Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

Herr Dr. Kohl hat bereits vor vier Jahren in Gorleben eine geologische Arbeitsgruppe eingesetzt. Diese wird jetzt durch einen Arbeitskreis, der aus Geologen, Hydrogeologen, Seismikern, Geographen, Strahlenschutzexperten und Juristen besteht, weitergeführt. Herr Kollege Hofmann, das Protokoll, aus dem Sie zitiert haben, habe ich berichtigen lassen. Ich habe diese Berichtigung termingerecht mit der Bitte um Bestätigung und Rückmeldung eingereicht. Ich war einmal Beamter und weiß, wie so etwas geht.

Ich möchte Ihnen die Berichtigung im einzelnen schildern: Richtig ist, dass auf fachlicher Ebene objektive Kriterien erarbeitet werden müssen. Diese Kriterien reichen von der Hydrogeologie über das Wärmeverhalten und die Seismik bis zu den geologischen Verhältnissen. Solche Kriterien gibt es bis dato nicht. Richtig ist auch, dass eine breite Akzeptanz der Bevölkerung durch eine öffentliche Information geschaffen werden muss. Entscheidend ist aber, dass dieses Verfahren ergebnisoffen ist.

(Hofmann (CSU): Das stand nie in Frage!)

Das bedeutet, dass auch die Nullvariante in Betracht kommt. Nach der Nullvariante gibt es in Deutschland kein Endlager. Auch Gorleben ist kein Endlager. Nach der Nullvariante gibt es in Deutschland überhaupt keinen Standort für ein Endlager oder es ist aufgrund der Akzeptanzfrage nicht möglich, einen derartigen Standort zu benennen. Das ist für mich die absolute Nullvariante. Dieses Verfahren muss absolut ergebnisoffen sein.

(Hofmann (CSU): Das hat euer Bundesumweltministerium geschrieben!)

Das brauchen Sie nicht vorzulegen. Das ist der Käse von gestern. Herr Kollege Hofmann, Sie halten in Ihren Händen den Entwurf eines Gespräches. Lesen Sie bitte den Termin vor, der auf diesem Papier steht. Auf diesem Papier steht, dass Sie bis zum 30. März Widerspruch einlegen können, wenn Ihnen nicht passt, was auf diesem Papier steht. Sie müssen dann eine Korrektur Ihrer Aussagen beantragen. Das habe ich gemacht. Herr Kollege Hofmann, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie dieses Thema noch einmal aufgreifen, weil ich dadurch Gelegenheit habe, das Ganze noch ein zweites Mal zu erzählen. Ich habe bereits darauf hingewiesen, wie wichtig bei diesem Thema Wiederholungen sind.

(Beifall bei der SPD)

Eines möchte ich feststellen: In Atomfragen braucht sich die SPD nicht belehren zu lassen. Für die SPD war diese Frage ein quälender Prozess. Das gebe ich ganz offen zu. Die GRÜNEN haben es leichter. Sie können sagen, dass sie immer schon dagegen gewesen seien. Die SPD gibt es schon ein bisschen länger; deshalb hat sie diese Probleme. Wir haben diese quälende Frage auf Parteitagen mit den Verantwortlichen, mit dem Bundeskanzler, mit der ÖTV usw. ausdiskutiert. 1985 haben wir uns entschieden, aus der Nutzung der Atomenergie auszusteigen, weil diese Technik insgesamt unverantwortlich ist. Das war unser Beschluss. Seit diesem Zeitpunkt haben wir alles getan, um diesen Beschluss zu verwirklichen. Wir haben in Wackersdorf, Hamm-Uentrop und Kalkar an vorderster Front gestanden. Das lassen wir uns nicht nehmen. Die deutsche Sozialdemokratie hat alles getan, um so schnell wie möglich aus dem Wahnsinn auszusteigen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben den Leuten im Bundestagswahlkampf ehrlich gesagt, wohin wir wollen. Wir haben es geschafft, aus dieser Technik herauszukommen. Wir sind weltweit die erste entwickelte Industrienation, die es geschafft hat, aus der Atomnutzung auszusteigen.

(Hofmann (CSU): Da könnt Ihr wirklich stolz darauf sein!)

