Protokoll der Sitzung vom 30.01.2001

äußern. Sie ging vor das Oberlandesgericht. Dieses gab der Ärztin am 23. Mai 1997 in der Sache Recht. Ich zitiere: „Dessen ungeachtet ist der Senat davon überzeugt, dass es hinreichend BSE-auffällige Tiere gegeben hat, die das Vorgehen der Beklagten als gerechtfertigt erscheinen ließen.“ An anderer Stelle kommt das Gericht zu dem Ergebnis, wenn all dies vorliege – Zitat –, „dann durfte sich die Beklagte, die als wissenschaftliche Expertin um eine Stellungnahme gebeten worden war, in der geschehenen Weise in durchaus zurückhaltender Form öffentlich äußern.“ Sie ist gegen ihren Willen versetzt worden. Meine Damen und Herren, wenn es so etwas bei uns gäbe, hätten wir einen politischen Skandal, und zwar zu Recht.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Wahnschaffe (SPD))

So handelt die Regierung in Schleswig-Holstein unter Frau Ministerpräsidentin Simonis.

(Zuruf von der SPD)

Herr Pschorn kann sagen, was er will; das ist richtig. Es wird ihm niemand das Wort verbieten. Wenn Sie das Stichwort schon nennen, darf ich eines sagen: Mir erscheint die Rolle der Tierärztekammer im Zusammenhang mit den Vorgängen um die Briefe und die Schweinemastthematik in Niederbayern sehr klärungsbedürftig.

(Zuruf des Abgeordneten Wahnschaffe (SPD))

Herr Wahnschaffe, hören Sie bitte zu. Auf der einen Seite arbeitet ein Vizepräsident des Verbandes in der Kommission des Sozialministeriums bei der Reorganisation der Veterinärverwaltung mit und weist nach meinem Kenntnisstand nie darauf hin, dieses sei nicht im Sinne des Briefes, den Sie geschrieben haben, oder der Brief sei inhaltlich nicht erledigt. Auf der anderen Seite gibt ein anderer Vizepräsident der Tierärztekammer den Brief der Tierärztekammer an das Sozialministerium einer Bundestagsabgeordneten der GRÜNEN, damit daraus eine Kampagne gemacht wird. Ich halte dieses Verhalten für sehr diffus und klärungsbedürftig.

(Beifall bei der CSU)

Ich komme zu BSE in Niedersachsen in der Regierungsverantwortung von Herrn Schröder. In einem Artikel der „FAZ“ vom 30.11.2000 geht es um Rindermast in der Nähe von Hannover. Zitat:

Die Beobachtungen lassen den Schluss zu, dass auf dem unsachgemäß geführten Betrieb seit mindestens 1989 BSE-erregende Zustände von erschreckendem Ausmaß geherrscht haben müssen. Die Rinderherde wurde 1994 durch Verkauf und Schlachtung aufgelöst.

Verantwortliche Stellen wurden seit 1994 mehrfach auf die Missstände in dem Betrieb hingewiesen. Die darauf eingeleiteten Überprüfungen verliefen mangelhaft.

Verantwortlich: Ministerpräsident Schröder und Landwirtschaftsminister Funke.

(Zuruf von der CSU: Hört! Hört!)

Regierungshandeln in Ihrer Verantwortung zum Thema BSE.

(Zuruf von der CSU)

Das, meine Damen und Herren, sind die Fakten, mit denen wir uns auseinander zu setzen haben.

(Frau Radermacher (SPD): Reden Sie mal wieder über Bayern!)

Lassen Sie mich noch auf die Situation in NordrheinWestfalen hinweisen. Mit einer Pressemitteilung vom 28. Juni erklärt Frau Höhn – Zitat aus dieser Presseerklärung, in der Ichform geschrieben. Ich muss vorausschicken, Frau Höhn hatte vorher eine Testserie machen lassen mit dem damals amtlich noch nicht zugelassenen BSE-Schnelltest in verschiedenen Altersgruppen. Nach diesen Tests erklärt also Frau Höhn am 28. Juni 1999:

Für das Land Nordrhein-Westfalen besteht nach meiner Einschätzung keine Notwendigkeit, den Test weiter fortzuführen, wenn er in bestimmten Ländern jetzt eingeführt wird. Hier ist eine größtmögliche Sicherheit gegeben. Die Bevölkerung ist bezüglich BSE nach wie vor verunsichert. Deshalb ist es wichtig, Rindfleisch und dessen Produkte so zu kennzeichnen, dass die Herkunft eindeutig gewährleistet ist. Hier bietet das Rindfleisch-Etikettierungsrecht gute Ansätze. Wir werden in Nordrhein-Westfalen im Rahmen einer Schwerpunktaktion in nächster Zeit dieses System überprüfen.

Das ist, wenn Sie so wollen, genau dasselbe, was wir in Bayern gemacht haben.

(Wahnschaffe (SPD): Das sind Ausreden für eigenes Versagen! – Zuruf von der SPD: Plumpe Ablenkungen! – Zuruf von der SPD: Zitieren Sie doch einmal aus dem Brief der Frau Stamm!)

Sie beziehen sich gern auf andere Bundesländer.

