Das merken die Leute von selbst. Die Leute sind nicht so dumm, wie Sie meinen, Herr Schindler. Da braucht man nicht zu sticheln.
Schon die finanzielle Seite stimmt bedenklich. Allein das Asylbewerberleistungsgesetz belastet uns jährlich mit Ausgaben von 4 bis 5 Milliarden DM. Nicht alle Menschen in Deutschland haben dafür Verständnis, aber Ihr Verständnis ist offenbar grenzenlos, koste es, was es wolle. Viele Menschen – ich habe es selbst erlebt – fühlen sich darüber hinaus bereits heute durch Zuwanderung subjektiv überfordert, jedenfalls verunsichert, teilweise sogar bedroht. Das ist ein schwerwiegendes Integrationshindernis für diejenigen, die mit einem Daueraufenthaltsrecht hier sind. Immigranten, die nicht integriert werden, bedeuten sozialen Sprengstoff. Dort, wo der Ausländeranteil ein bestimmtes Maß, das nicht ohne weiteres quantifizierbar ist, überschreitet, fühlen sich Deutsche nicht selten im eigenen Land als Fremde. So gibt es in Berlin bekanntlich Stadtviertel, in denen mehr Türken als Deutsche leben, und zwar so, als wären sie noch in der Türkei. Das ist das Problem.
Das ist nicht Integration. Das ist Segregation, also das Gegenteil von Integration. Wer leben will wie in der Türkei, soll es dort tun, aber nicht bei uns. Hier soll er leben, wie es in Deutschland üblich ist. Es hat auch nichts mit Integration zu tun, wenn Ausländer im Kindesalter von ihren Eltern in die frühere Heimat, zum Beispiel in die Türkei, geschickt werden, damit ihre Persönlichkeit entsprechend geprägt wird. Das wollen viele Türken, die bei uns leben. Sie wollen aus ihren Kindern gute Türken machen, aber keine guten Deutschen. Deshalb schicken
sie sie zur Sozialisation nach Hause in die Türkei. Dann holen sie sie wieder zurück, und zwar zum spätestmöglichen Zeitpunkt, bevor das Nachzugsalter endet. Sie wollen, dass ihre Kinder fernab von Deutschland und von den deutschen Verhältnissen, von unseren Werten und Normen, erzogen und geprägt werden. Das wollen sie.
Zur Vermeidung derartiger Praktiken ist es von ausschlaggebender Bedeutung, das Nachzugsalter erheblich zu senken. Entgegen den bisherigen Überlegungen des Bundesinnenministers soll das Nachzugsalter nun aber um nur zwei Jahre auf 14 Jahre gesenkt werden, und auch das nur im Allgemeinen. Wegen zahlreicher Ausnahmen wird indessen sogar der Nachzug bis 18 Jahre zum faktischen Regelfall werden. Damit können die für die Persönlichkeitsentwicklung und die Persönlichkeitsbildung besonders bedeutsamen Lebensjahre weiterhin im Ausland verbracht werden, wenn dies von den Eltern gewünscht wird – eine für das Integrationsinteresse geradezu kontraproduktive – um nicht zu sagen gefährliche – Lösung.
Sinnvoll und erforderlich wäre demgegenüber, das Nachzugsalter um mindestens sechs Jahre auf 10 Jahre zu senken und Ausnahmen auf ein absolutes Minimum zu beschränken. Im Übrigen meine ich, Familiennachzug kann nur akzeptiert werden, wenn im Hinblick auf die Sprachkenntnisse die Fähigkeit sowie die Bereitschaft zur Integration besteht.
Ich sage es noch einmal: Ein Zuwanderungsgesetz darf nicht mehr, sondern es muss deutlich weniger Zuwanderung bringen. Wir brauchen ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz. Die Betonung liegt dabei auf „Begrenzung“ und nicht auf „Zuwanderung“.
