Protokoll der Sitzung vom 06.04.2001

Kolleginnen und Kollegen, ich denke, dass etwa ein Drittel von Ihnen einmal einem Bauausschuss angehörte, denn viele von Ihnen kommen von der Kommunalpolitik. Es gibt zahlreiche Bauanträge – fast die Mehrzahl –, denen der Bauausschuss zustimmen muss oder die, wenn sie den Festsetzungen des Bebauungsplans entsprechen, nicht im Bauausschuss behandelt werden müssen. Trotzdem wird der Bauantrag gefordert, auch wenn die Maßnahme zustimmungspflichtig ist. Deswegen können wir Ihrer Logik nicht folgen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im übrigen könnten die Gemeinden im Zusammenspiel mit den Landratsämtern in manchen Fällen bei der Planung und Errichtung von Sendeanlagen mehr mitreden, als sie das tatsächlich tun.

Ich verzichte auf das Auseinanderdividieren von Mobilfunkanlage als selbstständiger Hauptanlage oder als Nebenanlage und welche Bedeutung das jeweils nach der Baunutzungsverordnung hat.

Aber solange wir davon ausgehen, dass diese Anlagen bodenrechtliche Relevanz besitzen, greift materielles Bauplanungsrecht. Es gibt wichtige Stimmen, denen zufolge Sende- und Empfangsanlagen in reinen und in allgemeinen Wohngebieten nach der Bayerischen Bauordnung allenfalls ausnahmsweise zulässig sind. Das heißt, isolierte Befreiung oder Ausnahme wäre nötig. Nach dem Baugesetzbuch bedarf es dazu wieder des Einvernehmens der jeweiligen Kommune.

Genau nach diesem Argumentationsmuster hat die Stadt Rosenheim unlängst einen Baustopp verfügt. Man sollte also durchaus über die Möglichkeit des Einforderns nachträglicher Genehmigungsanträge in reinen und allgemeinen Wohngebieten diskutieren.

In den Ausschussberatungen ist ansatzweise auch über Mobilfunk und Flächennutzungsplanung geredet worden. Es gibt die Möglichkeit positiver Standortzuweisung, um den übrigen Planungsraum von solchen privilegierten Anlagen, beispielsweise im Außenbereich, freizuhalten. Nur, was erleben wir denn, wenn Gemeinden derartige Flächen aussuchen wollen und dazu auch Gutachter in Anspruch nehmen? Sie bekommen doch von den Betreibern gar nicht die notwendigen Daten, beispielsweise die Sendefrequenz, die Modulation usw. Das ist ein weiteres Beispiel für den fehlenden Willen zu Offenheit und für die fehlende Transparenz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Kaul, auch wir halten es nicht für richtig und haben uns darüber beschwert, dass von den UMTS-Erlösen bzw. den Zinsersparnissen aufgrund der Verwendung der Erlöse keine Mark in die Erforschung der Aus

wirkungen, insbesondere der Gesundheitswirkungen, der Mobiltelefonie gegangen ist.

Wir werden weiterhin Gelder und Programme fordern. Denn unseres Erachtens gibt es großen Forschungsund Aufklärungsbedarf zu thermischen und vor allem nichtthermischen Wirkungen der Wellen.

(Kaul (CSU): Ich habe Ihnen dazu etwas geschickt!)

Ich habe es gesehen. Ich gebe Ihnen dazu auch noch meine letzten drei diesbezüglichen Schreiben.

Was ich gesagt habe, betrifft nicht nur den Mobilfunk, sondern beispielsweise auch die Wirkungen der niederfrequent gepulsten Hochfrequenz von Schnurlostelefonen, also die 24-Stunden-Dauerwelle der DECT-Basisstation. Ich denke, auch solchen Dingen sollte man sich stärker widmen. Aber das ist hier heute nicht das Thema. Es gibt andere Baustellen, um die wir uns kümmern werden und um die sich auch Berlin kümmern muss.

Wir beantragen die Änderung der Bayerischen Bauordnung dahin, dass die Genehmigungsfreistellung für Sende- und Empfangsanlagen bis zehn Meter wegfällt, um die Information der Gemeinden zu erzwingen.

