Protokoll der Sitzung vom 13.03.2001

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Berta Schmid.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion von heute Nachmittag hat wieder einmal deutlich gemacht, dass die Opposition die Diskussion über die Familienpolitik hauptsächlich unter dem finanziellen Aspekt führt. Sie konzentrieren sich ausschließlich darauf.

(Maget (SPD): Genau so ist es nicht!)

Herr Maget, ich habe außer von Frau Schopper nicht sehr viel Anderes gehört.

(Maget (SPD): Doch! Kinderbetreuungseinrichtungen!)

Ein Stück weit gebe ich Ihnen Recht. Die Familienpolitik ist die große Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Eine alte Weisheit sagt: Wenn es den Familien gut geht, geht es auch dem Staat gut. Meine Damen und Herren, wenn Sie heute zugehört haben, haben Sie auch erfahren, dass nicht erst seit heute von der Bayerischen Staatsregierung alle Anstrengungen ausgehen, um die Situation der Familien zu verbessern. Wir wissen, dass unsere Familien eine noch stärkere Unterstützung brauchen, um nicht am Rande der Gesellschaft zu stehen. Alle Redner auf unserer Seite haben dies heute auch klargestellt. Mit der finanziellen Unterstützung unserer Familien geht die Bundesregierung nicht zimperlich um.

Auch wenn ich mich jetzt wiederhole, es ist einfach notwendig, das zu sagen: Einerseits stockt sie zwar das Kindergeld um 30 DM auf, gleichzeitig aber nimmt sie dieses Geld über die Öko-Steuer, über die Steuerreform und über die Rentenreform wieder zurück.

Seien wir doch einmal ehrlich: Wir haben es in den letzten Jahren sowohl auf Seiten der Politik als auch auf Seiten der Kirchen hervorragend geschafft, bei den Familien die Lust auf Kinder zu vermiesen, weil wir in allen Diskussionen den Familien mit mehreren Kindern automatisch den Armutsstempel aufgedrückt haben. Wir haben es auch noch gelten lassen, dass verschiedene Institute ausgerechnet haben, dass das Großziehen eines Kindes 600000 Mark kostet. Ich habe vier Kinder großgezogen, und sie sind alle auf dem Wege, einen ordentlichen Beruf zu erlernen. Durch meine Finger sind aber bestimmt keine zweieinhalb Millionen Mark gelaufen.

Ich möchte diese Debatte auch dazu nutzen, um unseren jungen Familien Mut zu machen. Wir sollten uns wieder trauen und in unserer Gesellschaft betonen, dass die Aufgabe, eine Familie zu betreuen, eine schöne Aufgabe ist. Für mich gibt es keine schönere und verantwortungsvollere Aufgabe als die Familienaufgabe.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Sicherlich ist diese Aufgabe nicht immer einfach und sicherlich ist sie auch keine Aufgabe für nebenher. Sie ist aber abwechslungsreich und außerordentlich anspruchsvoll, und sie hält jung und fit, weil man in allen Bereich mit der jungen Generation konfrontiert wird. Man könnte diesen Werbespot endlos fortsetzen. Die Berufung zur Elternaufgabe dauert über das Berufsleben hinaus. Sie schützt vor Vereinsamung im Alter.

Heute sind so viele Themen angesprochen worden, aber wir vergessen es immer wieder, die Verantwortung anzuerkennen, die unsere Familien übernehmen. Zentrale Aufgabe in der Familienpolitik ist es, daran zu arbeiten, dass die Familien eine echte Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf mit Kinderbetreuung erhalten. Dazu werden wir unser bisheriges Angebot an Betreuungseinrichtungen weiterentwickeln. Wir wollen ein flexibles und flächendeckendes Angebot für alle Kinder schaffen.

Ich kann es nicht auf uns sitzen lassen, dass Sie immer gebetsmühlenartig betonen, wir hätten für die Kinderbetreuung nichts getan. Das Erziehungsgeld und die Vollversorgung in unseren Kindergärten waren die Antworten zur richtigen Zeit. Ich gestehe zu, dass sich die Zeiten geändert haben. Die Frauenarbeit hat zugenommen. Heute steht bei vielen Frauen der Wunsch, zu arbeiten, im Vordergrund. Deshalb sind wir gefordert, verstärkt Krippen- und Hortplätze anzubieten.

