Es ist wunderbar, dass Herr Freller jetzt eingetroffen ist. Grüß Gott, Herr Freller, ich darf Sie recht herzlich im Hause begrüßen.
Hochinteressant ist es, dass wir beim Thema Ganztagsschulen von den CSU-Frauen Unterstützung bekommen. Sie sind der Meinung, dass ein Unterricht am Nachmittag nicht als Tabu bezeichnet werden darf. Unsere Kollegin Männle hat sogar die Befürchtung, dass das Angebot, das Frau Hohlmeier propagiert, zur reinen
Der Gipfel aber ist, dass diese Ministerin auch noch durch die Lande zieht und – so war es ebenfalls zu lesen – Ganztagsschulen schlechtredet und wo es nur geht Seitenhiebe auf Ganztagsschulen verteilt. Damit, meine ich, werden Bekenntnisse, Bildung und Ausbildung hätten höchste Priorität, völlig zur Farce.
Kolleginnen und Kollegen, unser Antragspaket zur Ganztagsschule „Trendwende in der Bildungspolitik – Ganztagsschulen einführen“ wurde von Seiten der CSU pauschal abgelehnt. Wir haben diese Anträge gestellt, weil wir in Ganztagsschulen die Möglichkeit sehen, unserem Ziel der Chancengerechtigkeit schneller und besser näher zu kommen. Wir wollen für jedes Kind, für jeden Jugendlichen, ob lernschwach oder lernstark, die jeweils bestmögliche Förderung im Schulsystem und durch das Schulsystem. Wir sind der Meinung, dass sich Schule heute den Herausforderungen der modernen Welt, bedingt durch den tiefgreifenden gesellschaftlichen und den rasanten ökonomischen Wandel, stellen muss; dass ich Schule neu definieren muss, um den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden, um dem Wunsch der Eltern nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser nachzukommen und um einen wirksamen Beitrag zu leisten, die Wettbewerbschancen für den Wirtschaftsstandort Deutschland zu erhöhen.
Wir sind der Meinung, Ganztagsschulen gehen auf diese neuen Konstellationen ein und stellen mit ihrem erweiterten Zeitbudget und Bildungsauftrag eine zukunftsfähige Lösung dar. Eindeutig geht aus unseren Anträgen hervor, dass wir Bayern nicht à la R 6 mit Ganztagsschulen überziehen wollen, sondern eine schrittweise bedarfsdeckende Einrichtung von staatlichen Ganztagsschulen für alle Schularten fordern.
Wir sind davon überzeugt, dass Ganztagsschulen, ob in gebundener oder in offener Form, mit ihrem pädagogischen Konzept sowohl sich verändernde Unterrichtsprinzipien als auch neue erzieherische Aufgaben besser umsetzen können.
Ganztagsschulen dienen außerdem dazu, ausländischen Kindern und Jugendlichen mehr Zeit für die Vermittlung der deutschen Sprache zu ermöglichen und damit ihre Integration in die Gesellschaft zu fördern. Gerade gestern wurde von der CSU ständig betont, dass Kinder, welche die deutsche Sprache nicht so gut beherrschen, gefördert werden sollen. Was aber machen Sie mit unserem Antrag? – Sie lehnen ihn ab. Es ist schon erstaunlich, wie hier verfahren wird.
Innerhalb des pädagogischen Konzeptes für Ganztagsschulen sollte für die außerunterrichtlichen Angebote mit unterschiedlichen Partnern vor Ort operiert und ein länderübergreifendes Koordinationsgremium installiert werden. Mit dieser Einstellung wäre Bayern zumindest in diesem Fall wirklich Spitze. Selbstverständlich muss auch die Lehreraus- und -fortbildung den erweiterten Ansprüchen der Ganztagsschule Rechnung tragen.
