Protokoll der Sitzung vom 12.12.2001

Ich möchte den Länderfinanzausgleich noch einmal im Zusammenhang darstellen. Für 2000 mussten wir die Rekordsumme von 3,7 Milliarden DM in den Länderfinanzausgleich zahlen. Wir werden in diesem Jahr insgesamt etwa 4,2 Milliarden DM bezahlen, und das ist der reine Länderfinanzausgleich, wobei ich noch nicht den Umsatzsteuervorwegausgleich und die Summe in Höhe von fast einer Milliarde DM für den Fonds Deutsche Einheit hinzurechne. Das sind die Ausgleichsleistungen, die der wirtschaftsstarke und erfolgreiche Freistaat Bayern an andere Länder bezahlt.

Wir brauchen uns angesichts dessen nicht vorwerfen zu lassen, wir seien nicht solidarisch. Wir, die bayerischen Bürger, arbeiten sehr wohl für andere Länder, nicht zuletzt auch für die neuen Länder.

(Beifall bei der CSU)

Erlauben Sie mir im Übrigen, dass ich in dieser Rede nur von DM-Beträgen spreche. Das geschieht aus nostalgischen Gründen. Das ist die letzte Gelegenheit, in einer Haushaltsrede nur DM-Beträge zu nennen. In allen anderen Reden müssen wir von Euro-Beträgen reden. Ich glaube auch, dass dadurch das Verständnis gestärkt wird.

Wir sind in diesem Nachtragshaushalt wie geplant bei einer Nettoneuverschuldung von 914 Millionen DM. Damit beträgt die Nettoneuverschuldung erstmals unter einer Milliarde DM. Dies ist ohne Zweifel, Frau Kollegin Kellner, nur dadurch möglich, dass wir an die Rücklagen herangehen. Gestatten Sie mir dazu einige Bemerkungen.

Erstens. Üblicherweise werden Finanzminister dafür kritisiert, dass die öffentliche Hand zu wenig Vorsorge für die Zukunft betreibt. Mir wird mittlerweile von der Opposition vorgeworfen, dass ich eine zu starke Vorsorge getroffen habe. Wir haben insgesamt in den Jahren 1998 bis 2000 die Haushaltsrücklage um 4,85 Milliarden DM auf 5,6 Milliarden DM erhöht, wohl wissend, dass eine Steuerreform kommt und um angesichts unserer eigenen Reformvorschläge glaubwürdig zu bleiben. Nur so geht das. Wir haben schon einen wesentlichen Teil von diesen Rücklagen im Jahr 2001 allein wegen der Steuerreform abbauen müssen. In den Jahren 2002 und 2003 wird sich das fortsetzen. Das haben wir vorausgeplant und vorausgesehen. Wir haben in besseren Jahren gespart, um die besonderen Herausforderungen, in diesem Fall die Steuerreform, bewältigen zu können. Dies haben auch alle anderen Länder gemacht, soweit sie dazu in der Lage waren.

Jetzt bin ich erstaunt, dass eine Unterscheidung zwischen – wie Sie sagen, Frau Kollegin Kellner – virtueller und nicht virtueller Vorsorgerücklage gemacht wird. Logisch ist schon Folgendes: Wenn ich eine Nettokreditermächtigung habe, die ich nicht in Anspruch nehme, dann kann diese nach Artikel 25 unserer Haushaltsordnung der Rücklage zugeführt werden. Wenn ich noch mehr an zusätzlichen Ist-Einnahmen über die eine Milliarde DM hinaus habe, ist dies tatsächlich eine Bareinnahme, die ich auch den Rücklagen bar zuführen kann. Insofern ist diese Unterscheidung richtig.

Aber, Frau Kollegin, in allen anderen Ländern bis auf Nordrhein-Westfalen, gibt es eine derart hohe Nettoneuverschuldung, dass es dort regelmäßig und zwingend nur das geben kann, was Sie virtuelle Rücklagen nennen.

Diese Art von Rücklage ist Praxis in der bayerischen Politik seit der Nachkriegszeit, und das ist in allen Ländern üblich und Gesetz. Wer dieses Gesetz ändern will – das sage ich auch mit Blick auf den Rechnungshof –, der soll es sagen. Dann machen wir ein anderes Haushaltsgesetz und führen andere Verfahrensweisen ein. Ich halte das, was wir machen, für hoch seriös. Wir sind das einzige Land, das aufgrund seiner guten Haushaltspolitik auch eine Bar-Rücklage bilden kann. Die anderen Länder sind weit davon entfernt. Gehen Sie mit diesem Gedanken noch einmal in sich.

Wir haben Rücklagen. Aufgrund der konjunkturellen Entwicklung, die wir nicht zu verantworten haben, sondern die Bundesregierung, müssen alle Länder massiv an die Rücklagen herangehen, soweit sie vorhanden sind, um einigermaßen über die Runden zu kommen.

