Protokoll der Sitzung vom 26.06.2001

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 67. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt. Hörfunk und Fernsehen des Bayerischen Rundfunks übertragen die Regierungserklärung und die Aussprache live.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich drei Glückwünsche aussprechen. Runde Geburtstage feierten am 11. Juni Herr Kollege Heinz Hausmann, am 16. Juni Herr Kollege Dr. Ludwig Spaenle und am 22. Juni Herr Kollege Heinz Donhauser. Ich gratuliere den Genannten im Namen des Hohen Hauses und persönlich sehr herzlich und wünsche ihnen alles Gute, besonders Gesundheit und Erfolg bei der Erfüllung ihrer parlamentarischen Aufgaben.

(Allgemeiner Beifall)

Meine sehr geehrten Damen, meine Herren, mit Schreiben vom 25. Juni hat der Leiter der Staatskanzlei, Staatsminister Erwin Huber, gebeten, dem Herrn Ministerpräsidenten zu Beginn der heutigen Sitzung Gelegenheit zur Abgabe einer Erklärung nach § 126 Absatz 1 der Geschäftsordnung zum Thema „Einigung bei Länderfinanzausgleich, Solidarpakt und Gemeinschaftsaufgaben – Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz“ zu geben. Hierzu hat der Herr Ministerpräsident das Wort.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das vergangene Wochenende – Donnerstag, Freitag, Samstag – war ein bedeutendes Datum für den Föderalismus in Deutschland. Es war auch ein gutes Datum für Bayern und für ganz Deutschland. Die Verhandlungen der Länder und des Bundes zum Länderfinanzausgleich und zum Solidarpakt II in Berlin haben zu einem tragfähigen Ergebnis geführt. Bayern, aber auch alle Länder und der Bund können mit dem Ergebnis höchst zufrieden sein. Deswegen habe ich den Herrn Präsidenten des Hohen Hauses gebeten, dem Plenum so rasch wie möglich über die Ergebnisse Bericht erstatten zu dürfen, die zum Teil, in den Grundzügen über die Presse bekannt sind.

Seit Jahren hat die Bayerische Staatsregierung, unterstützt von der Mehrheit in diesem Hohen Hause, mit Nachdruck die Einführung von mehr Leistungsanreiz und Leistungsgerechtigkeit in den Länderfinanzausgleich gefordert. Leistung und Wettbewerb sind die Garanten für eine gute Entwicklung unseres Landes. Das Tor dazu wurde jetzt aufgestoßen. Wir werden, die Zustimmung des Bundestages vorausgesetzt, mehr Wettbewerb, mehr Gerechtigkeit und mehr Verantwortung der Länder im Finanzausgleich festschreiben. Gleichzeitig werden die westlichen Länder ihrer Solidarität gegenüber den ostdeutschen Ländern in vollem Umfang gerecht. Alle Länder, Zahlerländer wie Empfängerländer, gehen gestärkt aus den Verhandlungen hervor. Der Sieger des Wochenendes ist zuallererst der Föderalismus in Deutschland. Das war auch wichtig, weil

wir föderale Strukturen in Europa gestalten wollen. Deswegen war es auch unter diesen Gesichtspunkten notwendig, sich trotz schwieriger Ausgangslagen und unterschiedlicher Interessen zu einigen.

Ich bin froh darüber, dass wichtige bayerische Positionen bei diesen Verhandlungen überzeugt und Eingang in die Ergebnisse gefunden haben. Die Arbeit und die Politik der Staatsregierung der letzten Jahre haben sich als erfolgreich erwiesen. Wir haben in der Debatte um die Reform des Föderalismus Akzente gesetzt und sind keiner Diskussion aus dem Weg gegangen. Ich kann mit Fug und Recht behaupten: Wir haben etwas bewegt.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren von der Opposition, eines habe ich immer nachdenklich vermerkt: Wäre es nach Ihnen gegangen, wir hätten nichts für Bayern, aber auch nichts für den Föderalismus erreicht. Sie haben versucht, die Reformbestrebungen der Staatsregierung zum Wohle Bayerns zu torpedieren, wo immer es nur ging. Sie haben gegen unsere Forderungen nach mehr föderalem Wettbewerb im Finanzausgleich polemisiert. Ich will jetzt die einzelnen Zitate gar nicht nennen: Bayern würde polarisieren, Bayern würde sich isolieren, Bayern würde nichts erreichen, man sollte doch alles im Verhandeln erreichen. Ich will das jetzt nicht aufwärmen, weil dies nicht weiterführt. Herr Maget, ich sage nur: Sie haben am Samstag gefragt, wo wir in dieser Debatte gelandet seien. Ich kann dazu nur sagen: Wir sind jetzt genau dort gelandet, wo wir hin wollten, nämlich bei mehr Wettbewerbsföderalismus.

