Ihnen, Herr Minister, vielen Dank. Geben Sie vor allem den Dank auch an die Beamten weiter, die, wie ich gehört habe, bis in die heutigen Morgenstunden gearbeitet haben.
Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Ich werde das gern tun. – Die Antworten auf die Fragen werden dann den Fragestellern schriftlich übergeben.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor der Erklärung von Staatsminister Dr. Weiß möchte ich darauf hinweisen, dass die geplante Mittagspause entfällt. Die Aktuelle Stunde findet nach Abschluss der Aussprache zur Regierungserklärung statt.
Regierungserklärung des Staatsministers Dr. Weiß zum Thema „Gegen Arzneimittelmissbrauch, für Verbraucherschutz – Bericht über die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen Arzneimittelmissbrauchs in der Schweinemast“
Mit Schreiben vom 29. Januar 2001 hat der Staatsminister der Justiz, Herr Dr. Manfred Weiß, gebeten, ihm in der heutigen Sitzung nach der Fragestunde Gelegenheit zur Abgabe einer Regierungserklärung nach § 126 Absatz 1 der Geschäftsordnung zum Thema „Gegen
Arzneimittelmissbrauch, für Verbraucherschutz – Bericht über die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen Arzneimittelmissbrauchs in der Schweinemast“ zu geben.
In die Beratungen beziehe ich die beiden folgenden zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge ein:
Die Rolle des Tiergesundheitsdienstes und des Landwirtschaftsministeriums im Schweinemastskandal (Drucksache 14/5615)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Christine Stahl, Dr. Dürr, Gote und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vorbeugender Verbraucherschutz, Kontrollen und Ermittlungen gegen Antibiotika in der Schweinemast (Drucksache 14/5616)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Amtsgericht Regensburg hat am 26. Januar 2001 Haftbefehl gegen den Tierarzt Dr. Fechter aus Straubing erlassen. Gegen diesen besteht der dringende Tatverdacht, Tierarzneimittel in verbotener Weise an Landwirte abgegeben zu haben. Des Weiteren wird gegen ihn wegen Betrugs und Urkundenfälschung ermittelt. Ich bitte um Ihr Verständnis, dass ich zwar diese Fakten jetzt so nenne, aber im Hinblick auf die laufenden Verfahren nicht auf alle Einzelheiten des Haftbefehls eingehen kann.
Einer näheren Stellungnahme bedürfen allerdings die Hintergründe dieses Falles und die Konsequenzen, die die Staatsregierung
aus dem Vorfall zieht. Ich möchte Ihnen heute, soweit möglich und rechtlich zulässig, eine Übersicht über die bisherigen Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei geben und dabei konkrete Fakten aufzeigen. Dies soll alle Bürgerinnen und Bürger im Land in die Lage versetzen, sich selbst ein unvoreingenommenes Urteil zu bilden, ein Urteil über den Umgang der Strafverfolgungsbehörden mit den sich in letzter Zeit häufenden Meldungen über verbotene Methoden bei dem Verkehr mit Tierarzneimitteln.
Von „Schweinemastskandal“ ist in diesem Zusammenhang die Rede. Betroffen sind Landwirte und Tierärzte; in erster Linie betroffen sind aber wir alle als Verbraucher. Vertrauen muss wieder hergestellt werden.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Einen Moment bitte, Herr Staatsminister. Ich bitte, die Gespräche vor
Dies geht nur über den Weg des Rechts. Skrupellosen Geschäftemachern ist das Handwerk zu legen. Der Verbraucher darf vom Staat erwarten, dass kriminelle Machenschaften Einzelner unnachsichtig Einhalt geboten wird. Straftäter müssen zu Rechenschaft gezogen werden.
Die Strafverfolgungsbehörden wissen sehr wohl zu unterscheiden zwischen den nur am Rande betroffenen und den ausschließlich am Profit orientierten Haupttätern.
Ich darf hier deutlich machen: Die Strafandrohung nach Arzneimittelgesetz beträgt drei Jahre, bei grobem Eigennutz, also in schweren Fällen, bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Ich möchte aber auch sagen, dass es im Hinblick auf diejenigen, die möglicherweise ohne großes Verschulden in diese Fälle hineingezogen werden, auch die, die an der Aufklärung mitwirken, in diesem Bereich auch die Möglichkeit gibt, diesem Verhalten Rechnung zu tragen, sei es dadurch, dass bei den Sanktionen beispielsweise einer Einstellung des Verfahrens bei einer Straftat gegen Zahlung einer Geldbuße der Vorrang gegeben wird, oder dass möglicherweise gewisses Fehlverhalten als Ordnungswidrigkeit zu behandeln ist.