Demgegenüber würde die vorgesehene Gleichstellung nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung mit politischer Verfolgung im Hinblick auf die Rechtsfolgen neue Zuwanderungsanreize schaffen, da künftig auch diesem Personenkreis nicht nur wie bisher eine Duldung – also Abschiebungsschutz – zuerkannt werden soll, sondern eine Aufenthaltserlaubnis und bereits nach einer kurzen Übergangszeit ein Recht auf dauernden Aufenthalt, und in Verbindung damit auch der Zugang zum Arbeitsmarkt und Familiennachzug mit einer Fülle von erweiterten Möglichkeiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, niemand will Frauen, die drangsaliert werden, hinauswerfen. Diese Frauen haben bisher eine Duldung; das soll so bleiben. Aber es ist falsch, den Rechtsstatus dieser Menschen mit allen Rechtsfolgen, die ich genannt habe, zu verfestigen und zu verbessern. Das wollen wir ausdrücklich nicht.
Im Übrigen soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung die so genannte Duldung künftig entfallen. An ihre Stelle wird in den meisten Fällen eine zunächst befristete Aufenthaltserlaubnis treten. Das bedeutet wiederum Aufenthaltsverfestigung für die betroffenen Ausländer und einen weiteren Anreiz für Zuwanderung. Die Gewichte verschieben sich ganz offensichtlich: Nicht
Begrenzung ist gewollt mit diesem Entwurf, sondern Erleichterung der Zuwanderung, ohne Rücksicht auf die deutschen Interessen. Das ist ein verfehltes Signal, das in den Herkunftsstaaten nur so verstanden werden kann, dass ein Daueraufenthalt in Deutschland künftig leichter – um nicht zu sagen: noch leichter – als bisher zu erreichen ist. Damit sind neue Anreize für weitere Zuwanderung verbunden. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass dies zumindest von Teilen der SPD – Herr Schindler, Sie dürfen sich angesprochen fühlen –
und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so gewollt ist. Im Zusammenhang mit bekannten Absichten im Staatsangehörigkeitsrecht ergibt sich daraus das Bestreben, das deutsche Staatsvolk in seiner Identität nachhaltig zu verändern, und zwar ohne Rücksicht auf den Willen dieses Volkes.
Tun Sie doch nicht so, als würde ich über etwas reden, was nicht Realität ist. Wir haben 9% Ausländer im Land, und Sie tun so, als gäbe es kein Problem. Offenbar sind Sie problemblind.
Sie sind problemblind auf diesem Sektor. Den Leuten draußen brauchen wir nicht viel zu sagen; sie müssen nur U-Bahn fahren wie ich zum Beispiel, dann wissen Sie Bescheid.
Arbeitsmigration in undifferenzierter Form, gesteuert nach einem Punktesystem, das kein konkretes Arbeitsplatzangebot erfordert, lehnen wir schon mit Rücksicht auf den derzeitigen Arbeitsmarkt und auf die bevorstehende Osterweiterung der EU strikt ab.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sehe das Zeichen. So muss ich leider schließen. Den Rest meiner vorgesehenen Ausführungen gebe ich schriftlich zu Protokoll:
Es ist mir eine große Freude und eine große Genugtuung, dass das, was ich sage, Ihnen nicht gefällt, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition.
Ich wüsste, dass ich falsch liege, wenn ich von Ihnen Beifall bekäme. Ich bitte trotzdem um Zustimmung.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Welnhofer hat mich mit dem, was der gesagt hat, ganz schön in Rage gebracht. Es ist eine blamable Art und Weise, wie in diesem Haus von Ihrer Seite Migrations- und Integrationspolitik diskutiert wird.
In stereotypen Wiederholungen und mit seltsamen Pseudoargumentationen dokumentiert die CSU in meinen Augen nicht mehr und nicht weniger, als dass sie sich in Fragen der Zuwanderungs- und der Integrationspolitik außerhalb jeglicher ernst zu nehmenden Diskussionszusammenhänge stellt.
Selbst innerhalb des christlich-konservativen Parteibündnisses stehen Sie mit solchen Äußerungen am rechten Rand, Herr Welnhofer.
