Protokoll der Sitzung vom 17.10.2000

(Beifall der Abgeordneten der SPD – Frau Rader- macher (SPD): Sehr gut!)

Als Nächste hat Frau Kollegin Paulig das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Staatsminister Huber,

(Hofmann (CSU): Da ist er!)

jetzt ist er Abgeordneter, ich nehme aber auch seine Verantwortung als Minister in Anspruch -,

(Hofmann (CSU): Er ist basisorientiert!)

lassen Sie mich unsere Auseinandersetzung, die wir hatten, noch einmal kurz zusammenfassen. Sie haben damals, als es um den Verkauf der Viag-Anteile ging, angeführt, Sie hätten die Verhandlungen zur Fusion unter der Sperrminorität geführt. Das ist so sicher richtig. Aber dann muss man zu dem Ergebnis, mit dem Sie herausgekommen sind, feststellen: Es waren schlechte Verhandlungen, Sie haben damit Bayern verkauft.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Runge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Verhandlungen sind – das hat mein Kollege Martin Runge bereits ausgeführt – unter hohem Druck geführt worden. Sie standen unter dem Druck, die Hightech-Ankündigungen von Ministerpräsident Stoiber zu finanzieren, und somit hatten Sie wenig Gestaltungsspielräume. Wir stellen fest, dass die Verhandlungen in ihren Ergebnissen nicht dazu geführt haben, für die bayerischen Standorte eine Sicherung zu erreichen.

Was dem Ganzen die Krone aufsetzt, ist, dass es beispielsweise im Haushaltsausschuss trotz Antrags unserer Kollegin Emma Kellner nicht möglich war, die Zusatzvereinbarungen einzusehen. Sie hätten das gerne nichtöffentlich machen können, aber Sie haben sich geweigert, die Zusatzvereinbarungen auf den Tisch zu legen. Das heißt, die Zusatzvereinbarungen haben nichts geboten, sie waren schlecht und haben keine Sicherung der Standorte für Bayern gebracht.

(Huber (CSU): Wie können Sie das denn sagen? Sie kennen sie doch nicht! – Gegenruf der Frau Abgeordneten Radermacher (SPD): Sie hätten sie doch vorlegen können!)

Wenn sie gut wären und wenn eine Standortsicherung darin enthalten wäre, dann gäbe es jetzt erstens eine Möglichkeit, Standorte zu sichern, und zweitens hätten

Sie sie dann nicht verschämt unter dem Tisch halten müssen, sondern Sie hätten sie in nichtöffentlicher Sitzung der Opposition im Haushaltsausschuss sehr wohl zur Kenntnis geben können. All das haben Sie nicht getan, und heute haben Sie für diese Verhandlungen die Verantwortung zu übernehmen, dass eine Aufgabe der Kraftwerksstandorte erfolgt mit Arbeitsplatzabbau und mit Umweltdumping. Das wollen wir ganz klar festhalten.

Zu Ihnen, Herr Staatsminister Wiesheu: Sie haben immer versucht – und das versucht jetzt auch die CSU in ihrem Dringlichkeitsantrag –, die Verantwortung auf ein anderes Gebiet abzuschieben. Sie wollen also nicht nur dafür nicht verantwortlich sein, dass die Verhandlungen schlecht geführt wurden, sondern Sie versuchen jetzt auch noch auf die rot-grüne Energiepolitik abzulenken. Das geht aus dem gesamten ersten Absatz hervor.

Aber auch das gelingt Ihnen nicht. Tatsächlich ist es so, dass gerade auf dem Sektor Energiepolitik die rot-grüne Bundesregierung hervorragende Arbeit geleistet hat und leistet.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch von der CSU)

Das ist eine zukunftsgerichtete Energiepolitik, die nicht nur von der Industrie und von der Wirtschaft in Deutschland anerkannt wird, gerade auch in Bayern von Handwerk und Mittelstand sowie der Landwirtschaft,

(Unruhe bei der CSU und Zuruf: Wo leben Sie denn?)

sondern die auch international hohes Ansehen genießt. Wir sind heute in der Situation, dass sich die anderen europäischen Länder an Deutschland orientieren und wir so international Maßstäbe setzen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Frei- herr von Rotenhan (CSU))

Gerade der Technologiekongress hat das wieder gezeigt. Dort waren wir im Gespräch mit Industrievertretern, mit der Wirtschaft, mit Handwerk und Mittelstand. Sie haben diese zukunftsweisende Energiepolitik der rot-grünen Bundesregierung bestätigt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Einen Akzent greife ich gerne auf, den Sie angesprochen haben, Herr Kaul, und auch Sie, Herr Wiesheu: die Klimapoltik. Von der rot-grünen Bundesregierung liegt nicht nur ein mittelfristiges und ein langfristiges Konzept für die Energiepolitik vor, sondern auch ein Konzept zur Klimapolitik.

