Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Glück, ich hätte mir von Ihnen als moralische Instanz der CSU, da Sie in Ihrem Umgang und in Ihrer Arbeitsweise stets sehr viel Moral einfordern, deutlichere Worte erwartet.
Nochmals zum Sachverhalt; denn nach Verlassen des Landtags sehen wir auf der linken und auf der rechten Straßenseite das Plakat, das zeigt, dass der Wolf kommt.
Ich persönlich finde – da sind wir wohl alle derselben politischen Einschätzung, auch wenn Sie es nicht offiziell zugeben dürfen –, dass wir daran den Tiefstand der politischen Kultur lesen können, dass es in München Terrorzellen gibt, dass die Stadt die Miete zahlt und dass mit dem Schmusekurs Schluss sein müsste. Die CSU München sah wohl die Chance, dass mit der Festnahme des Terroristen Lasid Ben Heni Morgenluft gewittert werden sollte, um aus der gruftigen Niederung der 13-prozentigen Prognose für den OB-Kandidaten Wolf auf der nach unten offenen Zustimmungsskala mehr Nektar und Honig zu saugen.
Mit diesem Plakat wollten Sie mehr oder weniger im Vorbeigehen einen zweiten Punkt erledigen und dazu ausholen, Sozialhilfeempfänger zu diffamieren. Sie deuten an, dass sich der festgenommene mutmaßliche Terrorist auf Kosten der Stadt einen schönen Lenz gemacht habe. Er hätte reisen können, er wäre in Italien und Pakistan gewesen, er sei umhergefahren. In der gestrigen Stadtratsdebatte wurde sogar behauptet, er hätte einen Mittelklassewagen gefahren. Sie wollen alle diese Behauptungen mehr oder weniger darauf begründen, dass Lasid Ben Heni von der Stadt München Sozialhilfe bekommen hat. Ich möchte das vorhalten, weil Herr Kollege Haedke für die CSU-Fraktion wohl die Frage erledigen soll, wie sich der Rechtsstatus des Verhafteten genauer bestimmt hatte. Der Verhaftete hatte ein sogenanntes kleines Asyl, die Voraussetzung für ein normales Asyl. Er hatte damit eine Aufenthaltsbefugnis mit den üblichen Regelungen der Freizügigkeit. Dieses Asyl hatte er in Aachen erhalten. 1996, als er erstmals in München auftauchte, ist er, ausgestattet mit einer Fahrkarte, nach Aachen zurückgeschickt worden. Er hat seinen Wohnsitz nach München verlegt und war zwischen 1998 und 2001 in München öfter wegen Sozialhilfe vorstellig.
Ich darf, auch für die Münchener Kollegen, die in diese Spezialitäten weniger eingeweiht waren, wiederholen, dass er in diesem Zeitraum eineinhalb Jahre vom Sozialamt keine Leistungen bekommen hat. Genau in dieser Zeit war er in Italien und in Pakistan. Ansonsten sind den Münchener Sozialbehörden keine weiteren Reisen bekannt. Sie müssen sich bezüglich Ihrer Vorurteile generell an der Nase fassen; denn Sie wollen den Eindruck erwecken, dass Sozialhilfeempfänger Sozialschmarotzer seien und dass die Münchener Sozialverwaltung schlampig gearbeitet hätte. Sie wollen in Ihrem Wahlkampf vor allem darauf abzielen, dass insbesondere bei Rot-Grün die Schläfer in der Sozialverwaltung sitzen. Sie suggerieren und senden die Botschaft aus, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – politisch gedeckt – Terroristen Unterschlupf gewährten und dass Usama bin Ladin hier mehr oder weniger eine Außenstelle eingerichtet hätte.
Ich sehe mir sehr genau an, wer heute anwesend ist. Von insgesamt elf Münchner Landtagsabgeordneten sind vier Abgeordnete anwesend. Das kollektive Kopfsenken in Ihren Reihen scheint mir ein Indiz dafür zu sein, dass Sie sich in gewisser Weise schämen.
