Protokoll der Sitzung vom 12.07.2001

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat Herr Kollege Dr. Runge das Wort.

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Damit kein Missverständnis aufkommen kann, sage ich vorab: Wir halten beide Anträge für berechtigt und werden beiden Anträgen zustimmen.

Aber Folgendes ist interessant. In der Legislaturperiode von 1990 bis 1994 stimmte die CSU gemeinsam mit der FDP oder von der FDP angetrieben und gemeinsam mit der SPD für die Bahnreform.

Sie legen sich auf die Privatisierung fest. Erstmals kommt nur die Organisationsprivatisierung der Bahn mit dem Ziel, irgendwann den Börsengang zu vollziehen, was die Eigenwirtschaftlichkeit nötig macht. Bei jedem

Kostensenkungsvorhaben ist dann das Gejammere sehr, sehr groß. Es war völlig klar, dass es so kommen wird.

(Dr. Bernhard (CSU): Es ist doch Unsinn, was passiert!)

Herr Dr. Bernhard, es gab schon vorher Kostendruck. Dass jetzt aber Eigenwirtschaftlichkeit angestrebt wird und man deshalb noch viel stärker auf die Kostenbremse treten muss, liegt in dieser Entscheidung begründet.

Jetzt will die DB AG acht ihrer zwanzig Werke der schweren Instandhaltung schließen, bzw. bei einem Werk verhandelt man gerade, ob es verkaufbar ist. Auch bei den Ausbesserungswerken soll abgespeckt werden. Die Begründung klingt zunächst ganz plausibel. Es heißt, die Werke seien nicht ausgelastet, die Betriebsabläufe würden weiter optimiert werden. Schließlich liest man in den Pressemitteilungen der DB AG, dass man generell in Zukunft mit einer kleineren Fahrzeugflotte auskommen könne. Andererseits ist der Bund noch alleiniger Träger der DB AG, und er steckt Milliarden über Milliarden Mark in die Bahn. Der Freistaat Bayern ist Großbesteller. Das heißt, Bund und Länder haben Machtposition, sie können und sollen durchaus Druck auf die Bahn ausüben.

Es ist zu fragen, ob das heute diskutierte Sanierungskonzept der Bahn Sinn macht und wie es um die Ausgleichsmaßnahmen bestellt ist. Es geht um viele Arbeitsund Ausbildungsplätze. Ich greife nicht nur die in Bayern betroffenen Standorte heraus; denn es sollen acht Standorte geschlossen werden. Davon sind 5900 Mitarbeiter und jede Menge Lehrlinge betroffen. Dass man für alle Mitarbeiter einen gleichwertigen Arbeitsplatz im Unternehmen finden wird, halte ich für fraglich, auch wenn das den meisten tarifvertraglich zugesichert ist. Trotzdem ist es anzuzweifeln.

Der Zustand des Materials lässt es als fragwürdig erscheinen, ob die nahezu Halbierung des Bestandes an Werken der schweren Instandsetzung wirklich die richtige Maßnahme ist. Die Münchner haben das Chaos mit der S-Bahn mit den 420er Triebwerken noch gut in Erinnerung. Ob die ET 423 so sehr viel wartungs- und instandsetzungsfreier sein werden, ist in Zweifel zu ziehen. Andere Regionen haben entsprechende Erfahrungen mit ihren Wagen. Gleichzeitig verkünden die Politiker – wir alle und die DB – unisono, mehr Verkehr auf die Bahn bringen zu wollen. Beim Güterverkehr soll es in den nächsten Jahren immense Steigerungen geben. Vor diesem Hintergrund halten wir die geplanten Stillegungen für nicht überzeugend.

Auf keinen Fall kann angehen, meine Damen und Herren, dass nun versucht wird, den einen Standort gegen den anderen und ein Land gegen das andere auszuspielen. Die gestrige Behauptung von Minister Dr. Wiesheu – Herr Dr. Bernhard, Sie haben sie heute ansatzweise wiederholt –, Kassel würde erhalten bleiben, weil dort Finanzminister Eichel seinen Stimmkreis hätte, halten wir für – gelinde gesagt – absurd. Schließt man sich dieser Logik an, muss man fragen, weshalb Staatsminister Dr. Wiesheu seinen guten Draht zu Herrn Mehdorn nicht

geltend gemacht hat. Er saß vor wenigen Minuten noch mit Herrn Mehdorn zusammen. Er hätte sich also einsetzen können.

