Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

Ich will gleich auf jene Stimmen eingehen, die Zuwanderung zum Ausgleich des Geburtendefizits für erforderlich halten. Es ist richtig: Das bei uns seit 30 Jahren anhaltende Geburtendefizit wird sich in den kommenden Jahrzehnten nach 2010 auswirken. Bis 2010 werden wir ein Bevölkerungswachstum, übrigens auch von Arbeitskräften haben, danach geht dies aber drastisch zurück. Diese Entwicklung durch Zuwanderung kompensieren zu wollen, ist Illusion. Um die Anzahl der Erwerbspersonen auf dem derzeitigen Niveau konstant zu halten, wäre nach Modellrechnungen eine jährliche Zuwanderung von netto 460000 Personen erforderlich. Sollte der so genannte Alterslastquotient, also das Verhältnis der 15bis 64jährigen zu den 65jährigen und Älteren konstant bleiben, wäre sogar eine jährliche Zuwanderung von 3,4 Millionen und damit bis 2050 von insgesamt 188 Millionen Personen notwendig. Dass Zuwanderung in derartigen Größenordnungen zu einem Zerfall unserer Gesellschaft in multikulturelle Parallelgesellschaften führen würde, liegt auf der Hand. Dies kann niemand ernsthaft wollen.

Der Bevölkerungswissenschaftler Prof. Birg formuliert es so: „Die Bevölkerungsschrumpfung auch in Zukunft durch Einwanderungen aufhalten zu wollen, würde bedeuten, dass immer neue und immer größere Einwanderungsströme zu integrieren wären – eine irrwitzige Vorstellung“ –.

Im Mittelpunkt einer verantwortungsvollen Politik muss die Familie stehen. Dies ist nun nicht mein Ressort, aber

ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass dies eine ganz zentrale Frage ist. Wir müssen daneben sehen, wie wir Zuwanderung in den nächsten Jahren für sozial- und volkswirtschaftliche Notwendigkeiten nutzen. Dafür ist zunächst eine Reduzierung der Armutszuwanderung aus Drittstaaten, wie sie immer noch unter Missbrauch des Asylrechts stattfindet, unerlässlich. Nur zirka 15% der Antragsteller werden als Asylberechtigte anerkannt oder erhalten vorübergehenden Abschiebungsschutz. Die Verfahren müssen deshalb so beschleunigt werden, dass der Missbrauch des Asylrechts insbesondere durch internationale Schleuser unattraktiver wird. Wir schlagen daher vor, das individuelle Grundrecht bei entsprechender Anpassung des Rechtsschutzes in eine institutionelle Garantie umzuwandeln. Selbstverständlich bleibt dabei die Aufnahme wirklich politisch Verfolgter gewährleistet. Die Verfahren könnten dann ähnlich wie in den anderen EU-Ländern beschleunigt entschieden werden.

Wer die Umwandlung des Asylrechts in eine institutionelle Garantie für unvertretbar hält, den weise ich auf die am vergangenen Wochenende in Nizza verabschiedete EU-Grundrechtscharta hin, die ebenfalls diesen Weg einschlägt und in der nicht etwa ein individuelles Asylgrundrecht, sondern lediglich eine institutionelle Garantie vorgesehen ist.

(Dr. Stoiber (CSU): Ein sehr bemerkenswerter Einwand! So ist es nämlich!)

Ich finde es schon ausgesprochen interessant, dass viele, Herr Hahnzog, sich überhaupt nicht gegen die EUGrundrechtscharta wenden, sondern sagen, dass sie ein großer Fortschritt ist, während Sie eine institutionelle Garantie in Deutschland für die absolute Katastrophe halten würden.