Lassen Sie mich kurz zu den Szenarien der Energiepolitik kommen. Wir wollen bis zum Jahr 2010 die Erzeugung erneuerbarer Energie verdoppeln. Wir wollen die Erzeugung von Energie durch Kraft-Wärme-Kopplung von 12 auf über 20% verdoppeln. Langfristige Szenarien bis zum Jahr 2050 gehen von einem Anteil von 50% der

erneuerbaren Energien aus, wobei gleichzeitig Energieeinsparungen und Energieeffizienz einen wesentlichen Anteil am Rückgang der notwendigen Primärenergie bewirken werden.

Es liegt auch ein klares Klimaprogramm auf dem Tisch, das Sie auf Bundesebene mit wirklich dummen Sprüchen kommentiert haben. Wenn es nach Ihnen von der CSU ginge, dann könnten wir jeglichen Klimaschutz vergessen. Wie sieht die Situation in Bayern aus? Wir stellen fest, dass die CO2-Emissionen von 1990 bis 1997 um 7% gestiegen sind. Wenn wir die Zahlen von 1998 und 1999 auf dem Tisch haben werden, dann werden wir sehen, dass die CO2-Emissionen noch weiter gestiegen sind. Auf Bundesebene haben wir hingegen einen Rückgang der CO2-Emissionen um zirka 16%, wobei es starke Einsparungen im Industriesektor und der Energieerzeugung gibt, gleichzeitig aber einen Zuwachs bei den Haushalten und im Verkehr. In Bayern stellen wir wachsende CO2-Emissionen im Verkehrssektor fest, nämlich über 10%. Das zeigt, dass von einer ökologisch verträglichen Politik in Bayern nicht gesprochen werden kann. Am besten wäre es, wenn Sie von Klimapolitik überhaupt nicht reden.

(Loscher-Frühwald (CSU): Sie müssen einmal die absoluten Zahlen vergleichen!)

Der schmutzige Energiemix, den wir in Bayern haben, trägt nicht zur Lösung der Umweltprobleme bei. Lassen Sie mich noch etwas zu den zusätzlichen Emissionen aus dem Verkehr bemerken. Das Verhalten der Automobilkonzerne wirft ein deutliches Licht darauf, wie die CSU-Politik eingeschätzt wird. Wollte nicht Ministerpräsident Stoiber schnell und voreilig einen Automobilgipfel einberufen, und hat er sich nicht von den Vertretern der Konzerne nur Absagen eingehandelt? Daran sieht man, wo die Musik gespielt wird. Sie wird in Form einer vernünftigen Energie- und Klimapolitik gegenwärtig von Rot-Grün in Berlin gespielt. Bayern ist nicht mehr präsent und hat nichts mehr zu bieten. Wir sehen nur schlechte Verhandlungen und eine generelle Fehlanzeige in der Klima- und Energiepolitik.

(Zuruf des Abgeordneten Freiherr von Rotenhan (CSU))

Gestatten Sie mir ein Wort zu den Überkapazitäten. Seit Jahren wird beklagt, dass wir enormen Überkapazitäten haben. Ich erinnere mich aber noch daran, wie versucht wurde, das Werk Franken III zu bauen. Ich war beim Erörterungstermin. Dort wurde immer wieder mit fadenscheinigen Argumenten versucht, Franken III durchzusetzen. Nach dem Erörterungstermin wurde plötzlich die Kapazitätserweiterung zurückgezogen, weil man gemerkt hat, dass dies unwirtschaftlich ist.

Wenn Sie derzeit die Rahmenbedingungen zur Förderung der erneuerbaren Energien kritisieren, dann möchte ich zunächst einmal feststellen, dass zig Milliarden DM in die Atomindustrie gegangen sind und diese damit auf Kosten der Steuerzahler subventioniert wurde, von den steuerfreien Rückstellungen ganz zu schweigen.

Wir begrüßen, dass Programme, die die rot-grüne Regierung im Bereich der Energiepolitik aufgelegt hat – zu nennen sind der Ausbau der erneuerbaren Energien, die Nutzung der Biomasse oder das 100000-DächerProgramm –, gerade von Bayern besonders genutzt werden. Das zeigt, wo die Wachstumspotenziale liegen. Über 40% der Anträge, zum 100000-Dächer-Programm und über 50% der Anträge die den Biogassektor betreffen, kommen aus Bayern. Manchmal finde ich es rührend, wie Frau Stewens oder Herr Schnappauf zur Eröffnung von Windkraftanlagen rennen, obwohl die Windenergie von der Staatsregierung und einigen Bezirksregierungen blockiert wird. Tatsache ist, dass die Staatsregierung von der rot-grünen Energiepolitik profitiert, gleichzeitig hat sie aber im Bundestag und im Bundesrat das Einspeisegesetz abgelehnt, welches jetzt Bayern Wachstumschancen eröffnet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Windenergiesektor haben wir bundesweit einen Zuwachs von 25000 Arbeitsplätzen zu verzeichnen. Das ist eine Zahl, die Sie zur Kenntnis nehmen sollten. Das Förderprogramm für die erneuerbaren Energien wird zu einem Zuwachs von 12000 bis 15000 Arbeitsplätzen führen. Prognos kommt zu dem Schluss, dass mit der nun eingeleiteten Energiewende in den nächsten fünf Jahren 155000 Arbeitsplätze entstehen werden. Bis zum Jahr 2020 sollen noch einmal 195000 Arbeitsplätze hinzukommen. Das sind Zahlen, die Prognos auf der Basis der gegenwärtigen Energiepolitik der rot-grünen Bundesregierung errechnet hat. Oder kommen wir zu den Mitteln zur Altbausanierung, die in den nächsten drei Jahren jährlich 400 Millionen DM ausmachen werden. Dies wird aus den Zinsersparnissen aufgrund des Verkaufs der UMTS-Lizenzen bezahlt, wogegen Sie klagen wollen. Man geht bei der Altbausanierung von einem Arbeitsplatzzuwachs in einer sechsstelligen Höhe aus. Diese Zahlen sollten Ihnen zu denken geben, wenn Sie versuchen, die rot-grüne Energiepolitik madig zu machen.