Ich unterstelle Ihnen zu Ihren Gunsten, dass Sie sich dafür schämen, dass von Ihren Parteikollegen eine Diffamierung und Lügenkampagne ausgeht. Mir reicht die Erklärung von Innenminister Dr. Beckstein darüber, wie sich die Zusammenarbeit gestaltet hat, noch nicht aus. Im Gegenzug könnte man argumentieren – das würden wir aber niemals sagen –, dass Sie als zuständiger oberster Dienstherr der Bayerischen Polizei an der Grenze hätten persönlich auftauchen müssen, wenn der Terrorist nach Italien und Pakistan aus- und wieder einreist. Wir fragen nicht: Wo waren Sie? Wir kennen die Zusammenhänge und wissen, dass es eine gedeihliche, problemlose, zielgerichtete und gute Zusammenarbeit gab. Ich glaube, dass es diese Zusammenarbeit nicht nur mit den Bundesbehörden, sondern auch mit den Landesbehörden gab. Diese kann man zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht öffentlich darlegen. Ich jedoch würde dazu von Ihrer Seite gern ein klärendes Wort hören.
Ich möchte das Thema nicht allein auf Herrn Wolf kaprizieren; die Pressemeldungen, die auch von der CSU München abgesetzt wurden, vermuten nur die Spitze des Eisbergs grüner Regierungspraxis. Mit solch einem Verhalten will man suggerieren, dass auch in München einiges schlimm steht, aber nicht nur in München. Damit schüren Sie Ausländerfeindlichkeit. In diesem Fall ist Ihnen kein Mittel zu geschmacklos.
Herr Kollege Glück, ich erwarte schon, dass Sie mit der Überlegung, dass bad news auch good news bedeuten,
Ihre politische Kultur bedenken. Ob dort eine politische Stilfrage berührt ist oder nicht, ist egal. Es fällt auf, dass Sie immer dann, wenn Sie politische Schwächen zeigen, zu solchen Mitteln greifen. Das Laurenz-Meyer-Plakat, im Grunde ein Steckbrief von Bundeskanzler Schröder, ist eine ähnliche Deformierung auf gleichem Niveau. Sie müssen sich schon fragen, ob es Ihnen an der inhaltlichen Auseinandersetzung fehlt, dass Sie zu solchen Mitteln greifen müssen.
Meine Damen und Herren, Sie kennen alle das Kinderspiel „Wer hat Angst vor dem bösen Wolf“. Normalerweise schallt es aus den Mündern: Niemand! Hier aber schallt aus allen Mündern: Die Münchner CSU! Wir wissen, dass Sie gewisse Rotweinbedürfnisse hatten, als Sie nachgeschaut haben, ob Sie doch noch einen anderen Kandidaten herbeibringen könnten. Was der Steffel für Berlin war, wird der Wolf für Sie hier in München sein.
Ihrem Geschäft mit der Angst, Verhetzung und Diskriminierung muss man eine klare Absage erteilen. Das erwarte ich auch von Ihnen, und ich appelliere an Sie als aufrechte Demokraten, an Ihre politische Grundfestigkeit; denn es darf nicht angehen, dass Behörden, Mitarbeiter und politisch Verantwortliche der Landeshauptstadt München auf diese Art und Weise an den Pranger gestellt werden.
Zum Schluss postuliert die CSU auch noch „Schluss mit dem Schmusekurs“. Ich würde mir sehr wünschen, dass Sie sich auch von dieser indirekten Behauptung distanzieren, dass die Landeshauptsadt München und der Freistaat Bayern einen solchen Schmusekurs tolerierten oder diesen gar führten. Schluss mit dem Schmusekurs würde ich Ihnen auch in einem anderen Zusammenhang nahe legen. Wer möchte denn momentan mit Ihnen überhaupt schmusen?
Wir könnten dem Herrn Kandidaten Wolf vielleicht bei viel gutem Willen etwas Mundgeruch attestieren. Wenn ich es mir richtig überlege, stillen Sie mit diesem Schmusekurs momentan nur die Kussbedürfnisse der Republikaner und der NPD.
(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der nächste Wolf! – Frau Kellner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Der Juniorwolf!)
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Intention der Opposition in diesem Hause, Pla
Das Parlament ist nicht der richtige Ort, um Plakate zu diskutieren. Es ist auch nicht der richtige Ort, um Wahlkampf oder gar Kommunalwahlkampf zu führen. Das möchte ich in aller Deutlichkeit hierzu sagen. Die Diskussion über Plakate in einem Parlament widerspricht jedem demokratischen Verständnis. Über Plakate kann man nicht mit Parlamentsmehrheiten abstimmen. Plakate müssen von demokratischen Parteien benützt werden dürfen, und man muss auch richtig damit umgehen. Man kann nicht in Parlamenten darüber abstimmen. Das möchte ich auch insbesondere im Zusammenhang mit den Plakaten der Jusos erwähnen, mit denen beispielsweise Staatsminister Dr. Beckstein und auch der Ministerpräsident als Nazis diffamiert wurden.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Das sollten Sie sich an dieser Stelle einmal merken.