(Beifall bei der CSU)

Dazu kann ich nur sagen: Mit einer derartigen Doppelzüngigkeit werden wir in Europa dauerhaft nicht zurande kommen. Ich freue mich, dass ich noch vor Weihnachten in die von Frau Prof. Süssmuth geleitete Kommission „Zuwanderung“ eingeladen bin, um dort ausführlich auch zu diesen Fragen Stellung zu nehmen. Herr Maget, ich habe gestern Abend, wo Sie mich unter Einsatz aller Möglichkeiten etwas außer Gefecht setzen wollten – der Herr Landtagspräsident hatte auch Hilfestellung durch die Zurverfügungstellung seines guten Kellers geleistet –,

(Maget (SPD): Was war denn da los?)

gesagt, dass ich gerne in diese Kommission gehe, um den bayerischen Standpunkt darzustellen, unabhängig davon, dass ich die taktische Aufgabe der Kommission, dieses Thema über die nächste Bundestagswahl hinauszuschieben, für falsch halte, weil das drängende Problem der Zuwanderung schnell gelöst werden muss. Dazu brauchen wir keine unabhängigen Kommissionen, die aufschieben, sondern eine parlamentarische Diskussion zwischen den entsprechenden Kräften.

Zur Sicherung wissenschaftlicher Spitzenleistungen, hoher Innovationskraft und wirtschaftlicher Dynamik

müssen wir natürlich offen sein für ausländische Fachkräfte, Unternehmer und Wissenschaftler. Die damit verbundene maßvolle Zuwanderung qualifizierter Menschen kann auch einen Beitrag zur Abmilderung der demografischen Probleme leisten. Öffnungen kann es deshalb im Rahmen einer genau festgelegten Quote für Arbeitsmigration für entsprechend qualifizierte Fachleute geben, aber nicht etwa in breiter Weise auch für ungelernte und unqualifizierte. Jede andere Lösung, die nicht auf den Arbeitsmarkt Rücksicht nimmt, wäre angesichts von 3,6 Millionen Arbeitslosen nicht vertretbar.

Zentrale Bedeutung hat für mich der Grundsatz, dass Zuwanderung nur insoweit vertretbar ist, als die Möglichkeit der Integration besteht. Die Integrationskraft beschränkt damit auch die Zahl derer, die wir als Migranten aufnehmen können. Die Integrationsbereitschaft unserer Bürger darf nicht überfordert werden. Integration kann im Übrigen nur gelingen, wenn klar wird, wohin integriert werden soll. Wer auf Dauer in Deutschland leben will, muss sich nach besten Kräften in die vorgefundene rechtliche, politische und gesellschaftliche Situation einfügen. Er muss die Grundwerte unserer Gesellschaft akzeptieren und Verantwortung für sie übernehmen. Integration bedeutet deshalb zuallererst, die deutsche Sprache zu beherrschen und unsere Rechtsordnung zu respektieren.

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir uns vor einem guten Jahr im Zuge des neuen Staatsangehörigkeitsrechtes und der Richtlinien unterhalten haben. Damals gab es noch von großen Teilen dieses Hauses eine harte Kritik, dass bei uns in Bayern die Sprachkenntnisse geprüft werden. Heute ist es fast allseitige Meinung in Deutschland, dass es eine richtige Entscheidung war, Sprachprüfungen im Zusammenhang mit dem Erwerb der Staatsangehörigkeit vorzunehmen. Vielleicht ist die SPD dazu bereit anzuerkennen, dass es richtig war, dass wir dies durchgesetzt haben.

(Beifall bei der CSU)

Neben der Frage der Sprachfähigkeit gehören aber auch bei aller Entfaltungsfreiheit, die unsere Rechtsordnung jedem zugesteht, Toleranz und Rücksichtnahme auf die Normen und Gepflogenheiten, denen sich die einheimische Bevölkerung verpflichtet fühlt. In diesem Sinne ist Maßstab für die Integration die in jedem Kulturstaat herrschende Leitkultur. Sie findet bei uns ihre Grundlage in den europäisch-abendländischen Werten mit den Wurzeln Christentum, Aufklärung und Humanismus. Für uns ist dies der an den Interessen unserer Bürger orientierte Gegenentwurf zum rot-grünen Multi-Kulti-Konzept.

