Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Begründung, ausnahmslos genehmigungspflichtige Mobilfunksendemasten garantierten die erwünschte Kommunal- und Bürgerbeteiligung bei der Standortwahl, versucht das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ihre irreführende Novelle auf Änderung der Bauordnung zu verkaufen. Irreführend ist das deshalb, weil damit keine zusätzlichen Rechte entstehen. Herr Runge, was nützt mehr Transparenz bei anschließender Ohnmacht, keine rechtliche Handhabe zur Veränderung des Standortes zu haben.
Ihr Gesetzentwurf soll bei allen besorgten Bürgerinnen und Bürgern offensichtlich den Eindruck vermitteln, nur die GRÜNEN allein nehmen in der zunehmend heftiger geführten Mobilfunkauseinandersetzung die berechtigten Interessen der Bevölkerung wahr. Es ist dies eine Irreführung der Bürger. Denn die Bürger wissen inzwischen sehr genau, dass über eine Änderung der Bayerischen Bauordnung die von allen Parteien gewünschte und geforderte rechtlich einklagbare Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Kommunen an der Standortwahl nicht zu erreichen ist.
Aber das kümmert Sie wenig, denn Sie versuchen, mit Ihrem Gesetzentwurf in der Bevölkerung lieb Kind zu machen, während sich alle anderen Kolleginnen und Kollegen, die sich ebenfalls um eine Minimierung der Belastung und eine Optimierung des Entscheidungsprozesses bei der Standortwahl bemühen, permanent gegen den Vorwurf der Tatenlosigkeit verteidigen müssen.
Doch damit nicht genug. Frau Kollegin Paulig besteht auch noch auf einer mediengünstigen Tageszeit für die Behandlung im Plenum und auf namentlicher Abstimmung,
damit auch noch dem letzten Bürger suggeriert werden kann, wie gut die GRÜNEN es doch im Gegensatz zu allen anderen mit der Bevölkerung meinen.
(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch gerade die Demokratie! – Weitere Zurufe und Unruhe)
Ihr habt’s ja scho geredet gell! – Um noch einmal deutlich zu machen, worum es eigentlich geht, möchte ich etwas ausführlicher darstellen, wie das Prozedere eines Baugenehmigungsverfahrens aussähe, wenn jede Mobilfunkantenne genehmigt werden müsste. Gemäß
der Bundesimmissionsschutzgesetzgebung handelt es sich bei der Aufstellung von Mobilfunksendeanlagen um privilegiertes Bauen.
Die Kommunen sind grundsätzlich verpflichtet, die flächendeckende Versorgung mit Mobilfunkanlagen zu gewährleisten. Auch das ist eine Vorbedingung.
Genau. Wie in der Landwirtschaft. Hat ein Mobilfunkbetreiber die Absicht, eine entsprechende Anlage zu errichten, muss er nach geltendem Bundesrecht zunächst der Regulierungsbehörde Telekommunikation und Post einen entsprechenden Plan unter Angabe aller technischen Daten und des gewählten Standortes vorlegen. Nach Prüfung auf Einhaltung aller immissionsschutzrechtlichen Auflagen am Standort stellt die Regulierungsbehörde eine Standortbescheinigung aus.
Es ist unglaublich laut im Saal; ist das normal? – Anschließend legt der Betreiber der zuständigen Gemeinde seinen Bauantrag zusammen mit der Standortbescheinigung und den Unterschriften zur Nachbarbeteiligung vor. Aufgrund der Deregulierung von Baugenehmigungsverfahren kann die Gemeindeverwaltung ohne Einschaltung eines Gemeinderatsgremiums in ihrem Zuständigkeitsbereich eigenständig entscheiden. Und falls sie nicht selbst die staatliche Entscheidungskompetenz hat, kann sie den Antrag anschließend ans Landratsamt weiterreichen.
Die kommunalen Verwaltungen haben keinerlei Einfluss auf die immissionsschutzrechtlichen Inhalte. Ich betone: Keinerlei rechtlich abgesicherte Inhalte. Sie sind gehalten, den Bauantrag ausschließlich bauordnungs- und planungsrechtlich zu prüfen. Verhandlungsmöglichkeiten bestehen ausschließlich auf freiwilliger Basis von Seiten des Antragstellers.
Erfüllt der Antrag demnach alle gesetzlichen Auflagen, besteht Genehmigungspflicht, ohne dass irgendeine rechtliche Handhabe bestünde, am Standort des Senders oder auch an dessen Leistung irgendetwas verändern zu können.
Ich bin deshalb sehr gespannt, was bei der Klage der Stadt Rosenheim auf Zulassung des Baustopps gegen die Betreiber des Mobilfunks bei geltendem Bundesrecht herauskommen wird, da die Betreiber den Rechtsanspruch auf privilegiertes Bauen haben. Bisher jedenfalls wurden laut Angaben des Bayerischen Gemeindetages alle entsprechenden Prozesse von den Mobilfunkbetreibern gewonnen.
