Ich freue mich sehr, dass in den vergangenen Jahren auch der interparlamentarische Dialog und die Zusammenarbeit zwischen dem Bayerischen Landtag und der
Assemblée Nationale du Québec intensiviert und vertieft werden konnten. Darüber hinaus tragen kulturelle Begegnungen sowie verschiedene Austauschprojekte dazu bei, das Band der Freundschaft zwischen unseren Ländern immer enger zu knüpfen.
Intensität und Qualität der Beziehungen zwischen Quebec und dem Freistaat Bayern kommen natürlich nicht von ungefähr. Sie resultieren aus dem Engagement der beteiligten Menschen, und sie wurzeln in einem tiefen und fruchtbaren Nährboden. Wesentliche historische und politische Gemeinsamkeiten verbinden unsere beiden Länder. Beide sind jeweils die ältesten und die größten Gliedstaaten ihrer Föderation, und gemeinsam ist ihnen auch eine gesunde und begründete Ablehnung zentralistischer Tendenzen und Eingriffe. Bayern wird aus diesem Grund immer wieder als Hüter und Wächter des Föderalismus in Europa bezeichnet. Es ist unsere Auffassung, dass in einer föderalen Ordnung jedes Land möglichst eigenverantwortlich seinen Weg in die Zukunft gestalten, über wichtige Investitionen selbst entscheiden und eine eigenständige Strukturpolitik sollte betreiben können. Dafür treten wir in Bayern aus voller Überzeugung ein. Unsere Erfahrungen mit dem bundesdeutschen Föderalismus machen uns darüber hinaus sicher, dass der Föderalismus auch das Strukturprinzip sein sollte für die Gestaltung der Machtbalance zwischen nationaler und europäischer Ebene.
Quebec und Bayern liegt es gleichermaßen am Herzen, die eigene Identität, die eigene Unverwechselbarkeit und die Eigenständigkeit zu bewahren. Es würde eine geistige, kulturelle und menschliche Verarmung bedeuten, wollte man auf den Reichtum und auf die Unterschiedlichkeit der Länder, Provinzen und Regionen verzichten. Von dem französischen Philosophen und Naturwissenschaftler Blaise Pascal stammt die Aussage: „Vielfalt, die nicht auf Einheit gründet, ist Wirrwarr; Einheit, die nicht auf Mannigfaltigkeit beruht, ist Tyrannei.“
Obwohl dieser Satz vor über 300 Jahren, zur Zeit der Hochblüte des französischen Zentralismus, geschrieben wurde, kennzeichnet er treffend das Wesen des heutigen Föderalismus. Weder die Vielfalt ohne die notwendige Einheit noch die Einheit ohne sinnvolle Vielfalt wäre ein geeignetes Architekturprinzip für unsere immer stärker zusammenwachsende Welt.
Herr Premierminister Landry, wir freuen uns, Sie nicht nur als Gast, sondern darüber hinaus auch als Redner vor der Vollversammlung des 14. Bayerischen Landtags willkommen heißen zu dürfen. Wir erwarten Ihre Ausführungen mit Spannung, und ich möchte nun das Wort an Sie weitergeben.
Verehrter Herr Präsident des Bayerischen Landtags, verehrte Frau Vizepräsidentin, verehrter Herr Vizepräsident des Bayerischen Landtags, verehrte Damen und Herren Fraktionsvorsitzende, verehrte Damen und Herren Regierungsmitglieder, verehrte Damen und Herren Abgeordnete, meine Damen und Herren! Ich bin mir der
außerordentlichen Ehre bewusst, verehrte Damen und Herren Abgeordnete, die mir zuteil wird, indem Sie mich an diesem prestigeträchtigen und historisch geprägten Ort empfangen. Vielen Dank. Doch weit über meine Person hinausgehend zeugt Ihre Einladung vor allem von der tief verwurzelten Freundschaft – die Sie auch mit dem Bayerischen Verdienstorden zum Ausdruck gebracht haben –, die unsere beiden Staaten, Quebec und den Freistaat Bayern, eint. Im Namen von Quebec, seiner Regierung, seinen Bürgerinnen und Bürgern möchte ich daher gleich zu Beginn in aller Deutlichkeit ausdrücken, wie sehr uns Ihr Auftreten und Ihr Verhalten berührt. Insbesondere möchte ich dem Präsidenten des Bayerischen Landtags, Herrn Johann Böhm, stellvertretend für die Abgeordneten des Bayerischen Landtags ausdrücklich danken.