Meine Damen und Herren Kollegen, ich habe gerade am Beispiel der Ausländer- und Zuwanderungspolitik verdeutlicht, wie ernst wir die Sorgen und Anliegen der Bürgerinnen und Bürger nehmen. Wir verstehen nicht nur die Bürger auf allen Ebenen als Partner; auch die Partnerschaft von Staat und Kommunen liegt uns besonders am Herzen.

Ich möchte an dieser Stelle allen Kommunalpolitikern für ihr engagiertes Wirken vor Ort danken. Der Ausbau der kommunalen Selbstverwaltung ist für die Staatsregie

rung eine Daueraufgabe von hoher Priorität. Das zeigt sich besonders am Beispiel des neuen Unternehmensrechts, das seit 1998 in Kraft ist. Diese Regelung hat sich bewährt und dient anderen Ländern als Vorbild. Dass mit der Novellierung des kommunalen Unternehmensrechts ein großer Wurf gelungen ist, wurde auch bei einer Landtagsanhörung zum Spannungsverhältnis zwischen Kommunalwirtschaft und Mittelstand deutlich. Vertreter der Kommunen und der Privatwirtschaft waren sich in ihrer positiven Bewertung einig.

Das Sparkassenwesen zählt seit jeher als öffentliche Aufgabe zum Kern der kommunalen Selbstverwaltung. Unsere Sparkassen sind unverzichtbare Einrichtungen der kommunalen Daseinsvorsorge. Wir wenden uns deshalb mit allem Nachdruck gegen Bestrebungen der EU-Kommission, Leistungen der kommunalen Daseinsvorsorge ausschließlich unter Wettbewerbsgesichtspunkten zu sehen. Den öffentlich-rechtlichen Status unserer Sparkassen anzutasten, hieße, den bestehenden Wettbewerb zulasten der Verbraucher zu verändern. Wir brauchen auch in der Zukunft kommunale Sparkassen und begrüßen daher die Bereitschaft der Sparkassen zu freiwilligen Fusionen.

Auch in anderen Feldern gilt es, die Daseinsvorsorge zu sichern. Ich nenne hier nur die Wasserversorgung, die Abwasserentsorgung und den Öffentlichen Personennahverkehr. Hier geht es darum, einen EU-weiten Verdrängungswettbewerb mit unkalkulierbaren Risiken für den Verbraucher zu vermeiden. Die neue Mitteilung der EU-Kommission über Leistungen der Daseinsvorsorge kann die Probleme nicht ausräumen. Ich halte daher eine klarstellende Ergänzung von Artikel 16 des EG-Vertrages für notwendig, wonach die Mitgliedsstaaten selbst bestimmen können, ob und in welchem Umfang Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbracht werden. Das durchzusetzen, wird nach Nizza eine der Hauptforderungen an die Bundesregierung sein.

Innenpolitik mit Weitsicht verlangt auch flexible Anpassung an veränderte Situationen und neueste Entwicklungen. Unsere Weichenstellungen im Feuerwehrwesen und Rettungsdienst sind dafür ein gutes Beispiel. Bislang haben wir 70% der Feuerschutzsteuer für die Förderung des Feuerwehrwesens und 30% für die Förderung der Löschwasserversorgung eingesetzt. Die Löschwasserversorgung ist umfassend gesichert. Wir wollen deshalb den Anteil für das Feuerwehrwesen stufenweise auf 100% anheben. Diese Maßnahme wird von den Feuerwehren in großem Umfang begrüßt. Auch die Feuerwehrgerätehausförderung und die Förderung der Feuerwehrfahrzeuge wurde in eine Hand gelegt. Mit Sorge sehen wir allerdings die rückläufige Feuerschutzsteuer. Bei den Zuwendungsrichtlinien im Feuerwehrwesen haben wir neue Wege beschritten. Wir halten die vereinfachte Bezuschussung, die durch pauschale Zuweisungen ergänzt wird, für wichtig.