(Maget (SPD): Warum erst jetzt? Es gab doch früher auch schon Frauen, die arbeiten wollten!)

Ich habe zuvor von Wahlmöglichkeiten gesprochen. Bei der Wahl zwischen Familie und Beruf gibt es auch noch Frauen, die sich ausschließlich der Kindererziehung und der Familienarbeit widmen. Frau Schopper, Sie haben

von gesellschaftlicher Anerkennung gesprochen. Es kann doch nicht sein, dass sich eine Frau, die sich ausschließlich der Familie widmet, in der Öffentlichkeit immer verteidigen und dafür entschuldigen muss, nur Hausfrau und Mutter zu sein. Zur Kindererziehung und &betreuung gehören Partnerschaftspflege und die Aufgabe, ein Heim bereitzuhalten, in dem sich jeder geborgen fühlt. Oftmals kommt auch noch die Aufgabe, die ältere Generation zu pflegen, hinzu.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Die Familienarbeit schreit nach Anerkennung. Die finanzielle Anerkennung allein reicht nicht aus. Wir alle sollten an dieser Anerkennung arbeiten.

(Beifall bei der CSU)

Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 2

Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Eingaben und Beschwerden gemäß § 86 der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag

Nach dieser Bestimmung ist der Vollversammlung über die Behandlung der Petitionen jeweils für die Hälfte der Wahldauer des Landtags mündlich zu berichten. Die Berichterstattung obliegt federführend dem Vorsitzenden des Ausschusses für Eingaben und Beschwerden. Herr Kollege Schindler, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie alle kennen die Geschichte vom kaukasischen Kreidekreis von Bert Brecht. In den Wirren einer Revolution bleibt das Kind des gestürzten Gewaltherrschers zurück. Die Magd Grusche rettet es und zieht es auf. Nach dem Krieg lässt die Gouverneursfrau um des Erbes Willen ihr Kind suchen. Beide Frauen erheben Anspruch auf das Kind. Der Richter Azdak muss entscheiden, wer die wirkliche Mutter ist. Diejenige, die das Kind aus dem Kreidekreis zerrt, soll es bekommen. Im Gegensatz zur biblischen Geschichte ist es bei Brecht aber die Ziehmutter, die das Kind schont.

Meine Damen und Herren, ich möchte dieses Bild auf die Behandlung von Petitionen übertragen. Besteht nicht die Gefahr, dass wir als politisch rivalisierende Parteien und Fraktionen an den Einzelanliegen der Bürger in ähnlicher Weise solange herumzerren, bis sie im Namen vermeintlich höherrangiger Ideen und Programme entzwei gehen? Gerade die Behandlung von Petitionen zu Aufenthaltsverlängerungen habe ich in der vergangenen Zeit oftmals als unerträgliches Gezerre zwischen unterschiedlichen Meinungen der Fraktionen und als zutiefst unbefriedigend empfunden, weil oftmals der Einzelfall in seiner Einmaligkeit aus dem Blick geraten ist. Ich werde

auf diesen Bereich später noch genauer zu sprechen kommen. Wir sollten daher das Bild vom kaukasischen Kreidekreis bei der Behandlung von Eingaben in Erinnerung behalten.

Wenn wir uns mit Petitionen befassen, geht es nicht um die Umsetzung von Richtlinien, sondern vor allem um die Gestaltung von Lebensbedingungen im Einzelfall.

Auch der so oft wiederholte Hinweis auf Gesetz und Recht ist nichts als eine Plattitüde, die nur für den sicherlich bequemen Rückzug auf eine Parteilinie herhalten muss. Unsere Aufgabe als Parlament ist nicht eine weitere Rechtsprüfung, die von den Ministerien bereits in anerkannt hoch qualifizierter Weise geleistet worden ist, sondern sie besteht in der Suche nach Ermessensspielräumen zugunsten der Petenten sowie in einer gewissen Vermittler- und Dolmetscherfunktion zwischen dem Bürger und der Verwaltung.