Es wird behauptet, die Kommunen wollten das gar nicht. Aber das stimmt nicht. Sie dürfen die Funktionäre in den Spitzenverbänden, deren Herkunft und Verortung uns ja allen bekannt sind, nicht mit den Räten und den Bürgermeistern an und für sich verwechseln.

Ich habe hier mittlerweile reihenweise Beschlüsse von Gemeinderäten. Ich bringe daraus nur zwei Beispiele.

In dem einen Fall handelt es sich um einen Beschluss des Stadtrates der Stadt Starnberg. Ich zitiere:

Der Stadtrat beschließt, den Bayerischen Gemeindetag zu bitten, eine Entschließung einzubringen, wonach die Bayerische Bauordnung dahin gehend geändert wird, dass Mobilfunkmasten, auch jene unter zehn Meter Höhe, generell genehmigungspflichtig sind.

Das Abstimmungsergebnis im Stadtrat der Stadt Starnberg lautet 25 : 2.

Ein anderes Beispiel: Die Bürgermeister des Landkreises Miesbach haben einstimmig eine Resolution verfasst, in der unter anderem gefordert wird, die Bayerische Bauordnung dahin gehend zu ändern, dass die Aufstellung von Mobilfunkmasten generell genehmigungspflichtig wird.

Deswegen bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Das Anliegen ist wichtig. Deswegen haben wir namentliche Abstimmung beantragt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kollegen Rotter.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir wissen, Herr Kollege Dr. Runge, natürlich um die Sorgen von Bürgerinnen und Bürgern. Aber wir haben bereits in der Ersten Lesung darauf hingewiesen, dass der Gesetzentwurf, wie er von Ihnen in den Ausschüssen präsentiert worden ist, nicht zur Lösung des Problems beiträgt. Er wird vielmehr weiterhin für zusätzliche Verunsicherung sorgen. Er weckt falsche Hoffnungen, die sich nicht erfüllen lassen.

(Kaul (CSU): Ja, das ist richtig: Er weckt falsche Hoffnungen!)

Durch die Herausnahme von Mobilfunkanlagen aus der generellen Genehmigungsfreistellung sollte den Kommunen die Möglichkeit gegeben werden, im Rahmen des dann erforderlichen Baugenehmigungsverfahrens die Verbreitung von Sendeanlagen in ihrem Gemeindegebiet zu lenken und neue Standortalternativen zu entwickeln.

Wenn dazu nun Beispiele über Abstimmungen in Stadtoder Gemeinderäten gebracht werden, wonach diese eine Genehmigungspflicht haben wollen, dann bedeutet das, dass sie die Genehmigungspflicht nur haben wollen, wenn sie damit tatsächlich auch etwas verhindern können. Aber genau das können sie nicht. Wenn Gemeinde- oder Stadträte darüber abzustimmen haben und sich gegen einen Mast aussprechen, dann müsste das Landratsamt wiederum das Einvernehmen der Gemeinde rechtsaufsichtlich ersetzen, sofern sich die Grenzwerte innerhalb der zulässigen Werte halten. Letzteres ist in jedem Fall gegeben. Von daher kann man hier nicht von einer Lösung des Problems sprechen. Deshalb haben sowohl der federführende Wirtschaftsausschuss als auch sämtliche mitberatenden Ausschüsse Ablehnung empfohlen. Die Begründung ist, dass dieser Entwurf das Problem, welches besorgte Bürgerinnen und Bürger mit der Errichtung einer Mobilfunkanlage haben, nicht lösen würde.

Wir wissen natürlich um die Ängste in der Bevölkerung. Die Leute stellen besorgt die Frage, wie schwache elektromagnetische Felder auf den menschlichen Organismus wirken. Gerade die Heimlichtuerei, die Geheimniskrämerei und das Versteckspiel, das die Mobilfunkbetreiber hier leider immer noch pflegen, fördern das Misstrauen. Die Bürgerinnen und Bürger sind wegen des Verhaltens der Betreiber verunsichert. Daher sollten diese mit offenen Karten spielen und rechtzeitig auf die Gemeinden zugehen und ins Auge gefasste Standorte bekannt geben, wie sie es im Mobilfunkpakt Bayern zugesagt haben, aber leider, wie Beispiele bayernweit belegen, immer noch nicht einhalten.