Ein Thema von zentraler Bedeutung für unsere Bürgerinnen und Bürger ist die „Einheitliche Notrufnummer 112 für Rettungsdienst und Feuerwehr“. Die derzeitige Rettungsdienstnummer 19222 hat viele Nachteile. Wir wollen deshalb integrierte Leitstellen schaffen. Im Januar dieses Jahres hat der Gutachter seine Vorstellungen zur

Realisierung einer einheitlichen Notrufnummer vorgelegt. Der Landtag hat dieses Gutachten erhalten. Seither haben wir im Rahmen der Verbandsanhörung intensive Gespräche mit allen Beteiligten geführt. Dies war naturgemäß nicht einfach, weil ein derart komplexes Vorhaben vielfältige Interessen berührt und weil unterschiedliche Lösungsvorstellungen artikuliert wurden.

Mir ist deshalb sehr an einem Konsens mit den Beteiligten gelegen, weil wir sowohl die kommunale Ebene als Träger benötigen als auch die Hilfsorganisationen. Gerade dort, wo ehrenamtliche Kräfte beteiligt sind, müssen deren Vorstellungen berücksichtigt werden. Ich begrüße es, dass Anfang November dieses Jahres beim Landräteseminar des Bayerischen Landkreistages grundsätzlich Zustimmung signalisiert wurde. Wir werden an die Lösung der vielen Einzelprobleme herangehen. Das Thema ist sehr kompliziert. Im nächsten Jahr wollen wir die gesetzlichen Grundlagen schaffen und ab dem Jahr 2002 mit der Realisierung der integrierten Leitstellen beginnen.

Lassen Sie mich noch kurz auf ein anderes Thema eingehen, nämlich die Frage der Ehrenamtlichkeit. Wir haben in diesem Hohen Hause über dieses Thema erbittert diskutiert. Inzwischen ist es für jedermann ersichtlich, dass dieses Problem nur im Bund gelöst werden kann. Selbst der Bundeskanzler hat dies in Augsburg eingeräumt. Die Nebelkerzen, die die SPD zeitweise geworfen hat, sind verflogen. Leider sind die Ankündigungen, auf Bundesebene eine tragfähige Gesamtlösung steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Fragen für alle ehrenamtlich Tätigen herbeizuführen, noch nicht in die Tat umgesetzt worden. Wir mahnen dies dringend an. Draußen herrscht großer Unmut. Wir benötigen ehrenamtliche Kräfte. Ehrenamtliche dürfen nicht in einer an Schikane grenzenden Weise behandelt werden.

(Beifall bei der CSU)

Um die bayerischen Spitzenpositionen zu bewahren und auszubauen und damit zugleich den Wirtschaftsstandort Bayern zu stärken, kommt es entscheidend darauf an, bei den öffentlichen Investitionen die richtigen Weichen zu stellen. Mit unserer Investitionsquote von über 15% liegen wir im Durchschnitt weit vor den anderen Flächenländern. Die staatlichen Bauaktivitäten, die die Oberste Baubehörde und die Behörden der Staatsbauverwaltung bündeln, machen einen beträchtlichen Anteil am Gesamtumsatz der Baubranche aus. Wenn im vergangenen Jahr knapp 4,5 Milliarden DM an direkten Bauaufträgen für Land und Bund vergeben wurden, spricht das für sich.

Gemeinsam mit den Fördermitteln des Einzelplans 03 B für den Sozialen Wohnungsbau und die Städtebauförderung und den Fördermitteln anderer Ressorts für nichtstaatliche Baumaßnahmen, an denen die Staatsbauverwaltung baufachlich beteiligt war, hat sie ein Bauvolumen von knapp 13 Milliarden DM betreut. Wir wollen die Bauwirtschaft auch vor Wettbewerbsverzerrungen schützen. Wegen des zunehmenden Einsatzes von Billiglohnarbeitskräften auf dem Bausektor hat die Staatsregierung bereits im Juli 1996 für alle staatlichen Bau

maßnahmen eine Tariftreue- und Nachunternehmererklärung verbindlich eingeführt. Den Kommunen wurde empfohlen, in gleicher Weise zu verfahren.