Auch in der Vergangenheit gab es bereits Anzeigen gegen Tierärzte, teilweise anonym, denen die Staatsanwaltschaft nachgegangen ist. Diese Verfahren wegen Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz waren bisher grundsätzlich keine Berichtssachen, das heißt, das Justizministerium wurde hierüber nicht unmittelbar informiert. Die Fälle hatten auch nicht diese Dimension, die sie jetzt zeigen.
Von Bedeutung ist hier vor allem ein Verfahren gegen den früheren Inhaber der jetzigen Tierarztpraxis Dr. Fechter und neun bei ihm angestellte Tierärzte wegen verschiedener Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz. Insoweit sind nach einer im Dezember 1995 bei der Staatsanwaltschaft Regensburg, Zweigstelle Straubing, eingegangenen Anzeigen und unmittelbar anschließenden Durchsuchungen weitere Ermittlungen im Jahr 1996 durchgeführt worden. Erst im Juli 1998
zwei Jahre später – hat der zuständige Staatsanwalt Strafbefehle gegen die neun angestellten Tierärzte beantragt und im Oktober 1998 Anklage gegen den früheren Inhaber der Praxis, Dr. R., erhoben. Ich gehe darauf noch einmal genauer ein.
Die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Dr. R. wurde in zwei Instanzen, zuletzt mit Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 11. Januar 1999, abgelehnt, weil die Anklage, so die Begründung, nicht hinreichend individualisiert sei. Aus entsprechenden Gründen wurde auch der Erlass der beantragten neun Strafbefehle in zwei Instanzen, zuletzt mit Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 24. November 1998, abgelehnt. Die Staatsanwaltschaft reichte im August 1999 erneut Anklage gegen Dr. R. und Strafbefehlsanträge gegen die neun angestellten Tierärzte bei Gericht ein. Daraufhin wurden – nach Beschwerdeentscheidung des Landgerichts – das Hauptverfahren gegen Dr. R. am 8. März 2000 vor dem Amtsgericht Straubing eröffnet und am 16. Mai 2000 die beantragten Strafbefehle erlassen. Drei Strafbefehle sind rechtskräftig geworden, sechs Tierärzte haben Einspruch eingelegt. Termin zur Hauptverhandlung in allen noch offenen Fällen ist für März 2001 vorgesehen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich habe diesen Verfahrensgang relativ ausführlich vorgetragen, weil bereits im Vorfeld meiner heutigen Erklärung Vorwürfe wegen verzögerlicher Sachbehandlung laut geworden sind.
Ich habe hierzu gestern eine erste zeitliche Aufstellung erhalten. Der muss ich entnehmen, dass das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft möglicherweise nicht mit dem erforderlichen Nachdruck betrieben wurde.
Ich mache es noch deutlicher, Herr Kollege Wahnschaffe. Warten Sie es ab und rufen Sie nicht einfach dazwischen.
Ich habe soeben vom zuständigen Generalstaatsanwalt erfahren, dass das Verfahren wohl ein Jahr und acht Monate vom zuständigen Sachbearbeiter nicht betrieben wurde.
Ich halte das für eine bedauerliche Entwicklung, möchte aber deutlich sagen, dass das ein Einzelfall ist. Ich habe veranlasst, dass der Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht Nürnberg unverzüglich und umfassend über das Verfahren berichtet, insbesondere über die Gründe für die etwaigen Verzögerungen und über die hieraus erforderlichenfalls zu ziehenden Konsequenzen. Als Reaktion auf das Verhalten des Staatsanwalts – meiner Meinung nach ein Fehlverhalten – habe ich im Vorgriff entschieden, dass dieser mit sofortiger Wirkung zur Staatsanwaltschaft Deggendorf abgeordnet wird. Er
kommt zunächst an eine andere Stelle. Ich meine, dass erst die Vorfälle in Ruhe geklärt werden sollen.
Nach unseren Erkenntnissen handelt es sich um das Fehlverhalten eines Staatsanwalts. Ich wende mich dagegen, dass man die Staatsanwaltschaft insgesamt beschuldigt; auf diesen Fall ist bereits reagiert worden. Die Angelegenheit wird überprüft. In einem rechtstaatlichen Verfahren muss der Betroffene gehört werden, um eventuell disziplinarische Maßnahmen entscheiden zu können.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wahnschaffe?
Ich glaube nicht, dass es zur Aktuellen Stunde eine Zwischenfrage gibt. Herr Kollege Wahnschaffe, Sie sind vorhin schon vorgeprellt, um mir den Satz vorwegzunehmen. Warten Sie bitte ab, ob ich alles sage, was Sie hören wollen.
Wir haben auf jeden Fall sofort reagiert. Der betreffende Staatsanwalt wird sofort nach Deggendorf abgeordnet. Wir werden das Verfahren unter Wahrung der Rechte des Betroffenen eingehend durchführen. Ich habe in Auftrag gegeben, zu überprüfen, ob unser Kontrollsystem stimmt.