Protokoll der Sitzung vom 25.10.2001

kein unionsgeführtes Land. Wir haben einen konkreten Antrag eingebracht, das Ausländerrecht dahin gehend zu ändern, dass diejenigen, bei denen nachgewiesen ist, dass sie einer gewaltbereiten, islamistischen, extremistischen Organisation angehören, als Regelfall ausgewiesen werden. Das betrifft die Fälle der GIA, der Hamas, der Hisbollah, des ICCB bzw. des Kalifatstaates.

Da gibt es einen Fall, den auch Frau Köhler kennt. Es ist Herr Pala in Augsburg, der zwei Jahre wegen Gewaltaufrufs im Gefängnis gesessen ist. Er hat jedes Freitagsgebet damit beendet: Tod den Ungläubigen, Tod den Christen. Eine Zeitlang hat er außerdem hinzugefügt: Tod Herrn Sofu! Als dann Herr Sofu durch eiskalten Auftragsmord umgebracht worden war, hat die Staatsanwaltschaft endlich erklärt, diese Ausrufe seien nicht nur allgemeine Unmutsäußerungen. Sie hat dann auch wegen des Aufrufs zu einer Straftat ermittelt. Herr Pala hat die zwei Jahre Strafe abgesessen und ist nach wie vor Mitglied im gewaltbereiten Kalifatstaat. Sein Aufenthalt konnte nicht beendet werden, weil im Wege der Ermessensausübung zu berücksichtigen war, dass er sechs oder acht Kinder hier in Deutschland hat. Deswegen konnte er hier bleiben, obwohl er einer gewaltbereiten Organisation angehört und kein Mensch garantieren kann, dass so jemand nicht weitere Gewaltakte plant.

(Zurufe von der CSU: Hört, hört!)

Wir wissen, dass es Leute gibt, die Gewalttaten planen. Wenn jemand eine Straftat versucht, dann kann die Polizei eingreifen. Aber wenn einer nur allgemein als so genannter Schläfer sagt: Ich will mit Gewalt dieses Land zu einem islamischen Gottesstaat machen, so reicht das nicht – Herr Hahnzog, Sie werden mir Recht geben –,

(Mehrlich (SPD): Die SPD als Schlichter!)

um den Betreffenden festzunehmen. Diese Leute, die erklären, sie wollten mit Gewalt dieses Land zu einem islamistischen Gottesstaat machen, können wir nicht allein mit Polizei und Verfassungsschutz überwachen, sondern die müssen das Land wieder verlassen.

(Beifall bei der CSU)

Ich freue mich, dass auf meine Initiative hin das Land Niedersachsen und der Bundesinnenminister erklärt haben, dass sie diese Forderung übernehmen.

(Zuruf von der CSU. Hört, hört!)

Zum Zuwanderungsrecht: Ich begrüße es ausdrücklich, dass im Antrag der CSU darauf hingewiesen wird. Wir haben über 30000 Islamisten bei uns. Das sind keine gewaltbereiten Islamisten, wie ich hervorheben möchte. Wir haben Gott sei Dank keinen einzigen Hinweis auf Gewaltbereitschaft. Aber sie erklären immerhin, sie wollten auch in Deutschland einen Gottesstaat islamischer Prägung errichten, in dem es keine Trennung zwischen Scharia und weltlichem Recht gibt.

Mir macht es, ehrlich gesagt, Sorge, dass hier in unserem Lande einige zigtausend Menschen leben, die sagen: Wir erkennen nicht an, dass wir auf dem Boden

des Grundgesetzes leben. Wir erkennen das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Religionen nicht an, sondern wir wollen einen islamischen Gottesstaat. Ich denke, wir müssen ganz deutlich klarstellen: Wir wollen ein Gesetz zur Begrenzung und Steuerung der Zuwanderung, das nur demjenigen eine Chance gibt, nach Deutschland zu kommen, der bereit ist, unsere Gesetzesgrundlage eines toleranten, friedlichen Zusammenlebens zu achten.

(Beifall bei der CSU)

Derjenige aber, der sagt, ich will hier einen islamischen Gottesstaat errichten, hat in unserem Land nichts zu suchen und darf zumindest nicht hereinkommen. Wir müssen auch sehen, dass diejenigen, die schon da sind, nach Möglichkeit wieder hinausgeschickt werden, damit es bei einem toleranten, friedlichen Zusammenleben hier im Lande bleibt.