Ich möchte ein Zweites sagen. Wir gehen in diesem Haushalt von einem Wachstum im Jahr 2002 von 0,7% aus. Alle Wirtschaftswissenschaftler halten 0,7% für die Marke, die wir ungefähr erreichen könnten. Ob wir sie tatsächlich erreichen, ist eine andere Frage. Es ist eher noch etwas mehr Pessimismus angebracht. Die Bundesregierung und Herr Eichel selbst haben 0,7% als eine mögliche Variante genannt, gleichzeitig aber einen Bundeshaushalt eingereicht, in dem von 1,25% ausgegangen wird. Was ist denn nun richtig? Gelten nun 0,7% oder 1,25% für den Bundeshaushalt? Offenbar will sich Eichel nur gesundrechnen. Meine Kollegen im Berliner Parlament sagen mit Recht, dass das ein gefälschter Haushalt sei.

(Beifall bei der CSU)

Ich füge hinzu: Der Haushalt, der Ihnen hier vorliegt, ist nicht gefälscht, sondern ist auf der realistischen Grundlage eines Zuwachses beim Bruttosozialprodukt von 0,7% aufgestellt. Der entscheidende Grund für die dramatische Situation der Konjunktur ist nicht der 11. September. Er hat nur eine zusätzliche Lähmung gebracht. Das Problem ist vielmehr hausgemacht. Sie können das jeden Tag in allen Wirtschaftszeitungen in verschiedenen Varianten nachlesen.

Zu der schlechten konjunkturellen Lage hat die Steuerpolitik der Bundesregierung wesentlich beigetragen.

Frau Kellner und Herr Strasser sagen, das Konzept von Herrn Faltlhauser sei völlig unzureichend und hätte noch mehr Schulden gebracht. Alle Experten erklären dagegen, wenn man uns gefolgt wäre, im ersten Schritt im Jahr 2001, in dem wir noch stehen, eine Entlastung von mehr als 30 Milliarden DM auf breiter Ebene beim Mittelstand und bei den Arbeitnehmern vorzunehmen, hätten wir heute keine derartige Wachstumskrise. Das ist das Problem. Jeder sieht das ein.

(Beifall bei der CSU)

Ich werde sonst in der „Süddeutschen Zeitung“ weiß Gott nicht gelobt, aber vor drei oder vier Tagen war dort zu lesen: Unser Steuerreformkonzept war das einzig vernünftige Konzept, das in der Steuerpolitik vorgelegt wurde. Herr Strasser sagt, das Konzept hätte die Kommunen um 7,4 Milliarden DM gebracht. Wenn man das Konzept aber genau liest, wird man feststellen, dass ausdrücklich darin steht, dass dieser Ausfall durch eine Erhöhung des Mehrwertsteueranteils der Kommunen auszugleichen ist. Das ist ein ausgewogenes Konzept gewesen. Herr Kollege Strasser, wenn Sie das schon zitieren, zitieren Sie es bitte ganz, sonst machen Sie eine nicht ganz erlaubte Turnübung.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, ich wiederhole, dass die Konzeption von Herrn Eichel in der Steuerpolitik völlig falsch war. In diesem Jahr ist die Steuersenkung zu gering, sie gilt nur für die Großen und benachteiligt den Mittelstand. Die Entlastung der Arbeitnehmer – Stichwort: Spitzensteuersatz 42% – findet erst im Jahr 2005 auf breiter Ebene statt.

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang wird über das Vorziehen debattiert. Ich habe immer – überall nachlesbar und auch an dieser Stelle in diesem Saal hörbar – gesagt, wir müssten die Stufe II von 2003 auf 2002 vorziehen, um eine Entlastung um 13 Milliarden DM bis 15 Milliarden DM zustande zu bringen. Dies hat die Bundesregierung aber versäumt. Jetzt kann man das gesetzestechnisch nicht mehr machen. Derzeit geht es um die zweite Stufe der Steuerreform. Es wurde immer wieder pauschal gefordert, beide Stufen, nämlich die Stufen von 2005 und 2003, auf 2002 vorzuziehen, denn das ergäbe ein Volumen von 15 Milliarden DM.

(Dr. Kaiser (SPD): Ihr habt doch 16 Jahre nichts gemacht!)

Der Ministerpräsident hat hierzu ausdrücklich erklärt, das Vorziehen beider Stufen ist aufgrund der miserablen konjunkturellen Entwicklung und der niedrigen Steuereinnahmen nicht zu schaffen. Ich betone, das ist eine realistische Einschätzung.

