Protokoll der Sitzung vom 13.03.2001

Oder ich denke an einstimmig gefasste Landtagsbeschlüsse wie den Beschluss „Recht auf Lärm für Kinder!“. Solche Landtagsbeschlüsse werden nach wie vor konterkariert, weil in rechtlichen Auseinandersetzungen Klagende nach wie vor eine Chance haben zu erreichen, dass dort kein Kindergarten gebaut werden darf. Auch

gegen Spielplätze laufen nach wie vor Klagen. Sicherlich sind das hanebüchene Fälle, aber wenn Nachbarn, die sich gestört fühlen, mit Kreissägenlärm versuchen, Kinder zu vertreiben, ist das wirklich empörend. Darauf muss auch die Politik entsprechend reagieren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben mit unseren Appellen bisher wenig geschafft.

Aber um noch einmal zum Parlamentarischen zurückzukehren: Mir tut es sehr Leid, dass heute niemand aus dem Kultusministerium hier ist. Kinderfreundlichkeit wird nach meinem Dafürhalten auch im Kultusministerium klein geschrieben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen noch Kinder in diesem Alter haben. Meine Kinder gucken sich jeden Sonntag die Sendung mit der Maus an. Die Sendung mit der Maus feiert am kommenden Sonntag ihren 30. Geburtstag. Im Vorfeld dieser Geburtstagsparty durften Kinder aus der gesamten Republik mit entsprechenden Aktionen zur Vorbereitung dieses Geburtstages beitragen. Einzig und allein den bayerischen Kindern und vornehmlich den Münchner Kindern war es nicht gegönnt, sich dort einzubringen. Ich glaube, dass jede Aktion und die Vorbereitung dazu mehr Motivation freigesetzt hätte, mehr Fähigkeiten mobilisiert hätte, als das ein Lehrplan je vorgesehen haben könnte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für mich ist das „Njet“, das aus dem Kultusministerium kam, auch ein Indiz für Kinderfeindlichkeit und dafür, dass man nicht mitdenken kann, was Kinder für wichtig halten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vieles von dem, was Sie an familienpolitischem Hintergrund formulieren, nehme ich Ihnen ab, aber meistens – das muss ich ganz ehrlich sagen – drängt sich mir schon der Eindruck auf, dass es dann ein wichtiges Thema ist, und zwar nicht nur ein weiches, zu dem man schöne Worte findet, wenn es tatsächlich um das harte Brot geht: Wie gestaltet sich unsere Zukunft? Wie viele Leute finden wir, die für unsere Rente bezahlen? Wer pflegt uns, wenn wir alt sind? Wie sieht dann die Zukunft unseres Landes aus?

Familienpolitik darf aber nach meinem Dafürhalten nicht zu einer Dampfplauderei verkommen. Neben der finanziellen Zuwendung ist auch gesellschaftlich für die Zukunft der Kinder zu sorgen. Dafür müssen wir alle kämpfen. Sie haben in dieser Hinsicht noch viele Hausaufgaben zu machen, wobei es nicht mit der einfachen Feststellung getan ist: Das ist jetzt unser Schwerpunkt und ich halte dazu einmal eine kleine Regierungserklärung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Als Nächster hat Herr Kollege Schultz das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! In der Zeit vor dem Regierungswechsel, also vor 1998, unter der Ägide von CDU und CSU gab es wohl kaum eine Bevölkerungsgruppe, mit der politisch so viel Schindluder getrieben worden ist wie mit den Familien.

(Beifall bei der SPD)

Diejenigen, die sich jetzt in Sonntagsreden und in Weihnachtsansprachen als die Lordsiegelbewahrer der Familien gerieren, haben dieselben Familien nach 16 Jahren CSU/CSU-Politik in einem so jämmerlichen Zustand hinterlassen, dass selbst das sonst eher zurückhaltende Bundesverfassungsgericht 1998 den dafür Verantwortlichen nach deren Abwahl einen Denkzettel erteilt hat, wie er deutlicher nicht hätte ausfallen können.