Durch das Vergaberechtsänderungsgesetz vom 28. August 1998 standen wir vor einer neuen Situation. Wir haben darauf mit dem Bauaufträgevergabegesetz, das zum 1. Juli 2000 in Kraft getreten ist, rasch reagiert. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie können beweisen, dass Ihnen die Erhaltung und Förderung einheimischer Arbeitsplätze etwas bedeutet. Sorgen Sie in Berlin dafür, dass wir unsere Tariftreueerklärung auch wieder im kommunalen Straßenbau und auch für Bundesaufträge anwenden können. Im Bundesstraßenbau dürfen wir – so die Weisung des Bundesverkehrsministers – eine entsprechende Regelung nicht erlassen. Ich fordere Sie ausdrücklich auf, für eine Änderung in Berlin zu sorgen.

(Beifall bei der CSU)

Für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hat der Wohnungsbau nach wie vor hohe Bedeutung. Der Wohnungsbau befindet sich momentan auf rapider Talfahrt. Selbst bei den Baufreigaben für Einfamilienhäuser kommt es heuer, nach mehreren Jahren der Steigerung, zu einem kräftigen Einbruch. Schuld daran sind insbesondere falsche Weichenstellungen der Bundesregierung. Die Verlängerung der steuerlichen Spekulationsfrist beim Weiterverkauf privater Immobilien, Einschränkungen bei der Verlustrechnung, der Wegfall des pauschalen Vorkostenabzugs beim Eigenheimerwerb und die fortlaufende Kürzung der Bundesmittel für den Sozialen Wohnungsbau lähmen sichtbar die Investitionsbereitschaft im Wohnungsbau.

Wenn der Bund nicht bald etwas für den Wohnungsbau tut, drohen mittelfristig wieder Lücken bei der Wohnungsversorgung in den Ballungsräumen. Schon jetzt stehen in München bei Neuvermietungen die Bewerber Schlange und die Mieten steigen. Die Presse schreibt bereits vom „GAU am Münchner Mietenmarkt“. Da wir gerade hier in den nächsten Jahren eine wachsende Bevölkerungszahl und eine Zunahme der Zahl der Haushalte haben werden, brauchen wir dringend eine Ausweitung des Wohnungsbestandes.

Erklärtes Ziel der Staatsregierung ist es, einerseits die Bildung von Wohneigentum zu unterstützen und andererseits den sozial schwächeren Haushalten und den Haushalten mit Zugangsproblemen zum Wohnungsmarkt – ich nenne nur Behinderte, Alte und kinderreiche Familien – zu helfen. Hier hat sich der Staat seiner sozialstaatlichen Verantwortung nach der Verfassung zu stellen.

Bayern hält die Wohnungsbauförderung auf hohem Niveau, insbesondere mit dem Zusatzprogramm zum Erwerb von Gebrauchtwohnungen, das wir mit den Mitteln der Landesbodenkreditanstalt und den Gewinnanteilen der Landesbank finanzieren. Ein gravierender Fehler ist es, wenn die rot-grüne Bundesregierung im Zuge der Rentenreform Kapital für die Altersvorsorge am Wohnungsbau vorbeileiten will. Die meisten Arbeitnehmerhaushalte verfügen nicht über ein Einkommen, mit

dem sie mehrere Sparziele gleichzeitig verfolgen können. Wird – wie vom Bund beabsichtigt – das kapitalgedeckte Rentensparen einseitig hoch gefördert, so wird das Immobiliensparen zurückgedrängt.