(Beifall bei der CSU)

50 Milliarden DM sind jetzt nicht mehr darstellbar.

Das Gegenteil ist in diesem Jahr passiert: In diesem Jahr wirkt sich die Ökosteuer mit 33,5 Milliarden DM aus. Am 01.01.2002 kommt zweierlei hinzu: Erstens kommen

noch einmal 7 Milliarden DM hinzu. Dann haben Sie mehr als 40 Milliarden DM aufgrund der Ökosteuer. Welche Wohltat für diese Gesellschaft. Ich sage, das lähmt Wirtschaft und Gesellschaft und zieht insbesondere den kleinen Leuten und den Kommunen Geld aus der Tasche. Zweitens kommen mehr als 3 Milliarden DM aufgrund der Erhöhung der Versicherungsteuer und der Tabaksteuer hinzu.

Wir haben dagegen ein Sicherheitskonzept vorgelegt, das wir aus dem Haushalt finanziert haben, obwohl dieser nur ein Volumen von 68 Milliarden DM hat. Der Bundesfinanzminister hat einen Haushalt von 500 Milliarden DM und war nicht in der Lage, nach dem 11. September einen Schwerpunkt bei der Sicherheit zu setzen. 3 Milliarden DM aus dem Haushalt herauszuschneiden, ist eine lächerliche Leistung. Das ist unglaublich.

(Beifall bei der CSU Die Steuerreform, die Herr Eichel vorgelegt hat, hat vor allem – wie überall beklagt wird – den Mittelstand getrof- fen. Heute Nacht ist der Vermittlungsausschuss nach mehreren Vorläufen in Unterarbeitsgruppen zusammen- getreten, um über das so genannte Unternehmensteuer- fortentwicklungsgesetz zu verhandeln. Ich darf sagen, eigentlich war das ein Unternehmensteuerreparaturge- setz. Der Vermittlungsausschuss ist nach Mitternacht zu einem Ergebnis gekommen, das unser Vertreter Erwin Huber mit erstritten hat. Erwin Huber ist wieder unter uns und einigermaßen wach, wie ich festgestellt habe. Wir haben für den Mittelstand 1,3 Milliarden DM – § 6b – und einen kleinen Betrag für die Kommunen herausgeholt. Ich glaube, diese Nachbesserung hat es gerechtfertigt, den Vermittlungsausschuss zu bemühen. Ich bedanke mich ausdrücklich bei Herrn Kollegen Huber, dass er bis in die Nacht hinein für uns gestritten hat. (Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, obwohl wir bei geringeren Steuereinnahmen durch indirekte Steuern – Ökosteuer – massiv zur Kasse gebeten werden, hat die Bundesregierung etwas vorzuweisen, was in dieser dramatischen Form kein anderes Land vorzuweisen hat, nämlich eine Nettoneuverschuldung im nächsten Jahr von 2,7%. Sie erinnern sich an die Debatte über die so genannten Stabilitätskriterien vor Einführung des Euro. Eigentlich sind wir verpflichtet, höchstens 1,5% aufzuweisen und den Prozentsatz weiter zu reduzieren. Herr Eichel ist derzeit schon bei 2,7%. Wie will er in dieser Lage handeln, um konjunkturpolitisch gegenzusteuern? Er hat sich in eine Sackgasse begeben. Er hat die Leute mit zusätzlichen Steuern belastet und eine Steuerreform vorgelegt, die erst spät wirkt und keine konjunkturelle Wirkung entfalten kann. Gleichwohl hat er sich in eine Schuldenfalle manövriert, indem er 2,7% an Verschuldung hinnimmt. Das hat Herr Eichel zu verantworten. Ich meine, das ist nicht der richtige Weg.

Der richtige Weg ist der, den Bayern mit einer Pro-KopfVerschuldung von 2891 DM geht. Zum Merken: 2891 DM. Das ist deshalb eine so gute Zahl, weil der Länderdurchschnitt bei 7931 DM liegt. Das ist das Ergebnis einer langfristigen, soliden Haushaltspolitik. Deshalb

braucht sich die Bayerische Staatsregierung von niemandem der Opposition vorwerfen zu lassen, sie betreibe keine seriöse Finanzpolitik. Die Zahlen beweisen, dass wir dauerhaft eine solide Finanzpolitik betrieben haben und dies auch mit dem vorliegenden Nachtragshaushalt tun.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, dabei haben wir Schwerpunkte gesetzt, die meiner Ansicht nach außergewöhnlich bemerkenswert sind, und zwar gerade im Vergleich mit den anderen Ländern, die massiv kürzen und aufgrund ihrer klammen Haushaltslage bewegungslos verharren. Wir haben die Schulen gestärkt. Wir haben ein Kinderbetreuungskonzept vorgelegt, und wir haben ein Sonderprogramm für die innere Sicherheit im Nachtragshaushalt vorgesehen. Sehen Sie sich allein die Zahl der zusätzlichen Lehrerstellen an, die in den nächsten drei Jahren geschaffen werden.