Kolleginnen und Kollegen der CSU, die Ablehnung all unserer Anträge offenbart Ihren Rückzug aus der bildungspolitischen Verantwortung. Es zeigt sich, dass Bayern weit ab von einer modernen Schulwelt liegt. Beispielhaft dafür ist der in Bayern ausgetragene und in ganz Deutschland einmalige Streit Ganztagsschule kontra Betreuungslösung. Während andere Bundesländer für die Ganztagsschule werben und deren Einrichtung offensiv angehen, lässt es Bayern zu einer überaus peinlichen Auseinandersetzung um die Finanzen kommen. Dieser Disput veranlasste sogar den Vorsitzenden des Bundesverbandes der Ganztagsschulen, sich einzumischen und die Debatte vehement zu kritisieren. Er machte darauf aufmerksam, dass beim Streit Ganztagsschule in gebundener Form – also verpflichtend – kontra Betreuungslösung die Ganztagsschule in offener Form völlig außen vor gelassen wird. Die offene Ganztagsschule ist sowohl inhaltlich als auch personell gleich konzipiert wie die gebundene Form. Der Unterschied ist rein organisatorischer Art, indem der Pflichtunterricht ausschließlich am Vormittag stattfindet und die außerunterrichtlichen pädagogischen Angebote am Nachmittag freiwillig besucht werden können. Es ist eine pädagogische Katastrophe, die offene Ganztagsschule mit einer Betreuungslösung am Nachmittag gleichzusetzen. Mit dieser bewussten Vermengung seitens der Ministerin wird vertuscht, dass damit die Finanzierung in die Zuständigkeit der Kommunen und Eltern abgeschoben wird. Dabei macht das Kultusministerium im Lehrer-Info Nr. 6 vom November 2001 selbst darauf aufmerksam: „Ganztagsschulen sind präventive bildungspolitische Maßnahmen und fallen somit in den Aufgabenbereich des Staates.“
Kolleginnen und Kollegen, in diesem Zusammenhang wäre redlicher, klipp und klar zu bekennen, dass weder der bildungspolitische Wille zur Einrichtung von Ganztagsschulen noch die Bereitschaft zu deren Finanzierung vorhanden sind, als den Lehrerinnen und Lehrern, den Eltern, den Schülerinnen und Schülern die Betreuungslösung als Großtat zu verkaufen.
Ob es sich Bayern in Zukunft leisten kann, einen Gegentrend zu den übrigen Bundesländern zu entwickeln, der sich darin manifestiert, Starrheit und Stagnation als Qualität zu verkaufen, sich über eigene Schulergebnisse wie eine Abiturientenquote von 20,4% – damit liegt Bayern bundesweit am Ende – und eine Schulabbrecherquote von 12,5% – damit ist Bayern bundesweit Spitze – einfach hinwegzusetzen oder sich damit abzufinden, dass 10% der Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss die Schule verlassen – bei Berufsschulen sind es sogar 18% –, wird sich zeigen. Der Schock der Pisa-Studie kommt zur rechten Zeit, auch für Bayern. Alle Länder mit
Spitzenleistungen verfügen über das Angebot von Ganztagsschulen und lassen die Kinder mindestens bis zur 9. Klasse gemeinsam die Schule besuchen. Andere Länder fördern die Kinder, wir lesen aus. An Bayerns Schulen herrscht nicht Teamgeist, sondern Konkurrenzkampf und Auslesedruck.
Dies gilt es zu überdenken und endlich zu der Überzeugung zu kommen, dass Ganztagsschulen weder Teufelszeug der SPD noch der Untergang der Familien sind, sondern im Gegenteil: Ganztagsschulen sind familienfreundlich sowie eine bildungs-, gesellschafts- und arbeitsmarktpolitische Notwendigkeit.
Ich schließe mit einem Zitat des Bundesvorsitzenden des Ganztagsschulverbandes, der in Bezug auf unsere bayerische Debatte abschließend bemerkte:
Der Streit um die Zahl und Finanzierbarkeit der Ganztagsschulen sollte der jungen Generation wegen wieder auf die Kinder- und Jugendinteressen zurückgeführt werden. Aus Sicht der Erfahrenen im Ganztagsschulsektor ist zu vermerken, dass ideologische wie finanzstrategische Auseinandersetzungen jegliche Schulentwicklung behindern. Nicht weil die Dinge schwierig sind, wagen wir sie nicht, sondern weil wir sie nicht wagen, sind sie schwierig.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen der CSU, ich fordere Sie in diesem Sinne auf: Lassen Sie nicht den Kleingeist walten, sondern bekennen Sie sich zu der bestmöglichen Schulgestaltung für unsere Kinder und Jugendlichen!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Goertz hat wieder versucht, mit einem Rundumschlag Dinge in die Welt zu setzen, die sie nicht belegen kann und die aus keiner Studie hervorgehen. Herr Baumert erklärt zur Tims-Studie – das habe ich gestern schon deutlich gesagt –, das Entscheidende bei der Qualität von Bildung sei nicht die Struktur, also ob Ganztagsoder Halbtagsschule, ob gegliedertes oder weniger gegliedertes System, sondern die Qualität des Unterrichtes, Frau Goertz. Daran werden wir arbeiten, und daran wird man unsere Anstrengungen messen.
