Protokoll der Sitzung vom 12.12.2000

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Reparatur Ihres „Ökosteuerschadens“ ist Murks. Ich werde das kurz und knapp an ein paar Beispielen belegen: Die Entfernungspauschale bringt einigen, die unter Ihrer Politik leiden, überhaupt nichts. Ich nenne als Beispiel den gewerblichen Güterverkehr. Das deutsche Transportgewerbe ist doppelt geschlagen: Es muss Ihre Ökopreissteigerungen mitmachen. Außerdem werden Sie – wenn ich das nächste Jahr einrechne – diesen Unternehmen pro Lkw über 10000 DM von dem Kapital wegnehmen, das diese Unternehmen dringend für Investitionen brauchen. Das bedeutet für diese Betriebe eine Existenzgefährdung. Wenn Sie die Rechnungen dieser Betriebe betrachten, werden Sie feststellen, dass ihnen die Verkürzung der Rentenbeiträge nichts nützt. Im Vergleich zu dem Betrag, den Sie mit der Ökosteuer absahnen, ist dieser Betrag äußerst gering.

60% dieser Ökosteuer werden für die Rentenbeiträge der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber verwendet. 40% der Ökosteuer werden für die Bezahlung rentenfremder Leistungen verwendet.

(Gartzke (SPD): Die Sie eingeführt haben!)

Diese rentenfremden Leistungen müssten Sie ansonsten aus dem Haushalt finanzieren. Meine Damen und Herren, andere Länder waren klug und haben die Mineralölsteuer für das Gewerbe reduziert. Das waren die Länder Frankreich, Belgien, die Niederlande und Italien. Deshalb steht unser Gewerbe unter einem ungeheuren Druck. In den nächsten Jahren werden viele Unternehmen in den Ruin gehen, was zu einer Vernichtung von Arbeitsplätzen führt. Ich frage mich, was aus den Zusagen des Herrn Bundeskanzlers und des Fraktionsvorsitzenden Struck geworden ist, die gesagt haben, dass sie helfen würden. Schon aus diesem Grunde wollen wir über eine Zustimmung der Entfernungspauschale dieser Ökosteuer nicht indirekt zustimmen. Diese Steuer ist für die Wirtschaft eine K.o.-Steuer.

Schwierigkeiten gibt es nicht nur beim Transportgewerbe. Viele Leute sind beruflich auf das Auto angewiesen, obwohl sie nicht jeden Tag zur Arbeit und zurück fahren. Die Handelsvertreter werden ungeheuer stark belastet und erhalten von Ihnen keine Hilfe. Herr Kollege Grabner hat bereits erklärt, dass diese Ökosteuer auch für viele Arbeitnehmer nur eine unzureichende Entlastung bringt. Dies gilt insbesondere für Arbeitnehmer mit kleinen und mittleren Einkommen. Bei anderen Personen wird hingegen eine Überkompensation eintreten. Ich frage Sie, ob dies angesichts der Belastungen für kleine Einkommensbezieher noch vertretbar ist. Wie passt diese Regelung mit dem geltenden Steuerrecht zusammen? Wenn ich es richtig im Kopf habe, sind Werbungskosten Aufwändungen zum Erwerb und zur Sicherung

von Einkünften. Sie sind nicht eingeführt worden, um einer bestimmten Gruppe von Leuten zusätzliche Einkünfte zu verschaffen. Ich nenne zum Beispiel die Personen, die gut verdienen und mit der Bahn fahren. Das macht steuerpolitisch keinen Sinn. Sie wollen sich offenbar die neue Mitte mit Geschenken sichern.

