Protokoll der Sitzung vom 12.12.2000

(Gabsteiger (CSU): Sie können leicht Schwerpunkte setzen!)

Die Hochschulen wissen das. Sie tun viel. Sie wollen sich für ausländische Wissenschaftler und Studierende attraktiv machen. Darum bemühen sich die Hochschulen. Die Politik der Staatsregierung müsste sie endlich tatkräftig unterstützen.

(Gabsteiger (CSU): Vor dem fürchtet sich der Zehetmair nicht!)

Die bayerische Hochschulpolitik muss endlich intensiv auf die Beseitigung von Wettbewerbsnachteilen von Frauen hinarbeiten. Deswegen haben wir in unseren Haushaltsanträgen die Initiativen der Münchner und anderer Hochschulen aufgegriffen. Wir fordern ein Sonderprogramm „Wettbewerbsgleichheit“ zur Überbrückung von Mutterschutzzeiten, Mentoringprogramme und die Unterstützung von Familienarbeit. Wir fordern ein Sommerprogramm „Sommerhochschule“, „Mädchen machen Technik“. Diese Initiativen gibt es an bayerischen Hochschulen. Aber wir brauchen solche Initiativen flächendeckend und nicht nur an einzelnen Hochschulen. Wir brauchen sie intensiver. Sie, Herr Minister, haben im Hochschulausschuss gesagt, dass die Hochschulen die Wichtigkeit des Themas nicht erkannt hätten, wenn sie nicht in der Lage seien, Mädchen zu fördern. Dieser Vorwurf fällt an Sie, Herr Minister, zurück. Wenn Sie nicht bereit sind, Frauen und Mädchen zu fördern,

(Ach (CSU): Mädchen gehen in die Schule!)

dann haben Sie die Wichtigkeit des Themas nicht erkannt. Das sind Ihre Worte. Die Hochschulen brauchen für alle diese Initiativen Unterstützung. Davon spüren wir im vorliegenden Haushaltsentwurf nichts.

Wir beraten heute auch den Kulturhaushalt. In den letzten Wochen war viel von Kultur die Rede – meist von Leitkultur. Ich wundere mich, dass Herr Beckstein nicht hier ist.

(Gabsteiger (CSU): Er hat Wichtigeres zu tun!)

Ich habe fest damit gerechnet, dass er heute in die Debatte eingreifen wird. Er macht sich zur Zeit wirklich für die Kultur stark. Nach dem, was ich alles gelesen habe, habe ich gedacht, wir hätten einen neuen Minister für Kultur und Leitkultur.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Dr. Spaenle (CSU) – Weitere Zurufe von der CSU – Glocke des Präsidenten)

Ich dachte, er hätte Ihren Platz übernommen, Herr Minister. Herr Beckstein hat neulich einen Satz gesagt, der seine kulturelle Kompetenz verdeutlicht. Herr Beckstein hat auf dem CSU-Parteitag über die Leitkultur gesprochen. Herr Hofmann, Sie waren wahrscheinlich dabei. Er hat gesagt, unter Leitkultur verstehe er, dass es keine Minarette in einem oberbayerischen Dorf geben könne.

(Hofmann (CSU): In einem Dorf!)

Das hat er gesagt.

Gleichzeitig hat er gesagt, dass türkische Frauen mindestens so viel zu sagen haben müssten wie ihre Männer.

(Zuruf von der CSU: Seid Ihr dagegen?)

Das ist das gesamte kultur- und gesellschaftspolitische Konzept der CSU im Nucleus. Das ist der gesamte intellektuelle Reichtum – verdichtet in zwei Halbsätzen.

Es lohnt sich, dass man genauer hinschaut. Leitkultur bedeutet für die CSU – das ist für Sie wichtig, Herr Hofmann, damit Sie es später weitererzählen können

(Hofmann (CSU): Nicht nur für mich!)

Leitkultur bedeutet, dass es keine Minarette in einem oberbayerischen Dorf geben könne. Das ist deutlich.

So deutlich ist es aber auch wieder nicht, denn es stellen sich etliche Fragen. Sind oberbayerische Dörfer der CSU besonders heilig? Sind Minarette in schwäbischen und fränkischen Städten nicht so schlimm? In Schwaben gibt es bereits ein Minarett. Ist die oberbayerische Kultur jetzt die bayerische Leitkultur, von der Sie immer reden? Sollen sich jetzt alle übrigen Bayern an uns Oberbayern anpassen? Wollen Sie das? Herr Beckstein will das. Lernt Herr Beckstein jetzt oberbayerisch?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Heiterkeit)

Wer soll ihm das beibringen? Ich nicht. Es sind Herrn Becksteins Äußerungen, die ich hier zerlege. Ich frage mich, in welchem Land Herr Beckstein eigentlich lebt.

(Hofmann (CSU): Herr Kollege Regensburger hat sich schon gemeldet!)

Das macht nichts, er kann später reden.

Es sind noch keine fünfzig Jahre her, dass ein Evangelischer wie Herr Beckstein allergrößte Schwierigkeiten hatte, seine Religion in einem oberbayerischen Dorf auszuüben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In manchen Dörfern hätte er sich nicht einmal beerdigen lassen können. Heute will er anderen Menschen die Ausübung ihrer Religion erschweren. Herr Beckstein kann froh sein, dass es eine Entwicklung gegeben hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er kann froh sein, dass damals die Mehrheit der Oberbayern nicht auf eine Leitkultur gepocht und gesagt hat, dass es überhaupt nicht in Frage komme, dass in Oberbayern evangelische Kirchtürme herumstünden oder auf oberbayerischen Friedhöfen evangelische Leichen herumlägen. Das hat man damals in Oberbayern Gott sei Dank nicht gesagt.

