Protokoll der Sitzung vom 31.05.2001

(Beifall bei der SPD)

Diesen Artikel hat Angela Böhm 1995 geschrieben. Er ist in meinem persönlichen Archiv nachzulesen. Damals sagte die Umweltministerin Angela Merkel: „Alles nur Panikmache!“

Wir wollen keine Panikmache. Ich wollte heute auch nicht mit dem Finger auf Sie zeigen, aber Sie ersparen es mir einfach nicht. Wir wollen wirklich keine Panikmache, sondern wir wollen eine Lösung. In der Bevölkerung ist mittlerweile Panik entstanden, aber nicht, weil sie von politischen Gruppen aufgewiegelt, desinformiert und in Angst versetzt wurde, sondern weil sich mittlerweile 12 Störfälle mit Feuer und allem möglichem, was man sich denken kann, ereignet und das Vertrauen der Bevölkerung unmöglich gemacht haben.

Dieses Vertrauen kann sich auch nicht mehr entwickeln. Das heißt also für uns, dass wir handeln müssen. Vertrauen kann sich einfach nicht entwickeln, nachdem über 20 Jahre lang für rund 6 Milliarden DM oder 100 Milliarden Kronen ohne ordentliche Genehmigung gebaut worden ist. Vertrauen kann sich nicht entwickeln, wenn keine ordentliche Sicherheitsüberprüfung durchgeführt wird und wenn die nach den bisherigen Erkenntnissen der Deutschen Gesellschaft für Reaktorsicherheit festgestellten erheblichen Mängel nicht beseitigt werden. Dabei sind die bei den Betonarbeiten ans Licht getretenen Schlampereien noch nicht einmal berücksichtigt. Vertrauen kann auch nicht entwickelt werden, wenn es heißt, dass das Betreiben des Atomkraftwerkes gegen die Sicherheitsnormen des EU-Strommarktes verstoße und dass das Werk in Deutschland wegen der fehlenden Standards nicht in Betrieb genommen werden dürfte.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hofmann?

Wenn er so schön schaut, kann nichts Gescheites herauskommen. Aber bitte schön, Herr Hofmann.

Ich habe mir eine verhältnismäßig einfache Frage zusammengebastelt.

(Zuruf von der SPD: Geht das überhaupt? – Frau Peters (SPD): Das ist aber ungewöhnlich, Herr Hofmann!)

Aber für Sie tue ich alles.

Jetzt kommt die Frage: Frau Kollegin, teilen Sie die Auffassung des Umweltministers Werner Schnappauf,

(Zuruf von der SPD: Nein! – Heiterkeit)

dass es keinen EU-Beitritt Tschechiens geben darf, ohne dass nukleare Sicherheit besteht?

Die Meinung kann ich teilen, aber ich muss mir überlegen, wie das geht.

Sind Sie aus diesen Gründen der Meinung, dass Ihre Landesgruppe in Berlin den Bundeskanzler aus Ihrer eigenen Partei, den grünen Außenminister und den grünen Umweltminister auffordern sollte, dafür zu sorgen, dass diese Sicherheit gewährleistet ist, bevor der EU-Beitritt Tschechiens erfolgt?

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist doch geprüft worden! So ein Schwachsinn!)

Herr Hofmann, ich weiß nicht, was an dieser Frage neu sein soll.

(Hofmann (CSU): Sie sollen sie beantworten!)

Es ist natürlich klar, dass wir alle zusammen und gemeinsam mit Berlin dafür sorgen, dass dies geschieht. Es war nie eine Frage, dass wir das nicht tun würden.

(Hofmann (CSU): Haben Sie das schon getan?)

Ja selbstverständlich.

(Hofmann (CSU): Was haben Sie gemacht?)

Herr Hofmann, Sie können schreiben, wir können schreiben, wir können auch telefonieren, wir können die Ministerien fragen. Es ist aber nicht meine Art, hier herumzuschwadronieren.

(Beifall bei der SPD – Hofmann (CSU): Das machen aber andere auch!)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Frau Kollegin, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage.

Ich habe jetzt die Qualität der Fragen gesehen. Das lohnt sich einfach nicht.

(Beifall bei der SPD – Hofmann (CSU): Das merke ich mir!)

Herr Hofmann wollte mich einfach wieder einmal drausbringen, und das gelingt ihm auch ab und zu einmal.

