Protokoll der Sitzung vom 09.11.2000

Tagesordnungspunkt 9

Antrag der Abgeordneten Dr. Kronawitter, Dr. Kaiser, Lochner-Fischer und anderer (SPD)

Expertinnenforum für Information und Kommunikation (Drucksache 14/1863)

Ich eröffne die Aussprache. Redezeit: 15 Minuten pro Fraktion. Wortmeldungen? – Frau Dr. Kronawitter, bitte.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß, dass es nervt, wenn einzelne Anträge zu so später Stunde hochgezogen werden.

(Zuruf von der CSU: Ziehen Sie ihn runter – Heiter- keit)

Sie werden gleich verstehen, warum wir von der SPD diesen Antrag hochziehen mussten. Frau Präsidentin hat das Thema genannt. Wir haben zwei Gründe dafür, den Antrag betreffend Expertinnenforum für Information und Kommunikation hier nochmals anzusprechen. Erstens. Die CSU hat sich bei der Behandlung dieses Antrags nicht nur lang Zeit gelassen, sondern sie hat auch sehr laviert. Der Antrag wurde im Fachausschuss vor einem Jahr behandelt und dort angenommen, und zwar wohlweislich, weil er erkennt, dass für Frauen in der Wirtschaftspolitik etwas auf den Weg gebracht werden muss. Im Finanzausschuss lief es dann anders. Der Finanzausschuss – Herr Dr. Bernhard, ich habe das im Protokoll nachgelesen – hatte zunächst Bedenken, dass ein derartiges Beratungsgremium enorm viel Geld kosten würde. Das ist kaum vorstellbar, weil die anderen Gremien offensichtlich ganz wenig kosten. Doch als nach einer Bedenkzeit von fünf Monaten die SPD monieren musste, damit der Antrag wieder auf die Tagesordnung kam, haben Sie ihn abgelehnt nach dem Motto: Das brauchen wir gar nicht. Es ist gut, wenn Ihre Meinungsbildung noch etwas konkreter geworden ist; dazu können Sie heute noch etwas sagen.

Zweitens. Nach wie vor besteht ein eklatanter Mangel an EDV-Fachkräften. Wir wissen, dass es mit ausländischen Fachkräften nicht so laufen wird, wie man sich das vorgestellt hat. Mittel- und langfristig muss das heimische Arbeitspotenzial verstärkt werden. Daher müssen Frauen und Männer gleichermaßen in diese zukunftsträchtigen Berufe gebracht werden. Und deswegen müssen Strategien entwickelt werden, wie Frauen und Mädchen in diese Berufe gelockt werden können, wie sie dort gut plaziert werden und vorwärts kommen können.

Ziel des Antrags ist, ein Beratungsgremium mit Expertinnen, die aus der Informations- und Kommunikationswissenschaft und –wirtschaft kommen, bei der Staatsregierung anzusiedeln. Es geht um politische Beratung und darum, dass Erfahrungen und Kenntnisse, über die Fachfrauen verfügen, in die bayerische Landespolitik eingespeist werden. Es geht außerdem auch darum, dem Thema Frauen und Mädchen in der Informationsund Kommunikationswirtschaft mehr Öffentlichkeit zu verschaffen.

(Unruhe)

Meine Herren Kollegen von der CSU, Sie sollten auch darüber nachdenken. Außerdem soll eine stärkere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreicht werden. Dafür sind Strategien nötig. Das gilt insbesondere für diesen Wirtschaftszweig. Kollegen aus der CSU haben mich gefragt, ob ein solches Gremium wirklich nötig sei, da die Staatsregierung schon so viele habe. Ich habe nachgeschaut: Es sind tatsächlich viele, aber ich habe dabei auch gesehen, dass unter den weit über 100 Gremien

der Frauenanteil erschreckend gering ist. In den zwölf Beratungsgremien im Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr sind es gerade sieben Prozent, und woanders ist es nicht sehr viel besser.