(Beifall bei der SPD)

Populistische Silvesterknaller wie Stoibers 1000-DM-Familiengeld-Projekt, inzwischen von Frau Stewens verbal – wer bietet mehr? – auf 1200 DM aufgesattelt – dazu haben im Übrigen Mütter, die sich in der Erzdiözese München und Freising zusammengefunden hatten, treffend gesagt: unterbezahlt für Mütter und unbezahlbar für den Staat –, solche verbalen Attacken dürfen und können nicht davon ablenken, dass die Familien finanziell jahrelang benachteiligt worden sind, ja dass man ihnen als Almosen nur das zurückgab – und das auch nur teilweise –, was man ihnen vorher durch unzulässige Besteuerung und überzogene Abgaben aus der Tasche gestohlen hatte. Gerade die CSU hat sich weder im Bund noch in Bayern nachhaltig um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bemüht – von wegen Wahlfreiheit, Herr Kollege Unterländer.

Es mutet schon grotesk an, wenn Frau Staatsministerin Stewens jetzt plötzlich beschwört, wie notwendig es doch sei, die Voraussetzungen für diese Vereinbarkeit zu schaffen, oder wie dringend in Bayern Plätze für Kinder im Vorkindergarten- und Hortalter seien, ja dass sogar Ganztagesschulen in Kauf genommen werden – Projekte, die man bisher massiv vernachlässigt oder von der CSU und der Staatsregierung politisch bekämpft hat.

Wenn sich die Familien, vor allem Frauen und Mütter, wenigstens Mindestvoraussetzungen zum familiären Überleben erkämpft haben, dann in Bayern gegen die CSU und die Staatsregierung. Unterstützung haben sie nicht einmal bei den notwendigsten Voraussetzungen bekommen. Die Mittagsbetreuung gibt es nur auf eigene Kosten und mit Hilfe der Kommunen – im Übrigen eine der wenigen Lobbys, die die Familien in Bayern haben; im Bund ist wenigstens noch das Bundesverfassungsgericht dabei. Die Arbeit der Mütter- und Familienzentren findet nur auf eigene Kosten und auf Kosten der Kommunen statt; die ehrenamtliche Arbeit, die dort auch und gerade zur Integration ausländischer Kinder und Familien beiträgt, wird vom Freistaat mit gerade 5 DM pro

Stunde und so bürokratisch honoriert, dass nicht einmal Planungssicherheit für das jeweils nächste Jahr besteht.

Frau Staatsministerin, das Landeserziehungsgeld, auf das so gerne verwiesen wird, ist so konzipiert, dass die Mehrzahl der Familien für ein ungeschmälertes Erziehungsgeld durch den Rost fällt, und das gerade dann, wenn die Zwei- bis Dreijährigen besonderen finanziellen Aufwand erfordern. Die Anhebung des Landeserziehungsgeldes auf die Höhe des Bundeserziehungsgeldes wurde von der Staatsregierung mit großen Worten angekündigt, aber dann auf das dritte Kind beschränkt. Bitte beantworten Sie mir doch die Frage: Wie viele Familien profitieren von dieser Regelung überhaupt noch? Das Erziehungsgeld war und ist offensichtlich ein Steinbruch für die Deckungslücken anderer Vorhaben im Staatshaushalt.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich nicht gerade im bayerischen Parlament spräche, würde ich sarkastisch sagen: „Verarschen können sich die Familien auch selber.“

(Widerspruch von der CSU)

Ich habe das nicht gesagt; ich habe nur gesagt, wie die Menschen darüber denken.

Ich stehe aber dazu.

Ich will auch Ihr Netz für Kinder nicht schlecht machen. Dafür und damit für maximal 2800 Plätze in den letzten fünf Jahren rund 50 Millionen DM locker zu machen, für die Krippen- und Hortplätze aber gar nichts, ist keine Relation.

Im Gegensatz zur Staatsregierung kommen die Kommunen ihren Verpflichtungen weitgehend nach. Ihnen ist der hohe Versorgungsgrad bei den Kindergarteneinrichtungen und die Noch-Existenz von Kinderhorten, Mittagsbetreuung und Familienzentren überhaupt zu verdanken. Deshalb fordere ich Sie auf: Unterstützen Sie, wenn Sie sich nicht gänzlich unglaubwürdig machen wollen, nachhaltig und sofort die Kommunen und die interessierten Träger bei der Schaffung von Kindertagesstätten für Kinder im Vor- und Nachkindergartenalter. Lassen Sie Modellprojekte, wie von der ISKA in Bayreuth und Landsberg bearbeitet, nicht zu einem reinen Kostenverteilungs- und Nivellierungsprojekt werden.