Meine Damen und Herren, das Gesetz, das Sie vorschlagen, ist nicht zielführend. Es kuriert lediglich an einzelnen Symptomen, ohne die Ursachen der Fehlentwicklung zu beseitigen. Auch wenn die Preissteigerungen auf dem Rohölmarkt mit zu diesen Preiserhöhungen geführt hat: Die Ökosteuer trägt wesentlich zu diesen Fehlentwicklungen bei. Durch sie werden die Kosten für die Berufspendler nach oben getrieben. Dies kann nicht durch eine Entfernungspauschale, sondern nur durch die Beseitigung der Ökosteuer korrigiert werden. Wenn Sie hier ansetzen, werden Sie vielen Menschen in diesem Land helfen.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat Herr Kollege Gartzke.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ein paar Sätze zu Herrn Kollegen Dinglreiter sagen: Es ist immer sehr interessant, wie in diesem Hause argumentiert wird. Heute habe ich zum ersten Mal gehört, dass die beiden Mineralölsteuererhöhungen, die unter Bundesfinanzminister Dr. Waigel eingeführt worden sind, für die Bahn und zum Ausbau der Straßen nach der Deutschen Einheit verwendet werden sollten. Früher haben Sie mit dem Golfkrieg argumentiert. Klar ist, wenn diese Mineralölsteuererhöhungen für den Straßenbau vorgesehen waren, waren sie nicht ausreichend, weil der Straßenbau noch immer nicht abgeschlossen ist.

(Beifall bei der SPD)

Auch die Bundesbahn hat nicht genügend Geld erhalten. Weil wir gerade beim Richtigstellen sind: Die Handelsvertreter sind Selbstständige, die ihre Fahrtkosten absetzen können. Wir sollten uns bewusst sein, dass es bei der Ökosteuer auch um Umweltpolitik geht. Die Umweltpolitik befindet sich an einem Scheideweg. Seit 30 Jahren wird in Bayern Umweltpolitik betrieben. Auch im Bund und in den Ländern ist in diesem Zeitraum viel geschehen. Derzeit stößt das Ordnungsrecht an seine Grenzen. In Bayern sind inzwischen Gesetze mit einem Umfang von 80000 Seiten für die Umwelt erlassen worden. Hinzu kommen Verordnungen, die einen Umfang von 300000 Seiten haben. Allerdings hapert es am Vollzug.

Wir können das Ordnungsrecht nicht weitertreiben. Wir können es allenfalls präzisieren. Deshalb ist es sinnvoll und richtig, wenn wir uns über andere Instrumentarien Gedanken machen. Ich spreche von angebotsorientierten Instrumentarien. Wir müssen den Menschen sagen, dass wir auf dem Energiesektor nicht wie bisher weitermachen können. Die Energie und die Ressourcen sind beschränkt. Deshalb macht es Sinn, diese zu besteuern und damit zu verteuern. Wichtig ist, dass wir diese Res

sourcen schrittweise verteuern, damit sich die Bürger darauf einstellen können. Dieses Geld darf nicht in die Kassen gesteckt oder verfrühstückt werden, wie das 16 Jahre lang gemacht wurde. Die Haushalte sind in diesen 16 Jahren nämlich trotzdem nach unten explodiert. Vielmehr sollte dieses Geld in die Rentenversicherung gesteckt werden.

Herr Kollege Dinglreiter, dieses Geld wird nur in die Rentenversicherung gesteckt. Das ist eine Tatsache. Natürlich werden aus dieser Rentenversicherung auch versicherungsfremde Leistungen bezahlt. Aber wer hat denn diese versicherungsfremden Leistungen eingeführt? Ich nenne nur das Stichwort „Fremdrenten“. Diese Renten müssen öffentlich finanziert werden.

(Beifall bei der SPD)