Aber auch der Rentner muss wohnen. Für ihn ist die monatliche Mietersparnis von 700 bis 800 DM bei einem schuldenfreien Haus deutlich spürbar und nicht wie andere Anlageformen den Risiken der Währungs- und Geldwertentwicklung ausgesetzt. Im Moment kann man feststellen, dass Aktienkurse auch fallen können und nicht nur steigen. Ich halte es volkswirtschaftlich für völlig falsch, einseitig die Spekulationen auf internationalen Kapitalmärkten zu fördern, aber nicht die Immobilieneigentumsbildung.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ein besonderes Anliegen der Staatsregierung ist es, dass die Bürger in geordneten Städten und Gemeinden leben können. Die Innenstädte als traditionelle Zentren unserer Gesellschaft sind erheblichen Problemen und Gefahren ausgesetzt, etwa durch die Abwanderung von Bewohnern und Betrieben an den Stadtrand. Besonders deutlich wird dies am Rückgang des Einzelhandels in den Innenstädten durch die fortschreitende Verlagerung des Konsums auf die „grüne Wiese“. Diesen negativen Entwicklungen gilt es, rechtzeitig entgegenzusteuern. Das haben wir mit der Initiative „Bayerische Innenstädte: unverwechselbar – attraktiv – lebenswert“ getan. Inzwischen haben zahlreiche regionale und lokale Aktionen dieses Anliegen aufgegriffen. Wir haben auch das BundLänder-Programm „Soziale Stadt“ energisch vorangebracht. 28 bayerische Projekte sind auf dem Weg.

Lassen Sie mich einige Worte zur Verkehrspolitik sagen. Die Straße bleibt auch künftig Verkehrsträger Nummer eins. Angesichts der steigenden Verkehrsbelastung auf unseren Straßen brauchen wir einen weiteren Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Ich begrüße zwar die Entscheidung der Bundesregierung, aus den Zinsersparnissen der UMTS-Versteigerungen in den nächsten drei Jahren jeweils 900 Millionen DM zusätzlich für den Fernstraßenbau zur Verfügung zu stellen. Der Mehrbedarf liegt bundesweit aber beim Dreifachen – jährlich bei 3 Milliarden DM für den Aus- und Neubau und zusätzlich 1 Milliarde DM für die Erhaltung der Substanz. Auch die teilweise Rücknahme der globalen Minderausgaben des Sparpakets von Finanzminister Eichel wird bei der Bundesfernstraßenfinanzierung nur zu einer gewissen Entspannung in den nächsten beiden Jahren führen. Bayern fließen hieraus in den nächsten Jahren nur 143,5 Millionen DM zu. Das reicht noch nicht einmal zur Abfinanzierung bereits laufender Maßnahmen.

Ich sage es in aller Deutlichkeit: Was die Bundesregierung als Zukunftsinvestitionsprogramm verkauft, kann die anstehenden Probleme des Fernstraßenbaus in Bayern nicht im Ansatz lösen. Das ist nur ein Tropfen auf den berühmten heißen Stein. Die Finanzierung wichtiger Transitrouten wie der überlasteten A 3 Nürnberg – Aschaffenburg ist nicht gesichert. Jedermann weiß, wie dringend der Lückenschluss der A 6 zwischen Amburg und Pfreimd ist. Der Bundeskanzler kommt am

18. Dezember 2000 in die Oberpfalz. Wir hoffen darauf, dass er Geld mitbringt; denn schöne Worte helfen nichts.

Im Staatsstraßenbau bemühen wir uns um weitere Verbesserungen. Erfreulicherweise haben die Investitionen in den Jahren 1999 und 2000 wieder eine Größenordnung von rund 275 Millionen DM erreicht. Nächstes Jahr können wir – Dank der von der CSU-Fraktion ermöglichten Aufstockung um 20 Millionen DM, wir hätten auch mehr genommen, lieber Kollege Alois Glück – sogar rund 300 Millionen DM für den Um- und Ausbau einsetzen. Zu diesem positiven Trend hat auch der Einsatz von Mitteln aus den Privatisierungserlösen beigetragen. Ich danke in diesem Zusammenhang ausdrücklich der CSUFraktion sehr herzlich für ihre Unterstützung. Ohne sie hätten wir die entsprechenden Geldmittel nicht bekommen. Ich möchte das in aller Öffentlichkeit einräumen.