Doch weiter im Bauantrag. Nach pflichtgemäß erteilter Baugenehmigung durch die Gemeindeverwaltung erhalten alle Nachbarn, die den Antrag nicht unterschrieben haben, von der Gemeinde eine Ausfertigung der Genehmigungserteilung zusammen mit der Rechtsbehelfsbelehrung. Die Nachbarn können Widerspruch einlegen; da dieser wegen der Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften abzulehnen ist, können sie danach gegen die Kommunen – die Gemeinde, die Stadt oder das Landratsamt – nicht aber gegen den Bauträger Klage einreichen. Das Gericht prüft dann die Rechtslage, und da diese eindeutig ist, kann eine vorzeitige Baugenehmigung erteilt werden. Der teuere Weg der Nachbarklage hat demnach nicht nur keine Aussicht auf Erfolg, sondern er bewirkt nicht einmal eine Verzögerung des Baus.
Verweigert ein Gemeinderat, ein Stadtrat oder ein Landratsamt die Zustimmung zur Baugenehmigung, würde und müsste diese wegen des Rechtsanspruchs durch die Bezirksregierung ersetzt werden.
Ziel des Wegfalles der Genehmigungsfreistellung in der Bauordnung soll, so habe ich es verstanden, die rechtzeitige Information und Einfluss nehmende Beteiligung der Kommunen und der Bürgerschaft an einer dem Minimierungs- und Optimierungsgebot folgenden Verteilung von Mobilfunkstandorten im Gemeinde- oder Stadtgebiet sein. Wie dargestellt, wird dieses Ziel nicht erreicht.
Erreicht würde mit der vorgeschlagenen Änderung der Bauordnung dagegen eine verwaltungsintensive Bauantragsflut bei den Gemeinden. Erreicht würde im Rahmen der Nachbarbeteiligung die Möglichkeit, für viel Geld bisher erfolglose gerichtliche Auseinandersetzungen mit den Kommunen zu führen. Erreicht würde damit eine scheinbare Verlagerung der Verantwortung für die Errichtung von Mobilfunksendeanlagen von den Mobilfunkbetreibern auf die Kommunen, einer Verantwortung, die den genehmigungspflichtigen Behörden im Gegensatz zu den Betreibern keinerlei rechtlichen Spielraum lässt. Erreicht würde damit, dass sich der Ärger der Bürger nun auf Bürgermeister, Gemeinde- und Stadträte verlagert, weil die gemeindliche Ohnmacht im Genehmigungsverfahren sicherlich nur schwer zu vermitteln wäre – und dieser gesamte Aufwand nur, weil damit als einziges ehrliches Ergebnis der Kommune rechtzeitig bekannt wäre, wo ein Mast errichtet werden soll, eine Erkenntnis, die jedoch nur dann etwas nützen würde, wenn der vorher festgelegte und behördlicherseits bescheinigte Standort freiwillig von den Betreibern infrage gestellt würde.
Damit sind wir wieder bei den freiwilligen Vereinbarungen vonseiten der Betreiber, sich zuerst mit den Kommunen abzusprechen, bevor sie der Regulierungsbehörde einen Plan vorlegen. Wenn aber aufgrund geltender Bundesgesetze heute sowieso nur auf freiwilliger Basis verhandelt werden kann, dann kann auch einvernehmlich vereinbart werden, dass die Gemeinden rechtzeitig vor Festlegung des Standorts von einer Bauabsicht unterrichtet werden. Was soll dann in dieser Situation eine nicht zielführende Gesetzesänderung des Landes?
Wenn wir die Sorgen und Ängste der Bevölkerung wirklich ernst nehmen und wenn wir ehrlich miteinander umgehen, müssen wir zugeben, dass nach geltender Rechtslage erweiternde vorsorgende Maßnahmen nur über freiwillige Vereinbarungen wahrgenommen werden können. Wir müssen deshalb alles daransetzen, auf Landesebene entsprechende Vereinbarungen nicht nur abzuschließen, sondern auch auf deren Einhaltung zu pochen.
Meine Fraktion fordert deshalb von der Staatsregierung einen Erfolgsnachweis über alle freiwilligen Vereinbarungen mit den Mobilfunkbetreibern, die bewirken sollen, dass sowohl bei genehmigungspflichtiger als auch bei genehmigungsfreier Errichtung von Mobilfunksendeanlagen die Kommunen frühzeitig, also vor der Standortbescheinigung, über benötigte Standorte informiert und Entscheidungen zur Standortwahl unter Berücksichtigung von sensiblen Bereichen, wie Krankenhäusern, Schulen, Kindergärten und Pflegeeinrichtungen, einvernehmlich getroffen werden.
Die SPD fordert die Staatsregierung auf, sich an der Grundlagenforschung zu möglichen Gesundheitsgefahren durch nicht ionisierende Strahlen mit eigenen Forschungsaufträgen zu beteiligen
und dafür Sorge zu tragen, dass dabei besonderes Augenmerk auf mögliche Wirkungen aufgrund der Pulsung von elektromagnetischen Feldern gerichtet wird.