Es ist nicht einzusehen, dass sich die Beamten und die Landwirte nicht an diesen versicherungsfremden Leistungen beteiligen. Dies ist eine Frage der Gerechtigkeit. Wir wollen nicht mit dem Zeigefinger und oberlehrerhaft lenken. Vielmehr wird es langfristige Prozesse geben. Die Autos werden nicht von heute auf morgen gekauft. Heizungen werden nur alle 20 Jahre ausgewechselt. Energie ist wichtig und wertvoll. Sie ist eine beschränkte Ressource, die ihren Preis hat. Eine Verteuerung der Energie bietet auch Chancen, weil zum Beispiel für Heizungen Geld investiert werden muss. Diese Politik hat bereits zu Erfolgen geführt. Ich darf Ihnen die Zahlen nennen: Im August, September und Oktober 2000 wurde der Benzin– und Dieselverbrauch um 4 bis 5% reduziert. Die Novemberzahlen liegen noch nicht vor. Der Anteil des Rapsöls am Dieselkraftstoff betrug 1997 noch 0,25%, während er heute bei 1,2% liegt. Bei den Automobilhändlern wird ein Drittel aller Neuwagen nur unter dem Gesichtspunkt des Benzinverbrauchs gekauft. Bei einem weiteren Drittel spielt der Benzinverbrauch eine große Rolle. Die übrigen Käufer interessieren sich überhaupt nicht für den Benzinverbrauch. Diese Leute haben anscheinend genügend Geld.

Ich halte es für sinnvoll, dass echte soziale Härten abgefedert werden. Für die Heizkosten werden Zuschüsse gewährt, obwohl die Ökosteuer auf das Heizöl nicht das Problem darstellt. Die zweite Abfederung erfolgt durch die Entfernungspauschale. Diese Entfernungspauschale ist eine echte Umweltchance für den ÖPNV. Damit wird der Umstieg auf die Schiene und die Bildung von Fahrgemeinschaften gefördert. Es wäre schade, wenn Sie diese Chance für Bayern nicht sehen und diese Sache im Bundesrat nicht unterstützen würden.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Kobler.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Kollegen von der Opposition, Sie haben wahrlich einen sehr schmalen Pfad mit der Argumentation betreten, dass die Leute durch diese Entfernungspauschale zu den Gewinnern gehörten. Ich halte es für eine kühne Darstellung, wenn

Frau Kollegin Kellner von einer sozialen Großtat und Herr Kollege Maget von Segen spricht.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Öko-Mineralölsteuer macht nach Überzeugung der CSU-Fraktion viele Menschen – den größten Teil der Menschen – unseres Landes zu Verlierern und nicht zu Gewinnern. Gewinner sind nur die Pendler, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren können. Es mag sein, dass es ein „Umstiegsförderungsprogramm“ vom eigenen Pkw zu den öffentlichen Verkehrsmitteln ist, so weit diese Möglichkeit besteht. Leider ist Bayern ein Flächenstaat. Das heißt, dass viele Arbeitnehmer und Pendler nicht das Glück haben, auf öffentlich subventionierte öffentliche Verkehrsmittel zurückzugreifen. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Sie schaffen damit ein Zwei-Klassen-Berufspendlertum. Diejenigen, die öffentliche Verkehrsmittel benutzen können, werden doppelt gefördert, nämlich über die Förderung der Mineralölsteuer beim Betrieb und der billigen Anschaffung, das heißt mit billigen Fahrpreisen. Die anderen Berufspendler lassen Sie mehr oder weniger hängen. So viel zu den Arbeitnehmern. Aber Sie haben Familien, Pendler, Mieter, Rentner, Studierende, Arbeitslose oder Sozialhilfeempfänger vergessen.

(Zuruf des Abgeordneten Gartzke (SPD))

Diese Personenkreise haben Sie offensichtlich völlig vergessen. Sie haben sie abgeschrieben. Darüber haben Sie heute kein einziges Wort verloren. Ihnen nützt es auch nichts, auf die Rentenversicherung abzustellen. Die Renten über die „Zapfsäule“ an Tankstellen zu finanzieren wird ein Weg sein, der keine lange Dauer haben wird.

(Vereinzelter Beifall bei der CSU)

Das ist ein unguter Weg.

(Maget (SPD): Wie denn dann? – Zuruf der Frau Abgeordneten Werner-Muggendorfer (SPD))

Kollege Gartzke hat die Fremdrenten angesprochen. Wir sollten untereinander fair bleiben.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Ja, fair sollten wir sein!)

