Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

Wir machen keine Zwischenfragen auf Umwegen.

(Hofmann (CSU): Nicht auf Umwegen, der Kreistag in Lüchow-Dannenberg hat mit Stimmen der SPD zu 90% zugestimmt!)

Herr Hofmann, Zwischenrufe vom Platz aus reichen. In der Vereinbarung von 1971, auf die Sie sich heute berufen, um Gorleben fortzusetzen, heißt es in zwei Zitaten: „Die Erkundung und...Erschließung des Salzstockes Gorleben wird deshalb zügig vorangeführt, so dass die für die notwendigen Entscheidungen erforderlichen Kenntnisse über den Salzstock in der zweiten Hälfte der 80er-Jahre vorliegen.“ In der zweiten Hälfte der 80er-Jahre, die Sie in der Regierung auf Bundesebene zu verantworten hatten, wurde nichts vorangebracht. Sie mussten aufgrund der technischen Probleme eingestehen, dass wegen der Wassereinbrüche und Verschiebungen im Salzstock nichts vorangeht. Heute wollen Sie eine Vereinbarung fortsetzen, die bereits Mitte der 80er-Jahre zu Ergebnissen hätte führen sollen. Allein dies zeigt, wie fadenscheinig Ihre Berufung auf die Vereinbarung vom 28. September 1979 ist. Diese Vereinbarung hat sich inhaltlich erübrigt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen steht in der Vereinbarung, dass weitere Zwischenlager notwendig sind. Insoweit haben Sie damals dem Zwischenlager zugestimmt. An der Sitzung des Arbeitskreises Auswahlverfahren Endlagerstandorte – AkEnd –, waren wir alle beteiligt: Sie, Herr Hofmann, und die Herren Dinglreiter und Kaul von der CSU, die Herren Gartzke und Möstl sowie Frau Lück von der SPD sowie Frau Kollegin Scharfenberg von den GRÜNEN. Sie konnten sich damals der nationalen Entsorgungsnotwendigkeit nicht entziehen und haben von den Fachleuten in diesem Arbeitskreis erfahren, warum Gorleben

den Kriterien, die angelegt werden müssen, nicht entspricht.

(Hofmann (CSU): Das ist nicht wahr!)

Wenn Sie es noch einmal hören wollen: Dieser Arbeitskreis „Auswahlverfahren Endlagerstandorte“ hat zwei Aufgaben: einerseits ein Verfahren zu entwickeln, andererseits Kriterien zu entwickeln, nämlich wirtsgesteinsunabhängige Kriterien, die dann weiterentwickelt werden können. Dazu gehören Kriterien wie keine oder nur langsame Grundwasserbewegung, günstige hydrochemische Verhältnisse, hohes Rückhaltevermögen der Gesteine gegenüber Schadstoffen, geringe Neigung zur Bildung von Wasserwegsamkeiten, günstige Konfiguration der Gesteinskörper, gute räumliche Charakterisierbarkeit hinsichtlich der gesuchten Eigenschaft, hohe Zuverlässigkeit der Sicherheitsbewertung, gute Prognostizierbarkeit der langfristigen Stabilität der günstigen Verhältnisse, gute Temperaturverträglichkeit der Gesteine, da hohe Temperaturen entstehen. All diese Kriterien sind in das Verfahren einzubringen. Wie Sie hörten, hat Gorleben bei einigen Punkten die Kriterien nicht erfüllt. Dennoch wird der Standort Gorleben weiter in der Untersuchung bleiben, auch wenn vorläufig die weitere Erkundung ausgesetzt ist.

(Hofmann (CSU): Das ist der Blödsinn!)

Das ist ein vernünftiges Vorgehen, wenn sich Mängel an einem Standort zeigen, der nicht aus fachlichen Kriterien,

(Willi Müller (CSU): Man sollte die Untersuchung wenigstens zu Ende führen!)

sondern aus rein politischen ausgewählt wurde, dann muss man nach dem heutigen Stand der Technik und aufgrund der Verantwortung weiter erkunden.