Ich will jetzt fortfahren. Ich brauche nicht darauf hinzuweisen, was bei uns passieren würde, wenn wir in einem Umkreis von 100 Kilometern die Gefahrenzone 1 hätten. Ich brauche nicht darauf hinzuweisen, wie viele Tote es geben könnte und was dabei in der Landwirtschaft und in der Tourismusbranche alles kaputt ginge. Es ist doch verständlich, dass sich daher die Bürgerinitiativen und die verschiedenen Gruppen verantwortlich fühlen und uns, die Kollegen aus Niederbayern und der Oberpfalz, anschreiben, wenn die Wahrscheinlichkeit von Reaktorunfällen nach Expertenaussagen um ein Vielfaches höher ist. Menschliches Versagen ist dabei überhaupt noch nicht berücksichtigt worden.

Ich erinnere noch einmal an die vielen krebskranken Kinder in der ehemaligen Sowjetunion. Wir dürfen das Thema nicht aus den Augen verlieren.

(Beifall bei der SPD)

Unsere Heimat wäre bis in das nächste Jahrtausend atomar verseucht und unbewohnbar. Man kann leicht nachvollziehen, was bei uns vor Ort passieren würde. Meine Kollegen aus Niederbayern und ich sind angeschrieben worden vom BDKJ Passau, vom BDKJ Regensburg, vom Katholischem Frauenbund, von Ärztinnen, vom Bezirksjugendring Oberpfalz und von vielen anderen. Auch der Bauernverband reiht sich in die Phalanx ein. Ich darf einen Satz aus dem Schreiben des BDKJ zitieren, der heißt: „Aus der Verantwortung für die Schöpfung

und aus Angst um das Leben dürfen wir das Schicksal von Temelin nicht der Politik überlassen.“ Der Katholische Frauenbund hat geschrieben: „Voller Sorge verfolgen wir den Probelauf und die geplante Inbetriebnahme des AKW in Temelin. Aus Angst vor der todbringenden Gefahr eines Reaktorunglücks im AKW Temelin wenden wir uns heute an Sie.“ Ich wurde, wie sicher auch meine Kollegen, massiv aufgefordert, auf allen Ebenen Einfluss zu nehmen. Damit ist sicher nicht gemeint, dass man mit dem Finger nach Berlin zeigt, sondern damit ist gemeint, dass man überlegen soll, welche Möglichkeiten es gibt und was man von Bayern aus tun kann. Von bayerischer Seite kann man E.ON auffordern, auf den Betreiber CEZ Druck auszuüben, damit Temelin nicht in Betrieb geht.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dinglreiter?

Herr Dinglreiter, ich fürchte, ich werde mit meiner Rede nicht fertig. Sie können sich aber später noch zu Wort melden.

Weiter wurde ich aufgefordert, keine Mühen zu scheuen, um die Gefahr abzuwenden. Bei politischem Handeln sollte man sich nicht von wirtschaftlichen Interessen leiten lassen. Wörtlich heißt es: „Aufgrund Ihres Mandats“ – damit sind wir alle gemeint – „sind Sie dazu verpflichtet, für den Schutz der Bevölkerung Sorge zu tragen. Wir ersuchen Sie dringend, sich für die Durchsetzung unserer Forderungen einzusetzen.“

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist wirklich nicht angezeigt, nur mit dem Finger nach Berlin zu zeigen und uns gegenseitig vorzuwerfen, was alles versäumt worden ist. Ich wollte das nicht tun, aber Sie haben es mir nicht erspart. Wir sollten lieber fragen, was wir tun können. Tatsächlich können wir E.ON auffordern, tätig zu werden. E.ON hat heute eine Pressemitteilung lanciert, in der Verhandlungen angekündigt werden. Ich frage mich: Wer verlässt sich schon auf Verhandlungen? – Sie doch nicht, Herr Hofmann. Sie wollen Ergebnisse sehen. Deshalb meine ich, Sie müssten unserem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man Strom für 120 Millionen DM abnimmt, hat man ein Druckmittel. Das stimmt, denn sonst hätte es keine Bewegung gegeben. Lassen Sie sich nicht davon leiten, dass alles in Berlin zu erledigen wäre. Es ist nicht alles in Berlin zu erledigen. Stimmen Sie unserem Antrag zu, damit es Ihnen nicht so geht wie Václav Havel, der gesagt hat: Wenn ich mir etwas als größten Fehler vorwerfe, den ich in den zehn Jahren meiner Präsidentschaft gemacht habe, dann ist dies, dass ich im Jahr 1990 nicht schärfer gegen den Bau von Temelin vorgegangen bin. Wir im Parlament haben die Möglichkeit, etwas zu tun. Lassen Sie diese Möglichkeit nicht ungenutzt vorüberziehen, und denken Sie daran, dass nichts in trockenen Tüchern ist. Ich jedenfalls glaube Verträgen, aber nicht Worten, die in der Zeitung stehen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Waschler.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Ich darf eine Erklärung abgeben, die sich in erster Linie auf die ostbayerischen CSU-Abgeordneten bezieht, aber die auch von der CSU-Fraktion insgesamt mitgetragen wird. Wir werden den Anträgen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN aus verschiedenen Gründen, die ich darlegen werde, nicht zustimmen. Grund dafür ist vor allem, dass eine Entwicklung eingetreten ist, die von Frau Biedefeld schon angedeutet wurde, wenn auch nicht in aller Deutlichkeit und Prägnanz. Angekündigt wurde, dass E.ON die Verträge mit CEZ nicht fortführen wird. Das ist nach einschlägigen Pressemitteilungen und Aussagen der E.ON-Führung nicht nur eine Absichtserklärung, sondern eine eindeutige Linie. Das, was insbesondere von Frau Biedefeld, aber auch bekräftigend von Frau Kellner und Frau Peters geboten wurde, war ein populistisches Scheingefecht. Ihre Schaufensterreden wurden nur teilweise mit Fakten untermauert.