Wir haben selbstverständlich die Förderbedingungen am Markt ausgerichtet. Sie wissen genau, dass das Einspeisegesetz degressiv gestaltet ist. Es geht jetzt um eine breite Markteinführung der erneuerbaren Energien, um Exportchancen zu sichern und die Dinge billiger zu machen. Es gibt vom Umweltbundesamt Schätzungen über die Kostensenkungen. Diese Kostensenkungen betragen bis zum Jahr 2010 bei der Windenergie bei einer konstanten Produktion 20%, bei der Photovoltaik bei einer zwanzig- bis dreißigfachen Produktion bis 60%. Bei zehnfacher Produktion liegt die Kostensenkung bei der Biomasse bei zirka 15%. Diese durch die Markteinführung zu erwartenden Kostenreduktion findet sich in der gegenwärtigen Fördersituation wieder. Das ist eine vernünftige Energiepolitik, die der Umwelt und den Arbeitsplätzen hilft. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.

(Freiherr von Rotenhan (CSU): Das Gegenteil ist der Fall!)

Sie glauben, man könne die erneuerbaren Energien unter ferner liefen subsumieren. Es gibt weitere Studien,

die insgesamt von einer Energieeinsparung und Energieeffizienz von über 50% bis zum Jahr 2050 ausgehen. Für die benötigte restliche Energiemenge wird von einem Potenzial der erneuerbaren Energien von über 90% ausgegangen. Das ist das Ergebnis einer Studie unter anderem von Bölkow-Systemtechnik, die der Enquete-Kommission des Landtags vorgelegt wurde und den CSU-Mitgliedern der Kommission bekannt sein müsste.

Bundesweit, bezogen auf das technische Potential der erneuerbaren Energien werden nach einer Studie des Umweltbundesamtes im Bereich Wärme- und Brennstoffnutzung gerade einmal zu 2% ausgenutzt, bei der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien beträgt der Ausnutzungsgrad gerade mal 4,5%. Das Fazit dieser Studie des Umweltbundesamtes lautet:

Das technische Potenzial liegt – zusammengenommen – etwa in der Größenordnung der Hälfte des derzeitigen Endenergieverbrauchs in Deutschland.

Würden Windkraft- und Photovoltaikanlagen in Bayern entsprechend ausgebaut, so könnte allein durch Strom in der Menge erzeugt werden, die in Bayern zur Zeit produziert wird. Daran sieht man, wie hoch die Wachstumspotenziale sein können, wenn Energiepolitik zukunftsorientiert ausgestaltet wird. Diese Bedingungen haben wir gegenwärtig.

In unserem Dringlichkeitsantrag haben wir drei Punkte gefordert, die sehr vernünftig sind, nämlich dass tatsächlich die Energiestruktur in Bayern sozial- und umweltverträglich umgebaut werden muss, dass wir ein hohes Arbeitsplatzpotenzial in diesem Bereich haben, welches ausgeschöpft und ausgebaut werden muss, und wir haben noch einmal darauf hingewiesen, dass die Stilllegungen konventioneller Kraftwerke und gleichzeitige Stromimporte aus maroden Kraftwerken wie zum Beispiel aus Tschechien nicht hinnehmbar sind.

(Zuruf des Abgeordneten Hofmann (CSU))

Es steht doch im Dringlichkeitsantrag.

(Hofmann (CSU): Sie sprechen vom Eindämmen!)

Ja, vom Eindämmen. Wir können sie nicht von heute auf morgen abschalten.

(Fortgesetzte Zurufe des Abgeordneten Hofmann (CSU))

Sie können sich zu Wort melden. Lassen Sie mich nun aber bitte meine Anmerkungen machen.

(Fortgesetzte Zurufe des Abgeordneten Hofmann (CSU))

Ich freue mich, dass Sie mir aufmerksam zuhören und sogar unseren Antrag gelesen haben. Das ist sehr erfreulich.

(Zuruf des Abgeordneten Loscher-Frühwald (CSU))