Der Bedarf ist hier freilich nach wie vor so groß, dass eine weitere Steigerung der Ansätze dringend notwendig wäre. Wir müssen uns nach der Decke strecken. Zur Fortschreibung des Ausbauplans für die Staatsstraßen liegen sehr viele Wünsche vor. Wir können bei weitem nicht alle erfüllen. Neben dem Neubau ist künftig mehr Gewicht auf die Erhaltung des Staatsstraßennetzes zu legen. Wir haben dazu ein ganz modernes EDV-gestütztes Management-System eingesetzt, das wir STRADIVARI genannt haben. Ich stelle es interessierten Abgeordneten anheim, sich bei der Straßenbauverwaltung über den Einsatz des Systems zu informieren. Selbst aus anderen Kontinenten kommen Anfragen nach diesem System, weil es mit Unterstützung der EDV das Straßenbauunterhaltungsmanagement zukunftsweisend modernisiert.

Meine Damen und Herren Kollegen, wir sind auf einem guten Weg. Lassen Sie mich einen abschließenden Gedanken ansprechen. Wir haben auf europäischer Ebene zunehmend mit der Innenpolitik zu rechnen. Im Oktober des vergangenen Jahres befasste sich der Europäische Rat anlässlich des Sondergipfels in Tampere erstmals ausschließlich mit den Themen Inneres und Justiz. Ich erinnere nur an unsere Ausgleichsmaßnahmen für den Wegfall der Grenzkontrollen, mit denen wir uns für die europäische Innenpolitik gut gerüstet haben. Die Schleierfahndung ist weit über Bayern hinaus ein voller Erfolg geworden. Fast alle Länder in Europa haben die Schleierfahndung übernommen. Wir werden unsere Haltung auch weiterhin sehr deutlich auf europäischer Ebene einbringen.

Dazu gehört auch unsere Forderung, dass die Aktivitäten der EU-Kommission auf dem Gebiet des Ausländerund Asylrechts nicht zu weiterer ungesteuerter Zuwanderung führen und die nationalen Bemühungen zur Beschränkung der Armutszuwanderung nicht konterkarieren dürfen. Ich begrüße es deshalb, dass in Nizza vereinbart wurde, auf dem Gebiet der Asyl- und Zuwanderungspolitik erst dann zu Mehrheitsentscheidungen überzugehen, wenn es zuvor in der EU einheitliche Regeln für Asyl und Zuwanderung gibt. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass die Innenministerkonferenz die bayerischen Vorschläge einstimmig beschlossen hat. Alle anderen Innenminister, auch die der SPD, haben unserem Entwurf zugestimmt.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie um die Zustimmung zum Haushalt des Innenministeriums, damit wir die Spitzenposition Bayerns in Deutschland weiter behaupten können. Abschließend möchte ich mich bei allen Polizeibeamten und -beamtinnen, bei allen Feuerwehrleuten, aber auch bei allen Mitarbeitern der bayerischen inneren Verwaltung herzlich bedanken, dass sie die Finanzmittel, die der Haushalt des Landtags zur Verfügung gestellt hat, in sehr effektiver und zweckensprechender Weise verwendet haben. Ich selbst bin überzeugter Freiberufler, aber der Einsatz, mit dem der überwiegende Teil der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes arbeitet, verdient Dank und Anerkennung. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU – Maget (SPD): Ich bin enttäuscht!)

Im Ältestenrat wurde für die gemeinsame Aussprache eine Redezeit von zwei Stunden festgesetzt. Davon entfallen auf die Fraktion der CSU 56 Minuten, auf die SPD-Fraktion 40 Minuten und auf die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24 Minuten. Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Als erster Redner hat Herr Kollege Dr. Jung das Wort.