Für den Akt der Solidarität gab es bundesweiten Konsens, nämlich die Aussiedler und nach der Wende die Leute zu den gleichen Bedingungen ins Versorgungssystem aufzunehmen. Uns das vorzuwerfen ist ein übler Stil.

Die Entfernungspauschale ist unzureichend.

(Maget (SPD): Machen Sie einen besseren Vorschlag! – Weitere Zurufe von der SPD)

Sie ist ungerecht, weil viele keine Kilometerpauschale beanspruchen können. Die Höhe der Entfernungspauschale ist seit Jahrzehnten ein Thema.

(Zurufe von der SPD)

Ich möchte auf die einzelnen Stufen der Diskussion über die Entfernungspauschale, Kollege Maget, nicht eingehen.

(Maget (SPD): Nur einen Vorschlag bitte!)

Es ist schwierig, einen gewissen Ausgleich zu schaffen. Es war immer eine Hängepartie. Sie schaffen eine noch größere Kluft als es sie bisher gab.

(Zuruf des Abgeordneten Wahnschaffe (SPD))

Der Mineralölpreis von 2 DM bedeutet eine immense Steigerung für die Pendler, die 30 oder 40 Kilometer täglich in die Arbeit zu fahren haben. Dem können Sie keinen Gewinn entgegenstellen. Sie können den Arbeitnehmern gegenüber die hohen Spritpreise nicht begründen. Sie können das insbesondere nicht den Arbeitnehmern im ländlichen Raum begründen, die nicht auf subventionierte Massenverkehrsmittel zurückgreifen können.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Sie haben ihnen nicht geholfen!)

Das führt zu Ungerechtigkeiten, die nicht länger hingenommen werden dürfen. Sie verstoßen gegen das Gleichheitsprinzip, weil Sie eine „Hängepartie der Gerechtigkeit“ schaffen, indem Sie die, die die öffentlichen Verkehrsmittel beanspruchen, wesentlich besser stellen als die anderen, die das nicht können. Das ist ungut.

Meine Damen und Herren, Berufspendler müssen in der jetzigen Kostensituation bereits 30% und mehr ihres Einkommens für Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte aufwenden. Dafür ist in erster Linie die rotgrüne Bundesregierung Urheberin. Ich sage offen: Die überhöhte Belastung führt zum Teil zur Arbeitsverweigerung der Leute in einfachen Arbeitsverhältnissen, weil es sich nicht mehr rechnet, 1500 DM bis 1800 DM im Monat – laut ADAC – für Fahrtkosten aufzuwenden. 20% Steuer, 20% Sozialabgaben und 30% Fahrtaufwand; das ist des Guten zu viel. Reden Sie mit Arbeitnehmern, die zum Beispiel von Augsburg nach München oder von Regen nach Passau fahren. Das Verhältnis der steuerlichen Wirksamkeit liegt bei 1 : 4. Das ist nicht hinnehmbar. Das ist eine große soziale Ungerechtigkeit. Weil die rot-grüne Bundesregierung die Einkommensschwachen übersehen hat, fordern wir die Staatsregierung auf, dieser Regelung im Bundesrat nicht zuzustimmen.

Herr Kobler, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Das muss ich bei meinem Einsatz für die Schwachen völlig übersehen haben.

(Beifall bei der CSU)

Als nächste Rednerin hat Frau Kollegen Lück das Wort. Bei der Gelegenheit möchte ich bekannt geben, dass die SPD namentliche Abstimmung zu dem Dringlichkeitsantrag beantragt hat, der jetzt zu

diesem Tagesordnungspunkt behandelt wird. Frau Kollegin Lück.

Herr Präsident, werte Kolleginnen, liebe Kollegen! Insbesondere liebe Kollegen von der CSU, mir kommen die Tränen, wenn ich Ihnen zuhören muss, wie sozial Sie zu den Mittel- und Kleinverdienern, wie sozial Sie zu den Familien, wie sozial Sie zu den Rentnern gewesen sein wollen.

(Kobler (CSU): Die Rentner werden sich bei Ihnen bedanken!)