Frau Kollegin Biedefeld, in drei Jahren unterhalten wir uns wieder. Sie sind nicht Frau Vogt, ich will Ihnen nicht zu nahe treten.
Herr Präsident, ich weiß nicht, wie viel Zeit ich für die Begründung des Dringlichkeitsantrages noch habe.
Ich wollte dazu die Frage stellen, ob Einverständnis damit besteht – wenn Sie ruhig sind, damit ich mich mit den GRÜNEN verständigen kann –, dass ich in diesem Zusammenhang gleich zu Ihrem Dringlichkeitsantrag Positionen formuliere. Oder wollen Sie ihn erst begründen?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dann will ich den Antrag der GRÜNEN gleich mitbehandeln. Ich kann es sehr kurz machen, weil er im Grunde genommen das Papier nicht wert ist, auf das er geschrieben wurde. Er ist eine einzige Lachnummer, die nicht einmal für die Faschingszeit ausreicht.
Im ersten Absatz wird die Staatsregierung aufgefordert, Maßnahmen zu unterstützen, um die ungeklärte Entsorgung radioaktiver Abfälle zu erledigen. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich stelle fest: Die Entsorgung radioaktiver Abfälle ist geklärt und kann in kurzer Zeit endgeklärt sein. Das Strahlenminimierungsgebot ist für uns eine Selbstverständlichkeit, dazu brauchen wir uns von den GRÜNEN nicht auffordern lassen.
Im zweiten Absatz fordern uns die GRÜNEN auf, Kriterien für die Suche nach dem bestmöglichen Standort zu unterstützen. – Ich stelle fest: Das haben wir in der Vergangenheit gemacht, als es die GRÜNEN noch gar nicht gab. Gorleben ist nachgewiesenermaßen der bestmögliche Standort.
Im dritten Absatz wird die Staatsregierung aufgefordert, die nationale Verantwortung für die Entsorgung der Abfälle wahrzunehmen. – Ich stelle fest: Wir haben als CSU und als Staatsregierung in der Vergangenheit Verantwortung übernommen. Es gibt durch die Transporte keine Verseuchung des Atlantiks, wie Sie behaupten. Es steht auch fest, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass internationale Verträge, die geschlossen wurden, eingehalten werden müssen.
Zum vierten Punkt Ihres Antrags. Die Begrenzung der Restlaufzeiten findet nicht unsere Zustimmung und die Anzahl der Atomtransporte wird nicht dadurch reduziert, dass Sie dezentrale Einrichtungen schaffen, ganz im Gegenteil.
Denn wenn Sie aus einer dezentralen Einrichtung zu einer Konditionierungsanlage fahren müssen – und das müssen Sie tun –, dann müssen Sie, weil in dieser Konditionierungsanlage keine Zwischenlager vorhanden sind, die konditionierten Brennelemente wieder ins Zwischenlager zurückfahren
und dann wieder transportieren, wenn ein Endlager gefunden worden ist. Herr Kollege Gartzke, Sie können sich darauf verlassen, dass ich mich schon ein wenig damit auseinander gesetzt habe.
Ich freue mich, dass Frau Radermacher endlich eingetroffen ist, damit sie nicht ständig beklagen muss, sie könne mich nicht hören. Das Beste haben Sie allerdings schon verpasst, wenn Sie nur am Radio zugehört haben.
Der letzte Punkt, Nummer fünf, heißt: „Die Staatsregierung wird aufgefordert anzuerkennen, dass der Beschluss der Regierungschefs von Bund und Ländern zur Entsorgung der Kernkraftwerke von 1979 aufgrund
der Entwicklung der letzten 22 Jahre inhaltlich überholt ist.“ Wir stellen fest: Er ist nicht nur inhaltlich nicht überholt, er ist aktueller denn je. Wir stehen in der Kontinuität unserer Politik und deshalb auch zu der damaligen Beschlussfassung, die gemeinsam mit den Regierungschefs im Jahre 1979 getroffen wurde. Vielen Dank.
Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) : Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Hofmann, Sie haben ein paar sehr zutreffende Ausführungen gemacht und von den Geistern gesprochen, die man ruft und die sich nicht mehr bändigen lassen. Meine Kolleginnen und Kollegen der CSU, Sie haben die Geister mit der Einrichtung und der Nutzung der Atomenergie gerufen. Sie sind es, die für alle in den letzten Jahrzehnten angefallenen und heute noch anfallenden hoch radioaktiven Abfälle die Verantwortung zu übernehmen haben. Sie tragen auch die Verantwortung dafür, dass Generationen von diesem hoch radioaktivem Müll Hunderttausende von Jahren belastet sein werden. Sie sind in die Atomenergie eingestiegen, wissen aber nicht, wohin mit dem radioaktiven Müll.
Obwohl wir GRÜNE immer gegen jedes Atomkraftwerk waren und sind, übernehmen wir die Verantwortung dafür, diese hoch gefährliche Technologie abzuwickeln und damit verantwortlich umzugehen, was man bei Ihnen in keiner Weise feststellen kann.