(Beifall bei der CSU)

Ich weise nur in Klammern darauf hin, dass die Tugendpartei in der Türkei verboten ist. Der Europäische Gerichtshof hat dieses Verbot bestätigt, aber diese Vereinigung ist hier bei uns in Deutschland zugelassen. Sie hat im vergangenen Jahr nach unbestätigten Berichten einen dreistelligen Millionenbetrag bei uns eingesammelt und in die Türkei überwiesen, um dort einer verbotenen Organisation, die auch in der Türkei einen Gottesstaat errichten will, zu helfen. Wenn man solche Gefährdungen nicht sehen will, dann ist man in sicherheitspolitischer Hinsicht blind.

(Beifall bei der CSU)

Ich bin froh – das sage ich hier ganz offen – dass ich nicht mit einigen von Ihnen in Berlin als Partner zusammenzuarbeiten habe, sondern eher mit Herrn Schily. Ich mache mir allerdings große Sorgen, wie viel Herr Schily durchsetzen kann. Überall liest man: Der „Otto-Katalog“ wird abgespeckt. Wir dürfen nicht vergessen, dass ein Innenminister in Berlin ebenso wie in München nicht an seinen Worten gemessen wird, sondern nach seinen Taten. Da ist bisher leider wenig geschehen. Wenn ein Prof. Gantzer sagt, Großartiges ist geleistet worden, dann reflektiert er darauf, dass ihm keiner zuhört oder ihn keiner überprüft.

(Lachen der Frau Abgeordneten Radermacher (SPD))

Denn was ist bis jetzt umgesetzt worden? Im Sicherheitspaket 1 war die Abschaffung des Religionsprivilegs enthalten entsprechend einem Antrag von mir aus dem Jahre 1995, dem jetzt am 05.09., also kurz vor dem 11.09., von Herrn Schily zugestimmt worden ist und der von der Bundesregierung auf den Weg gebracht wurde. Aber sonst ist im Moment noch nichts auf den Weg gebracht worden. Offiziell haben wir noch keinerlei Zuleitung bekommen.

(Zurufe von der SPD)

Deswegen ist es sehr wohl gerechtfertigt und notwendig, dass der Landtag deutlich macht, was er als Anforderung nach Berlin formulieren will, und dass er dafür sorgt, dass das Notwendige auch durchgeführt wird. Ich bitte Sie deshalb ganz eindringlich, diesem Antrag zuzustimmen. Er ist dringend notwendig, damit auch die Stimme der Länder in Berlin deutlich wird und dass nicht nur das diffuse Bild aus dem Bereich der Koalitionsparteien in Berlin die Fragen der inneren Sicherheit prägt, sondern dass auch durch unsere Unterstützung und unseren Rückenwind in Berlin unsere Sicherheit ordentlich geregelt wird.

(Beifall bei der CSU)

Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Diese wird auf Antrag der CSU in namentlicher Form erfolgen. Für die Stimmabgabe sind entsprechend gekennzeichnete Urnen bereit gestellt. Die Ja-Urne ist auf der Seite der CSU-Fraktion, die Nein-Urne auf der Oppositionsseite im Bereich der Eingangstüren aufgestellt. Die Urne für die Stimmenthaltungen befindet sich auf dem Stenografentisch. Mit der Stimmabgabe kann nun begonnen werden. Fünf Minuten stehen dafür zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 15.29 bis 15.34 Uhr)

Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt gegeben. Wir fahren zwischenzeitlich mit der Beratung der Dringlichkeitsanträge fort. Ich bitte Sie, zu diesem Zweck wieder die Plätze einzunehmen.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Werner-Muggendorfer und Fraktion (SPD)

Keine Terrorzellen in der Landeshauptstadt München (Drucksache 14/7707)

Ich eröffne die Aussprache. Um das Wort hat Herr Abgeordneter Pfaffmann gebeten. Bitte, Herr Kollege Pfaffmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit der Nacht von Sonntag auf Montag plakatiert die Münchner CSU ein Plakat mit folgender inhaltlicher Aussage: „Terrorzellen in München. Die Stadt zahlt die Miete. Schluss mit dem Schmusekurs. Weil wir München lieben.“ Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist die niederträchtigste Aussage, die ich jemals in einer politischen Auseinandersetzung gesehen habe.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte zunächst begründen, warum wir ein Wahlplakat zum Thema im Landtag machen. Dies muss natürlich eine Ausnahme bleiben, weil es nicht sein kann, dass irgendwelche Wahlplakate Grundlage von Debatten im