Zwischen unseren beiden Ländern herrschen reiche und privilegierte Beziehungen, die über gegenseitiges Interesse hinausgehen und auf einer Anzahl von Gemeinsamkeiten beruhen. Quebec und Bayern beanspruchen eine starke und eigene Identität im Schoße ihres jeweiligen Kontinents, und dies ob ihrer Geschichte, ihrer Religion und ihrer kulturellen und politischen Traditionen. Daraus folgt für die einen wie für die anderen eine Unabhängigkeit des Denkens, eine Einmaligkeit, Dinge zu tun und anzudenken. Daraus folgt auch die tief verwurzelte Überzeugung, dass nichts für die Ewigkeit ist, sondern dass wir sozusagen verdammt sind zu immer neuen herausragenden Leistungen.
Während der letzten 50 Jahre haben sowohl Quebec als auch Bayern eine Schwindel erregende Entwicklung durchgemacht, im wirtschaftlichen wie im sozialen Bereich. Beide haben sich in kürzester Zeit von einer stark landwirtschaftlich geprägten zu einer zunehmend urbanisierten Gesellschaft gewandelt, deren Entwicklung mehr denn je auf den Spitzentechnologien beruht.
Im Verlauf der letzten Jahrzehnte haben sich unsere beiden Staaten entschlossen engagiert, um günstige Voraussetzungen für den Fortschritt im eigenen Land zu schaffen. Ich denke an die Entwicklung der Infrastruktur, an Investitionen in Bildung und Ausbildung, an aktive Abstimmung zwischen den Sozialpartnern und an eine Politik, die Innovation und Wertschöpfung fördert, auch an den klaren Willen, den Reichtum nicht nur zu schaffen, sondern auch gerecht zu verteilen unter allen Bürgerinnen und Bürgern in allen Teilen unserer beiden Länder.
Angesichts dieser Reihe von Gründen und über die geographische Entfernung wie sprachliche Barriere hinausgehend war es unausweichlich, dass sich Bayern und Quebec schließlich begegnen mussten. Die Unterzeichnung des ersten Kooperationsabkommens zwischen unseren beiden Staaten fand bereits vor mehr als zehn Jahren statt. Doch schon lange vor dieser Zeit hatte ich als junger Minister im Kabinett von René Lévesque Gelegenheit zu mehr als herzlichen Unterredungen mit dem unvergessenen Franz Josef Strauß. Eben hatte ich das Vergnügen, seiner Tochter die Hand zu schütteln. Ich denke mit Wehmut daran, dass ich Franz Josef Strauß zur Jagd in unseren weiten Wäldern eingeladen
Die institutionellen Bande konnten dann im Oktober 1999 verstärkt und erweitert werden, als Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber unserem Staat Quebec einen Besuch abstattete. Im Übrigen konnte die Eröffnung einer Vertretung Quebecs in München im Jahr 1997, gefolgt von der einer Vertretung des Freistaats Bayern in Montreal zwei Jahre später, unsere Zusammenarbeit und Partnerschaft weiter konsolidieren. Wiederholte Besuche auf ministerieller oder privater Ebene diesseits und jenseits des Atlantiks kamen hinzu und trugen zweifellos dazu bei, die zahlreichen und vielgestaltigen Wege der Kooperation zwischen unseren Regierungen und unseren Gesellschaften zu festigen.
So wie Quebec sich den kontinentalen Herausforderungen innerhalb des amerikanischen Kontinents stellt, so entschlossen übernimmt Bayern innerhalb eines zusammenwachsenden Europas seine Pflichten und Verantwortungen. Unsere Beziehungen zu verschiedenen anderen Mitgliedern der Europäischen Union reichen zum Teil lange Jahre zurück.