Wir müssen unsere Bemühungen in diese Richtung lenken. Wir müssen die Ängste ernst nehmen. Daher muss die Errichtung einer Sende- und Empfangsanlage rechtzeitig angezeigt werden.

Die CSU-Fraktion hat sehr viele Gespräche sowohl mit Bürgerinitiativen als auch mit Mobilfunkbetreibern, kommunalen Spitzenverbänden, Wissenschaftlern usw. geführt. Nach wie vor bleibt es bei dem Ergebnis, dass

das Baurecht der falsche Ansatzpunkt für einen intensiveren Gesundheitsschutz vor elektromagnetischen Feldern ist. Dieses Ziel ist nur über die Aufstellung von Vorsorgewerten zu erreichen, die in der 26. Bundes-Immissionsschutz-Verordnung verankert werden müssten. Dass dieser Gesetzentwurf auch kontraproduktiv zu den Absichten der Bauordnungsnovellen von 1994 und 1998 ist, das baurechtliche Verfahren zu vereinfachen, möchte ich in diesem Zusammenhang ebenfalls erwähnen.

Im übrigen entbindet die Genehmigungsfreiheit nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Anforderungen. Genau die jetzt bestehenden Anforderungen werden immer eingehalten. Aus diesem Grunde müsste das Landratsamt jedem Genehmigungsantrag zustimmen, selbst wenn die Gemeinde vorher ihr Einvernehmen verweigert hätte.

(Abg. Kaul (CSU): Die Genehmigung ist nämlich aufgrund von Bundesrecht einklagbar!)

Richtig. Ganz genau. Sie würde auch eingeklagt werden. Eine Gegenklage hätte nicht einmal aufschiebende Wirkung. Ich sage das im Hinblick auf die Möglichkeit, dass jemals eine Genehmigung verweigert werden sollte. Zusätzliche Bürokratie für den Aufbau einer modernen technischen Infrastruktur wäre damit verbunden.

Herr Kollege Dr. Runge hat darauf hingewiesen, was wir unter Kollegen immer feststellen können, dass die Handy-Dichte bei den Kollegen der grünen Fraktion sicher nicht geringer ist als bei den anderen Fraktionen dieses Hauses. 50 Millionen Handys, die es deutschlandweit gibt, erfordern natürlich auch Sende- und Empfangsanlagen.

Herr Kollege Dr. Runge hat sich dagegen gewehrt, dass die Absicht dieses Gesetzentwurfs eine Verzögerung und Blockierung sein könnte. Diese Sorge sei ihm zugestanden. Verzögerungen und Blockierungen wären in jedem Fall die Folge dieses Gesetzentwurfs und damit nicht die Lösung des Problems.

Im übrigen kommt auch der Bayerische Gemeindetag in einer rechtlichen Würdigung der Mobilfunkstationen aus bau- und imissionsschutzrechtlicher Sicht zu dem Ergebnis, dass das Instrumentarium der Bauleitplanung sowie der Gestaltungssatzung nicht geeignet ist, die Probleme einer möglichen Gesundheitsgefährdung durch elektromagnetische Felder zu bewältigen.

Die Gemeinden sollten sich – so der Gemeindetag wörtlich – des engen rechtlichen Spielraums dieser Thematik bewusst sein und keine gemeindeweiten unzulässigen Negativplanungen zur Verhinderung des Mobilfunks vornehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da wird dann immer eine Ortsgestaltungssatzung ins Gespräch gebracht. Dabei muss man deutlich darauf hinweisen, dass eine solche Satzung nur das Wie baulicher Anlagen regeln kann, nicht aber das Ob. Eine Einschränkung von Antennenanlagen kann nur bei besonders schüt

zenswerten Dachlandschaften in Betracht kommen und würde dann für alle Antennenanlagen gelten, nicht nur für Mobilfunkantennen.