(Frau Biedefeld (SPD): Wieso haben Sie die vorher abgebaut?)

Wir haben keine Lehrerstellen abgebaut, wie Sie wissen, Frau Kollegin. Machen Sie keine falschen Zwischenrufe. Wir schaffen zusätzliche Lehrerstellen und besetzen alle frei werdenden Planstellen sofort. In den nächsten drei Jahren kommen noch einmal 4100 neue Lehrer hinzu. Das ist in Deutschland einmalig.

(Beifall bei der CSU)

Außerdem haben wir ein verbessertes Kinderbetreuungskonzept vorgelegt, in dessen Rahmen wir für insgesamt 30000 Kinder zusätzliche Betreuungsmöglichkeiten anbieten. Nicht vergessen werden dürfen die 890 neuen Stellen, die bis zum Jahr 2005 auf dem Gebiet der inneren Sicherheit geschaffen werden.

Der Freistaat Bayern kann sich mit seinen Zahlen jeweils messen an der Summe der Beträge aller anderen Bundesländer. So ist die Realität. So sind unsere Akzente. Wir haben auf die Sicherheitsprobleme in einem Maße reagiert, wie es sich die Bundesregierung nicht einmal vorstellen kann, weil sie die Schwerpunktbildung nicht ernst nimmt.

Wir haben noch etwas Zusätzliches getan: Für das Frankenstadion gibt es maximal 55 Millionen DM.

Da kommen jetzt manche Briefe von Gemeinden, die fragen: Warum nicht wir? Ich kann nur sagen: Die bewerben sich nicht um die für dieses Land so wichtige Fußballweltmeisterschaft. Ich glaube, eine derartige Herausforderung für eine Stadt, die die Bedingungen für eine Bewerbung erfüllen muss, ist nur mit der Hilfe des Freistaates zu meistern. Ich glaube, wir waren uns damals auch über das Vorhaben in Unterhaching über Parteigrenzen hinweg einig. Hier könnten wir es auch sein, auch in der Frage über die Beiträge für die Maxhütte, damit der Betrieb dort weitergehen kann.

Lassen Sie mich noch etwas zu den Kommunen sagen, weil mir das besonders wichtig ist: Die Kommunen werden in diesem Land sehr gut behandelt.

(Lachen der Frau Abgeordneten Biedefeld (SPD))

Bevor Sie sich dort unten in der ersten Reihe totlachen: Der Pressedienst des Landkreistages sagte am 28. November 2001 über den Finanzausgleich 2002: „Der Freistaat Bayern unterstützt seine Kommunen in haushaltspolitisch schwieriger Zeit.“ Die Präsidenten haben sich in den regionalen Zeitungen für den Nachtragshaushalt bedankt.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben den Kommunen in einem Nachtragshaushalt zusätzlich über 400 Millionen DM zugestanden. Wir haben die Grenzen der dauerhaften Finanzierungsverpflichtungen zugunsten der Kommunen verschoben. Beim Asylbewerberleistungsgesetz haben wir gesagt: Ab 1. Juli 2002 übernehmen wir alle Kosten. Das kostet uns 71 Millionen DM. Dies gilt ab dem 1. Januar 2003 in vollem Umfang, sodass wir ab diesem Zeitpunkt 140 Millionen DM zusätzlich bezahlen müssen. Wir entlasten damit die Kommunen dauerhaft. Das hat es in diesem Umfang in der Nachkriegszeit noch nicht gegeben.

(Beifall bei der CSU)

Die Hochbauförderung haben wir um 21,8% auf 518 Millionen DM angehoben.

Bei den Kommunen stellt sich die Frage nach der Gewerbesteuer. Die Gewerbesteuer ist eine Großbetriebsteuer. Das habe ich heute schon gesagt, das ist ein grundsätzliches Problem. Die Verantwortlichen für das Jammern der Kommunen heißen Schröder und Eichel.

(Beifall bei der CSU – Frau Biedefeld (SDP): Stoiber und Faltlhauser!)

Der Name des Wirtschaftsministers fällt mir gerade nicht ein. Mit dem Rückgang der Konjunktur sinkt auch die konjunkturabhängige Gewerbeertragsteuer. Zur ohnehin vorhandenen konjunkturellen Belastung für die Kommunen kommen noch die Probleme mit der Gewerbesteuerumlage. Die Kommunen werden betrogen. Wir haben zunächst gesagt: Finanzielle Entlastung der Kommunen, damit die Kommunen dadurch mehr Geld erhalten. Dann kann auch die Gewerbesteuerumlage angehoben werden.