Ich bin gespannt, was die GRÜNEN im Verlaufe dieser Debatte zu dem Thema noch zu sagen haben über das hinaus, was Kollege Dr. Runge schon dargelegt hat.
Meine Damen und Herren, die betriebliche Mitbestimmung hat bisher die soziale Partnerschaft im Betrieb gefördert. Wir stellen diese Mitbestimmung nicht infrage. Sie hat sich grundsätzlich bewährt. Aber die Neuregelung macht den Betriebsrat jetzt zur Interessenvertretung des DGB.
Obwohl Gewerkschaften und Betriebsrat zwei unterschiedliche Institutionen sind, soll der Betriebsrat nur noch das Sprachrohr der Gewerkschaften sein und von ihnen instrumentalisiert werden. Statt den Betriebsräten mehr Freiräume und betriebliche Gestaltungsmöglichkeiten einzuräumen, verhindern die neuen Regelungen flexible Abkommen zur Arbeitsplatzsicherung. Wichtiger als diese neuen Reglementierungen wäre es, den Betriebsräten mehr Freiräume und mehr betriebliche Gestaltungsmöglichkeiten bei der Bestimmung der Arbeitsbedingungen im eigenen Betrieb einzuräumen. Öffnungsklauseln, Optionen, Wahlmöglichkeiten, die Nutzung und Ausgestaltung des Günstigkeitsprinzips – das wären die Dinge, die eine moderne Alternative bedeutet hätten, nicht das, was Sie hier an zusätzlichen Reglementierungen vorlegen.
Statt der institutionellen Mitbestimmung hätten wir neue Formen der Mitunternehmerschaft gebraucht, in einer Zeit, wo viele Firmen infolge des Arbeitskräftemangels Mitarbeiter stärker an sich binden müssen. In Zeiten von new economy, wo Grenzen fließender werden, wäre das angebracht gewesen.
Wir haben heute die Situation, dass immer mehr Tarifvertragsparteien Regelungsbefugnisse auf die betriebliche Ebene verlagern, um bei tarifpolitischen Entscheidungen zwischen Branchen, Regionen und sogar einzelnen Betrieben unterscheiden zu können. In der Vergangenheit haben sich bei der Sicherung von Arbeitsplätzen flexible Regelungen unter Mitwirkung aller Beteiligten als erfolgreich erwiesen. Ein modernes Betriebsverfassungsgesetz muss diesem Aspekt Rechnung tragen und darf praxisnahe Lösungen der Beschäftigungsfrage auf Betriebsebene nicht verhindern, sondern muss sie im Gegenteil fördern.
Aber bei diesen Lösungen, die auf betrieblicher Ebene entstehen, muss man differenzieren. Es gibt Gewerkschaftsvertreter, die ganz kooperativ mitarbeiten. Ich nenne hier als Beispiel die IG Chemie. Aber ich habe auch viele Beispiele in der Region erlebt, wo vor allen Dingen die IG Metall bei Betrieben, die sich in Notsituationen befanden, wo der Betriebsrat und die Belegschaft bereit gewesen wären, zu Vereinbarungen mit dem Unternehmen zu kommen, um es zu retten und Arbeitsplätze zu sichern, von außen so hineinregiert hat und die Betriebsräte und die Belegschaften so aufgehetzt hat, dass mittlerweile konkret nachweisbar Arbeitsplätze und Standorte gefährdet sind.
Innerhalb einer Woche, durch ein Hau-ruck-Verfahren, ist ein Betriebsrat zu wählen. Auch die Berücksichtigung von Leiharbeitern kann ich nicht nachvollziehen, weil sie nur einen momentanen Stand des Personals darstellen. Durch diese Modalitäten kann ein Betriebsrat installiert werden, der nicht von den Arbeitnehmern getragen wird. Diese Änderung bringt nicht mehr, sondern weniger Demokratie.
Unter dem genannten Zeitdruck unterlaufen bei der Bildung des Betriebsrats auch Fehler. Das fehlende Quorum führt dazu, dass eine Minderheit im Betrieb den Betriebsrat bestimmen kann.
Außerdem erwähne ich die Regelung, dass einem Betrieb, bei dem die Mehrheit der Arbeitnehmer eigentlich gar keinen Betriebsrat möchte, von außen ein Betriebsrat aufgedrückt werden kann. Auch das halten wir für zutiefst undemokratisch.
Noch einen Punkt sollten Sie sich sehr genau überlegen: Es gibt keinen Minderheitenschutz mehr. In der letzten Minute ist in den Gesetzentwurf mit hineingenommen worden, dass das erst 1989 eingeführte Verhältniswahlrecht – zum Beispiel bei der Wahl der Betriebsratsvorsitzenden, der Ausschüsse, der Gremien sowie bei der Besetzung des Gesamtbetriebsrats – jetzt gestrichen worden ist. Jetzt gilt wieder das Mehrheitswahlrecht. Das bedeutet, dass Gruppierungen, die mit weniger als 50% in den Betriebsrat kommen – zum Beispiel kleine Gewerkschaften, christliche Gewerkschaften, auch Personen, die nicht Gewerkschaften angehören –, im Prinzip keine Chance mehr haben, in Gremien oder Positionen zu kommen. Das bedeutet eine einseitige Bevorzugung der Mehrheitsgewerkschaft im DGB und eine Monopolstellung. Damit wird der Betriebsrat zum verlängerten Arm des DGB.