Daher verfolgen wir mit gesteigertem Interesse die Konsolidierung Europas, eine der aus unserer Sicht größten Herausforderungen der politischen Integration der Gegenwartsgeschichte.
Das Modell der Europäischen Union übt seit jeher große Faszination auf Québec aus. Mehr denn je können wir feststellen, dass Europa weiterhin neue institutionelle Lösungen für neue Fragestellungen bereithält. Mehrere unserer Premierminister haben die Entwicklung der europäischen Institutionen aus der Nähe verfolgt. Ich denke an René Lévesque, Jacques Parizeau und Robert Bourassa, der sich eigens zu diesem Zweck mehrere Jahre in Europa aufhielt.
Heute in der Perspektive einer neuen Freihandelszone für den gesamten amerikanischen Kontinent bleibt die Europäische Union für uns in Québec eine Quelle der Inspiration. Sie ist das einzige existente und glaubwürdige Modell, das soziale Werte und umweltpolitische Absprachen in einen kraftvollen wirtschaftlichen Integrationsprozess einbringt und einbezieht. Gemessen an den anderen Staaten des amerikanischen Kontinents zählen die institutionellen Verbindungen Québecs zu den Mitgliedern der Europäischen Union zu den engsten. Das heißt, Europa ist nicht nur der zweitwichtigste Handelspartner Québecs, sondern die europäische Denkensweise, der europäische Ansatz steht besonders mit den Gedanken Québecs im Einklang. Die historischen Gründe sind offensichtlich, ohne jedoch ausschließlich dieses Interesse erklären zu können.
Die politischen und sozialen Werte sowie die staatlichen Verwaltungsstrukturen stimmen mit unseren Ansichten überein, insbesondere im Bereich der sozialen Marktwirtschaft, der Umweltpolitik und auch der Lebensmittelsicherheit, der Nahrungsmittelkontrolle sowie weiterer
Angesichts dieser Parallelen ist es nahe liegend, dass Staaten wie Québec und Bayern eine Rolle von wachsender Bedeutung übernehmen, um kreative Lösungen für die Herausforderungen zu entwickeln, die das neue Jahrtausend bereithält. Mit dieser Perspektive vor Augen möchte ich heute zu Ihnen über zwei wohl unterschiedliche, doch eng verknüpfte Fragestellungen sprechen: die Entwicklung des heutigen Québecs und die gemeinsamen Herausforderungen im Angesicht der Globalisierung.
Das Québec von heute gründet seine Besonderheit auf vier Merkmale. Québec ist innerhalb Nordamerikas der einzige Staat mit einer eindeutig französischsprachigen Bevölkerungsmehrheit. Québec ist ein demokratischer Staat, dessen parlamentarisches System sich auf eine ununterbrochene, über 200 Jahre alte Tradition stützt. Québec ist eine weltoffene Nation. Québec ist eine moderne und dynamische Nation, was sowohl durch Spitzentechnologiesektoren als auch durch progressive Sozialpolitik hervorgehoben wird. Diese Nation ist damit einzigartig in Nordamerika.
Um das Québec von heute zu verstehen und um seine Entwicklung nachzuvollziehen, ist die historische Kenntnis des zurückliegenden Wegs unerlässlich – ein historischer Hintergrund, ohne den, um Heinrich Heine zu zitieren, „man wohl die Farben bewundern kann, ohne jedoch deren Wurzeln oder Symbolik zu erkennen“. Französische Kolonie zu Beginn des 17. Jahrhunderts, britische Kolonie ab 1760 und Mitglied der Kanadischen Konföderation seit 1867. Québec zeichnet sich in allen Phasen seiner Geschichte durch seinen unerschütterlichen Willen aus, seine eigene Identität und damit die Entwicklung als französischsprachige Gemeinschaft zu bewahren und fortzuführen.
Obwohl überwiegend frankophon geprägt, ist es Québec nichtsdestoweniger gelungen, im Laufe der Jahrhunderte eine kosmopolitische Gesellschaft zu errichten, die eine anglophone Minderheit ebenso integriert wie elf eigenständige Völker und Tausende von Bürgerinnen und Bürgern aus allen Himmelsrichtungen. Québec ist also weltoffen, aber auch die Welt öffnet sich Québec; denn Bevölkerungsgruppen aus allen Kontinenten wählen Québec als Einwanderungsland und tragen mit dazu bei, die Zukunft Québecs harmonisch zu gestalten. Diese außerordentliche Vielfalt stellt einen unschätzbaren Reichtum für Québec dar.
