Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

desregierung hat den Mittelstand mit erheblichen Belastungen versehen, die zu höheren Kosten und höheren Preisen führen, sich insgesamt auf das Investitionsklima lähmend auswirken und damit die Wirtschaft gebremst haben.

Aus diesem Grunde haben wir uns dazu entschlossen, deutlich zu machen, wo mit Maßnahmen angesetzt werden muss. Ich sage vorweg: Die wenigsten der zehn Forderungen, die ich Ihnen jetzt nennen werde, sind finanzwirksam. Sie müssen sich nur in einer Reihe von Punkten stärker vom DGB emanzipieren; dann würde die Verriegelung des Arbeitsmarkts vielfach aufgehoben.

Erstens, Steuerentlastung. Wir wissen, dass das Steuerentlastungsgesetz 1999 und 2000/2002 negative Auswirkungen auf die mittelständische Wirtschaft hatte. Selbst wenn jetzt einiges günstiger geregelt worden sein soll, wurde die Belastung von 30 Milliarden DM, die Lafontaine 1999 besonders dem Mittelstand auferlegt hat, bis heute durch die Entlastungen, die Sie vorgenommen haben, noch nicht abgetragen. Deshalb verlangen wir, dass die Situation trotz finanzpolitischer Schwierigkeiten neu justiert werden muss. Vor allem die Grenzsteuerbelastung für den Mittelstand muss deutlich gesenkt werden.

Zweitens, Verzicht auf weitere Erhöhungen der vom Grundsatz her falschen so genannten Ökosteuer. Meine Damen und Herren, in unseren Anträgen der letzten Jahre – zur CSU-Fraktion gehört auch der bayerische Ministerpräsident – haben wir nie mehr die Abschaffung der Ökosteuer gefordert. Das haben wir zwar am Anfang getan, aber in den letzten Jahren haben wir ständig, auch in unseren Anträgen gefordert, dass keine weitere Erhöhung stattfinden soll, weil auch wir wissen, dass eine Abschaffung nicht möglich ist. Da ein Riester ein Rentengesetz gemacht hat, das schon im ersten Jahr ein Defizit von 5 Milliarden e einfährt, wissen wir, dass wir nicht einfach auf das verzichten können, was von der Mineralölsteuer in die Rente geht.

Drittens, Durchführung struktureller Reformen in der Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung, damit die Sozialversicherungsbeiträge auf unter 40% gesenkt werden können. Diese Forderung ist in Ihrer Koalitionsvereinbarung explizit festgeschrieben.

Was dabei herausgekommen ist – wenn ich nur an die Krankenversicherung denke –, ist Dilettantismus pur. Was Sie jetzt betreiben, ist ein Verschiebebahnhof bis über die nächsten Wahlen hinaus. Ich will mich dazu nicht näher äußern. Das wird mein Kollege Kobler dann noch im Detail tun.

Viertens: Erschließung von Beschäftigungspotenzialen im niedrig entlohnten Bereich und Aktivierung von potenziellen Arbeitnehmern. Meine Damen und Herren, die Änderung des 630-DM-Gesetzes, jetzt 325-Euro-Gesetzes, war der größte Flopp, den Ihre Regierung verursacht hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Sie haben die Schwarzarbeit in einem Maße nach oben getrieben, wie es kein Mensch erwartet hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Das, was in den vergangenen Jahren am meisten gewachsen ist, war die Schwarzarbeit, und das kann nicht sinnvoll sein.

Deshalb sagen wir ganz klar und deutlich: Wir wollen dieses Gesetz wieder kassieren. Wir wollen eine Geringfügigkeitsgrenze bei 400 Euro festlegen und mit pauschalen Abgaben versehen, und zwar pauschale Abgaben, die sowohl für die Geringverdiener als auch für die im Nebenverdienst gelten. Denn gerade von denen, die voll zu Steuern und Sozialabgaben herangezogen worden sind, ist der größte Teil in die Schwarzarbeit abgewandert.

Im niedrig entlohnten Bereich zwischen 400 und 800 Euro wollen wir mit verringerten Sozialabgaben versuchen, den Menschen wieder Lust auf Arbeit zu machen, damit sie wieder in Arbeit gehen und nicht möglicherweise lieber in die Sozialhilfe, weil sie dort mehr Geld erwarten können.