Ich möchte mit diesem Gedanken keine Gräben aufreißen, sondern vielmehr an unser Selbstbewusstsein und an das Selbstverständnis als Parlament insgesamt appellieren. Ich sage dies auch an die Adresse der CSUKollegen im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden, die sich, ebenso wie die Kollegen mancher Fachausschüsse – wie deren deutlich höhere Zahl von Berücksichtigungen zeigt –, vielleicht nicht so stark von der Gewaltigkeit der ministeriellen Stellungnahmen beeindrucken lassen sollten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Gestatten Sie mir diese zugegebenermaßen subjektiven Anmerkungen zu Beginn des Berichts. Ich möchte ihn nicht als regelmäßig wiederkehrende Pflichtübung und Abarbeitung von Fällen und Zahlen, sondern als unsere gemeinsame, durchaus selbstkritische Bestandsaufnahme über den Umgang mit den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger verstehen.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Petition als Instrument des aktiven Ideen- und Beschwerdemanagements des Parlaments – Anspruch oder Wirklichkeit? Unter diesem Aspekt möchte ich unser Petitionsgeschehen im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden und in den Fachausschüssen darstellen. Zunächst ein paar Zahlen:

(Siehe Anlage)

Bis zum Stichtag Ende Februar dieses Jahres lagen uns genau 8774 Eingaben zur Bearbeitung vor; davon sind 3079, also etwa 40%, dem Petitionsausschuss zugewiesen worden. 42% aller Eingaben kamen aus Oberbayern, wenngleich dort nur 33% der Bevölkerung wohnen; dies scheint mit der Nähe zu München zu tun zu haben. Hingegen kamen aus Oberfranken nur 7% der Eingaben. Es scheint also einen Zusammenhang zwischen Nähe und Ferne zu München zu geben. Es kann natürlich auch sein, dass in Oberfranken die Leute zufriedener und duldsamer sind.

(Maget (SPD): Brav, duldsam und besser erzogen!)

Es ist mir auch aufgefallen, dass der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten genau eine Eingabe erhalten hat, die dort erfolgreich behandelt wurde.

(Hoderlein (SPD): Hervorragend!)

Die Eingangszahlen sind insgesamt und speziell auch bei besonders aufwendigen Massen- und Sammelpetitionen konstant hoch. Die Zahlen zeigen im Gegensatz zu den Zahlen bei Wahlbeteiligungen keine Parlamentsverdrossenheit der Bürger, sondern ein hohes Maß an Vertrauen in unsere Arbeit als Abgeordnete.

Die Zahl der positiven Erledigungen – Berücksichtigungen, Würdigungen, Material und Kenntnisnahmen sowie die positiven Abhilfen durch die Staatsregierung – ist mit 33,7% gegenüber 29,4% bei der letzten Erhebung leicht gestiegen. Allerdings müssen wir gegenüber der 13. Periode, in der diese Quote bereits bei niedrigen 2,5% lag, bei den Berücksichtigungsbeschlüssen einen Rückgang auf nur noch 1,3% feststellen. Sehr deutlich wird die abnehmende Tendenz in diesem Bereich, wenn wir diese Zahlen mit den Zahlen der 12. Periode vergleichen, in der wir immerhin noch 5,4% Berücksichtigungen hatten.

Man könnte nun argumentieren, dass diese Zahl den Bürgerinnen und Bürger letztlich gleichgültig sein kann, dass die positiven Abhilfen durch die Staatsregierung entsprechend gestiegen sind und dass wir beispielsweise zum Ende der 12. Periode auch nur 34% positive Erledigungen hatten. Jedoch sehe ich diesen Rückgang als letztlich für die Bürgerinnen und Bürger negativ an; denn nur ein Berücksichtigungsvotum führt zu einer Nachkontrolle durch den Ausschuss und lässt die Petenten nicht mit der Verwaltung allein. Vielleicht sollten wir eine Nachkontrolle versuchen und die Petenten anschreiben und fragen, ob auch sie die Erledigung wirklich positiv erlebt haben, ob es in dem einen oder anderen Fall doch anders gelaufen ist und ob sie sich vielleicht aus Enttäuschung erst gar nicht mehr an den Landtag gewandt haben.

Für die Bayerische Staatsregierung ist eine positive Erledigung nach § 84 der Geschäftsordnung, abgesehen von Prestigegründen, schon deshalb angenehmer, weil der Berücksichtigungsbeschluss die in § 85 Absatz 2 der Geschäftsordnung genau geregelten Rechtsfolgen für die Berichtspflicht innerhalb von zwei Monaten zur Folge hat. Ich appelliere deshalb an die Vertreter der Regierungsfraktion, sich in allen Zweifelsfällen nicht mit einer positiven Erledigung zu begnügen, sondern das Anliegen des Petenten weiter zu verfolgen und „Berücksichtigung“ zu beschließen.