Allenfalls die Bundesregierung hat einen Schlüssel zur Lösung des Problems in der Hand. Deshalb fordert unsere Fraktion in verschiedenen Anträgen vom Bund im Interesse der Bürger, die Vorsorge im Bereich Mobilfunk zu verstärken. Notwendig ist es vor allem, die Bürgerinnen und Bürger sowie die Gemeinden früher in den Prozess der Standortsuche einzubinden. Dazu sollen im Rahmen einer Bundesratsinitiative seitens des Freistaates Bayern Änderungen bei der anstehenden Novelle zur 26. Bundesimmissionsschutzverordnung erfolgen. Wir wollen, dass die Betreiber schon im Vorfeld einer vertraglichen Standortbindung zwingend mit den Kommunen Kontakt aufnehmen. Nicht erst dann, wenn es schwierig ist, ruft man nach dem Bund, sondern Regierungsverantwortung bedeutet natürlich auch, diese wahrzunehmen, und in diesem Falle hat halt der Bund die Regierungsverantwortung, auch wenn dies Ihrem Herrn Trittin nicht so ganz passt, dass er derjenige ist, der hier ganz zuförderst gefordert ist.

(Beifall bei der CSU)

Darüber hinaus ist die Grundlagenforschung auszuweiten. Wir müssen mehr über die gesundheitliche Relevanz von so genannten nicht thermischen Effekten in Mobilfunkanlagen erfahren. Dazu muss die Bundesregierung – es ist schließlich wiederum der Bund, der auch das Geld einstreicht –, wie wir bereits mehrfach gefordert haben, Mittel aus den UMTS-Erlösen bereitstellen. Es gilt darüber hinaus, die Betreiber zu verpflichten, alle technischen Möglichkeiten zu nutzen, um die Strahlungsbelastung durch Mobilfunkanlagen zu minimieren.

Vorsorge im Interesse der Menschen bedeutet nicht nur, auf die Einhaltung der in der Bevölkerung umstrittenen Grenzwerte zu achten, sondern auch alles zu tun, um die Strahleneinwirkung zu minimieren. Aber auch hier schreitet der technische Fortschritt rasant voran. Nur so, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir die Problematik in den Griff bekommen, nicht aber über das Baurecht. Mit einer Genehmigungspflicht würde den Gemeinden nur der schwarze Peter zugeschoben. Sie erhielten eine stumpfe Waffe in die Hand, mit der sie keine einzige Antenne verhindern könnten.

(Zurufe von der SPD)

Das Ergebnis wäre wachsender Frust insbesondere bei den Gemeinderätinnen und Gemeinderäten und unseren Stadträten, wenn man ihnen zwar sagte, ihr dürft darüber entscheiden, ob so etwas zu genehmigen ist oder nicht, schlussendlich sie sich aber dann doch von der Aufsichtsbehörde sagen lassen müssten, dass sie das Einvernehmen rechtswidrig verweigert haben. Da würden sich die Bürgerinnen und Bürger an der Nase herumgeführt vorkommen, und das kann niemand von uns wollen. Die Lösung kann nur darin bestehen, auf den Bund einzuwirken, also machen Sie doch Ihren immer reklamierten Einfluss endlich geltend. Der Bund kann nicht nur die 100 Milliarden DM kassieren, sondern er muss auch die Sorgen der Bürger und Bürgerinnen ernst

nehmen. Das tun wir und deswegen lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der CSU: Sehr gut!)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Vielen Dank, Herr Rotter. Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Schmidt-Sibeth.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Begründung, ausnahmslos genehmigungspflichtige Mobilfunksendemasten garantierten die erwünschte Kommunal- und Bürgerbeteiligung bei der Standortwahl, versucht das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ihre irreführende Novelle auf Änderung der Bauordnung zu verkaufen. Irreführend ist das deshalb, weil damit keine zusätzlichen Rechte entstehen. Herr Runge, was nützt mehr Transparenz bei anschließender Ohnmacht, keine rechtliche Handhabe zur Veränderung des Standortes zu haben.