Man könnte über solche Äußerungen zur Tagesordnung übergehen – jeder blamiert sich so gut er kann –, und viele Berichterstatterinnen, Berichterstatter und Interessensverbände, die zu dem Thema argumentieren, tun das auch, wenn die CSU in der Begründung zu dem Dringlichkeitsantrag nicht noch eine weitere Unverfrorenheit gebracht hätte. Sie hat nämlich die tragischen und uns alle in den letzten Tagen und Wochen überaus nahe gehenden terroristischen Anschläge vom 11. September 2001 missbraucht, um die hier geäußerten dumpfen Vorbehalte gegen jegliche, die Realität anerkennende Zuwanderungspolitik aufzukochen.
Leute wie Sie, Herr Welnhofer, erweisen sich gerade in diesen Monaten und Tagen, die geprägt sein sollten von einem würdevollen und sich gegenseitig respektierenden Umgang mit unterschiedlichen religiösen und kulturellen Identitäten, als unfähig, über ihre an die Wand gemalte Gefahr der multikulturellen Entwicklung hinauszudenken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem sie erstens die gesellschaftliche Realität anerkennt, indem das immer wieder aufgestellte Dogma, die Bundesrepublik sei kein Einwanderungsland, klar widerlegt wurde. Damit
haben wir die Hoffnung, dass in Zukunft hoffentlich nachhaltig und konkret verhindert wird, die mit dieser falschen Behauptung rechtlich untermauerten, inhumanen Ausweisungsbescheide und Abschiebungen weiter praktizieren zu können.
Der Bundesrepublik ist es zum Zweiten gelungen, die Weichen in die richtige Richtung zu stellen, um den Beitrag der Einwanderung zur Lösung der anstehenden demographischen, ökonomischen und sozialpolitischen Probleme zu leisten. Ich möchte deutlich machen, dass ich mich nicht in die Reihen derjenigen einreihe, die das naive Verständnis haben, als könnte man mit Einwanderung alle ökonomischen, demographischen und sozialpolitischen Probleme lösen. Aber es ist ein Beitrag dazu, und dieser Beitrag wird anerkannt.
Die Bundesregierung ist drittens nicht in den fatalen Fehler verfallen, eigene bundesdeutsche sozioökonomische Interessenslagen mit den humanitären Verpflichtungen zu vermengen, die sich die Bundesrepublik aufgrund ihrer Geschichte, ihres demokratischen und die Menschenwürde achtenden Selbstverständnisses auferlegt hat.
Sie schafft viertens ein Mehr an Rechtssicherheit. Dafür sind ihr nicht nur die hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer dankbar, sondern all diejenigen, die in Wirtschaft, Gesellschaft, Wissenschaft oder aus humanitären Gründen mit diesen Menschen arbeiten und mit ihrer Lage zu tun haben.
Und last but not least anerkennt fünftens der Regierungsentwurf, dass ein wechselseitiger Integrationsanspruch besteht; ein Anspruch auf Integrationsangebote, den die Einwanderung gegenüber der Aufnahmegesellschaft haben, aber auch ein Anspruch auf die Integrationsverpflichtung, den die Aufnahmegesellschaft gegenüber den Einwanderern hat.
Ich habe nicht so viel Zeit, um auf die Details des Gesetzentwurfs einzugehen. Ich möchte aber deutlich machen, dass ich nicht verstehe, wie Sie in Ihren Antrag in diesem Gesetzentwurf „ein Einfallstor für eine ungesteuerte Zuwanderung“ sehen können, „eine Überforderung der Integrationsbereitschaft der Bevölkerung“ oder „ein Entstehen von Parallelgesellschaften“ konstruieren können. Für uns ist nicht nachvollziehbar, wie Sie die zugegebenermaßen vorhandenen aktuellen Probleme auf dem Arbeitsmarkt miteinander vermischen und vermengen, indem sie die hohe Arbeitslosigkeit gegen den immer wieder von der Wirtschaft lautstark beklagten Mangel in einzelnen Bereichen ausspielen. Reden Sie denn nicht mit den Arbeitgeberverbänden? Reden Sie nicht mit den Gewerkschaften? – Bei allen unseren Anhörungen ist genau dieser Gesetzentwurf so gefordert worden.
Lassen Sie mich vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion den ehemaligen Arbeitgeberpräsidenten Hans