Nun ein Thema, das im Mittelpunkt der Reorganisation der Staatsregierung steht, das Thema Verbraucherschutz. Herr Maget, es wird in Fragen der Organisation nie eine hundertprozentige Lösung geben. Es gibt Alternativen, und es wird bei einem Schwerpunkt- bzw. Querschnittsthema wie in diesem Bereich auch keine Organisationsmöglichkeit geben, bei der es nicht zu Überschneidungen mit anderen Ressorts kommt. Dasselbe Problem haben wir beispielsweise im Umweltschutz. Wir sind aber überzeugt davon, dass die Thematik „Gesunde Ernährung – Ernährung und Gesundheit – Verbraucherschutz“ eines der zentralen Themen der nächsten Jahre ist, und ich bin überzeugt, dass schon in wenigen Jahren diese politischen Schwerpunktsetzung einen ähnlichen Rang haben wird wie die Gründung des Umweltministeriums in Bayern 1970 – damals auch von vielen nicht verstanden,

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der SPD)

damals auch mit Diskussionen um Kompetenzen und um Gliederungen verbunden.

Auf jeden Fall haben wir in Bayern die Mittel für den Verbraucherschutz in den letzten Jahren nicht eingeschränkt, während zum Beispiel die von Ihnen geführte Bundesregierung die Mittel für die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände drastisch gekürzt hat, während beispielsweise die Mittel für die Stiftung Warentest im Bundeshaushalt von 13 auf 8 Millionen DM zusammengestrichen wurden und erst der Haushalts- und Finanzausschuss des Bundestages diese Mittel wieder etwas angehoben hat. Bayern hat in den vergangenen Jahren beim Verbraucherschutz nicht gekürzt.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gegenruf von der CSU)

In der Wochenzeitung „Die Zeit“ können Sie nachlesen, dass die diversen Gremien für den Verbraucherschutz überhaupt nicht getagt haben. Aus der „Zeit“ vom 18.01: „Interministerieller Ausschuss für Verbraucherpolitik, Leitung Bundeswirtschaftsministerium unter der Beteiligung der Ressorts Justiz, Landwirtschaft, Gesundheit und Familien: In dieser Legislaturperiode noch nicht einberufen.“

(Zuruf von der CSU: Das ist ja interessant!)

„Das Wirtschaftsministerium hat einen Verbraucherbeirat: In dieser Legislaturperiode noch nicht einberufen, bislang federführend für den Verbraucherschutz das Bundeswirtschaftsministerium. Im Jahresbericht des Bundeswirtschaftsministers, für den Verbraucherschutz zuständig, kommt das Thema Verbraucherschutz gar nicht vor.“

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Wir haben insgesamt in Deutschland eine Unterbewertung des Verbraucherschutzes. Das gilt auch im Hinblick darauf, dass es mittlerweile dafür keinen einzigen Lehrstuhl mehr gibt, der sich mit dieser Materie auch wissenschaftlich auseinander setzt.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber ebenso richtig ist, dass wir daraus die Konsequenzen ziehen und mit einer neuen Struktur genau das auffangen, was an Defizit sichtbar wird.

Meine Damen und Herren! Die Stärke der CSU war es über all die Jahrzehnte hinweg, dass wir die absolute Mehrheit nicht dazu benutzt haben, um bequem zu werden, sondern dass wir den Handlungsspielraum einer absoluten Mehrheit genutzt haben, um uns immer wieder weiterzuentwickeln, zu erneuern, die Zeichen der Zeit aufzunehmen. Das werden wir auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen der letzten Wochen tun,

(Zuruf von der SPD)

für den Verbraucherschutz, für die Agrarpolitik, für die grundsätzliche Frage des rechtzeitigen Erkennens von Risiken.

Wir haben in der Agrarpolitik schon im Landwirtschaftsförderungsgesetz von 1969 Weichen für eine Wende in der Agrarpolitik gestellt. Wir haben als erstes Land in Europa, vielleicht weltweit die Fragen der Landeskultur und des ländlichen Raumes in ein Agrargesetz integriert – lange Zeit gegen heftigen Widerstand aus Ihren Reihen, aber – ich füge auch hinzu – auch gegen heftigen Widerstand weithin der Fachorganisationen zum Beispiel der Landwirtschaft einschließlich der Betriebswirtschaftler und der Ökonomen, die dies alles für einen kleinkarierten Weg gehalten haben, der die großen Pläne von Mansholt nur unnötig stoppt.

Wir werden deswegen auch jetzt die richtigen Schlussfolgerungen ziehen und, meine Damen und Herren, die Bevölkerung in Bayern kann sich darauf verlassen, dass wir mit einem Ministerpräsidenten, der über alle seine politischen Stationen – ob als Generalsekretär, als Leiter der Staatskanzlei, als Innenminister und nun als Ministerpräsident –

(Zuruf der Frau Abgeordneten Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

immer Führungskraft gezeigt hat und Zukunftsorientierung, und mit einer Partei und einer Fraktion, die über die Jahrzehnte bewiesen hat, dass sie in der Lage ist, neue Dinge aufzunehmen und damit Zukunft zu gestalten, in diesem Sinne auch die nächsten Jahre für Bayern gut gestalten werden.

(Anhaltender starker Beifall bei der CSU)

Nächste Rednerin ist die Frau Kollegin Stahl.

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in die Landwirtschaft und in Teile der Politik ist perdu.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darauf hat der Herr Ministerpräsident erstaunlich unbeteiligt reagiert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Maget (SPD): Jetzt geht er gleich raus!)

Und, was auch noch hinzu kommt, Herr Glück: Auf der einen Seite tun Sie mir Leid, dass Sie den Kopf für etwas hinhalten müssen, was Sie nicht zu verantworten haben, aber auf der anderen Seite haben Sie bisher nur Vergangenheitsbewältigung betrieben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Da muss ich Ihnen sagen: Das bringt uns nicht besonders weiter, und diese Taktik wird auch nicht aufgehen.