Die Weltoffenheit Québecs zeigt sich ebenfalls in seiner höchst aktiven Präsenz auf der internationalen Bühne. Freundschaften, Absprachen und Partnerschaften bestehen mit einer Reihe von Staaten in den unterschiedlichsten Interessenfeldern und sicherlich zum gegenseitigen Vorteil. Québec ist natürlich als offizielles Mitglied vertreten in der Internationalen Organisation der Frankophonie, der französischsprachigen Länder. Wir haben ein Netzwerk von Delegationen und Vertretungen primär in den Ländern, wo sich dies für uns besonders rechtfertigt. Wir sind seit 30 Jahren in Deutschland und in Belgien präsent, seit 20 Jahren in Mexiko, seit nahezu
30 Jahren in Tokio, seit 40 Jahren in Paris und London und schließlich seit 60 Jahren in New York. Wir sind in etwa 15 Ländern mit eigenen Vertretungen präsent, und wie Sie heute gehört haben, sind wir auch in München vertreten.
Im Übrigen sieht sich Québec mehr denn je durch das neue internationale Umfeld verpflichtet, außerhalb seiner Grenzen tätig zu werden, sei es in den Bereichen ausschließlicher oder geteilter Länderhoheit, und dies zugunsten seines kulturellen Wirkungsfeldes bzw. auch, um den eigenen Wohlstand zu mehren. Die Politik Québecs gliedert sich somit in einen globalen Kontext ein. Gleichzeitig stellen mehrere föderierte Staaten fest, dass sie selbst die einzigen sind, die ihre Kompetenzen und ihre Kenntnisse zur Geltung bringen können. Unsere Beziehungen zwischen Bayern und Québec haben Modellcharakter auf diesem Gebiet.
Das Québec von heute ist eine moderne und dynamische Gesellschaft, die sich auf den Respekt demokratischer Werte und die Akzeptanz kultureller Unterschiede gründet. Das, was wir als „Stille Revolution“ bezeichnet haben, was mit der Konstruktion eines modernen Staates in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts einherging, hat Québec grundlegend verändert. Aus einer landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft wurde eine Industriegesellschaft, deren Wirtschaft ausdrücklich auf die neuen Technologien und auf die Spitzensektoren setzt. Ein Beispiel, das Sie kaum glauben können: Québec mit seinen wenigen Einwohnern ist die fünftgrößte Luft- und Raumfahrtnation der Welt. Es gibt sehr viel mehr Beschäftigte in der Luft- und Raumfahrtindustrie in Montreal als in Toulouse. Wir sind präsent in den Spitzensektoren wie Luft- und Raumfahrt, Multimedia, Informationstechnologie und Biotechnologie.
Québecs Gesellschaft fühlt sich einerseits den Traditionen verpflichtet, die sie geformt haben, andererseits ist sie der Zukunft zugewandt, die sie gestalten möchte. Beides trägt dazu bei, Québec und seine Geschichte besser zu verstehen. Die Pflicht zur Erhaltung der Tradition, aber auch die Notwendigkeit, die eigene Gegenwart zu definieren, prägen gleichermaßen den politischen und sozialen Weg unseres Staates. Québec ist sich daher seiner originellen und einmaligen Rolle bewusst, die es aufgrund seiner geografischen Lage, seiner Kultur und seiner Geschichte spielen muss.