Lobend zu erwähnen hierbei der Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes, der bei einem Anteil von etwa 7% aller Eingaben eine beachtliche Berücksichtigungsquote von über 5% aufzuweisen hat. Auch der Umwelt-, der Wirtschafts- und der Bildungsausschuss haben eine einigermaßen beachtliche Bilanz vorzuweisen. Dies kann bedauerlicherweise von meinem Ausschuss, dem Ausschuss für Eingaben und Beschwerden, nicht behauptet werden; denn wir haben weniger als 1%

Berücksichtigungen und müssen uns deshalb selbstkritisch fragen, ob sich der enorme Aufwand rechtfertigt.

Lassen Sie mich zum Bericht über die einzelnen Ausschüsse übergehen und mit dem Petitionsausschuss beginnen. Die ausländerrechtlichen Eingaben haben uns zahlenmäßig sehr stark beschäftigt: Insgesamt 46% aller Eingaben hatten mit dem Ausländerrecht zu tun. Dies ist ein Grund für den geringen Anteil von Berücksichtigungen; denn bei Petitionen von Ausländern lag die Quote der Berücksichtigungen bei 0,5%. Wir hatten uns mit 518 Eingaben von Bürgerkriegsflüchtlingen aus Bosnien und mit 140 Eingaben von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem Kosovo zu beschäftigen. Diese Eingaben wurden zwar formal korrekt, aber im Ergebnis oft recht unbefriedigend und unter großer Angst vor einer Einzelfallprüfung abgehandelt, um die Verwaltungslinie des Innenministerium nicht zu stören.

Die Steilvorlage, die uns die Entschließung des Bundestags vom 06.07.2000 zu den humanitären Grundsätzen in der Flüchtlingspolitik geliefert hat, wurde leider nicht angenommen, da dies wohl nicht in das Konzept der Mehrheitsfraktion passte. Letztlich verdankt es Bayern der Innenministerkonferenz von Ende Oktober 2000, die die Rückführung bei Kosovaren, die arbeiten und nicht straffällig geworden sind, bis Mitte 2001 ausgesetzt hat, dass wir eine einigermaßen erträgliche Bilanz aufzuweisen haben.

Erfreulicherweise hat die Innenministerkonferenz im Februar 2001 einen Weg für ein dauerhaftes Bleiberecht für Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina eröffnet, die in Deutschland faktisch wirtschaftlich und sozial integriert sind. Wir werden im Ausschuss gut aufpassen müssen, wie die Bayerische Staatsregierung diesen Beschluss umsetzen wird.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Recht häufig hatten wir uns mit Eingaben von Arbeitgebern mittelständischer und handwerklicher Betriebe zu befassen, die sich für ihre aus Bosnien und dem Kosovo stammenden Arbeitskräfte und deren Familien eingesetzt haben. Trotz des Engagements sogar eines Präsidenten einer Handwerkskammer konnte sich die Mehrheitsfraktion nicht von der strikten Linie des Innenministeriums abnabeln, so dass die Chance vertan worden ist, die in einer gedeihlichen Arbeitsteilung zwischen Verwaltung und Petitionsausschuss gelegen hätte, einen guten Interessenausgleich zwischen einer vernünftigen und gerechten Verwaltungspraxis einerseits und den Interessen der Arbeitgeber und ihrer Mitarbeiter andererseits zu finden. In diese Rubrik gehören auch Eingaben von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, die sich für die Verlängerung des Aufenthalts von Pflegekräften eingesetzt haben. Es bleibt zu hoffen, dass die neue Ministerin in Bezug auf den Pflegekräftemangel mehr Mut zu einer pragmatischen Linie aufbringt, wie sie dies bereits hat anklingen lassen. Pressemitteilungen zufolge kam es sogar zu der grotesken Situation, dass das Bayerische Rote Kreuz im ehemaligen Jugoslawien in Anwerbeveranstaltungen um Pflegekräfte wirbt, während

gelernte Kranken- und Altenpflegekräfte, die bei uns bereits erfolgreich arbeiten, das Land verlassen müssen.