Bayerischen Landtag sind oder werden. Dieses Plakat allerdings, meine Damen und Herren, ist eine Ausnahme, weil die CSU mit diesem Plakat behauptet, in München gäbe es Terroristen, und die öffentlichen Behörden würden dies mit einem Schmusekurs tolerieren. Meine Damen und Herren, jeder weiß – offensichtlich bis auf die CSU in München –, dass für solcherlei Behauptungen die Bayerische Staatsregierung zuständig ist, speziell das bayerische Innenministerium.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen – der bayerische Innenminister sollte bitte zuhören – muss dieses Plakat zum Thema im Bayerischen Landtag gemacht werden.

(Beifall bei der SPD)

Man hatte den Eindruck, meine Damen und Herren, dass nach den Anschlägen in New York die politischen Kräfte zusammenrücken, demokratische Parteien gemeinsame Anstrengungen unternehmen, um den Bürgerinnen und Bürgern die Sicherheit wiederzugeben, die am 11. September so schwer beschädigt wurde. Das ist im Allgemeinen auch so. In den Debatten in den Parlamenten dieses Landes und im Deutschen Bundestag war es bisher auch so. Seit Sonntag Nacht ist dies vorbei. Die Münchner CSU hat die demokratische Gemeinsamkeit bei der Bekämpfung des Terrorismus verlassen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der Vorwurf der CSU an die Stadt München, an die Bürgerinnen und Bürger der Stadt München – es ist nicht ein Vorwurf an die rot-grüne Mehrheit oder an die SPD, es ist ein Vorwurf an die Landeshauptstadt München –, man würde sich im Schmusekurs mit Terroristen befinden, ist eine infame Lüge. Die Behauptung, die Stadt München würde nicht mit den Sicherheitsbehörden des Innenministeriums zusammenarbeiten, ist eine vorsätzliche Lüge.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt einen Brief an den Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München, der die Grundlage dieses Plakates, nämlich die Erkenntnisse über den Münchner Terroristen Ben Heni, folgendermaßen kommentiert: Das Bundeskriminalamt sowie der Bundesanwalt haben erklärt, es gäbe überhaupt keine Veranlassung, der Stadt München irgendeinen Vorwurf zu machen bezüglich der Zusammenarbeit mit der Stadt München – im Gegenteil: Die Landeshauptstadt München hätte hervorragende Arbeit geleistet und Erkenntnisse geliefert, die maßgeblich zur Aufklärung des Vorfalls Ben Heni beigetragen hatten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alle diese Tatsachen, alle diese Fakten interessiert die CSU in München offensichtlich nicht, weil sie ein anderes Ziel hat, meine Damen und Herren. Sie möchte nicht gemeinsam mit allen demokratischen Parteien den Ter

rorismus bekämpfen – nein, sie will aus dem schrecklichen Anschlag in New York parteipolitischen Honig ziehen. Das ist das Verwerfliche an dieser Plakat-Aussage.

(Beifall bei der SPD)

„Terrorzellen in München. Die Stadt zahlt die Miete. Schluss mit dem Schmusekurs. Weil wir München lieben.“ Meine Damen und Herren von der CSU, nein, Sie lieben München nicht.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: So ist es!)

Wie sonst könnten Sie dem Ruf der Landeshauptstadt München einen so hohen Schaden zufügen, der in seiner Dimension noch gar nicht abgeschätzt werden kann?

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie, selbstverständlich unter der Verantwortung des Landesvorsitzenden, schädigen den Ruf der Stadt überregional. Was sollen denn die Gäste, die sich derzeit in München aufhalten oder später kommen, davon halten, dass die bayerische Regierungspartei CSU Terroristen in München frei herumlaufen lässt? Was soll denn die Münchner Wirtschaft davon halten, dass der wichtige Wirtschaftsstandort München von Terroristen besetzt sein soll unter Duldung der CSU-Regierungspartei? Nein, Sie schüren die Angst, meine Damen und Herren von der CSU, Angst in der Münchner Bevölkerung, um einer gesichtslosen Münchner CSU zum Erfolg zu verhelfen und politischen Honig aus dem Terroranschlag zu ziehen.