Protokoll der Sitzung vom 12.12.2001

Vom Land; ich denke nur an Schulsozialarbeit und die Ganztagsbetreuung.

Als nächsten Punkt muss ich den Verkehr herausgreifen. Anstatt in Transrapid-Träumen von schneller, moderner, hightecher zu schweben, sollten Sie in den Pendleralltag mit Adjektiven wie unpünktlich, langsam und überfüllt herabsteigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen keine Hightech-Bahn für einige wenige, sondern eine robuste, alltagstaugliche Bahn für die Masse. Hinzu kommt, dass Sie die Flächenbahn in Bayern aufs Abstellgleis fahren lassen, weil Sie einfach nicht bereit sind, für regionale Verkehre Züge zu bestellen. Damit lassen Sie die Menschen in ihren Stimmkreisen auf den Gleisen stehen – unabgeholt von einem Zug. Von Oberfranken bis Schwaben – ich nenne nur die Staudenbahn, Fichtelgebirgsbahn, Fuchstalbahn, Waldbahn, Rottalbahn – setzen sich die Menschen für die Reaktivierung und Modernisierung ihrer Regionalbahnen ein.

Gehen wir zum Schulbereich. Von Tims bis Pisa wird aufgezeigt, dass das Schulsystem geradezu nach Reformen schreit. Es ist ein Skandal, dass Kindern aus bildungsferneren Elternhäusern die notwendige Förderung vorenthalten wird. Gerade Sie von der CSU predigen doch landauf landab, wie wichtig Wertevermittlung, Erziehung und umfassende Allgemeinbildung sei. Nur, wer das Pech hat, sich nicht die richtigen Eltern ausgesucht zu haben, muss in Bayern leider draußen bleiben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ach (CSU): So eine Unverschämtheit, das ist bodenlos! – Glück (CSU): Haben Sie Zahlen, wo es besser ist?)

Herr Glück, darauf komme ich gleich zurück. Sie sind zum passenden Moment gekommen. Ich komme auf Sie zurück, wenn Sie dran sind. Auch Sie müssen sich einreihen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Keine Bevorzugung des Fraktionsvorsitzenden der CSU.

(Glück (CSU): Sehr demokratisch!)

Es ist ein erster begrüßenswerter Schritt, dass mehr Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden, um die Unterrichtssituation zu verbessern und mehr Nachmittagsbetreuung angeboten werden kann. Das reicht aber nicht. Herr Glück – jetzt kommen Sie dran – sogar Sie sind mittlerweile zu der Erkenntnis gekommen, dass man nicht von vorne herein meinen dürfe, in Bayern sähe es besser aus als in anderen Bundesländern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Siehe da.

(Glück (CSU): Das habe ich etwas anders formuliert!)

Ich habe das in einer dpa-Meldung gelesen, Herr Glück, und habe das erstaunlich gefunden. Eine späte Erkenntnis ist aber besser als gar keine.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hält nicht lange vor!)

Die Ganztagsschule mit ihrem anderen pädagogischen Ansatz muss in das Schulangebot aufgenommen wer

den. Ich verstehe nicht, warum Sie die totale Verweigerungshaltung einnehmen. Lassen Sie doch die Kunden – Sie sind doch sonst so marktwirtschaftlich orientiert –, lassen Sie die Schüler und Eltern entscheiden, welches Angebot ihrem Bedarf entspricht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Oder stimmt es, was Ihnen der Vorsitzende des Städtetags Oberbürgermeister Deimer vorwirft, dass es Ihnen gar nicht um das bessere Angebot gehe sondern nur darum, dass die Kommunen die Zeche bezahlen. Das Tragische an dem Hickhack ist, dass letztendlich die Kinder die Leidtragenden Ihrer Verweigerungshaltung sein werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei der Schulsozialarbeit ist es um keinen Deut besser. Es gibt kein einziges Argument gegen die bedarfsgerechte Ausweitung der 33 Modellversuche. Der g’standne CSU-Landrat Dorfner aus Passau schrieb mir einen Brief wegen der weiteren Finanzierung. Ich meine, an mich muss er sich nicht wenden. Unsere Fraktion fordert seit Jahr und Tag den Ausbau der Schulsozialarbeit, was Sie regelmäßig wiederkehrend ablehnen. Es ist finanzpolitisch außerordentlich kurzsichtig und teuer, auf präventive Maßnahmen zu verzichten und später die Folgen etwa in Heimunterbringungen oder Arbeitslosigkeit zu zahlen. Tatsache ist: Die Schulsozialarbeit muss fester Bestandteil des Schulalltags werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch das Aktionsprogramm Innere Sicherheit krankt am fehlenden Konzept. Die drängenden Probleme der Polizei wie nicht besetzte Planstellen aufgrund von Erziehungsurlaub und Abordnung von Beamten zu Sondereinheiten, werden nicht gelöst. Von der in Aussicht gestellten Verbesserung der Planstellensituation, die erst in drei Jahren zum Tragen kommt, hat der Polizeibeamte, der heute unter der Last der Überstunden zusammenkracht, nichts. Uns ist gänzlich unverständlich, warum Sie unserem Antrag betreffend eine adäquate Bezahlung der Überstunden nicht zugestimmt haben.