(Hofmann (CSU): Wenn Sie es bei Mülldeponien so machen würden, würden Sie nie eine bekommen!)

Ich muss Ihnen schon sagen: Es wäre sinnvoll gewesen, Sie hätten sich die Endlagerfrage vor der Einführung der Atomenergie zu einer politischen und naturwissenschaftlichen Aufgabe gemacht. Sie haben doch alles ausgebaut und wissen nicht, wohin mit dem Müll. Geben Sie das endlich einmal zu. Sie sagen, wir wissen nicht, wohin mit dem Müll. Reduzieren und minimieren Sie doch deutlich die weitere Produktion des Mülls durch die bayerischen Atomkraftwerke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was Sie machen, ist doch scheinheilig bis zum Gehtnichtmehr.

Auch in der Vereinbarung, die im Juni 2000 zur Beendigung der AKW-Nutzung getroffen wurde, heißt es, dass sich „der Stand von Wissenschaft und Technik und die allgemeine Risikobewertung... in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt“ haben. Dies hat Konsequenzen hinsichtlich der weiteren Erkundung des Salzstockes in Gorleben. Zum Beispiel bestehen Zweifel bezüg

lich der „Beherrschbarkeit von Gasbildung im dichten Salzgestein infolge von Korrosion und Zersetzung der Abfälle“. „International wird verstärkt die Rückholbarkeit der radioaktiven Abfälle gefordert. Die Geeignetheit von Salz als Wirtsgestein“ muss „vor dem Hintergrund der Erkenntnisse in anderen Ländern“ untersucht werden. Außerdem muss die Endlagerung langfristig zusätzliche Anforderungen erfüllen, um gerade „die Kritikalität... auszuschließen“. Genau diese Punkte müssen jetzt in einem gesamten Verfahren untersucht werden.

Insofern komme ich zu unserem Antrag, der Sie sehr klar auffordert, erstens die Strahlenschutzverordnung zu beachten, um jegliche Gefährdung zu minimieren, und der zweitens feststellt, dass eine weitere Erkundung notwendig ist, da sich Gorleben derzeit eben nicht nach allen Kriterien als Endlager anbietet. Wenn Sie sagen, dass die Unterbrechung der Erkundung aufgehoben werden muss, dann muss ich dazu sagen: Ihr Antrag kommt inzwischen fast ein Jahr zu spät. Der Betreiber hat schon lange die Aussetzung der Erkundung beantragt. Das wurde im Oktober 2000 genehmigt. Hätten Sie damals Ihren Antrag eingebracht, dann wären Sie heute etwas glaubwürdiger. Die Dinge sind geregelt und genehmigt.

Ein Weiteres. Sie wollen in der Atomenergiedebatte quasi den Druck erhöhen und jetzt von Grafenrheinfeld aus Transporte zur Wiederaufarbeitung nach La Hague durchführen. Dazu muss ich sagen: Dafür besteht keinerlei Notwendigkeit, und nach dem Grundsatz der Gefährdungsminimierung ist das höchst unverantwortlich. Sie werden mit dem Transport weiteren Mülls nach La Hague tatsächlich zur Verseuchung der gesamten Umgebung La Hagues und des Atlantiks beitragen. Sie wissen so gut wie wir, dass bis etwa 2006 Platz im Nasslager in Grafenrheinfeld ist. Es herrscht keinerlei zeitlicher Druck für erneute Transporte zur Wiederaufarbeitung nach La Hague. Das ist in höchstem Maße unverantwortlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Selbstverständlich fordern wir in unserem vierten Punkt eine Minimierung des Abfallvolumens durch eine weitere Verkürzung der Restlaufzeiten lieber heute als morgen; denn täglich fällt zusätzlicher Müll an. Insofern muss ich sagen: Ihr Antrag ist inhaltlich bei Weitem überholt. Er ist fadenscheinig und scheinheilig; denn Sie sind in die Atomenergienutzung eingestiegen. Sie tragen dafür die Verantwortung, und Sie wären aufgefordert, sich verantwortlich an einer Lösung dieses Problems zu beteiligen. Das aber wollen Sie nicht. Sie wollen das anderen auflasten. Sie wollen den hochradioaktiven Müll anderen vor die Türe werfen. Da machen wir Grüne nicht mit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich nutze die Pause, um Ihnen das Abstimmungsergebnis der namentlichen Abstimmung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung auf der Drucksache 14/5948 bekannt zu geben – das ist das Zuständigkeitsgesetz. Mit Ja haben 92 Kolleginnen und Kolle

