Protokoll der Sitzung vom 25.10.2001

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Dürr, Münzel, Gote, Paulig und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bundesratszustimmung zum Entschließungsantrag des Landes Schleswig-Holstein zum Verbot der Pelztierhaltung (Drucksache 14/7708)

Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen? – Frau Münzel, bitte.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! In der vergangenen Woche hat Schleswig-Holstein eine Initiative in den Bundesrat eingebracht, die zum Ziel hat, die Pelztierzucht in Deutschland zu verbieten.

(Unruhe)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Meine Damen und Herren, ich bitte darum, auch diesem Tagesordnungspunkt die nötige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen und nach Möglichkeit die Plätze wieder einzunehmen.

Danke, Frau Präsidentin.

Wir begrüßen die Initiative Schleswig-Holsteins. Da bei einer entsprechenden Änderung des Tierschutzgesetzes sowieso die Zustimmung des Bundesrates notwendig ist, halten wir es für zielführend, wenn ein solcher Vorschlag aus dem Bundesrat heraus erfolgt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Leider ist die Bayerische Staatsregierung wieder einmal, wie bei der Abstimmung über die neue Legehennenverordnung, als Bremserin aufgetreten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Hofmann (CSU))

Herr Hofmann, bleiben Sie schön hier, damit wir das ausdiskutieren können. Die Bayerische Staatsregierung unterstützte nicht das Verbot, sondern forderte eine artgerechte Haltung der Pelztiere. Es gibt aber keine artgerechte Haltung von Pelztieren, die allesamt Wildtiere sind. Hier wird zum wiederholten Male deutlich: Wenn es darum geht, wirklich Verbesserungen für die Tiere durchzusetzen, dann kneift die Bayerische Staatsregierung.

Lassen Sie mich kurz die Pelztierhaltung schildern, und zwar am Beispiel des Nerzes, da zur Zucht in Pelzfarmen überwiegend der amerikanische Nerz verwendet wird, der zur Familie der Marder gehört.

(Unruhe)

Frau Präsidentin, es ist wie in der Schule, aber ich lasse mich am besten nicht irritieren.

(Glocke der Frau Präsidentin – Zuruf des Abgeord- neten Freiherr von Rotenhan (CSU))

Ich wollte nur ausdrücken, es ist wie in der Schule. Es ist keine Sache der Nerven, aber es wäre nett, wenn Sie zuhören würden, denn dann könnten wir später besser miteinander diskutieren.

Ich möchte die Pelztierhaltung am Beispiel des amerikanischen Nerzes, des Mink, schildern. In freier Wildbahn durchstreift der als Einzelgänger lebende Nerz ein Gebiet von bis zu 25 Quadratkilometern. Der Nerz ist ein guter Schwimmer. Als Nahrung dienen ihm daher vor allem Fische, Frösche, Wasservögel und Kleinsäuger. Aufgrund ihrer Lebensweise sind Nerze nur in Gewässernähe zu finden. Sie bewohnen die Uferzonen von Flüssen und Seen, sie jagen und spielen hauptsächlich im Wasser und kühlen sich darin ab.

Wie werden nun diese Wildtiere gehalten? – Die Käfige in Pelztierfarmen werden in langen Reihen etwa einen Meter über dem Erdboden aufgehängt. Sie bestehen

ausschließlich aus Drahtgittern, damit Kot und Urin der Tiere direkt durch das Maschendrahtgitter zu Boden fallen. Unter den Käfigen türmen sich die Exkrementberge. Die mit einem ausgezeichneten Geruchssinn ausgestatteten Tiere sind somit ein Leben lang dem Gestank ihrer eigenen Exkremente ausgesetzt. Die Fütterung erfolgt durch Aufschmieren eines Futterbreies auf das Käfiggitter. Von hier können die Tiere den Brei abschlecken. Zwar stillt das Futter ihren Hunger, den bei Raubtieren wie Nerz und Fuchs angeborenen Beißtrieb können die Tiere bei der Aufnahme des Nahrungsbreies jedoch nicht ausleben.

Wir sehen uns die Fläche an: Die Grundfläche eines Käfigs ist ein Drittel Quadratmeter groß. Das Streifgebiet eines Nerzes in freier Wildbahn ist ungefähr 100 Millionen mal so groß. Mit der Art der Tötung möchte ich Sie hier gar nicht erst belasten.