Für den Justizvollzugsdienst stellen Sie zwar mehr Leute ein, haben aber gleichzeitig die Haftplätze ausgebaut, sodass das Verhältnis von Gefangenen zu Beamten heute schlechter ist als früher.

(Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das stimmt!)

Die Finanzierung des Sonderprogramms durch die Erhöhung der Wiederbesetzungssperre von sechs auf neun Monate, die Erhöhung der globalen Minderausgaben um 13,99 Millionen Euro, sowie die Einbeziehung des mit großem Pomp anfangs dieses Jahres ins Leben gerufenen Verbraucherschutzprogramms in die 15prozentige Haushaltssperre, ist weder zielführend noch sachgerecht. Sie haben mittlerweile – das ist immerhin erstaunlich – eingesehen, dass bei Staatsanwaltschaften und Gerichten die Wiederbesetzungssperre nicht auf neun Monate erhöht werden kann. Sie haben sie sogar auf

drei Monate gesenkt. Herr Finanzminister, ich frage Sie – das bitte ich Sie mir zu erklären – wie Sie den Ansatz von 7,67 Millionen Euro, den Sie für die Wiederbesetzungssperre in das Finanzierungspaket eingebracht haben, erreichen wollen. Wollen Sie die Finanzverwaltung noch mehr zur Ader lassen, obwohl diese ohnehin chronisch unterbesetzt ist? Der Finanzverwaltung hilft es nicht, wenn Sie die Beamten, die die Geldwäsche bekämpfen sollen – mickrige 16 Personen –, sukzessive auf 50 Personen aufstocken.

Nach dem Ärger, den Ihnen die Erhöhung der Haushaltssperre von 12 auf 15% zur Finanzierung des BSE-Sonderprogramms bereitet hat – Sie erinnern sich, dass ich Ihnen vorgerechnet habe, welche Beträge die einzelnen Vereine, Verbände und Kommunen abdrücken mussten –, haben Sie es dieses Mal schlauer angefasst. Herr Kollege Ach, Sie haben vorhin gesagt, die Jugendverbände bekämen jetzt mehr Geld. Das ist ein besonderer Schachzug der CSU. Im letzten Nachtragshaushalt haben Sie den Ansatz für die Jugendverbände um 1,2 Millionen DM gekürzt.

(Ach (CSU): Das stimmt doch nicht!)

Jetzt geben Sie ihnen von den 1,2 Millionen DM 800000 DM zurück und erwarten Dankbarkeit.

(Ach (CSU): Lesen Sie den Haushalt nach! Seit wann recherchieren Sie so oberflächlich?)

Das ist nicht oberflächlich. Es ärgert Sie, dass dies Tatsache ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nachdem Sie die Erfahrung machen mussten, erhöhen Sie die globale Minderausgabe. Das ist letztendlich nichts anderes als eine zusätzliche Haushaltssperre. Jetzt wird nicht jeder gleichmäßig zur Ader gelassen, sondern die Ministerien entscheiden, wer was weggekürzt bekommt. Eines ist klar: Wenn bei einem Verband nicht gekürzt wird, muss der andere zusätzlich bluten. Der Vorteil für die Regierung ist Folgender: Fragt die Opposition nach einer Kürzung, werden Sie im Brustton der Überzeugung sagen: Nein, hier nicht, das wird aus der Wirtschaftlichkeitsreserve genommen. Mittlerweile besteht der halbe Haushalt aus dieser Reserve. Die veranschlagten Ansätze sind Makulatur. Die Ministerien können das Geld nach Gusto hin- und herschieben – wie es der Wahlkampf gerade verlangt.