Außerdem wollen wir die Einführung zeitlich befristeter Kombilöhne und Einstiegsgelder.

Fünftens: Verbesserung der Bedingungen zum Abschluss befristeter Beschäftigungsverhältnisse, vor allem bei älteren Mitarbeitern. Wir wissen, dass auch im Handwerk die Auftragslage heute nicht mehr über lange Zeit berechenbar ist. Sie ist kurzfristig angelegt. Aus diesem Grund müssen wir dem Handwerk auch die Chance geben, dass sie befristet einstellen können.

Das Gleiche gilt – sechstens – für die Flexibilisierung der so genannten Leiharbeit, die lange Zeit von Ihnen bekämpft wurde. Die Gewerkschaften wollten das so, weil sie auf diese Leute weniger Zugriff haben. Mittlerweile versuchen die Arbeitsämter, mit diesen Leiharbeitsunternehmen Gespräche zu führen, weil das diejenigen sind, die Zuwachs haben, weil sie flexibel auf die Bedürfnisse der Wirtschaft reagieren können. Hier wollen wir deutliche Erleichterungen.

Das kostet nichts, meine Damen und Herren, aber es bringt neue Arbeitsplätze, und das ist es, was wir wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Siebtens: Änderung der so genannten Scheinselbstständigkeitsregelung, die Existenzgründungen erschwert und damit neue Arbeitsplätze verhindert. Es ist ganz klar ablesbar, dass die Zahl der Existenzgründungen auch in einer Zeit, in der die Konjunktur noch gut gelaufen ist, deutlich zurückging, seit dieses Gesetz von Ihnen geschaffen wurde. Wir wissen auch, dass jeder Existenzgründer in den ersten Jahren drei bis vier zusätzliche Arbeitsplätze schafft. Das war also ein Arbeitsplatzverhinderungsgesetz.

Achtens: Rücknahme des gesetzlich geregelten generellen Teilzeitanspruchs. Er kostet nach Aussagen von

Sachverständigen rund 250000 Arbeitsplätze. Wir können es uns ja leisten – so denken wohl einige. Aber das geht zulasten der Frauen, es erschwert individuelle familienfreundliche Regelungen in den Betrieben. Bei der Anhörung zum Thema „Familienfreundliche Arbeitswelt“ wurde uns von Unternehmern deutlich gesagt: Das, was wir an individuellen Regelungen treffen, wird durch dieses Gesetz kaputt gemacht.

Wir haben durchaus auch von Bayern aus Vorschläge gemacht, wie man einen Teilzeitanspruch für Familien, für Alleinerziehende mit kleinen Kindern schaffen könnte. Aber dieser generelle Anspruch geht über das Maß hinaus, das die Wirtschaft tragen kann.

Neuntens: Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes. Meine Damen und Herren, das, was wir befürchtet haben, läuft jetzt in einigen Bereichen Bayerns, wo nämlich Kommandos eingesetzt werden, die in allen Handwerksbetrieben jemanden suchen, der einen Betriebsrat einrichtet. Wir wissen, dass das die Wirtschaft bis zu 3,8 Milliarden Euro kostet. Können wir uns das in einer schwierigen Situation leisten, frage ich? Wer so arbeitet, muss sich nicht wundern, dass die Arbeitslosenzahlen sich so entwickelt haben. Meine Damen und Herren, statt mehr Fremdbestimmung wollen wir mehr betriebliche Mitbestimmung zwischen den Mitarbeitern und dem Unternehmer. Ich glaube, dass wir damit der Situation heute besser gerecht werden.

Wir wollen schließlich – zehntens – eine Weiterentwicklung der Arbeitsmarktförderung hin zu einer aktiven, auf die Bedürfnisse der jeweiligen Region zugeschnittenen Beschäftigungsförderungspolitik, insbesondere Intensivierung der Vermittlungsmaßnahmen in den ersten Arbeitsmarkt und Verbesserung der Wiedereingliederung arbeitsfähiger Sozialhilfeempfänger.

Meine Damen und Herren, der verheerende Eindruck, den die Arbeitsverwaltung derzeit hinterlässt, ist bedauerlich. Aber das ist nicht nur ein Problem des Präsidenten dieser Arbeitsverwaltung, es ist auch ein Problem des Bundesministers für Arbeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Es hat sich nunmehr herausgestellt, dass die Missstände dem Ministerium seit 1998 bekannt waren.

