Damals hätte er die besseren Karten gehabt. Er hat sie nicht genutzt. Jetzt ist es zu spät, und wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben.

Diese Bayerische Staatsregierung geht mit ihrem Ministerpräsidenten Stoiber einerseits als Verkäufer bayerischen Vermögens

(Hofmann (CSU): Schmarrn!)

andererseits bei der Energiepolitik als Versager in die Geschichte ein.

(Beifall der Abgeordneten der SPD)

Für die betroffenen Menschen und Regionen haben wir unseren Dringlichkeitsantrag eingebracht. Mit der Änderung, die Herr Kollege Dinglreiter vorgeschlagen hat, bin ich einverstanden. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der Abgeordneten der SPD – Frau Rader- macher (SPD): Sehr gut!)