Nun noch zur stoiberischen Kreislaufwirtschaft – 600 Millionen DM Sonderprogramm zur Bekämpfung von BSE. Ganz abgesehen davon, dass der Ansatz von 600 Millionen DM für zwei Jahre vorgesehen war, werden damit Versäumnisse der Vergangenheit gutgemacht; Stichpunkt: Futtermittelkontrolleure, Tierärzte. Zum anderen ziehen Sie 19,3 Millionen Euro, die für die Wende in der Landwirtschaft gebraucht werden – Stichwort: artgerechte Tierhaltung – wieder ein. Sie haben das Ministerium als Wasserkopf behalten, und die Programme für die Umgestaltung schneiden Sie zurück.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ach (CSU): Künast!)

Letzter Punkt ist die Integration von Ausländerinnen und Ausländern. Die Meinung der CSU könnte in etwa so zusammengefasst werden: Integration ja, aber kosten darf es nichts. Es ist nett, dass Herr Söder aufgrund der Pisa-Studie sagt, wir bräuchten mehr Sprachförderung für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache.

Aber dann muss er auch bereit sein, die hierfür notwendigen Gelder zur Verfügung zu stellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eines ist aber auch klar: Auch Kinder deutscher Muttersprache, die sprachliche Defizite aufweisen, brauchen mehr Sprachförderung.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Tatsache ist, dass viele Kommunen schon weiter als das Kultusministerium sind und aus eigenen Mitteln Sprachkurse und Hausaufgabenbetreuung eingerichtet haben. Ich nenne beispielhaft Erlangen, München, Lindau und Landshut. Es wäre ein guter Ansatz gewesen, im Nachtragshaushalt die Mittel für diese Aufgabe bereitzustellen. Sie von der CSU haben das leider verweigert, aber vielleicht beschleunigt Pisa den Entscheidungsprozess.

Kolleginnen und Kollegen, die Chancen, die sich mit den Erlösen aus dem Verkauf der E.ON-Aktien in Höhe von 459 Millionen Euro geboten haben, wurden nicht genutzt. Notwendige Reformen gerade im Schulbereich werden nicht zielgerichtet und energisch genug angegangen. Ökologische Maßnahmen kommen kaum mehr vor, Verkehrspolitik beschränkt sich im Wesentlichen auf Straßen- und Flugzeugbau, Integration von Ausländern wird zwar gewünscht, aber kosten darf sie nichts. Die Kommunen werden mit Brosamen abgespeist. Wenn wir sehen, was möglich gewesen wäre und was Sie von der CSU daraus gemacht haben, dann können wir uns nur mit Schaudern abwenden und Ihnen für diesen Nachtragshaushalt die Rote Karte zeigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Das Wort zu einer zusammenfassenden Stellungnahme hat nun der Herr Staatsminister der Finanzen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Nachtragshaushalt steht ganz im Zeichen eines Paradigmenwechsels in der Finanzpolitik. Die vorletzte Steuerschätzung war im Mai, die letzte im November. Allein in dieser Zeit sind die Schätzungen über das Steueraufkommen im Freistaat Bayern um einen Betrag zurückgegangen, den Herr Kollege Ach schon genannt hat, nämlich um 639 Millionen

DM. Das ist deutlich mehr als eine halbe Milliarde DM innerhalb eines halben Jahres.

Es kommt hinzu, dass wir zudem 311 Millionen DM zusätzlich in den Länderfinanzausgleich einzahlen. Somit haben wir 950 Millionen DM weniger aufgrund einer finanziellen und steuerlichen Entwicklung, die konjunkturbedingt ist und die die Bundesregierung zu verantworten hat. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der CSU)

Ich möchte den Länderfinanzausgleich noch einmal im Zusammenhang darstellen. Für 2000 mussten wir die Rekordsumme von 3,7 Milliarden DM in den Länderfinanzausgleich zahlen. Wir werden in diesem Jahr insgesamt etwa 4,2 Milliarden DM bezahlen, und das ist der reine Länderfinanzausgleich, wobei ich noch nicht den Umsatzsteuervorwegausgleich und die Summe in Höhe von fast einer Milliarde DM für den Fonds Deutsche Einheit hinzurechne. Das sind die Ausgleichsleistungen, die der wirtschaftsstarke und erfolgreiche Freistaat Bayern an andere Länder bezahlt.