Es geht um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und um die Unterstützung durch die notwendigen Betreuungseinrichtungen. Das war der Auftrag des Bayerischen Landtages, nicht die Deckelung der Kosten für Kindergärten und Horte in Bayern. Beteiligen Sie sich angemessen an der Mittagsbetreuung und laden Sie nicht alle Kosten den Eltern und Kommunen auf. Statten Sie die Familien- und Mütterzentren so aus, dass die dort geleistete Arbeit planungssicher fortgeführt und verbessert werden kann. Gleichen Sie das Landeserziehungsgeld in allen Bereichen, sowohl was die Höhe als auch was den Empfängerkreis betrifft, zumindest dem Bundeserziehungsgeld an.

(Beifall bei der SPD)

In großen Tönen 1000 oder 1200 DM Familiengeld oder ähnliches vom Bund zu fordern, ohne im eigenen Lande für eine realistische Finanzierung der Bedürfnisse der Familien zu sorgen, ist reiner Populismus, der weder den Kindern noch den Frauen und Müttern hilft, die ein selbstverständliches Recht darauf haben, Familienpflichten und Berufschancen angemessen verwirklichen zu können.

(Beifall bei der SPD und beim BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächste hat Frau Kollegin Dr. Fickler das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Beiträge der Opposition hört, fragt man sich: In welchem Bundesland leben wir überhaupt?

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Schultz, Sie sagen, veräppeln können sich die Familien auch selbst – ich will Ihren Kraftausdruck ganz bewusst nicht verwenden. Darauf kann ich Ihnen nur sagen: Selbst die Familien wundern sich darüber, in welche Ecke sie von Ihnen als Opposition gestellt werden. Vorsichtshalber wurde von Ihrer Seite darauf hingewiesen, dass höhere Geburtenzahlen nicht durch mehr Geld zu erreichen sind, das heißt, Sie sichern sich hier finanziell schon einmal vorsorglich ab; denn das, was Sie den Familien auf Bundesebene auf der einen Seite zugesteckt haben, haben Sie ihnen auf der anderen Seite aus der anderen Tasche wieder herausgenommen, indem Sie die Ökosteuer erhöht haben.

(Beifall bei der CSU – Frau Renate Schmidt (SPD): Sie haben es ihnen aus beiden Taschen gezogen!)

Genau das trifft nämlich die Familien, die sich dagegen nicht wehren können. Sie haben ganz bewusst zum Beispiel die großen Betriebe von der Ökosteuer ausgenommen. Sie haben also auch selbst Ungleichgewichte geschaffen.

Herr Kollege Schultz, ich will nur ein paar Punkte herausgreifen.

Mittagsbetreuung nur auf eigene Kosten. Sie wissen ganz genau: Auch die Staatsregierung zahlt 6500 DM.

(Zuruf von der SPD: Im Jahr!)

Im Jahr, aber er hat so getan, als ob der Staat überhaupt nichts bezahlt. Sie wissen ganz genau, dass es Eltern gibt – das ist in den einzelnen Kommunen unterschiedlich –, die im Monat 20 DM Eigenbeteiligung für die Mittagsbetreuung bezahlen.

(Maget (SPD): Und wer zahlt den Rest?)

Es gibt auch Kommunen, wie zum Beispiel die Stadt Memmingen, die überhaupt nichts bezahlen; sie bezahlt nicht einmal den von uns gewünschten Drittelanteil. Trotzdem bezahlen dort die Eltern lediglich einen Beitrag in Höhe von 40 DM im Monat. Ich will nur sagen, dass mit diesen 6500 DM, die die Staatsregierung bezahlt, durchaus auch Mittagsbetreuungsgruppen sehr gut über die Runden kommen.

(Maget (SPD): Mit 6000 Mark?)

Gerade in Memmingen gab es Elterninitiativen, die sich bei mir dafür bedankt haben, dass wir kein Modell verpflichtender Mittagsbetreuung eingeführt haben und dass wir die Vorgaben und das ehrenamtliche Engagement, das die Elterninitiativen gezeigt haben, nicht haben unter den Tisch fallen lassen.

(Beifall bei der CSU)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ideelle Unterstützung der Familien, Bündnis für Familien auf Landesebene und auf der kommunalen Ebene sind Dinge, die wir mit Sicherheit brauchen. Was wir aber nicht brauchen – ich erinnere mich da an eine Diskussion in diesem Plenum –, ist eine Weiterentwicklung der Familien, wie sie von Seiten der GRÜNEN gefordert wurde, nämlich die Gleichstellung der Ehe mit den gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften.

(Beifall bei der CSU)