Die von mir geführte Regierung ist felsenfest davon überzeugt, dass Québec diese Rolle am besten ausführen kann, wenn es in vollem Maße seine Verantwortung als Staat und Nation übernimmt. Andere glauben, Québec sollte eher die kanadische Karte spielen in der Hoffnung, dass ein weiterer Versuch, den kanadischen Föderalismus zu reformieren, erfolgreicher sein würde als der vorhergegangene. In einem Punkt aber sind sich alle einig: Die endgültige Entscheidung wird durch die Bevölkerung im Rahmen einer Volksbefragung getroffen werden, die sich in einem Klima bürgerlicher Verantwortung und in Achtung demokratischer Institutionen abspielen wird. Sicher denken viele, dass ein weiterer Versuch zur Änderung des kanadischen Föderalismus vielleicht von mehr Erfolg gekrönt sein würde als die vorhergegangenen. Aber wir setzen auf eine Entscheidung
durch das Volk im Rahmen einer Volksbefragung in vollem Respekt demokratischer Institutionen und Prinzipien.
Selbst wenn Québec im tiefsten Inneren davon überzeugt ist, seine Rolle als Nation und Staat zu übernehmen, fördern wir nichtsdestoweniger und in voller Überzeugung den wirtschaftlichen Integrationsprozess auf kontinentaler Ebene und die Intensivierung unserer weltweiten Kontakte. Einer der größten Dichter Québecs, Gilles Vigneault, fasst diese doppelte Absicht mit den Worten in seinem Werk Reisereien (Voyagements) zusammen – frei übersetzt würde das lauten:
Kein Ort dieser Erde, an dem ich euch nicht höre; kein Fleck meines Lebens, der unberührt bleibt von eurem Tun.
Der Wohlstand Quebecs hing schon immer mit seiner Fähigkeit zusammen, neue Märkte zu entwickeln. Dies erklärt, warum Quebec so eindeutig für das kanadischamerikanische Freihandelsabkommen ALÉ – Accord de libre-échange canado-américain – von 1989 sowie für das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NaftaAléna, welches die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Kanada, den Vereinigten Staaten und Mexiko seit 1994 regelt, eingetreten ist. Aus demselben Grund unterstützt Quebec auch die für 2005 vorgesehene Schaffung einer gesamtamerikanischen Freihandelszone.
Obwohl wir auf die Globalisierung setzen, welche langfristig Wohlstand verspricht, sind wir davon überzeugt, dass sie Richtlinien und Regeln braucht, welche allen Gesellschaften größere Gerechtigkeit ermöglichen. Der erfolgreiche Übergang zu einer globalisierten Gesellschaft ohne kulturelle, demokratische oder soziale Brüche stellt aus meiner Sicht die wichtigste Herausforderung dar.
Quebec ist davon überzeugt – und dies trotz seines grundsätzlichen Eintretens für wirtschaftliche Integration –, dass sich die Gesetze des Marktes nicht auf Sprache und Kultur übertragen lassen. Einen Verzicht auf die freie Gestaltung der Sozial- und Kulturpolitik lehnen wir daher mit aller Vehemenz ab.
Auf internationaler Ebene tritt die Regierung von Quebec gegenwärtig aktiv dafür ein, dass das Prinzip der kulturellen Verschiedenheit durch die Gesamtheit der internationalen Gemeinschaft akzeptiert wird. Es erscheint uns sinnvoll, dass sich all jene Staaten, die eine solche Politik vertreten – und ich weiß, dass Bayern in dieser Frage nicht gleichgültig ist –, zusammenschließen oder wenigstens strategische Allianzen aufbauen sollten, um ihre Meinung auf internationaler Bühne zu vertreten.
Im Übrigen zwingt uns die Globalisierung zu einer quasi allumfassenden Neudefinition staatlicher Aufgaben im sozialen und wirtschaftlichen Bereich. Sie führt des Weiteren zu einer weltweiten Neustrukturierung des Arbeitsmarktes. In der Entscheidungsfindung sieht sich die Politik in gewisser Weise zugunsten privater Entscheidungsträger an den Rand gedrängt. In diesem Kontext sollte
der Staat neue Vorgehensweisen vorschlagen, zumal Bürgerinnen und Bürger zunehmend die Notwendigkeit empfinden, den wachsenden Kräften des Marktes ein Gegengewicht entgegenzustellen.
