Es lag nicht an Ihrem Verhandlungsgeschick, sondern am Bundesfinanzminister, dass es überhaupt zu einer Lösung kommen konnte.
Nach den Verlautbarungen der Bayerischen Staatsregierung, bleiben Bayern nach der jetzt gefundenen Lösung ab dem Jahr 2005 etwa 400 Millionen DM mehr in der Kasse. Das ist immerhin eine Größenordnung von 10% der jährlichen Zahlungen Bayerns in den Länderfinanzausgleich und wesentlich mehr als das, was die Minister
präsidenten auf der Sonderkonferenz im Januar 2001 in Wiesbaden vereinbart haben. Für diesen Erfolg kann man sich in Berlin bedanken. Der Bund hat am Wochenende mehr für Bayern getan als Sie noch im Januar gewollt haben.
Wir hoffen jetzt, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, dass Sie zu diesem Kompromiss länger stehen werden als zur Neuordnung des Länderfinanzausgleichs aus dem Jahr 1993, der zwar damals Ihre Unterschrift trug, als er 1995 in Kraft trat, und gegen den Sie klagten.
Aber der Freistaat Bayern wird doch zugestimmt haben. Der Freistaat Bayern hat also dagegen geklagt.
Die gelungene Neuordnung des Länderfinanzausgleichs ist ein wichtiger Schritt, um den Föderalismus in Deutschland zu stärken. Das war auch unser Ziel.
Jetzt müssen weitere Schritte folgen. Wir wollen die Ansiedlung von Aufgaben auf der unterstmöglichen politischen Ebene, um problemnahe Lösungen zu erreichen. Das verstehen wir unter Subsidiarität. Ich bin überzeugt, dass dies zu mehr Bürgernähe und zu einer Stärkung der Demokratie führen würde. Wir wollen erreichen, dass die Gesetzgebungskompetenzen der unterschiedlichen politischen Ebenen klarer zugeordnet werden und damit auch die Verschiebung von Verantwortung auf die jeweils andere Ebene erschwert wird. Damit wäre die Kontrolle von politischen Entscheidungen erleichtert, Zivilgesellschaft und Bürgersinn würden gestärkt. Wir wollen, dass die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes an die Länder zurückgeführt werden. Deshalb wird es notwendig sein, den Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung zurückzuführen. Wir schlagen vor, die Mischfinanzierungen zum Beispiel bei der Agrarstruktur, dem Küstenschutz, der Hochschulbauförderung, der Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur und anderen durch Pauschalzuweisungen zu ersetzen.
Der von Ihnen, Herr Stoiber, aufgebaute vermeintliche Gegensatz zwischen Herrn Clement und der bayerischen SPD ist die pure Unwahrheit. Es ist schade, dass Sie nicht zur Kenntnis nehmen, was in der EnqueteKommission im Bayerischen Landtag einvernehmlich diskutiert und beratschlagt wird. Es wäre besser, wenn wir hier vernünftig und aufrichtig miteinander diskutieren würden, statt dass Sie einen Popanz aufbauen, auf den Sie einschlagen können.
Außerdem halten wir die Vorranggesetzgebung der Länder für sinnvoll, die eigenständige Regelungen in den Bundesländern ermöglicht. Damit sollen die Länder in den Fällen der konkurrierenden Gesetzgebung die Chance erhalten, eine bundesgesetzliche Regelung
durch Landesrecht zu ergänzen. Zwingend erforderlich ist nach unserer Auffassung auch die Stärkung der Länderparlamente. Es kann nicht sein, meine Damen und Herren, dass wir über Föderalismus sprechen und damit nur den Föderalismus der Exekutive – also der Länderregierungen – meinen.
Auch die Parlamente der Bundesländer müssen mit neuen Rechten ausgestattet werden. Ein Beitrag dazu kann ein Parlamentsinformationsgesetz sein, das zumindest die rechtzeitige Information der Landtage vor Bundesratssitzungen sicherstellen soll. Ein solches Gesetz ist notwendig, weil heutzutage die Vorbereitungen der Bundesratsentscheidungen einer geheimen Kommandosache in den Staatskanzleien gleichen und parlamentarische Kontrolle weitgehend ausgeschlossen wird. Allerdings brauchen wir auch die Bereitschaft der Staatsregierung, sich an Abstimmungsergebnisse des Landtags auch dann zu halten, wenn die Ergebnisse nicht in den Kram passen.
Dies erfordert der Respekt vor dem Parlament und dem Souverän. Die Stärkung des Parlamentarismus ist im übrigen auch auf europäischer Ebene erforderlich. Im Saarland und in Baden-Württemberg ist neuerlich gesetzlich geregelt, dass die Landesregierung künftig in Europafragen den Landtag frühzeitig konsultieren muss. Gerade in Europafragen brauchen wir dringend mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung. Dies hat zuletzt das Ergebnis der Volksabstimmung in Irland gezeigt. Wer die europäische Integration wirklich ernst nimmt und die Erweiterung der Union verwirklichen will, muss nicht nur den Verstand sondern auch die Herzen der Menschen gewinnen. Was geschieht eigentlich im Ausschuss der Regionen in Brüssel, in dem Bayern mit Ministerpräsident Stoiber und Staatsminister Bocklet vertreten ist? Wann ist je der Landtag bei wichtigen Entscheidungen vorab konsultiert worden?