(Dr. Bernhard (CSU) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Sie können anschließend ans Rednerpult gehen.

Da die Dringlichkeitsanträge betreffend die Bahn schon den ganzen Vormittag vorliegen, wäre es angebracht gewesen, dass nicht nur Staatssekretär Spitzner, sondern auch Staatsminister Dr. Wiesheu anwesend ist. Anscheinend sind gemeinsame Pressekonferenzen mit dem Bahnchef wichtiger. Die Interpretation bleibt uns überlassen.

(Dr. Bernhard (CSU) meldet sich erneut zu einer Zwischenfrage)

Herr Dr. Bernhard, Sie können nachher noch diskutieren.

Warum hat der Verkehrsminister seinen guten Draht nicht geltend und sich für Bayern stark gemacht?

(Dr. Bernhard (CSU): Das hat er doch!)

Gilt hier: „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“? Wie würden Sie das bezeichnen?

(Dr. Bernhard (CSU): Das gilt anderswo, habe ich den Eindruck!)

Die Anträge beinhalten im Wesentlichen nicht mehr als Appelle. Wir schließen uns den Anträgen an. Auch wir halten das, was aus dem Hause Berger gekommen ist, für nicht überzeugend. Kollege Dr. Scholz hat dazu etwas gesagt. Wir haben eine ähnliche Einschätzung. Das hindert das Hohe Haus aber nicht daran, die Firma immer wieder arbeiten zu lassen. Sie wird immer wieder zu Anhörungen eingeladen. Dort werden die Argumente in x-fach recycelter Form aus der Schublade gezogen.

Fazit: Die Anträge sind sinnvoll, wir schließen uns an.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich gebe die Ergebnisse der vorhin durchgeführten namentlichen Abstimmung bekannt. Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion betreffend Deutscher Orden auf Drucksache 14/7179: Ja-Stimmen: 63, Nein-Stimmen: 98, Stimmenthaltungen: keine. Der Dringlichkeitsantrag ist abgelehnt. Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN betreffend Deutscher Orden: Finanzielle Risiken offen legen und verringern, Drucksache 14/7180: Ja-Stimmen: 158, Nein-Stimmen: keine, Stimmenthaltungen: 2. Der Dringlichkeitsantrag ist in der geänderten Fassung angenommen. Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion betreffend Weiterführung von Einrichtungen des Deutschen Ordens auf der Drucksache 14/7272: Ja-Stimmen: 98, Nein-Stimmen: 7, Ent

haltungen: 55. Dieser Dringlichkeitsantrag ist auch angenommen.

(Abstimmungslisten siehe Anlagen 1, 2 und 3)

Wir fahren fort in der Aussprache. Als nächster Redner hat Herr Kollege Dr. Söder das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Schließung der Werke der Bahn in Bayern ist ein besonderer Fall von Benachteiligung Bayerns durch Berlin.

(Zurufe von der CSU: So ist es! – Widerspruch bei der SPD)

Etwa zu dem Zeitpunkt, als die Bundesabgeordneten der SPD verkünden, was Berlin alles für Bayern tue, fällt eine Entscheidung, die unser Land in radikaler Form und so massiv benachteiligt, dass Sie sich schämen müssten, eine solche Pressekonferenz abgehalten zu haben.

(Beifall des Abgeordneten Georg Stahl (CSU) – Lachen und Zurufe von der SPD: Das trifft auf keine Resonanz!)

Kollege Stahl hat meine Aussage als richtig erkannt.

Der Kahlschlag durch diese Schließungen betrifft ganze Regionen. Das ist nicht zum Lachen, verehrte Damen und Herren von der SPD; denn die Situation zeigt Ihr Dilemma auf. Sie stellen Anträge, versuchen etwas zu beschließen und halten Fraktionssitzungen ab. Die Ergebnisse, die Sie bringen, sind für Bayern mangelhaft, mäßig und ungenügend. Ihr Gelächter kann darüber nicht hinwegtäuschen.

(Wörner (SPD): Jawohl, Herr Oberlehrer!)

Sie könnten viel lernen, Herr Wörner. Hören Sie zu, Sie könnten manches lernen und wüssten dann in Zukunft besser Bescheid.

(Wörner (SPD): Vor allem von Ihnen!)