Die Pisa-Studie hat deutlich gemacht, dass Bildung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und keine alleinige Veranstaltung des Staates. Für uns ist ganz entscheidend, dass sich alle politischen Kräfte dieser Aufgabe bewusst sind. Deshalb ist unser Konzept nicht, dem ganzen Land eine Ganztagsschule überzustülpen, sondern
Frau Kollegin Goertz, wir bezeichnen die Ganztagsschule nicht als Teufelszeug. Ich warne aber davor, sie als Allheilmittel zu preisen und zu glauben, dass alles besser wird, sobald die Ganztagsschule eingeführt ist.
In dieser Debatte herrscht eine große Begriffsverwirrung; das wird bei einem Blick auf die anderen Länder in Deutschland klar. Was viele Bundesländer als Ganztagsschule verkaufen, entspricht nämlich genau dem, was wir unter dem Begriff der Ganztagsangebote – bitte hören Sie jetzt genau zu! – zur Förderung und Betreuung der Kinder anbieten wollen. Wir wollen keine simple Betreuung und kein Billigangebot, sondern wir wollen an allen Schulen, an denen Bedarf herrscht, ein qualitativ hochwertiges Angebot zur Förderung und zur Betreuung unserer Kinder und Jugendlichen erhalten. Viele Bundesländer arbeiten genau mit diesem Konzept, ob nun Hamburg, Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen:
Viele Länder haben unter dem Begriff der offenen Ganztagsschule eben jenes Angebot, das wir mit einer enormen Kraftanstrengung realisieren werden. Die Ganztagsangebote zur Förderung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen müssen eine hohe pädagogische Qualität haben. Das Konzept sieht die Betreuung von Hausaufgaben vor, Stütz- und Förderangebote für Kinder und Jugendliche und sportliche, musische und gestalterische Angebote. Für uns ist wichtig, dass sich die Eltern auf diese Angebote verlassen können. Der Unterschied zu der von Ihnen propagierten Ganztagsschule liegt darin, dass wir nicht verpflichtenden Unterricht am Vormittag und Nachmittag anbieten wollen, sondern dass wir Angebote für Kinder und Jugendliche am Nachmittag machen, die gute Angebote entweder brauchen oder möchten.
Herr Kollege Schneider, könnten Sie mir hier an dieser Stelle erklären, wo die SPD von der verpflichtenden Ganztagsschule gesprochen und geschrieben hat? Wenn Sie es nicht können, muss ich Sie als Lügner bezeichnen.
Hoch verehrte gnädige Frau, liebe Kollegin Radermacher! Die Ganztagsschule, die Sie in gebundener Form propagieren, heißt, dass sie für die Kinder, die an diesem Angebot teilnehmen wollen, verpflichtend ist.
Ich sage es noch mal ganz deutlich: Für Schüler, die an der gebundenen Ganztagsschule teilnehmen, ist die Teilnahme verpflichtend. Für alle Schüler, die an dieser Schule sind, ist die Ganztagsschule in dieser Form verpflichtend.
(Frau Radermacher (SPD): Für die Kinder, deren Eltern dies wünschen und sie anmelden, ist es verpflichtend. Er lügt einfach!)
Liebe Frau Kollegin, wenn eine Ganztagsschule den Unterricht am Vormittag und am Nachmittag anbietet, kann diese Schule nicht am Vormittag für alle da sein und am Nachmittag für die Hälfte. Das ist doch logisch. Für die, die in der Klasse sind, ist es verpflichtend.