Jeder, der das Recht hat, in Oberbayern zu wohnen, hat auch das Recht, sich hier zu Hause zu fühlen. Das gilt auch für Herrn Beckstein. Wir wollen keine Bayern erster und zweiter Klasse und auch keine Oberbayern erster und zweiter Klasse.

Ich frage mich, in welchem Land Herr Beckstein eigentlich lebt. Es ist doch nicht die Aufgabe eines Ministers zu sagen, ob in einem oberbayerischen Dorf ein Minarett stehen darf oder nicht. Das kann bei uns jedes Dorf selbst entscheiden. Dafür braucht ein bayerischer Gemeinderat keinen Minister Beckstein. Bei uns gibt es die Planungshoheit der Gemeinden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Brosch (CSU): Wovon reden Sie eigentlich?)

Es wäre doch noch schöner, wenn der Minister Beckstein einer bayerischen Kommune sagen dürfte, was diese bauen darf und was nicht.

Noch schöner ist der zweite Teil des Satzes zur Leitkultur, in dem es heißt, dass gerade türkische Frauen in Deutschland mindestens so viel zu sagen haben müssten wie die Männer. Das ist gut. Natürlich sollen Frauen so viel wie Männer zu sagen haben, in dieser Beziehung hat Herr Beckstein Recht. Klatschen Sie von der CSU ruhig, Beckstein hat Recht. Ich weiß nur nicht, warum es gerade türkische Frauen sein sollen. Warum ist gerade für türkische Frauen Gleichberechtigung so wichtig. Warum will Herr Beckstein gerade türkische Frauen bevorzugen?

(Herrmann (CSU): Über den Einzelplan des Hauses Beckstein wird morgen geredet!)

Ich komme gleich zu Ihnen, Herr Herrmann. Wie sieht es denn in der CSU aus? Gerade in der CSU sollten die Frauen mindestens so viel wie die Männer zu sagen haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Immerhin ist der Frauenanteil unter den CSU-Abgeordneten von 1946 bis heute dramatisch gestiegen. Statt vier Frauen hat die CSU-Fraktion jetzt schon vierzehn Frauen. Das ist wirklich eine revolutionäre Entwicklung.

(Zurufe von der CSU)

Die Frage der Gleichstellung ist ein schönes Beispiel dafür, wieviel gerade diejenigen von anderen Kulturen lernen können, die glauben, andere belehren zu müssen. Wie sieht es denn mit der Gleichstellung an den bayerischen Hochschulen aus? Fast alle Vorschläge, die wir heuer vorgelegt haben, hat die CSU abgelehnt. Zumindest hat sie sie dann abgelehnt, wenn es um echten Einfluss von Frauen und um die finanzielle Ausstattung gegangen ist. Wir sind der Meinung, dass man endlich Strukturen schaffen muss, um auch Frauen einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen.

(Herrmann (CSU): Wer hat denn den Einfluss von Frau Paulig abgewürgt?)

Frau Kollegin Baumann hat bereits darauf hingewiesen, dass es ein Skandal ist, dass nur weniger als sieben Prozent der bayerischen Professoren Frauen sind. Damit ist Bayern das Schlusslicht der Bundesländer. Das muss einem schon wehtun, aber im internationalen Vergleich sieht es noch schlimmer aus. Der Frauenanteil an den Professuren liegt beispielsweise in Italien, das als Macho-Land angesehen wird, bei zirka 25%, in Spanien, wo es angeblich noch größere Machos als bei uns gibt, bei 33%.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Schade, dass Herr Beckstein nicht hier ist, denn selbstverständlich liegt der Frauenanteil an den Hochschulen auch in der Türkei höher als in Bayern. Einen niedrigeren Anteil als in Bayern findet man kaum irgendwo.

(Hofmann (CSU): Das muss ein Akt der Verzweiflung gewesen sein, als Sie den gewählt haben!)

Wenn wir mit der Türkei mithalten wollen, müssen wir uns sehr anstrengen, weil es in der Türkei den weltweit höchsten Anteil von Frauen an Hochschulen gibt. Das können Sie Herrn Beckstein ausrichten. Strengen Sie sich von der CSU also an, damit Sie die Türkei einholen können. Am besten fangen Sie damit heute schon an, indem Sie unseren Anträgen zustimmen. Helft mit, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, und wenn wir Herrn Beckstein mit ins Boot bekommen, dann klappt das schon.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gelegentlich hat man hier oben den Eindruck, als sei gleichzeitig an fünf oder sechs Kollegen das Wort erteilt worden. Ich wollte nicht eingreifen, weil die Zwischenrufe provoziert waren. Aber das ist nicht der dialogische Stil, der im Parlament üblich sein sollte.

Der nächste Redner ist Herr Kollege Spaenle. Bitte schön, Herr Kollege.

(Hofmann (CSU): Jetzt kommt Niveau in die Debatte!)

Herr Präsident, Hohes Haus! Das hätte die Jungfernrede des neuen Fraktionsvorsitzenden der GRÜNEN sein sollen, es war aber doch eher die Büttenrede eines Bonsais aus dem grünen Komödienstadel.