(Beifall bei der CSU)

Sie befürchteten sogar, das Eintreten der Staatsregierung für mehr Wettbewerb beim Länderfinanzausgleich gefährde die Einheit Deutschlands und werde Bayern zum Verlierer im Bund machen und den Freistaat in Deutschland isolieren. Das Gegenteil ist jetzt der Fall.

(Frau Biedefeld (SPD): Dank Gerhard Schröder!)

Sie haben unsere Klage gegen den Länderfinanzausgleich im Jahre 1997 als Irrweg abgetan. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil im November 1999 unsere Auffassung bestätigt. Das Gericht hat den Finanzausgleich damals in seiner bisherigen Form ab dem Jahr 2003 als verfassungswidrig verworfen.

Tatsache ist: Nur weil Bayern, Baden-Württemberg und Hessen beim Verfassungsgericht geklagt und diese Entscheidung herbeigeführt haben, haben sich alle Länder an den Verhandlungstisch gesetzt, sie haben sich an den Verhandlungstisch setzen müssen, an den sie sich vor der Klage nicht setzen wollten. Nur deswegen können wir heute ein Ergebnis vorweisen, das einen echten Fortschritt darstellt.

Unser Gang nach Karlsruhe war eine „Ultima Ratio“. Einige Länder waren vorher gar nicht zu Verhandlungen bereit. Unsere Modelle, wie der Länderfinanzausgleich sinnvoll gestaltet werden könnte, wurden teilweise gar nicht ernsthaft diskutiert. Karlsruhe hat hier einen

Umschwung eingeleitet. Bei vielen Sozialdemokraten hat nach dem Urteil ein Umdenkungsprozess stattgefunden.

Ihre Oppositionskollegen im Landtag von Baden-Württemberg haben kürzlich Ministerpräsident Teufel und seine Regierung gerügt, zu spät geklagt zu haben.

(Kaul (CSU): Hört, hört!)

Die Opposition in Hessen, die SPD im Hessischen Landtag, hat meinen Kollegen Roland Koch mehrfach aufgefordert, noch härter für die Belange seines Landes an allen Stellen zu kämpfen und einzutreten.

(Beifall bei der CSU – Kaul (CSU): Was sagt die bayerische SPD dazu? Sie ist sprachlos!)

Ich bin zuversichtlich, dass auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, Ihre Kontra-Strategie aufgeben und endlich einsehen, dass die Staatsregierung richtig gehandelt hat. Der Kompromiss, den wir am Wochenende ausgehandelt haben, ist gut für Bayern und gut für die Länder.

Dennoch: Nicht alle bayerischen Vorstellungen zur Reform des Länderfinanzausgleichs sind in Berlin einigungsfähig gewesen. Auch wir haben nachgegeben, um zu einem tragfähigen, gemeinsamen Ergebnis zu kommen. Wir haben entgegen unseren ursprünglichen Forderungen akzeptiert, dass die bisherige Einwohnerwertung für Stadtstaaten in Höhe von 135% beibehalten wird. Diesem Privileg haben wir im Interesse des Endergebnisses zugestimmt, obwohl wir eine Differenzierung zwischen den Stadtstaaten und eine Absenkung der Einwohnerwertung nach wie vor für richtig halten.

Eingewilligt haben wir auch in die Neubewertung der Gemeindefinanzkraft. Der Bundesfinanzminister und der so genannte Hannoveraner Kreis – das sind die elf Nehmerländer plus Hamburg – hatten ursprünglich vorgesehen – so auch noch im Maßstäbegesetz, das sich gegenwärtig im Gesetzgebungsverfahren befindet –, die kommunale Finanzkraft zu 100% in den Länderfinanzausgleich einzubeziehen. Da Bayern im Verhältnis zu den anderen Ländern über die Kommunen mit der stärksten Finanzkraft verfügt, hätte das bedeutet, dass Bayern noch reicher gerechnet worden wäre und dass wir im horizontalen Finanzausgleich zwischen den Ländern noch mehr hätten zahlen müssen.

Wir haben erreicht, dass die kommunale Finanzkraft künftig nur mit 64% berücksichtigt wird. Dieser Kompromiss ist uns immer noch schwer gefallen, aber er liegt im Interesse der ostdeutschen Länder. Auch das ist ein Beitrag von uns zur gesamtdeutschen Solidarität.

Wir haben dem zugestimmt, weil wir bei den Verhandlungen die Chance gesehen haben, für Bayern die wichtigsten Ziele zu erreichen und endlich Bewegung in die längst überfällige Föderalismusreform zu bringen.

Unser wesentlichstes Anliegen war es, unseren Tarif, den vom bayerischen Finanzministerium, von Kurt Faltlhauser, vorgelegten Tarif für den horizontalen

Finanzausgleich, zur Beratungsgrundlage zu machen und letztlich durchzusetzen. Hier waren wir nicht kompromissbereit. Unser Tarif bringt eine beachtliche Entlastung der Geberländer mit sich. Wir wollten hier eine tiefschwarze Null.

