Protokoll der Sitzung vom 25.10.2001

Der lybische Terrorist Lasid Ben Heni bezog in München – das muss man sich einmal anhören –, 17000 DM vom Sozialamt. Er bekam trotz zahlreicher Reisen nach Italien und einer Flugreise in die Türkei immer weiter Sozialhilfe. Er reiste nach Pakistan, und kurz nachdem er zurückkam, bekam er gleich wieder Sozialhilfe. Während der anderen Reisen wurde ihm die Sozialhilfe überhaupt nicht gestrichen. Er bekam Kleidergeld, und er bekam, nachdem er kurz vor Weihnachten zurückkam, auch noch Weihnachtsgeld. Unmittelbar nach seiner Rückkehr quartierte er sich im nächstbesten Münchner Krankenhaus ein und verlangte sogar noch ein Einzelzimmer. Das war das einzige Mal, dass von Seiten der Stadt etwas verweigert wurde. Ein Einzelzimmer wurde ihm verweigert, alles andere wurde ihm genehmigt und bezahlt. Über die Kosten des Krankenhausaufenthaltes streiten sich heute noch Arbeitsamt und Sozialamt. Das ist doch kein Zustand. Statt hier eine Show-Debatte zu führen, sollten Sie sich lieber über Ihre internen Dinge

unterhalten und sich einmal über Sozialhilfecontrolling in Ihren Behörden Gedanken machen. Das ist der richtige Weg. Wir brauchen Veränderungen und Verbesserungen zur Abschaffung des Sozialmissbrauchs. Wir brauchen Veränderungen in der Tätigkeit dieser Münchner Behörde, wo offensichtlich nur mehr Schlendrian herrscht und wo offensichtlich aus der Vergangenheit nichts gelernt wird. Hier brauchen wir Veränderungen.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe, dass das Münchner Sozialamt künftig eine bessere Dienstauffassung hat und dass die SPD in diesem Hause nicht mehr nur Kommunalwahlkampf betreiben will. Es kann nicht sein, dass hier nur mehr Kommunalwahlkampf betrieben wird, sonst können wir gleich jeden Kommunalwahlkampf und jeden Landratswahlkampf im Lande hier austragen. Das macht überhaupt keinen Sinn. Ich kann Ihnen auch gleich sagen, was eine Abstimmung über Plakate in diesem Hause zur Folge hätte. Sie dürfen dann überhaupt keine Plakate mehr aufstellen. Das widerspricht aber genau der demokratischen Einstellung, die wir haben. Deswegen muss dieser Antrag in toto abgelehnt werden.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Kollege Memmel.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zuerst Herrn Staatsminister Dr. Beckstein ansprechen. Er hat darauf hingewiesen, dass die Zuständigkeit für diesen Vorgang beim Generalbundesanwalt und nicht bei den städtischen Behörden liegt. Herr Staatsminister, ich verstehe Sie nicht; denn damit unterstellen Sie indirekt, dass der Inhalt des Plakates gegebenenfalls gerechtfertigt wäre. Jedenfalls entsteht dieser Eindruck, wenn Sie sagen, Sie seien nicht damit befasst. Stellen Sie sich einmal vor, es würde irgendjemand auf den Gedanken kommen, ein Plakat zu kleben, auf dem steht: In Bayern gibt es Terrorzellen, und der Freistaat Bayern lässt sie gewähren, oder Beckstein lässt dies zu.

(Dr. Bernhard (CSU): „Beckstein ist ein Nazi“ – Wie schaut es denn damit aus?)

Kein Mensch denkt daran, ein solches Plakat zu entwerfen. Aber genau das wäre das Gleiche in umgekehrtem Sinne.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen – –

(Dr. Bernhard (CSU): Wenn, dann muss man auf beiden Seiten die gleichen Maßstäbe anlegen! – Weitere Zurufe von der CSU)

Herr Dr. Bernhard, ich habe gedacht, dass man in diesem Hause anders reden und anders als im Münchner Rathaus zu Gemeinsamkeiten kommen könnte. Ich sage gleich etwas dazu.

Kollege Haedke spricht einen Vorgang von 1997 an. Von 1997!

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich mache es wie Kollege Haedke.

Es ist sehr bestürzend, dass Sie ein Beispiel von 1997 holen müssen, um das jetzige Plakat zu rechtfertigen. Damals war es die Rechtslage der Regierung Kohl. Es waren Bundesgesetz und Datenschutz, die damals zu der Situation geführt haben.

(Haedke (CSU): Wenn Sie das heute noch sagen, haben Sie gar nichts gelernt!)