Es gibt eine Ausnahme, in der nur Frauen im Gremium sind. Das ist das Wirtschaftsforum bei Frau Staatsministerin Stamm. Ehe ich den Antrag gestellt habe, habe ich mir sehr genau überlegt, ob dieses Beratungsgremium unser Ziel erreichen kann. Ich war mit den Frauen, die im Gremium sitzen, der Meinung, dass das anderswo angesiedelt sein muss, in einem Gremium, in dem mehr Fachthematik behandelt werden kann.

Ich will Ihnen noch einige Zahlen als Beweis nennen, warum unbedingt etwas getan werden muss. Wir wissen heute, dass die Mädchen in den neuen IT-Ausbildungsberufen gerade mit 13 Prozent vertreten sind. Wir wissen auch, dass in den Kernbereichen der Computerbranche der Frauenanteil 23 Prozent beträgt und dass nur 12 Prozent der Informatikstudenten Frauen sind. Eine weitere Zahl muss man immer wieder ins Gedächtnis rufen: Zwei Drittel aller bayerischen Mädchen wählen heute noch zwischen den zehn klassischen Frauenberufen, und das sind beileibe keine Berufe, die in der Information und Kommunikation angesiedelt sind. Wir brauchen also Strategien und Maßnahmen, um ein Umdenken zu erreichen.

In der langen Zeit, in welcher der Antrag irgendwo unterwegs war, habe ich das sehr genau verfolgt. Ich habe genau registriert, dass Staatsminister Huber lediglich ein Appell an die Frauen einfiel. Ich habe gestern mit Interesse die neueste Anfrage der CDU/CSU im Bundestag zur Kenntnis genommen, die Bundesregierung solle doch Auskunft darüber geben, wie sie den Frauenanteil im Informations- und Kommunikationsbereich erhöhen wird. Ich habe angenommen, dass dieser Antrag dazu gedacht ist, um die Fantasie bei der CSU anzuregen, was man landesbezogen tun kann. Ich selbst habe mich sehr intensiv mit dem Programm der Bundesregierung auseinandergesetzt und freue mich auf die Antwort, weil darin nicht nur das große Aktionsprogramm D 21 mit einer Fülle von Maßnahmen enthalten sein wird, sondern auch die Vereinbarung im Bündnis für Arbeit, dass der Frauenanteil in den nächsten fünf Jahren von 23 auf 40 Prozent erhöht werden soll. Sie werden von der Antwort der Bundesregierung viele Anregungen bekommen. Aus ihr wird auch sichtbar werden, dass es im Bundeswirtschaftsministerium ein derartiges Expertinnenforum gibt. Mir ist vor wenigen Tagen gesagt worden, dieses habe sich als Politikberatungsinstrument bestens bewährt. Dazu kann man nur sagen: nachmachen.

Wir haben erst vor kurzem gelesen, dass die CSU Frauen umwirbt. Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich bitte Sie, das zu tun, und zwar nicht nur mit plakativen Worten, sondern auch durch Entscheidungen, welche die Frauen weiterbringen, damit sie dort tätig werden, wo sie eine Zukunft haben und gebraucht werden. Damit helfen Sie sowohl den Frauen als auch der Wirtschaft. Bitte entscheiden Sie sich für den Antrag!

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau Kollegin Dodell.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der fortgeschrittenen Zeit erspare ich Ihnen und uns eine tiefergehende Debatte.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin Kronawitter, so dramatisch ist die Geschichte der Beratung des Antrags nicht. Der Haushaltsausschuss hat sich Zeit gelassen, um genauer die Gremienstruktur zu erforschen. Er war in diesem Punkt wohl etwas anderer Auffassung als der Wirtschaftsausschuss. Ich stimme Ihnen darin zu, dass die Gremien, vor allem im Wirtschaftsministerium, nicht stark mit Frauen besetzt sind. Deswegen halten wir es für sinnvoll, ein solches Gremium einzurichten, und zwar in Abänderung Ihres Antrags direkt bei der Staatskanzlei.

