Protokoll der Sitzung vom 15.02.2001

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema ist alles andere als ein Popanz. Wer vor wenigen Tagen erlebt hat, wie Handwerker, Mittelständler und Großunternehmer Seite an Seite demonstriert haben in tiefer Sorge um die wirtschaftliche Zukunft des Standortes Bayern,

(Zuruf des Abgeordneten Wörner (SPD))

erkennt, dass es hier um wesentlich mehr geht, als Sie intern in Ihren kleinen Runden immer wieder diskutieren. Es geht um die Zukunft unseres Wirtschaftsstandortes.

Dieses neue Gesetz ist ein Anachronismus. Sie haben die Chance für eine Modernisierung wirklich nicht genutzt.

(Zuruf des Abgeordneten Wörner (SPD))

Weder Herr Runge noch Herr Dr. Kaiser haben diesen Gedanken aufgenommen. Was Sie betreiben, ist der Rückfall in alte, ideologische Denkschablonen.

(Lachen bei der SPD)

Anstatt mit Hilfe einer modernen Mitbestimmung die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu stärken, tun Sie genau das Gegenteil.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Kaiser (SPD))

Sie verursachen Kosten, schaffen mehr Bürokratie und erreichen damit weder mehr Investitionen noch mehr Arbeitsplätze noch mehr Forschung und Entwicklung. Das geht zu Lasten genau jener Leute, die Sie zu schützen vorgeben, nämlich zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Deshalb ist dieses Gesetz falsch.

(Wörner (SPD): Der hat keine Ahnung von Betrieben!)

Zunächst komme ich auf das Verfahren zu sprechen. Lieber Herr Wörner, anstatt im Bündnis für Arbeit über das Gesetz zu diskutieren – das Bündnis für Arbeit wurde zu solchen Fragen gegründet, und dort wäre der Platz für die Diskussion des Gesetzes – gewesen, wird es in der brutalsten Form, die möglich ist, durchgepeitscht.

(Zuruf des Abgeordneten Werner (SPD))

Das Bündnis für Arbeit ist damit tot. Sie betreiben hier das Geschäft der Gewerkschaften, denen ich keinen Vorwurf machen will; denn sie vertreten damit ihre Interessen. Dass Sie sich jedoch einseitig zum Handlanger der Gewerkschaften machen, ist nur damit zu erklären, dass Sie Ihre Schulden aus dem Jahr 1998 bezahlen müssen.

(Beifall bei der CSU – Willi Müller (CSU): Die Wahlkampfspenden müssen Sie zurückzahlen! – Zahlreiche Zurufe von der SPD – Große Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Da hilft auch das Schmierentheater von Wirtschaftsminister Müller und Arbeitsminister Riester nichts.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Das erhöht weder Ihre noch die Glaubwürdigkeit der Regierung.

Das gesamte Gesetz ist ein Beweis für Mittelstandsfeindlichkeit. Kleine und mittlere Unternehmen, New Economy und Start-ups werden stark benachteiligt. Das vereinfachte Wahlverfahren in den Betrieben betrifft massiv die Handwerksbetriebe, die ohnehin unter der Ökosteuer und der 630-Mark-Regelung zu leiden haben. Damit bekommen Sie wieder eins drauf. Gleiches gilt für die völlige Freistellung für Betriebsräte in Betrieben ab 200 Mitarbeitern. Haben Sie sich jemals mit den wirtschaftlichen Zahlen auseinander gesetzt? Das wird künftig Mehrkosten in Höhe von 0,5% der Lohnkosten bedeuten, was bei einer durchschnittlichen Gewinnrendite ein Viertel ausmachen wird.

(Werner (SPD): Wie kommen Sie denn darauf?)

Dieses Geld fehlt künftig für Investitionen und neue Arbeitsplätze und damit für eine Stärkung des Mittelstands und des Wirtschaftsstandortes Bayern.

Ein weiteres Beispiel: Die Mitsprache der Betriebsräte, die in sinnvollen Fragen gut ist,

(Wörner (SPD): Und Sie entscheiden über Sinnvolles?)

wird so ausgeweitet – – Herr Kollege Wörner, quäken Sie nicht dauernd dazwischen, sondern setzen Ihre Energie lieber dafür ein, dass in Bayern Bundeswehrstandorte erhalten werden.

(Heiterkeit und Beifall bei der CSU)

Die Mitsprache der Betriebsräte wird so stark aufgebläht, dass die unternehmerische Gestaltungsfreiheit bei wichtigen Investitionsentscheidungen behindert wird. Sie glauben doch nicht ernsthaft, damit einen Beitrag zur Stärkung der Unternehmenskultur zu leisten. Gerade jetzt gibt es sehr viele junge Unternehmensgründer, die dieses alte, ideologische Gequatsche überhaupt nicht interessiert. Damit erreichen Sie niemanden, schaden aber der neuen Unternehmenskultur. Damit beginnen Sie, Betriebe, und zwar entgegen dem Geiste des Betriebsverfassungsgesetzes, zu politisieren und fremdzubestimmen.

(Wörner (SPD): Wo ist da Fremdbestimmung?)

Es ist klar, dass das Thema der Fremdenfeindlichkeit hier im Hause sehr wichtig ist. So etwas gehört aber nicht in die Betriebe hinein; das ist eine Politisierung der Betriebe, die wir nicht wollen. Sie greifen damit uralte

Versuche aus den siebziger Jahren auf. Sie schwächen die Betriebsparteien übrigens auch dadurch, dass Sie in Fragen des Günstigkeitsprinzips – Herr Dinglreiter hat das völlig richtig angesprochen – ein Veto durch die Gewerkschaften zulassen. Damit schwächen Sie die Mitbestimmung im Betrieb und fördern den Zentralismus. Das ist ein falsches Signal.