Wir fordern, Forschung und Entwicklung zur Optimierung der Mobilfunktechnik mit Nachdruck zu initiieren, und wir fordern, Gespräche mit Mobilfunkbetreibern und dem Handel zu führen, um eine Vereinbarung über ein freiwilliges Werbeverbot gegenüber der Zielgruppe Kinder und Jugendliche zu erreichen. Außerdem fordern wir eine generelle Handyzurückhaltung in Schulen.
Im engen Kontakt mit unseren Bundestagskollegen und der Bundesregierung vermitteln wir nachdrücklich unsere Position, dass im Interesse einer erweiterten Vorsorge bei der Novellierung der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung eine deutliche Absenkung der Grenzwerte erreicht werden muss und dass die technischen Standards der Sender und der Mobilfunktelefone zu kennzeichnen und laufend zu überprüfen sind.
Wir setzen uns mit Nachdruck dafür ein, dass zusätzlich zu den bestehenden Forschungsaufträgen mit den aus der UMTS-Lizenzversteigerung freigewordenen und für Gesundheitsforschung vorgesehenen Bundesmitteln kurz- und langfristige Aufträge zur Erforschung der Wir
Wir haben die Bundesregierung aufgefordert, auf der Basis der Immissionsschutzgesetzgebung Mittel und Wege zu finden, um Kommunen und Bevölkerung rechtzeitig und umfassend zu informieren und am Planungsverfahren angemessen zu beteiligen. Vor einer möglichen Verpflichtung aller Mobilfunkbetreibenden zur Installation mehrerer Anlagen an einem gemeinsamen Standort fordern wir, wissenschaftlich überprüfen zu lassen, ob im Sinne des Minimierungs- und Optimierungsgebotes einer leistungsstarken Bündelung an wenigen Standorten der Vorzug vor leistungsschwachen Einzelsendern an sehr vielen Standorten zu geben ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Zusammenhang mit der Mobilfunktechnik ist die Politik heute vor zwei sich widersprechende Forderungen gestellt: Einerseits will die Bevölkerung – in Deutschland haben wir über 50 Millionen zugelassene Handys – flächendeckend das Handy benutzen. Andererseits will aus Angst vor gesundheitlicher Gefährdung fast niemand in der Nähe von Mobilfunksendeanlagen wohnen. Eine Lösung dieses Konfliktes wird es kaum geben. Eine vorsorgende Minimierung und Optimierung der Belastungen muss jedoch mit großem Einsatz versucht werden.
Dazu bedarf es neben intensiver wissenschaftlicher Forschung jeder Anstrengung, um Kommunen und Bevölkerung ausreichend aufzuklären, über vorhandene und geplante Standorte rechtzeitig zu informieren und wo immer möglich dem Wunsch nach größeren Abständen zu sensiblen Bereichen nachzukommen. Nicht Beschwichtigung, sondern umfassende Informationen, Aufklärung und Beteiligung auf freiwilliger und künftig auf geregelter Basis, das ist nach unserer Meinung das Gebot der Stunde.
(Kaul (CSU): Der Hartenstein hat einiges richtig zu stellen! Das wird er jetzt sicher tun! – Gegenruf der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Herr Kaul, freuen Sie sich nicht zu früh!)
– Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird der Wegfall der Genehmigungsfreistellung von Mobilfunkanlagen gefordert. Die Ziele, die damit erreicht werden sollen sind erstens Lenkung der Verbreitung der Mobilfunkanlagen im Gemeindegebiet, zweitens Entwicklung von Standortalternativen, drittens Mitbeteiligung der Nachbarn am Verfahren und viertens Überprüfung gesundheitlicher Risiken. So steht es im Gesetzentwurf.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, entweder geht den Mitgliedern der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN die Fähigkeit ab, geltendes Bauordnungs- und Planungsrecht richtig zu interpretieren, oder aber dieser Gesetzentwurf muss in die Kategorie „Populismus pur“ eingeordnet werden.
(Beifall bei Abgeordneten der CSU und der SPD – Widerspruch vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kaul (CSU): Wo er Recht hat, da hat er Recht!)
Diese Resonanz bei den GRÜNEN habe ich selbstverständlich erwartet. Aber meine Auffassung lässt sich leicht untermauern.
Nach geltendem Recht schaut es folgendermaßen aus: Selbst wenn es sich, wie in dem Gesetzentwurf gefordert, künftig immer um eine genehmigungspflichtige Anlage handeln würde, bestünde ein Anspruch auf Baugenehmigung, und zwar dann, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: erstens wenn es keine Widersprüche zu sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften gibt, zweitens wenn eine Einhaltung der Grenzwerte nach der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung gegeben ist. Beides trifft praktisch immer zu. Somit würde also die untere Baugenehmigungsbehörde rechtswidrig handeln, wenn sie die Genehmigung versagt.