Auch bei den Fakten hat man nicht mit offenen Karten gespielt. In den Anträgen sind Fehler vorhanden, die aber möglicherweise nicht wissentlich gemacht wurden und deshalb zu entschuldigen sind, denn dort, wo Menschen arbeiten, werden Fehler gemacht.

Da ich der Stadt Passau in besonderer Weise verbunden bin, habe ich sehr genau registriert, dass Sie, Frau Biedefeld, gesagt haben, die Stadtwerke Passau hätten bereits den Ausstieg aus den Lieferverträgen beschlossen. Das ist mitnichten der Fall, sondern hier wird es einen Bürgerentscheid geben, der den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gibt, zuzustimmen oder abzulehnen. Im Antrag steht noch etwas von Absicht. Sie haben es später anders formuliert. Vielleicht handelt es sich nur um eine sprachlich verunglückte Aussage. Festzuhalten bleibt, der Teufel steckt im Detail. Auf keinen Fall geht es an, zu sagen, weil hier möglicherweise Atomstrom geliefert wird, verabschiedet man sich aus den Verträgen. So einfach kann man es sich nicht machen. Wenn man die Sache im Detail betrachtet, lassen sich manche Dinge vor Ort ganz anders an.

Frau Kollegin Biedefeld, die Formulierungen in Ihrem Antrag sind schwammig und entsprechen letztlich nicht den Gegebenheiten. Wenn Sie sagen, lassen Sie Taten folgen, könnte ich fragen: Wo sind denn Ihre Taten? Wenn Herr Verheugen, der Ihrer Fraktion angehört, in den Medien sagt, es könne nicht angehen, dass der Sicherheitsstandard von Temelin ein Thema bei den Beitrittsverhandlungen sei, dann ist die Politik, die Sie betreiben, nicht offen und ehrlich.

(Beifall bei der CSU – Unruhe)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich verstehe die Unruhe nicht. Es wird nur über Tatsachen berichtet. Herr Trittin stellt sich in der Öffentlichkeit wunderbar als Showman dar. In Passau haben wir es erlebt. Ich war bei der gesamten Veranstaltung anwesend. Eines hat mir sehr gut gefallen, nämlich dass unser Umweltminister klar und deutlich all das dargelegt hat, was die Bayeri

sche Staatsregierung getan hat. Herr Trittin hat nichts anderes getan, als eine Show abzuziehen. Er hat gesagt, wir machen Temelin zu einer Wiese, egal, ob das Werk auf bayerischem oder tschechischem Staatsgebiet liegt. Das ist kein ehrlicher Umgang mit den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern, und schon gar nicht mit denjenigen, die an der Podiumsdiskussion teilgenommen haben.

(Beifall bei der CSU)

Ich möchte noch etwas sagen zu der Aussage, hier werde verantwortlich gearbeitet. Es gibt in der deutschen Politik noch einen weiteren Showman, und zwar an vorderster Stelle. Es handelt sich um den Herrn Bundeskanzler. Bekanntlich hat er einmal an einer Tür gerüttelt und gesagt, er will dort rein, wo er jetzt drin ist. Warum rüttelt er nicht an Temelin und sagt, er will hinein, damit die Sache auf eine andere Ebene kommt? Er hat dies bis heute nicht getan. Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen von der SPD bitten, tätig zu werden und den Bundeskanzler zu überreden, etwas zu tun.

(Unruhe)

Ich verstehe die Unruhe nach wie vor nicht. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion, ich weiß nicht, warum sich die Opposition so aufregt.