gen gestimmt, mit Nein 61; der Stimme enthalten hat sich ein Kollege. Damit ist das Gesetz in der zur Abstimmung gestellten Fassung des federführenden Ausschusses für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik angenommen. Es hat den Titel: „Gesetz über Zuständigkeiten in der Gesundheit, in der Ernährung und im Verbraucherschutz“.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Jetzt hat Herr Kollege Gartzke das Wort.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Sie brauchen keine Bedenken zu haben, Herr Hofmann, dass wir irgendwie aufgeregt sind – nein, es war fast langweilig; denn wir kennen die Argumente. Das sind die alten Klamotten. Wer das Vergnügen hat, dem Umweltausschuss anzugehören, hat diese Argumente schon öfter gehört. Natürlich sind sie deswegen nicht richtig, und durch Wiederholen werden sie auch nicht besser.

(Beifall bei der SPD)

Eine klare Position von der Bayern-SPD und von dieser SPD-Landtagsfraktion, in aller Klarheit und deutlich: Wir halten nichts, Herr Hofmann, von einem Endlager in Bayern. Das ist eine klare Aussage, und dabei bleibt es auch.

(Willi Müller (CSU): Ihr Kollege Kolo hat 1988 einen Antrag gestellt!)

Moment, ich muss es leider wiederholen; Gott sei Dank haben wir heute für die Dringlichkeitsanträge genügend Zeit. Es ist wohl nicht angekommen – manchmal hilft eine Wiederholung; in der Schule soll so etwas ganz brauchbar sein. Man kennt das bayerische Schulsystem – da ist es immer gut, die Dinge zu wiederholen. Ich sage es deswegen noch einmal: Wir halten nichts von einem Endlager in Bayern. Das ist der erste Punkt. Zweiter Punkt: Vorher muss eindeutig geklärt werden, ob Gorleben geeignet ist. Das ist der entscheidende Punkt.

(Hofmann (CSU): Da sind wir uns völlig einig! Was sagt aber Struck?)

Herr Struck hat seine Meinung; ich komme schon noch darauf zu sprechen. In der Tat bestehen bei Gorleben große, große Zweifel. Das ist der derzeitige Sachstand. Ich darf dazu referieren. Wer hier behauptet, Gorleben sei genehmigungsfähig – oder was ich schon alles gehört habe –, maßt sich ganz schön etwas an. Ich halte das für eine Rechtsanmaßung, die in einem Rechtsstaat überhaupt nicht möglich ist. Das haben die Gerichte zu überprüfen. Eine Genehmigung muss erteilt werden. Vorher muss die Frage geklärt werden, ob eine Genehmigung überhaupt erteilt werden kann.

(Hofmann (CSU): Wie kann dann der Struck erklären, dass Gorleben nicht geeignet ist?)

Das hat er auch nicht gemacht.

(Hofmann (CSU): Jawohl, das hat er gemacht!)