Darauf sind wir sehr stolz. Herr Kollege Hofmann, Sie bringen mich immer dazu, wichtige Punkte, auf die wir stolz sind, zu wiederholen.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind stolz darauf, im Konsens mit der Industrie, ohne Entschädigungszahlungen und mit klaren Fristen aus dieser Technik auszusteigen. Herr Kollege Hofmann, Sie haben bezüglich der Energienutzung in Niedersachsen und Schleswig-Holstein alte Zahlen vorgelesen. Nach den neuen Zahlen beläuft sich der Anteil der schleswigholsteinischen Energieversorgung an der Windenergie inzwischen auf 21%. Wenn wir Stade ausschalten, wird es anders aussehen. Das wollen wir doch. Diese Entscheidung wäre auch im Hinblick auf die Arbeitsplätze zukunftsfähig. Sehen Sie sich doch einmal die weltweite Akzeptanz der deutschen Entscheidung an, aus der Atomenergie auszusteigen. In Frankreich und in Amerika gibt es Gruppen, die darüber diskutieren.

(Herrmann (CSU): In den USA werden neue Kernkraftwerke gebaut!)

Nein, dort wird kein einziges neues Kernkraftwerk gebaut. Sie brauchen uns nicht zu belehren. Wir stellen uns der Verantwortung. Wir können die Verantwortung aber nur tragen, wenn wir wissen, wohin wir wollen. Deshalb ist es wichtig, dass wir aussteigen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Staatsminister Dr. Schnappauf hat noch ums Wort gebeten.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade sehr viel von Frau Kollegin Paulig und Herrn Kollegen Gartzke gehört. Frau Paulig hat zwar sehr viel geredet, zu dem entscheidenden Punkt aber nichts gesagt. Sie haben gesagt: „Wir gehen die Suche nach dem Endlager an.“ Sie haben jedoch nicht gesagt, wie Sie das machen wollen. Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Deutschen Bundestag hat Ihnen in der letzten Woche gesagt, wie er das Thema angehen möchte. Ich zitiere aus einer dpa-Meldung:

Das neue Atomgesetz soll die Voraussetzung für die Erkundung von Endlagerstandorten in anderen Bundesländern als Niedersachsen schaffen. Dabei denken wir vor allem an ein Endlager im Granit in Bayern und Baden-Württemberg.

Frau Kollegin Paulig, wollen Sie sich unter dieser Prämisse auf die Suche nach einem Endlager machen? Wir befinden uns hier im Parlament, also in der Vertretung des bayerischen Volkes. Sie sollten hier klipp und klar sagen, ob Sie der Meinung der SPD und Ihres Fraktionsvorsitzenden sind, dass das Endlager in einer Granitformation in Bayern eingerichtet werden soll.

(Beifall bei der CSU – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Wer hat das gesagt? – Frau Radermacher (SPD): Sie lügen!)

Herr Kollege Gartzke, Sie haben sich offensichtlich von dieser Aussage distanziert. Sie haben wörtlich erklärt: „Ich halte nichts von Endlagern in Bayern.“

(Beifall bei der SPD)

Herr Gartzke hat sich also offensichtlich von dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag distanziert. Ich frage Sie: Was wollen Sie überhaupt?

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Seit wann hat Herr Struck im Bayerischen Landtag ein Rederecht?)

Ich möchte dem rot-grünen Lager in diesem Parlament noch einmal seinen eigenen Text entgegenhalten. Herr Kollege Gartzke und Frau Kollegin Paulig, wir wissen alle, dass dieser so genannte Atomkonsens rechtlich ein Nullum ist und bisher noch keine normative Wirkung hat.

Im so genannten Atomkonsens vom 14. Juni ist wortwörtlich Folgendes festgehalten:

Die bisherigen Erkenntnisse über ein dichtes Gebirge und damit die Barrierefunktion des Salzes wurden positiv bestätigt. Somit stehen die bisher gewonnenen geologischen Befunde einer Eignungshöffigkeit des Salzstockes Gorleben nicht entgegen.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zitieren Sie die weiteren Sätze der Anlage!)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Paulig?

Sie können sich melden und haben gleich die Gelegenheit zu sprechen.