(Starzmann (SPD): Vorher nicht?)

Nein, 1998. Das ist erst vor zwei Tagen groß in der Zeitung gestanden.

Komisch! Wann denn, im April oder im Herbst? – Im Sommer. (Frau Radermacher (SPD): Vor oder nach der Wahl?)

Vor der Wahl, richtig. Aber ich denke, die Regierung, die sich so sehr auf den Arbeitsmarkt verstanden hat, hätte dann handeln können.

Ich sage dazu eines: Mich wundert, dass, obwohl dies alles bekannt war, ein Job-Aqtiv-Gesetz gemacht wurde, das diese falschen Ansätze nicht behebt, sondern weiter fortschreibt,

(Starzmann (SPD): Das ist nicht richtig!)

einen zweiten Arbeitsmarkt ausbaut anstatt die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt in besonderer Weise fördert. Das ist ein Job-Aktionismus-Gesetz, aber kein JobAqtiv-Gesetz, meine Damen und Herren. Deshalb muss sich hier grundsätzlich etwas ändern.

Wir fordern auch die Staatsregierung auf, im Rahmen des bayerischen kommunalen Wirtschaftsrechts die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips konkret festzulegen. Darüber haben wir mit dem Innenministerium verhandelt. Der Vorschlag befindet sich gerade in der Anhörung, und es wird eine entsprechende Weisung hinausgehen. Wir fordern, dass die Privatisierungspotenziale bei den staatlichen und kommunalen Leistungen weiter ausgeschöpft werden. Außerdem soll dem Mittelstandsförderungsgesetz gerade in dieser Zeit, und das auch im Blick auf den nächsten Doppelhaushalt, in besonderer Weise Beachtung geschenkt werden.

Meine Damen und Herren, das sind unsere wesentlichen Vorstellungen. Ich sage, diese Vorstellungen kosten mit wenigen Ausnahmen kein Geld:

(Dr. Kaiser (SPD): Die kosten Geld, viel Geld!)

Nein, die kosten überhaupt nicht viel. Was kostet denn Geld?

(Hofmann (CSU): Mit wenigen Ausnahmen!)

Mit wenigen Ausnahmen. Die meisten dieser Punkte kosten kein Geld.

(Widerspruch des Abgeordneten Dr. Kaiser (SPD))

Ich habe es schon gesagt: Sie müssen sich vom DGB emanzipieren, dann können Sie das alles machen. Dann können Sie den Arbeitsmarkt wieder entfesseln,

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Hofmann (CSU): Sehr gut!)

dann können Sie den Unternehmern sagen, dass sie wieder Freiheit, dass sie Flexibilität haben, dass sie auf den Markt reagieren können, wie der Markt es eben erfordert.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund der Arbeitslosenzahlen, die heute dramatischer zu bewerten sind als noch vor einigen Monaten, sind Anstrengungen dringend notwendig. Wir werden in Bayern das Unsere dazu tun, aber wir brauchen auch im Bund eine Politik, die der Wirtschaft wieder stärkere Anreize zur Schaffung neuer Stellen gibt, die den Arbeitsmarkt entrümpelt, der immer mehr verbürokratisiert worden ist. Das behaupte nicht ich, das sagen alle Fachleute, mit denen Sie reden können. Vor allem muss erreicht werden, dass die Investitionstätigkeit der Unternehmen wieder verbessert wird.

Dazu bedarf es keiner Subvention, sondern vernünftiger Rahmenbedingungen.

Vor allem darf die Kaufkraft der Verbraucher nicht durch immer neue Steuern, durch immer neue Beitrags- und Gebührenbelastungen geschmälert werden. Auch das ist etwas – 5 Milliarden (Euro?) zusätzlich ab 1. Januar 2002 –, was nicht zur wirtschaftlichen Lage passt. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, dem Antrag der CSU zuzustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Kaul (CSU): Machen wir!)

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Stahl.

Herr Präsident, meine Herren und Damen! Eine aktive Arbeitsmarktpolitik braucht zwei Dinge, und zwar Erkenntnisfähigkeit und die Fähigkeit, arbeitsmarktpolitische Instrumente zu entwickeln.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)