Wer eine sinnvolle Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und auch Europa verlangt und eine gerechte Neuordnung der Finanzströme erwartet, muss sich auch im eigenen Land an seine Forderungen halten. Wenn der bayerische Ministerpräsident das Wort Föderalismus in den Mund nimmt, meint er immer nur das Verhältnis zwischen Bayern und Bund oder der Europäischen Union. Von einem innerbayerischen Föderalismus hat er scheinbar noch nie gehört. Davon ist jedenfalls nie die Rede.
Das richtige Prinzip der Subsidiarität muss aber auch in Bayern gelten und Beachtung finden. Deshalb muss nun endlich auch die ungerechte Geldverteilung innerhalb Bayerns zwischen dem Land und den Kommunen ein Ende nehmen.
Sie brauchen Ihren Oberbürgermeister Deimer nicht zu schurigeln; Sie sollten besser dem zuhören, was er zu sagen hat; denn er weiß, wovon er spricht.
Die Staatsregierung darf sich nicht länger auf Kosten der Kommunen entlasten und die Städte, Landkreise und Gemeinden weiter in die Schuldenfalle treiben. Herr Finanzminister, es ist keine Kunst, sich selbst schuldenfrei auf Kosten anderer zu stellen. Das kann jeder andere auch; das ist eine leichte Übung.
Mittlerweile – das wissen Sie auch, Herr Kollege Ach – ist der Schuldenstand der bayerischen Kommunen mit über 38 Milliarden DM höher als der des Freistaates Bayern. Vor allem die Zunahme der Verschuldung der Kommunen geht wesentlich schneller als beim Land. Auch der Anteil der Kommunen am Steueraufkommen sinkt. Im Ländervergleich, der bei Ihnen doch so beliebt ist, ist Bayern Spitzenreiter beim Anstieg der kommunalen Schuldenlast.
Dabei fehlt es nicht einmal an den erforderlichen Finanzen, sondern das Geld ist in Bayern nur falsch verteilt. Der Wasserkopf der Staatsverwaltung ist so groß, dass die Städte und Gemeinden unten Plattfüße bekommen. Herr Ministerpräsident, Sie müssen das wissen, wenn Sie die Staatskanzlei betreten.
Diese Entwicklung ist deshalb besonders bedenklich, weil die Kommunen zwei Drittel der öffentlichen Investitionen tätigen. Ein Rückgang der Investitionstätigkeit mit negativen Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung, insbesondere im Bausektor, ist auch die Folge kommunaler Finanznot.
Schlimmer wird es dadurch, dass sich der Staat immer häufiger als säumiger Zahler erweist und mittlerweile bei den Kommunen mit Milliardenbeträgen in der Kreide
steht. Wir wollen, dass endlich dem Grundsatz „Wer bestellt, muss zahlen“ tatsächlich Rechnung getragen wird. Auch dieser Aspekt gehört zu einer aufrichtigen Föderalismusdiskussion. Wer kommunale Selbstverwaltung wirklich ernst nimmt, muss Städte, Gemeinden und Landkreise in Bayern finanziell so ausstatten, dass sie ihre Aufgaben auch tatsächlich erfüllen können. Diese Verpflichtung wird von der Staatsregierung leider sträflich vernachlässigt.
Zu prüfen ist auch, welche Kompetenzen in Bayern vom Staat nach unten in die Bezirke, Landkreise, Städte und Gemeinden verlagert werden können. Wer ernsthaft die Beziehungen zwischen Bund und Land neu regeln will, muss dies beachten. Er darf sich übrigens auch nicht mit wohlfeilen, aber leider nicht finanzierbaren Vorschlägen und Forderungen an den Bund wenden. Wer, wie die CSU, im Augenblick fordert, die Ausgaben für die Bundeswehr, die Landwirtschaft, die Straßen, die Schienen, die Wissenschaft, die Forschung und für noch vieles andere mehr deutlich zu erhöhen, gleichzeitig aber fordert, die Steuern drastisch zu senken und den Staatshaushalt schneller zu sanieren, ist wohl kaum ernst zu nehmen.
Wer nicht einmal die Grundrechenarten beherrscht, dem sollte man in der Tat die Bundesfinanzen besser nicht mehr anvertrauen.
Das beste Beispiel dafür ist die Familienpolitik. Gerade auf diesem Gebiet hat die Union in 16 Regierungsjahren in Bonn und Berlin gnadenlos versagt.
Sie hat die Familien in einer Weise im Stich gelassen, dass sie dafür am Ende sogar vom Bundesverfassungsgericht verurteilt worden ist.