Es ist ganz klar: In Käfigen gehaltene Nerze können ihre natürlichen Triebe in keinster Weise ausleben. Sie können sich weder ausreichend bewegen noch springen, klettern, graben, ein Bad nehmen oder nach Beute suchen. Durch Drahtgitterböden, unnatürliche Enge, ungeeignetes Futter sowie ständige Langeweile sind die Tiere lebenslang unerträglichen Qualen ausgesetzt. Die ständige Nähe zu Artgenossen, denen das Tier in der Natur in der Regel aus dem Weg gehen würde, führt zur Auslösung von Alarmreaktionen.

Wenn man sich das alles vor Augen führt und wenn man sich die Bilder ansieht, die man hier im Parlament leider nicht zeigen darf, dann muss man sagen: Pelztierzucht ist Tierquälerei.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und warum diese ganze Tierquälerei? – Das alles geschieht, um einen Luxusartikel zu gewinnen, nämlich den Pelzmantel. Man muß sich einmal vor Augen halten: Für einen Pelzmantel müssen 50 Nerze sterben. Nun haben wir ein Tierschutzgesetz, das in § 14 das Töten von Wirbeltieren ohne vernünftigen Grund verbietet. Der Pelzmantel ist für uns kein vernünftiger Grund. Niemand erfriert oder friert ohne Pelzmantel. Außerdem gibt es attraktivere Materialien für die Bekleidung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Loscher-Frühwald (CSU): Auch für Lederschuhe müssen Tiere sterben!)

Die Tiere werden aber nicht dafür gehalten, dass man Lederschuhe aus ihnen macht. Es geht darum, dass Pelztiere allein zur Pelzgewinnung gehalten werden. Das ist der alleinige Grund, warum sie gequält werden. Das ist nach § 14 des Tierschutzgesetzes kein vernünftiger Grund. Darum geht es.

Interessanterweise sagt das auch die Bundestierärztekammer. Deren Haltung ist eindeutig. Ich zitiere aus einem Beschluss, den die Bundestierärztekammer im Dezember 2000 gefaßt hat und der protokolliert wurde. Dort heißt es: „Der Ausschuss für Tierschutz der Bundestierärztekammer lehnt die Haltung von Tieren zum Zwecke der Pelzgewinnung ab.“ Die Haltung von Pelz

tieren in Käfigen wird grundsätzlich als tierschutzwidrig abgelehnt. Die Tötung von Tieren ausschließlich zur Pelzgewinnung stellt nach Auffassung des Ausschusses keinen vernünftigen Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes dar. Ich denke, die Bundestierärztekammer ist eine Institution, an der auch Sie nicht ohne weiteres vorbeigehen können.

Es ist mir vollkommen unverständlich, dass Bayern einem Verbot nicht zustimmt, denn die Pelztierzucht hat in Bayern wie in Gesamtdeutschland keine große wirtschaftliche Bedeutung. Laut Tierschutzbericht 2001 gibt es in Deutschland noch etwa 30 Nerzfarmen, eine Fuchshaltung und eine unbekannte Zahl von Chinchillazuchten. Allerdings könnte mit einem solchen Verbot zirka 300000 Pelztieren pro Jahr ein entsetzliches Dahinvegetieren und ein fürchterlicher Tod erspart werden.

(Zuruf des Abgeordneten Sinner (CSU))

Herr Sinner, nach Auskunft des Bayerischen Verbraucherschutzministeriums – wir haben dort angerufen – gibt es in Bayern lediglich einige Farmen, nämlich drei Nerzfarmen, eine Fuchsfarm und eine Handvoll Chinchillafarmen, die nach den Übergangsfristen des Pelztiererlasses, der im nächsten Jahr greifen wird, wohl geschlossen werden. Das heißt, wirtschaftlich gesehen und auf die Arbeitsplätze bezogen hat die Pelztierzucht für Bayern keinerlei Bedeutung. Deshalb ist es mir unverständlich, weshalb Sie hier nicht ein Zeichen setzen und Ihren hehren Worten vom Tierschutz endlich einmal Taten folgen lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Andere Länder sind hier schon weiter. In Großbritannien ist das Halten und Züchten von Tieren mit dem vorrangigen Ziel der Pelzgewinnung gesetzlich verboten.