Was die Bahn gemacht hat, ist weder in der Sache gerechtfertigt noch vom Stil her akzeptabel. Das Gutachten – Kollege Dr. Scholz hat es angedeutet – ist, was Nürnberg betrifft, aus unserer Sicht nicht korrekt. Nürnberg macht die ICE- und S-Bahn-Wartung für ganz Süddeutschland. Nach dem Zugunglück von Eschede hat man dort alle Räder der deutschen ICEs gewartet und repariert. Die Südländer – Baden Württemberg, Bayern und Hessen –, die massiv benachteiligt und von der Karte gestrichen werden – Deutschland findet erst nördlich von Kassel statt –, sind die größten Auftraggeber der Deutschen Bahn. Nimmt man das zusammen und überlegt, dass künftig die Anfahrtswege lang sein werden, um zur Reparatur zu kommen, stellt sich heraus, dass die Kostenrechnung nicht aufgehen kann. Die Schließungen sind sachlich in keiner Weise gerechtfertigt. Das Ganze ist nicht nur sachlich falsch, sondern auch der Stil des Ablaufs ist schlecht. Das ist nicht zu akzeptieren. Es

gibt öfter schwierige Situationen, wenn Unternehmen Arbeitsplatzabbau ankündigen.

Ich kenne aber keinen Fall, wo dies in einer derart selbstherrlichen Art und Weise, ohne eine Vorweginformation aller Beteiligten, geschehen ist. Das ist einmalig. Herr Kollege Dr. Scholz, dies geht sogar soweit, dass die Bahn in Nürnberg mit Drohungen gegenüber der Belegschaft und den Betriebsräten reagiert, weil diese sich für den Standort einsetzen. Für mich ist das Wirtschaftspolitik nach Gutsherrenart.

Jetzt stehen wir vor der Frage, was wir machen können. Der entscheidende Punkt ist, dass der Bund der maßgebliche Spieler in dieser Situation ist.

(Beifall bei der CSU)

Aus meiner Sicht wird mit dieser Entscheidung eine Kette von Benachteiligungen, insbesondere des süddeutschen Raums, fortgesetzt. Betroffen sind nur die Unions-Länder. Dies ist nicht wegzudiskutieren. Kassel wird bevorzugt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Wenn das keine Absicht ist, ist es zumindest Unfähigkeit. Wer ist denn der Hauptaktionär? Wer ist der Chef? Wer sitzt in den entscheidenden Gremien und kann dort mitbestimmen? Das ist der Bund und letztlich der Bundesverkehrsminister, der Ihrer Partei angehört.

(Beifall bei der CSU)

Selbstverständlich setzen wir heute auch ein Signal. Dies muss ein Signal für die Mitarbeiter, die Belegschaft und die Regionen sein. Für die Stadt und die Region Nürnberg gab es keine gute Nachricht. Diese Entscheidung war dort nicht leicht zu verdauen, vor allem in dieser schwierigen Zeit des Strukturwandels. Der bayerische Wirtschaftsminister Dr. Otto Wiesheu hat sofort und sehr scharf reagiert. Er hat nicht nur in den Gesprächen versucht, etliches zu erreichen, sondern auch mit ganz massiven wirtschaftlichen Konsequenzen gedroht. Das habe ich bisher von der SPD-Bundestagsfraktion oder von Herrn Bodewig noch nicht gehört. Hier müssten Sie noch Hausaufgaben machen.

Jetzt müssen Sie entscheiden, ob Sie kämpfen wollen. Wir werden heute diese beiden Anträge verabschieden. Das muss aber nicht bedeuten, dass sich auch etwas bewegen wird. Diese Anträge sind lediglich Signale. Ihre Aufgabe wäre es jetzt, endlich einmal Zähne zu zeigen und zu kämpfen. Vielleicht schaffen Sie doch noch etwas, obwohl Ihnen das leider in der Vergangenheit häufig nicht gelungen ist. Sie sollten sich endlich einmal in Berlin behaupten und bayerische bzw. fränkische Interessen durchsetzen. Wir stimmen den beiden Anträgen zu. Den Oppositionsfraktionen wünschen wir etwas mehr Mut und Kraft, damit sie nicht nur im Bayerischen Landtag, sondern auch in Berlin – wo es wehtut – ihre Forderungen erheben.

(Beifall bei der CSU)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Wörner.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Bernhard, offenbar ist es Ihre Art, immer nur die halbe Wahrheit zu sagen.