(Lachen bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit dies aber bei den Empfängerländern nicht zu Verlusten führt, hat der Bund seinen Einigungsbeitrag erhöht.

Meine Damen, meine Herren, das ist ganz einfach zu erläutern. Unser Tarif – schauen Sie ihn sich bitte noch einmal genau an, weil er auch für die Zukunft wichtig ist – bedeutet, dass wir bei weiterem wirtschaftlichem Wachstum mehr vom Ertrag in Bayern behalten werden als bisher. Das heißt, wir haben eine beachtliche Abflachung des Tarifs.

Das bedeutet natürlich, dass damit rote Nullen bei den Nehmerländern entstehen.

(Zuruf von der CSU: Da gibt es viele! Es werden immer mehr!)

Wenn man das nicht akzeptieren will, ist es notwendig, dass andere diese Defizite ausgleichen.

Deswegen war unsere Position immer klar: Unser Tarif bringt nur dann für alle eine schwarze Null, wenn der Bund mindestens 2,5 Milliarden DM zum Länderfinanzausgleich beiträgt. Dies ist am Samstag die einheitliche Position der Ministerpräsidenten geworden. Das war vorher nicht so. Dann ist signalisiert worden, dass dieser Forderung zugestimmt wird. Nur unter dieser Voraussetzung ist der bayerische Tarif einigungsfähig gewesen.

Meine Damen, meine Herren, wir wollen einen fairen Finanzausgleich und einen wettbewerbsorientierten Föderalismus. Mit der Neuregelung des Finanzausgleichs zum 01.01.2005 und dem Solidarpakt II kommen wir diesen Zielen deutlich näher.

Voraussetzungen für die Einigung in Berlin waren folgende Punkte:

Der Fonds Deutsche Einheit wird ab dem Jahr 2005 auf den Bund übertragen. Tilgung und Zinsen übernimmt der Bund. Der Fonds wird, beginnend bereits 2002, bis zum Jahre 2019 gestreckt. Die Restschuld von 12,8 Milliarden DM, die dann noch bestehen wird, wird vom Bund übernommen. Die finanziellen Vorteile, die sich daraus ergeben, werden für den Länderfinanzausgleich nutzbar gemacht.

In Zahlen ausgedrückt heißt dies: Ab dem Jahr 2005 ergibt sich ein jährlicher Vorteil in Höhe von 2 Milliarden DM. Der Bund hat sich verpflichtet, weitere 500 Millionen DM jährlich beizutragen. Das sind die 2,5 Milliarden DM Bundesleistung.

Die dadurch erreichte Entlastung öffnet den Weg für eine Neuregelung, von der dann alle Länder profitieren.

Kein Land erleidet finanzielle Verluste. Im Gegenteil: Ostdeutsche wie westdeutsche Länder schneiden insgesamt positiv ab. So gewinnen die Länder beispielsweise im Jahr 2005 zwischen 36 Millionen DM und rund 400 Millionen DM – das ist der Spitzenreiter.

Bayern, meine Damen und Herren, kann für das Jahr 2005 mit einer finanziellen Besserstellung von rund 400 Millionen DM rechnen. Wir sind also der Spitzenreiter der Rechnungen, das heißt, wir haben numerisch die größte Entlastung.

(Beifall bei der CSU)

Ich glaube, dass sich darüber nicht nur der bayerische Ministerpräsident freuen sollte und die Mehrheitsfraktion, sondern eigentlich alle in diesem Haus.

(Lebhafter Beifall bei der CSU – Frau Biedefeld (SPD): Bayern mal wieder vorn!)

Mit Ausgabenvorschlägen sind Sie doch immer sehr schnell bei der Hand.

(Mehrlich (SPD): Wie viel davon kommt denn vom Bund?)

Sie müssen sich auch einmal überlegen, woher das Geld kommt.

(Beifall bei der CSU – Güller (SPD): Vom Bund! – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Von den Steuerzahlerinnen und den Steuerzahlern, das wissen wir sehr gut!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gleichzeitig haben wir auch für die Kommunen mitverhandelt. Das will ich an die Adresse der Kommunen sagen. Denn von den 400 Millionen DM entfallen einschließlich der Verbundauswirkung – weil sich die Kommunen mit 38% am Fonds Deutsche Einheit beteiligen, haben sie natürlich davon auch einen erklecklichen Vorteil – 175 Millionen DM auf unsere Kommunen. Damit werden sie ganz entscheidend entlastet.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Frau Werner- Muggendorfer (SPD): Gott sei Dank! – Frau Biedefeld (SPD): Längst überfällig!)