Wenn Sie heute die Sankt-Florians-Theorie widerrufen haben und unter den gegebenen Bedingungen in Gorleben weiterhin fordern, jeden radioaktiven Müll dort endzulagern, handeln Sie in höchstem Maß unverantwortlich. Dies kann nur als Sankt-Florians-Prinzip gewertet werden.
In Bayern fallen in jedem AKW täglich 50 bis 80 Kilogramm, also wöchentlich circa 2000 Kilogramm, hoch radioaktive Abfälle an. Diesen Müll bürden Sie wieder künftigen Generationen auf. Sie reden davon, den Müll nach Gorleben zu transportieren, dort eine hohe Belastung hervorzurufen, während gleichzeitig in Bayern der Atommüll weiter produziert werden soll.
Wenn dies etwas anderes als ein Sankt-Florians-Prinzip ist, möchte ich es wissen. Dieses Handeln ist in höchstem Maße politisch unverantwortlich.
Ich komme auf die Vereinbarung von 1979 noch zu sprechen. Wenn Sie weiterhin die Atomenergie zur Sicherung des Klimaschutzes für notwendig halten, lesen Sie das Papier des Umweltarbeitskreises, worin es heißt, der Primärenergieverbrauch solle bis zum Jahr 2020 halbiert werden. Genau dies ist die Zielsetzung. Die Atomenergie ist schon längst überflüssig, und wir könnten allein mit Nutzung des Potenzials anderer Energieträger jederzeit unter Klimaschutzaspekten aus der Atomenergie aussteigen.
Sie argumentieren immer wieder mit Kosten. Es ist richtig, dass für die Erkundung Gorlebens über 2 Milliarden DM an Kosten angefallen sind. Dies hat aber auch Erkenntnisse gebracht, welche anders und nicht so einfach waren, wie Sie sie gerne darstellen. Wir hatten dort große technische Probleme: Es gab Wassereinbrüche, die Verschiebung der Bohrlöcher im Salzstock durch internen Druck und sogar die Verschiebung von Befestigungsringen, die zum tödlichen Unfall von zwei Arbeitern führten. Es hat sich gezeigt, dass der Salzstock nicht homogen ist, dass es Laugenzuflüsse und Wassereinbrüche gibt. Genau diese Erkundungsergebnisse haben die Bundesregierung veranlasst zu sagen: Wir müssen nach neuestem technischen Stand und Wissen weitere geeignete Endlagerstandorte erkunden. Genau dies wird gegenwärtig verantwortlich auf den Weg gebracht.
5 bis 6 Milliarden DM wurden für den schnellen Brüter in Kalkar aufgewendet, der 1990 eingestellt wurde – ein sinnloses Konzept der Atomenergienutzung. 3 bis 4 Milliarden DM wurden für die WAA in Wackersdorf aufgebracht; auch dafür haben Sie die Verantwortung für die Kosten zu übernehmen. 4 Milliarden DM betrug der Aufwand für den THTR, den Hochtemperaturreaktor in Hamm-Uentrop, der nach massiven technischen Schwierigkeiten Anfang der 90er-Jahre von den Betreibern abgeschaltet wurde. Diese Milliardensummen türmen sich durch einen verantwortungslosen Umgang und Ausbau der Atomenergie auf. Nun gehen wir unter der Prämisse einer nationalen Verantwortlichkeit der Entsorgung und der Endlagerung der hoch radioaktiven Abfälle die Suche nach einem Endlagerstandort an. Dieser höchst komplexe Prozess wird schwierig sein. Bekanntlich will in Deutschland niemand in der Bevölkerung dieses Endlager haben. Die Widerstände bei den jetzigen Castor-Transporten zeigen, dass die Bevölkerung in Gorleben befürchtet, dort ein Endlager zu bekommen, obwohl Gorleben als Standort nicht geeignet ist. Zum Glück hat uns der Widerstand in Wackersdorf vor dem Irrweg einer Wiederaufarbeitungsanlage in Bayern bewahrt. Dass diese Anlage nicht gebaut wurde, müssen wir den Oberpfälzern danken.
Wie Sie wissen, wurde der Standort Gorleben selbstverständlich nicht aufgrund fachlicher Kriterien ausgewählt.
Der Standort Gorleben war ein politisches Angebot im Februar 1977 unter dem damaligen CDU-Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Dr. Ernst Albrecht. Er hat sich sogar bereit erklärt, ein nukleares Entsorgungszentrum einzurichten. Er wollte damals die Wiederaufarbeitung, die Fertigung von Brennelementen, die Behandlung, Verpackung und Endlagerung im Salzstock.
Bereits damals hat die Bevölkerung erheblich dagegen protestiert. 1979 hat er festgestellt, dass dieses nukleare Entsorgungszentrum politisch nicht durchsetzbar ist, und es dann aufgegeben. 1979 wurde die Vereinbarung, auf die Sie sich heute berufen – –