Auch in Österreich ist das verboten.

(Loscher-Frühwald (CSU): Haben es die anderen Bundesländer schon verboten?)

Herr Loscher-Frühwald, wir machen jetzt erst einmal eine Initiative. Wir regeln das zunächst von der Bundesebene aus. Hier geht es um eine Änderung des Tierschutzgesetzes, das ein Bundesgesetz ist.

(Hofmann (CSU): Ist das im Bundestag so eingebracht?)

Sie haben offensichtlich den Anfang meiner Rede nicht mitbekommen. Ich habe begründet, weshalb diese Initiative gut ist, weil nämlich letztendlich dabei die Länder gefragt sind.

Herr Sinner, selbstverständlich weiß ich, dass Bayern auf Antrag der GRÜNEN – das werden Sie mir anschließend gleich erzählen – einen Pelztiererlass herausgegeben hat, mit dem in der Tat Verbesserungen erreicht worden sind. Allerdings reichen diese Verbesserungen nicht aus. Alle biologischen und ethologischen Untersuchungen besagen, dass Wildtiere nicht domestizierbar sind.

Das erkennen Sie an; denn in Ihrem Antrag, den Sie im Agrarausschuss des Bundestages gestellt haben, räumen Sie ein, dass der Domestikationsgrad von Pelztieren nur sehr gering ist. Das ist für mich ein Widerspruch. Man kann auf der einen Seite Wildtiere nicht domestizieren; das räumen auch Sie ein. Auf der anderen Seite nähren Sie die Illusion, es gäbe eine artgerechte Haltung. Wildtiere kann man nicht artgerecht domestiziert halten. Die artgerechte Haltung von Wildtieren ist allein die freie Wildbahn.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Loscher-Frühwald (CSU): Wollen Sie die ganzen Gehege im Bayerischen Wald auch öffnen?)

Herr Loscher-Frühwald, eins nach dem anderen. Ich habe erst das Problem Legehennen abgearbeitet, jetzt arbeiten wir die Pelztiere ab, und dann können wir uns durchaus einem weiteren Gebiet widmen. Ich werde da schon noch initiativ werden.

Es gibt also aus bayerischer Sicht keinen einzigen vernünftigen Grund dafür, das Verbot abzulehnen. Herr Sinner, wir betrachten es auch nicht als Grund für eine Ablehnung, einen Bericht der EU oder irgendwelche EURichtlinien abzuwarten, weil wir der festen Überzeugung sind, dass es keine artgerechte Haltung für Wildtiere gibt. Die Zeit ist reif, dass auch Bayern dem Verbot der Pelztierhaltung zustimmt. Das Verbot ist auch deshalb unproblematisch, weil die Interessen der Betreiber durch angemessene Übergangsfristen gewahrt werden. Daher fordern wir Sie auf, am 9. November der Initiative Schleswig-Holsteins zum Verbot der Pelztierzucht zuzustimmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Brunner.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Den Antrag der GRÜNEN, der Entschließung des Landes Schleswig-Holstein zum Verbot der Pelztierhaltung zuzustimmen, kann ich nicht nachvollziehen. Erstens. Gesetzesinitiativen, die auf ein grundsätzliches Verbot von Haltungsformen abzielen, erscheinen als äußerst zweifelhaft. Die Intention des Tierschutzgesetzes ist es, Haltungsformen so zu definieren und zu konkretisieren, dass sie den Anforderungen von § 2 des Tierschutzgesetzes in höchstmöglichem Maß genügen, die Intention ist es nicht, grundsätzlich alle Haltungsformen auszuschließen.

Zweitens. Die GRÜNEN selbst haben am 23. Januar 1997 einen Antrag im Bayerischen Landtag gestellt, der Vorgaben zur Pelztierhaltung in Bayern einfordert, wohlgemerkt, Vorgaben und kein grundsätzliches Haltungsverbot. Der Wortlaut Ihres Antrags war:

Die Staatsregierung wird gebeten, umgehend Vorgaben zur Pelztierhaltung in Bayern zu erlassen, die den Vorgaben nach § 2 des Tierschutzgesetzes hinsichtlich angemessener Pflege, verhaltensgerechter

Unterbringung und Möglichkeiten zu artgerechter Bewegung entsprechen.