In einem schwierigen Verfahren – ich möchte eigentlich gar nicht so viel über München sagen – zwischen dem Sozialreferat und Ihrem damaligen Kollegen Dr. Uhl – fragen Sie ihn – wurde das geklärt und eine einvernehmlich Lösung gefunden. Wo bleibt denn die Rechtsaufsichtsbehörde, die die Stadt bei einem solchen Handeln kritisieren würde? – Das war nicht der Fall.

(Haedke (CSU): Die ist eingeschritten!)

Meine Kolleginnen und Kollegen, wir hatten einen Münchner Oberbürgermeister, der auch einmal Landtagskollege und Staatssekretär im Innenministerium war – Sie wissen, wen ich meine, nämlich Erich Kiesel –, und der gesagt hat: „Wir sind nicht Hinterpfuideifi.“ Ich sage Ihnen eines: München ist auch nicht Hinterpfuideifi. Aber die CSU München ist auf dem besten Weg dorthin.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich dachte, wir bekämen eine andere Diskussion, weil ich weiß, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CSU, dass Sie derzeit nicht sehr viel Freude mit Ihren Parteifreunden in München haben. Das kann mal vorkommen.

(Zuruf des Abgeordneten Gabsteiger (CSU) – Jetz (CSU): Ihr habt mit Schily auch nicht viel Freude!)

Sie müssen bei einem solchen Vorgang keine Versuche machen, dies zu rechtfertigen. Es geht um das Plakat und die Auseinandersetzung von demokratischen Parteien. Der Inhalt des Plakates besagt nichts anderes, als dass die Stadt diskriminiert wird, dass die Polizei diskriminiert wird und dass die bayerischen Sicherheitsbehörden diskriminiert werden, weil sie es angeblich zulassen würden, dass solche Zellen in München arbeiten.

Am Montag erhielt ich einen Anruf von einem Hotelier, der in fast atemloser Bestürzung mitgeteilt hat, dass vor seinem Haus ein solches Plakat geklebt werde, und fragte, und ob er dies wegnehmen dürfe, weil sich bereits Gäste beschwert hätten. Ich kannte das Plakat bis dahin nicht, fuhr zum nächsten Plakatständer und sah nur, dass jemand durch Papier springt.

(Lachen bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als ich das Plakat gesehen habe, war mir klar, dass nicht nur die Hoteliers, sondern auch der Einzelhandel, die Taxifahrer und andere Befürchtungen haben, dass München als weltoffene Stadt, die Touristen, Geschäftsleute, Kongressteilnehmer und viele andere anzieht, die Botschaft vermitteln könnte, in München gebe es Terroristenzellen, die von uns unterstützt würden – und unter dem Ganzen steht CSU. Schlimm ist, dass es die sogenannte staatstragende Partei ist, die so etwas attestiert. Ich meine, Sie sollten sich zumindest inhaltlich von Ihren Münchner Freunden trennen.

Sie haben heute alle in Ihren Fächern eine Hausmitteilung gefunden. Diese lautet: „Verhalten bei verdächtigen Sendungen.“ Es heißt dort, bisher sei nicht bekannt, dass in Bayern Anschläge geplant seien. „In allen Fällen handelt es sich um Trittbrettfahrer.“ Es wird also festgestellt, dass es Trittbrettfahrer gibt, die durch das Verschicken von Briefen mit Puder oder Zucker Angst machen wollen. Was soll das Plakat? – Es macht Angst, meine sehr verehrten Damen und Herren. Darüber müssen Sie sich klar sein.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Kollege Podiuk von uns in einer sachlich geführten Debatte

(Lachen von Dr. Bernhard (CSU))

eindringlich aufgefordert worden ist zu sagen, wie es zu dem Plakat hatte kommen können, teilte er mit, was Innenminister Schily mit Staatsminister Beckstein zu der Frage sagen, ob es weitere Schläfer gibt: „Beide sagen, es gibt 32000 in Deutschland, und 3000 dieser Extremisten werden in Bayern vermutet, die nicht alle Schläfer zu sein brauchen. Ich gehe davon aus, dass in den Ballungszentren wie München sich mindestens einige Hundert befinden.“ Er meint also, weil der bayerische Innenminister sagt, dass es in Bayern vermutlich Schläfer gebe, kann er in München plakatieren, dass es in München Terroristen gibt, denen die Miete bezahlt wird.