(Zurufe von der SPD)

Sagen Sie doch, ob Sie zu dem, was die rot-grünen Verhandlungsführer am 14.06. paraphiert haben, stehen oder nicht. Ganz offensichtlich distanzieren Sie sich davon. Entweder ist der Salzstock geeignet – die Eignungshöffigkeit ist nach dem bisherigen Stand der Erkundung bestätigt –, oder er ist es nicht. Ich sage jetzt unter Bezugnahme auf alle uns vorliegenden wissenschaftlichen Expertisen: Bislang gibt es keine Erkenntnisse, welche die Eignung des Salzstockes Gorleben für die Endlagerung ernsthaft in Frage stellen.

(Gartzke (SPD): Warum gibt es dann keine Genehmigung?)

Nach dem bisherigen Verlauf ist damit zu rechnen, dass bis zum Jahr 2003 oder 2004, spätestens bis zum Jahr 2005 die Erkundung abgeschlossen sein wird. Herr Kollege Gartzke, Sie haben wörtlich vor einigen Minuten an diesem Pult erklärt, dass die Eignung Gorlebens geklärt werden muss. Das fordern wir dringend, aber Ihr eigener Fraktionsvorsitzender in Berlin will das ganz offensichtlich nicht, sondern die rot-grüne Bundesregierung will die Unterbrechung. Der bayerische Sprecher sagt, die Eignung muss geklärt werden. Ich bin der Meinung, dass sich die Genossen darin einig werden müssten, was sie eigentlich wollen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Gartzke, ich fordere Sie dazu auf, noch einmal an dieses Pult zu treten. Sagen Sie heute und hier den Bürgern in Bayern: Wollen Sie die Unterbrechung der Erkundung des Salzstockes in Gorleben, oder wollen Sie die Fortsetzung? Sie können sich nicht so einfach dadurch herausmogeln, indem Sie sagen: Wir wollen das geklärt wissen.

(Beifall bei der CSU)

Das Ganze hat eine unmittelbare Relevanz für die Frage der dezentralen Zwischenlager an den Kernkraftwerken auch hier in Bayern. Kollege Gartzke, ich mache Ihnen noch einmal eine Rechnung auf. Wenn die Erkundung so fortgeführt würde, wie wir das für richtig halten, hätten wir spätestens im Jahr 2005 ein Ergebnis. Sollte sich, wie das bisher der Fall ist, die Eignungshöffigkeit bestätigen und dann gebaut werden, hätten wir etwa im Jahr 2012 ein Endlager zur Verfügung. Dann brauchen wir in unserem Land keine dezentralen Zwischenlager an den Kernkraftstandorten. Kollege Gartzke, deshalb kommen Sie nicht so einfach mit der saloppen Erklärung davon, dass die Eignung geklärt werden müsste. Es sind Ihre eigenen Leute in Berlin, die die Erkundung unterbrechen wollen.

(Beifall bei der CSU)

Deshalb hat die Bayerische Staatsregierung in dieser Woche bei der gemeinsamen Sitzung mit den hessischen Nachbarn festgestellt – das erkläre ich hier noch einmal –: Wir wollen, dass die Erkundung des Salzstockes Gorleben fortgeführt wird. Das müssen wir auch angesichts des zwanzigjährigen Entwicklungsprozesses und der 2,5 Milliarden DM tun, die bereits in die Erkundung geflossen sind.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und die drei bis vier Milliarden für die nicht gebaute Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf!)

Das rot-grüne Lager entlarvt sich selbst, wenn der Fraktionsvorsitzende Struck in Berlin sagt, dass er ein Endlager im Granit in Bayern haben will, und dazu die an dieser Stelle völlig nichtssagende Äußerung macht: Bundesrecht bricht Landesrecht.

Frau Paulig hat hier groß erläutert, welche Experten im Arbeitskreis sind. Frau Paulig und Herr Gartzke, ich werfe Ihnen vor, dass Sie überhaupt nicht um die sicherste Möglichkeit der Endlagerung ringen,

(Zustimmung bei der CSU)

sondern dass es Ihnen nur darum geht, das Thema Endlager in den Süden der Republik hinüberzuschieben.

(Beifall bei der CSU – Zahlreiche Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die bayerische SPD macht sich letzten Endes zum Steigbügelhalter einer rot-grünen Politik der Verschiebung vom Norden in den Süden der Republik.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie müssen sich um Ihren Dreck selbst kümmern!)

Mir liegt die Originalpresseerklärung des SPD-Landesverbandes vor. Darin erklärt Ihr Landesvorsitzender Wolfgang Hoderlein: „Peter Struck hat völlig Recht.“