Die Konsequenzen der Globalisierung und ihre Auswirkungen auf politische Mechanismen auf nationaler wie auf internationaler Ebene müssen daher im Detail von den Regierungen untersucht werden. Ziel eines solchen Vorgehens muss es sein, die demokratischen Grundlagen, die zur Führung nationaler wie internationaler Angelegenheiten notwendig sind, zu schützen und zu stärken. Ich bin davon überzeugt, dass die Gesamtheit der Abgeordneten aller Staaten in dieser Hinsicht eine herausragende Rolle spielen wird.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang deutlich erklären, dass ich die Initiative des Präsidenten des Bayerischen Landtags, Johann Böhm, und des Präsidenten der Nationalversammlung von Quebec, JeanPierre Charbonneau, unterstütze. Selbige sieht vor, eine internationale Vereinigung Abgeordneter aus Gliedstaaten von Bundesstaaten und aus autonomen Regionen zu schaffen. Dieses vielversprechende Unternehmen integriert sich vollständig in den beschriebenen Kontext der Globalisierung.
Es liegt in unserer Verantwortung als gewählte Politiker, dass wir die demokratischen Institutionen in ihrer ganzen Wirkungsbreite auf allen Kontinenten bewahren. Garantie und Kontrolle darüber, dass Globalisierung wirtschaftliche Ungerechtigkeiten aufhebt, statt neue Gräben zu schaffen und zu vertiefen, liegen in unserer Kompetenz, und dies darf nicht in Frage gestellt werden. Wir müssen demnach Innovationsgeist und Einfallsreichtum beweisen, um sozio-ökonomische Klippen zu meiden, welche eine aus dem Ruder geratene Globalisierung ansteuern könnte; die politischen Kräfte müssen an ihren Verantwortungsbereichen festhalten und dürfen keineswegs unter das Diktat internationaler und nicht demokratisch legitimierter Instanzen geraten.
Die Umweltpolitik bietet einen weiteren Bereich, der eine enge Zusammenarbeit der föderierten Staaten notwendig macht. In Gemeinschaft mit regionalen Foren amerikanischer Bundesstaaten, wie zum Beispiel der Kommission der großen Seen und der Gouverneurskonferenz der Neuenglandstaaten sowie der Premierminister der kanadischen Ostprovinzen trägt Quebec bereits zu dieser Form der Zusammenarbeit bei.
Das besondere Augenmerk, das Quebec der Umweltpolitik schenkt, schlug sich im Übrigen unlängst in einem Antrag unserer Nationalversammlung nieder, welche sich einstimmig für die Ratifikation des Abkommens von Kyoto aussprach. Wir sind die einzigen in ganz Nordamerika, die in dieser Form eindeutig zugunsten von Kyoto Stellung bezogen haben. Ich hoffe, dass wir die Ersten, aber nicht die Letzten sein werden.
Die Qualität der Kooperation zwischen unseren Unternehmen sowie unseren beiden Staaten in Bezug auf den Umweltschutz stimmt mich des Weiteren sehr zuver
sichtlich. Dies ist allerdings nur ein Beispiel unter vielen, um die fruchtbaren Beziehungen zwischen Bayern und Quebec zu unterstreichen.
Unsere Zusammenarbeit mit Bayern ermöglicht den Austausch von Informationen auf verschiedenen Sektoren. Wir beschränken uns aber nicht auf den Informationsaustausch, sondern wir finden auch gemeinsam Lösungen für die modernen Herausforderungen. Es gilt, diese gemeinsamen Erfahrungen in gemeinsame Projekte einzubringen und diese zum Erfolg zu führen. Im Übrigen beginnt der Austausch von Geschäfts- und Forschungsdelegationen auf anderen Gebieten, wie der Energietechnik, der Glasfasertechnik und im Bereich von Multimedia, bereits Früchte zu tragen. Lassen Sie uns also die Suche nach Möglichkeiten gemeinsamen Wirkens und nach Übereinstimmungen und Synergien fortsetzen.
Viele Dinge bringen uns einander näher, insbesondere unser gemeinsamer Wille zum Erfolg und zu internationaler Auszeichnung. Doch wir können noch mehr. Wir können uns noch steigern. Unser Austausch sollte beschleunigt werden. Wir sollten eine Brücke der Kompetenz zwischen Bayern und Quebec schlagen. Wir sollten einen höheren Grad an Kooperation zwischen unseren Gesellschaften erreichen.