Meine Damen und Herren, wenn wir als Demokraten Ängste erzeugen und zulassen, dass dem nicht widersprochen wird, verstehe ich die Welt nicht mehr. Die CSU hat gestern abgelehnt, das Plakat zu überkleben oder abzunehmen. Unser Appell, sich zu entschuldigen, wurde gemeinsam mit den Republikanern zurückgewiesen. Die CSU will die Plakate nicht abnehmen.

(Zurufe von der SPD)

Nun, meine Damen und Herren, habe ich eine Mitteilung erhalten. Der Fraktionsvorsitzende der CSU hat bereits angekündigt, dass das Plakat nicht mehr geklebt wird. Ein CSU-Sprecher erklärte am Donnerstag, die Partei werde neue Wahlkampfplakate zum Thema innere Sicherheit aufstellen. Das Plakat mit der Aufschrift „Terrorzellen in München – und die Stadt zahlt die Miete“ habe der Oberbürgermeister bereits kritisiert.

Ich bin froh darüber, dass wir einen Teil der öffentlichen Diskussion beenden können. Es ist aber schlimm, dass diese Reaktion nicht wegen besserer Einsicht kommt und nicht wegen der Argumente, die von einem großen gesellschaftlichen Bündnis von Wirtschaftsleuten, Gewerkschaften, Hoteliers, Taxifahrern und Verkäuferinnen kommen, die Angst haben, dass etwas passieren könnte. Nein, nicht bessere Einsicht war es, sondern es war der Dringlichkeitsantrag, den wir heute gestellt haben. Sie haben eine Viertelstunde davor Ihren Text abgesetzt, was auf Druck der Öffentlichkeit hin geschah. Das ist schlimm. Ich danke all denen, die daran mitgewirkt haben, dass dieses Plakat verschwindet.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Welnhofer.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Ich wiederhole nochmal, was unser Fraktionsvorsitzender schon eingangs zur Klarstellung gesagt hat. Die Münchner CSU hat mit ihrer Erklärung, dieses Plakat nicht mehr zu verwenden, nach Auffassung der CSU-Landtagsfraktion eine richtige Entscheidung getroffen.

(Wahnschaffe (SPD): Eine notwendige!)

Wenn das so ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann ist eigentlich Ihrem Antrag der Boden entzogen, und Sie könnten ihn zurücknehmen.

(Lachen bei der SPD)

Nun ja, diese Uneinsichtigkeit habe ich befürchtet.

(Beifall und Heiterkeit bei der CSU – Lachen bei der SPD)

Na ja, also bitte, so abwegig, wie Sie tun, ist das, was ich hier sage, nun auch wieder nicht. Sie wenden sich gegen ein Plakat. Dem Petitum wird entsprochen. Aber der Antrag bleibt aufrechterhalten.

(Zurufe von der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jedenfalls ist jetzt eines klar: Es geht um eine Wahlkampfmaßnahme der Münchner CSU, nicht um Rechtsaufsicht, nicht um innere Sicherheit oder all das. Es geht um eine Wahlkampfmaßnahme der Münchner CSU. Das zeigt sowohl in besonderer Weise Ziffer 3 des Antrags, des weiteren die Antragsbegründung, und schließlich und endlich zeigen das auch die Debattenbeiträge, die wir soeben gehört haben. Weil das so ist, widersprechen wir auch seitens der CSU-Fraktion dem Antrag des Kollegen Pfaffmann, über den Antrag in Abschnitten abzustimmen. Wir widersprechen diesem Antrag, und ich bitte Frau Präsidentin Riess, nach § 131 unserer Geschäftsordnung über den Widerspruch abstimmen zu lassen, bevor wir zur Sachentscheidung kommen.

Ich gestehe ausdrücklich zu, dass auch die Landeshauptstadt München – ich gehe ganz einfach davon aus – darum bemüht ist und sich zum Ziel gesetzt hat, die Bildung von Terrorzellen zu verhindern. Das darf aber nicht dazu führen, dass nicht mehr darüber diskutiert werden darf, ob die dafür notwendigen Maßnahmen so, wie sie getroffen werden, auch immer die richtigen sind. Ich sage das jetzt unabhängig von der Diskussion über das Plakat.

(Beifall bei der CSU)

Bei dem Plakat geht es um das Führen eines Wahlkampfes und um eine Wahlkampfmaßnahme. Von daher habe ich erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, ob dieser Antrag hier überhaupt in rechtlich zulässiger Weise behandelt werden kann, denn das Führen und Gestalten von Wahlkämpfen ist allein Sache der politischen Parteien. Die Staatsorgane haben sich gegenüber Wahlkampfmaßnahmen der Parteien neutral zu verhalten.

(Widerspruch bei der SPD)