Mit Ihren Anträgen versuchen Sie, einen Persilschein für die Handlungen der Stadt ausgestellt zu bekommen.
Dazu möchte ich ganz kurz Geschehenes und Aktuelles darlegen. Kollege Glück hat es bereits dargestellt. Es geht darum, dass hier auch zur Sache gesprochen wird. Es geht um die Praktiken des Sozialamtes in München, welches beispielsweise im Jahre 1997 eine Dienstanweisung herausgegeben hat. Darin untersagte der Chef des Sozialreferates seinen Mitarbeitern grundsätzlich die Weitergabe von Daten von per Haftbefehl gesuchten Straftätern und Verdächtigen an Justiz und Polizei.
Täterschutz vor Opferschutz war hier die Devise, und die Referatsleitung fand es nicht nur in Ordnung, sondern sie hat es sogar angeordnet. Hier fehlt es am richtigen Denken. Es kann nicht angehen, dass hiergegen nur noch die Rechtsaufsicht oder die Staatsanwaltschaft einschreiten. Sogar der Staatsanwalt hat in dieser Sache ermittelt, nämlich wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt. Nur so ist man dem Ganzen Herr geworden. Es gab deswegen eine Gesetzesänderung. Es ist unglaublich, wie in diesem Sozialreferat gehandelt wird. Das muss in diesem Zusammenhang auch einmal gesagt werden.
Meine liebe Kolleginnen und Kollegen, in dem berühmten Fall Mehmet hat sich genau dieses Sozialreferat geweigert, die Akte an das Innenministerium herauszugeben. Ich frage Sie: In welchem Staat leben wir eigentlich? Was für eine Dienstauffassung liegt vor, wenn einer 62 Straftaten begeht und dieses Amt sich weigert, die Daten an das Innenministerium herauszugeben? Das kann doch nicht wahr sein!
Darum geht es in der Sache. Hier ist an dem System etwas falsch. Offensichtlich hat sich an der Haltung dieser Sozialbehörde grundsätzlich nichts geändert.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Pfaffmann?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss aktuell auf den ganz offensichtlichen Sozialmissbrauch in dem neuen Fall reagiert werden, statt über Plakate zu diskutieren. Darüber sollte man eigentlich reden. Sie führen heute wiederum nur eine Debatte, um von Ihren Versäumnissen in der Landeshauptstadt abzulenken. Sie wollen das kaschieren. Das eigentliche Problem ist der Sozialmissbrauch und die fehlende Reaktion der Landeshauptstadt darauf. Wer redet eigentlich darüber, was wirklich passiert ist?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte auch einmal darlegen, welche Informationen täglich scheibchenweise herauskommen.
Der lybische Terrorist Lasid Ben Heni bezog in München – das muss man sich einmal anhören –, 17000 DM vom Sozialamt. Er bekam trotz zahlreicher Reisen nach Italien und einer Flugreise in die Türkei immer weiter Sozialhilfe. Er reiste nach Pakistan, und kurz nachdem er zurückkam, bekam er gleich wieder Sozialhilfe. Während der anderen Reisen wurde ihm die Sozialhilfe überhaupt nicht gestrichen. Er bekam Kleidergeld, und er bekam, nachdem er kurz vor Weihnachten zurückkam, auch noch Weihnachtsgeld. Unmittelbar nach seiner Rückkehr quartierte er sich im nächstbesten Münchner Krankenhaus ein und verlangte sogar noch ein Einzelzimmer. Das war das einzige Mal, dass von Seiten der Stadt etwas verweigert wurde. Ein Einzelzimmer wurde ihm verweigert, alles andere wurde ihm genehmigt und bezahlt. Über die Kosten des Krankenhausaufenthaltes streiten sich heute noch Arbeitsamt und Sozialamt. Das ist doch kein Zustand. Statt hier eine Show-Debatte zu führen, sollten Sie sich lieber über Ihre internen Dinge