Meine Damen und Herren, deshalb sind wir der Auffassung, dass Ihr gesamtes Gesetz am Vernunftprinzip vorbeigeht. Das ist Politik nach dem Schröderschen BastaPrinzip: nicht mehr diskutieren, Augen zu und durch. Damit bestätigen Sie Ihren Ruf als Mittelstandskiller in Bayern und Deutschland. Deswegen lehnen wir Ihren Entwurf ab und unterstützen unseren Antrag.

(Beifall bei der CSU – Werner (SPD): Das wird am Gesetz nichts ändern! – Wörner (SPD): Ich empfehle Ihnen wirklich, einmal zu arbeiten!)

Das Wort hat nun Herr Kollege Appelt.

(Werner (SPD): Jetzt spricht wenigstens einer, der schon einmal im Betrieb war!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich vermisse in dieser Diskussion über das Betriebsverfassungsgesetz Herrn Wirtschaftsminister und Herrn Staatssekretär. Entweder dürfen sie nichts sagen, oder sie können sich an dieser Diskussion nicht beteiligen. Ich bin noch aktiver Betriebsratsvorsitzender bei der Firma Grundig. Wenn ich die Aussagen der beiden Redebeiträge unserer CSU-Kollegen gegenüber den Beschäftigten von Grundig wiedergeben würde, würden diese die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und fragen: Was haben diese Volksvertreter hier denn eigentlich zu sagen?

(Beifall bei der SPD)

Sie wissen weder, was im Betrieb vor sich geht, noch vertreten Sie die Beschäftigten, auch nicht im Parlament. Da kann man es sich nicht so einfach machen und sagen: Die Bundesregierung übernimmt die Position des DGB. Wäre das geschehen, würde das Gesetz anders aussehen; denn der DGB ist eine der Organisationen, die nahe am Arbeitnehmer sind und wissen, worum es geht und was man zu tun hat.

(Zurufe von der CSU)

Wenn Sie in den letzten Jahren mehr in die Betriebe hineingeschaut hätten, müssten Sie bestätigen, dass eine qualifiziertere Mitbestimmung schlicht und einfach notwendig ist, vor allem aufgrund verschiedener Beschlüsse der Arbeitgeber, Betriebe aufzuspalten und zu verkleinern und ihnen damit die Betriebsratsfähigkeit zu nehmen.

Deswegen ist es dringend notwendig, dieses Gesetz in die Praxis umzusetzen. Meine Herren von der CSU, Sie täten gut daran, bei der Gestaltung mitzuhelfen, statt sich von vornherein dagegen zu wenden, wie es Ihre Art

ist. Wir schwanken bei diesem Gesetz nicht zwischen „kreuzigt sie!“ und „halleluja!“. Vielmehr gilt es, einen Auftrag zu erteilen, ein Gesetz zu modernisieren, weil sich die Rahmenbedingungen geändert haben.

Ich betrachte zum Beispiel allein den Aspekt, dass endlich das Verhältnis zwischen Arbeitern und Angestellten bereinigt wird. Beide sind Menschen, die im Betrieb arbeiten, jeder in seinem Aufgabengebiet. Somit ist eigentlich überhaupt kein Unterschied vorhanden außer dem, dass man den Angestellten goldene Ketten verleiht, sodass sie sich weniger rühren können als die im Betrieb tätigen Arbeiter.

Meine Damen und Herren, Sie müssten einmal in Betriebe hineinschauen. Sie müssten einmal sehen, wie es ist, wenn man um die Existenz eines Betriebs, um die Existenz von Arbeitsplätzen kämpft und gleichzeitig mit dem alten Betriebsverfassungsgesetz noch zurechtkommen muss. Dabei hat man keine Chance, es sei denn, man reagiert politisch. Aber das wollen Sie ja letztendlich auch nicht.

Zum Abschluss meiner Rede noch Folgendes. Sie sagen immer und haben es jetzt wieder ausgedrückt, es sei der Ruin der Wirtschaft, dass Investitionen unterbleiben, dass der Mittelstand keine Investitionen mehr betreibe, wie es Herr Kollege Dinglreiter gesagt hat. Ich glaube, es wird das Gegenteil eintreten. Es werden mehr Investitionen getätigt werden, und das werden gezieltere Investitionen sein.

Vor kurzem hat es dafür ein typisches Beispiel gegeben. Ein Unternehmer hatte über Jahre hinweg erfolgreich einen Betriebsrat verhindert. Als er dann in die Insolvenz gehen musste, schrie er nach ihm und sagte: Wie leicht wäre es jetzt, bestimmte Dinge durchzusetzen bzw. dieses Unternehmen am Leben zu erhalten.

Leider reicht meine Redezeit nicht aus, um Ihnen das im Detail schildern zu können, was der Unternehmer damit meinte. Ich sage nur: Wir sollten froh sein, dass die erfolgte Änderung in diesem Sinne stattgefunden hat. Genau in schwierigen Situationen wird es nun eine qualifiziertere Mitbestimmung geben. Drittens kommt nun der Umweltschutz zum Tragen.

Damit bedanke ich mich für Ihr Zuhören.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Dodell.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die GRÜNEN haben sich aus der Diskussion wohl schon ausgeklinkt.

(Zuruf von der SPD: Wie der Wiesheu!)

Ich bin gespannt, was die GRÜNEN im Verlaufe dieser Debatte zu dem Thema noch zu sagen haben über das hinaus, was Kollege Dr. Runge schon dargelegt hat.