Ich komme zum Ende. Die geplante Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes führt zu einer Entdemokratisierung und einer Polarisierung innerhalb der Belegschaft sowie zu einer Politisierung des Betriebsrats, die völlig unnötig ist. Zudem wächst die Macht der Funktionäre. Es kommt nicht zu einer Stärkung der Belegschaft und der Betriebsräte und letztendlich nicht zu einer Modernisierung, sondern zu einer nachhaltigen Störung des Betriebsfriedens. Das haben Sie mit zu verantworten, weil Sie dieses Betriebsverfassungsgesetz unterstützen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vom Hau-ruck-Verfahren, Frau Kollegin Dodell, verstehen Sie neuerdings etwas. Wie schnell Sie Minister auswechseln, ist doch ungeheuerlich; da kann man wirklich von einem Hau-ruck-Verfahren sprechen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CSU hat heute den – allerdings untauglichen – Versuch unternommen, das neue Betriebsverfassungsgesetz vorzuführen. Aber es geht Ihnen eigentlich gar nicht um die konkrete Ausgestaltung dieses neuen Gesetzes, sondern Ihnen passt die ganze Richtung nicht. Sie wollen ganz einfach,
dass der Herr-im-Haus-Standpunkt wieder fröhliche Urständ feiert und die Unternehmer mit ihren Arbeitnehmern machen können, was sie wollen. Das ist aber alles andere als modern, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir haben das beste System der Mitbestimmung, und wir wollen es jetzt noch ein bisschen besser machen.
Dass Sie in diesen Fehler einstimmen, kann ich mir denken. Aber die Unternehmer sollten nicht in den Fehler der Neunzigerjahre verfallen und den Wirtschaftsstandort selber schlecht reden. Das hat Arbeitsplätze gekostet, und das war auch schlecht für den Unternehmenserfolg. Daraus sollte man die richtigen Lehren ziehen.
Was für einen Anspruch haben die Arbeitnehmer? Sie haben einen hohen Anspruch, der durch ein modernes Betriebsverfassungsgesetz erfüllt werden muss. Sie wollen Komanagement in den Unternehmen, und das ist ein absolut berechtigter Anspruch.
Ich kenne zahllose Unternehmen, die aufgrund des Missmanagement der Geschäftsführung Bankrott gegangen sind, und dabei sind auch Arbeitsplätze verloren gegangen. Ich kenne aber kein einziges Unternehmen, das aufgrund des Komanagements des Betriebsrats pPeite gegangen wäre.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Willi Müller (CSU): Gewerkschaftsunternehmen sind kaputtgegangen!)
Ich sage Ihnen: Der soziale Friede in unserem Land, der auch durch unser System der Betriebsverfassung bewerkstelligt wird,
ist bares Geld wert. Komanagement ist bares Geld. Beides sichert Arbeitsplätze und kann sogar welche schaffen.
Ich möchte auf einen Widerspruch im Arbeitgeberlager hinweisen. Wenn die Damen und Herren demonstrieren – was ihr gutes Recht ist, und dann kann man sich mit ihnen auch auf einer vernünftigen Ebene auseinander
setzen –, dann sollten sie Folgendes bedenken: Von bestimmter Seite im Unternehmerlager wird immer wieder gegen Flächentarifverträge gewettert. Es wird sich dafür eingesetzt, dass Öffnungsklauseln in die Tarifverträge aufgenommen werden, weil man sagt: Mit unseren Betriebsräten vor Ort kann man vernünftige Regelungen zustande bringen. Wir wollen bloß nicht, dass alle gleichbehandelt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, denken Sie bitte daran: Wir brauchen ein modernisiertes Betriebsverfassungsgesetz. Vorhin wurde gefragt, was denn daran modern sei. Meine Damen und Herren, die Trennung in Arbeiter und Angestellte ist so überkommen, dass es allerhöchste Zeit war, damit Schluss zu machen.
Wenn im Bayerischen Landtag über dieses Thema diskutiert wird, sollten Sie besser andere Redner aufbieten als solche, die versuchen, mit Kalauern oder Horrorgemälden einer vernünftigen Entwicklung entgegenzuwirken.
Diese Herrschaften sind nicht an einer vernünftigen Diskussion interessiert. Sie reden und verlassen dann den Saal, weil gute Gegenargumente die eigene Argumentationslinie stören könnten.
Zum Schluss will ich einen aus Ihrer Sicht sicher unverdächtigen Zeugen benennen. Der Papst, der bestimmt niemals die Chance hätte, Mitglied der SPD-Fraktion zu werden,
hat vor 20 Jahren eine Enzyklika herausgegeben: „Laborem exercens“. Darin hat er zu den Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital Stellung genommen
und etwas gesagt, wofür Sie uns aus dem Saal treiben würden, dass nämlich die Arbeit Vorrang vor dem Kapital hat. So etwas muss in einem christlich geprägten Land aber auch Eingang in die Betriebsverfassungsgesetzgebung finden.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach diesen und anderen Ausführungen möchte ich mit einer Frage beginnen: Wie hält es denn der Deutsche Gewerkschaftsbund mit der Mitbestimmung,