Er hat gesagt, nach allem jetzt Bekannten ist Gorleben wohl nicht geeignet. Das ist eine Konjunktiv-Sache; im Konjunktiv darf ich sprechen. In einem Rechtsstaat ist die Frage aber erst endgültig geklärt, wenn eine Genehmigung erteilt ist, die wasserdicht ist und vor den Gerichten Stand gehalten hat. Dann ist – das ist mein Verständnis des Rechtsstaates – dieses Ding geeignet, vorher nicht. Vorher muss ich alles tun, um die Genehmigung zu erhalten. Alle Erkenntnisse, die ich auf wissenschaftlicher Ebene habe, zum Beispiel über die Geologie, müssen klar und sachlich vernünftig einbezogen werden. Bei Gorleben ist das doch von Anfang an nicht gelaufen. Es ist doch eine Tatsache, dass der damalige Ministerpräsident, der auf die Schnelle von der Keksfirma kam, gedacht hat, mit radioaktivem Material könne man genauso hantieren wie mit abgelagerten Keksen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er hat sich gefragt, wo es einen möglichst strukturschwachen Landkreis gibt. Dieser nannte sich LüchowDannenberg. Die Methode war ungefähr: Die dahinten müssen eigentlich zufrieden sein, wenn sie überhaupt etwas bekommen. Das war die Argumentation. Lesen Sie das bitte nach.

(Willi Müller (CSU): Voraussetzung waren die Salzstöcke!)

Da waren auch Salzstöcke, richtig. Es gibt aber auch andere Voraussetzungen, zum Beispiel Granit. Salz und Granit sind gleichwertig. Es ist richtig: In Amerika gibt es Salzstöcke, in denen eingelagert wird. Es gibt in der Schweiz den anderen Fall, dort wird in Granit eingelagert. Das war doch eine politische Entscheidung bar jeglicher Logik, Vernunft, Geologie und so weiter und so fort. Das ist die Situation.

Es gab ein großes Symposium, und jeder war froh – das gebe ich offen zu –, sicherlich war auch Helmut Schmidt als unser damaliger Bundeskanzler froh, dass die Niedersachsen Ja gesagt haben – überhaupt kein Thema.

Ich kann mir das gut vorstellen, dass damals jeder froh war, weil jeder wusste, was auf uns zukommt. Das ist aber keine Rechtsgrundlage für eine Genehmigung einer so hochgradig gefährlichen Anlage, die mit Plutonium betrieben wird. Diese Technik gefährdet zig Generationen der Zukunft. Das ist die Situation.

Schon die alte Bundesregierung hat im Jahre 1996 eine Studie in Auftrag gegeben, um diese Angelegenheit noch einmal zu überprüfen und Kriterien zu finden. Diese Studie wurde nicht von der bösen rot-grünen Bundesregierung in Auftrag gegeben. Sie ist schon allein deshalb nötig, weil die Voraussetzung für eine Genehmigung die Prüfung von Alternativen ist.

(Hofmann (CSU): Die sind doch zuvor geprüft worden!)

Das ist doch nicht wahr. Wo sind die Alternativen? Nach dem UVP-Recht und den europäischen Richtlinien brauchen Sie in kein Planfeststellungs– oder Genehmigungsverfahren gehen, wenn Sie keine Alternativen geprüft haben.

(Hofmann (CSU): Darüber haben schon Gerichte entschieden!)

Sie haben noch nicht einmal Kriterien für Gorleben. Sogar Herr Dr. Kohl hat begriffen, dass für Gorleben Kriterien erarbeitet werden müssen. Herr Kollege Hofmann Sie fallen sogar hinter Herrn Dr. Kohl zurück.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Kohl hat bereits vor vier Jahren in Gorleben eine geologische Arbeitsgruppe eingesetzt. Diese wird jetzt durch einen Arbeitskreis, der aus Geologen, Hydrogeologen, Seismikern, Geographen, Strahlenschutzexperten und Juristen besteht, weitergeführt. Herr Kollege Hofmann, das Protokoll, aus dem Sie zitiert haben, habe ich berichtigen lassen. Ich habe diese Berichtigung termingerecht mit der Bitte um Bestätigung und Rückmeldung eingereicht. Ich war einmal Beamter und weiß, wie so etwas geht.