Ich glaube, dass wir die Bedenken des Haushaltsausschusses zerstreuen können, dass dadurch enorme Kosten oder stark veränderte Strukturen entstehen.

Ich glaube, dass ein solches Gremium ohne große Kostenmehrung einzurichten ist. Vor allen Dingen – um noch einmal zur Sache zu kommen -: Wenn wir wirklich Impulse geben wollen, damit Frauen in Zukunft einen besseren Zugang zur IuK-Branche als bisher haben – das muss sein –, dann ist es auch unserer Auffassung nach sinnvoll, ein spezielles Gremium einzurichten. Wir hoffen auch, dass von diesem Gremium die entsprechenden Impulse ausgehen werden, Frau Kollegin Kronawitter. Die CSU-Fraktion wird dem vorliegenden Antrag ihre Zustimmung geben.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat nun Frau Münzel.

(Kaul (CSU): Es wurde doch Zustimmung signalisiert! Was soll das? Haben Sie etwas gegen den Antrag, Frau Münzel? – Zuruf des Abgeordneten Herrmann (CSU) – Weitere Zurufe von der CSU)

Vielleicht darf ich auch etwas sagen, Herr Kollege Kaul. Sie werden es jetzt noch eine Minute aushalten. – Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kaul, hören Sie mir jetzt noch eine Minute zu. Wir begrüßen – –

(Fortgesetzte Zurufe von der CSU)

Sie verlängern die Sitzung. – Das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßt jede Initiative, die die Position von Frauen in der Informations- und Kommunikationstechnologie stärkt. Dieser Sektor boomt. Frauen müssen dort nicht nur vertreten sein, sondern auch mitgestalten. Ich freue mich sehr, dass die CSU Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag signalisiert hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der CSU – Dr. Bernhard (CSU): Da freuen wir uns auch!)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr und Technologie empfiehlt auf Drucksache 14/4557, dem Antrag mit der Maßgabe zuzustimmen, dass die Worte „im Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie“ durch die Worte „in der Bayerischen Staatskanzlei“ ersetzt werden. Dagegen schlägt der Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen vor, den Antrag abzulehnen.

Wer entgegen dem Votum des mitberatenden Haushaltsausschusses dem Antrag mit der vorgeschlagenen Änderung seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist anscheinend das gesamt Hohe Haus. Gegenstimmen? – Eine Gegenstimme aus der CSU-Fraktion.

(Heiterkeit)

Gibt es Stimmenthaltungen? – Ich sehe keine. Dann ist der Antrag so beschlossen.

Ich rufe nun auf:

Tagesordnungspunkt 10

Antrag der Abgeordneten Kellner, Paulig, Schammann und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bericht über die Sondermüllentsorgung in Bayern (Drucksache 14/3113)

Mir ist signalisiert worden, dass keine Aussprache dazu stattfinden soll.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Dann kommen wir gleich zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Landesentwicklung und Umweltfragen empfiehlt, den Antrag abzulehnen. Dagegen schlägt der mitberatende Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr und Technologie vor, den Antrag in unveränderter Fassung anzunehmen.

Wer dem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist das gesamte Hohe Haus. Gegenstimmen? – Ich sehe keine. Stimmenthaltungen? – Es gibt keine. Somit ist auch diesem Antrag zugestimmt worden.

Der noch nicht aufgerufene Tagesordnungspunkt 11 soll morgen behandelt werden. Besteht Einverständnis darüber? – Das ist der Fall.

Außerhalb der Tagesordnung gebe ich bekannt, dass die Anträge mit den Drucksachennummern 14/2817, 14/3141, 14/3284, 14/3859, 14/3869, 14/3981, 14/4208 und 14/4218 sowie aus der Anlage 6 die Drucksache 14/3711 ihre Erledigung gefunden haben. Ich stelle fest: Das Hohe Haus nimmt davon Kenntnis.

Meine Damen und Herren, damit ist unsere Tagesordnung für heute erledigt. Ich danke Ihnen für diesen langen Tag und wünsche Ihnen einen guten Nachhauseweg.

(Schluss: 21.35 Uhr)