Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

Jeder Abgeordnete kann das Erscheinen des Ministerpräsidenten sowie jedes Staatsministers und Staatssekretärs beantragen. Ein in der Vollversammlung gestellter Antrag muss von einer Fraktion... unterstützt sein.

Über den Antrag entscheidet dann die Mehrheit.

Ich frage, ob jemand zu dem Antrag sprechen will.

(Herrmann (CSU): Ich beantrage namentliche Abstimmung!)

Ich habe den Kollegen Maget sicher richtig verstanden, dass er den Ministerpräsidenten zitieren wollte. Er hat den Begriff „zitieren“ nicht verwendet. Aber seine Willensäußerung war eindeutig.

Es entscheidet das Hohe Haus. Selbstverständlich kann auch in namentlicher Abstimmung hierüber abgestimmt werden. – Ich werde gerade belehrt, dass das nach der Geschäftsordnung nicht geht. Nach § 136 werden Anträge zur Geschäftsordnung nur in anderer Form zur Abstimmung gebracht. Deswegen führen wir jetzt eine normale Abstimmung durch.

Ich bitte diejenigen um das Handzeichen, die dem Antrag des Kollegen Maget folgen wollen. Ich darf die Kollegen hier am Präsidium bitten mitzuzählen. – Das sind 38 Stimmen. Ich bitte, jetzt die Gegenstimmen anzuzeigen. – Letzteres ist die Mehrheit; es sind etwa 48 Stimmen.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt sind wir an dem Punkt, an dem wir schon einmal waren. Ich erteile das Wort Herrn Kollegen Dinglreiter.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gern zu der Debatte zurückkommen, die Herr Dr. Kaiser eingeleitet hat. Lieber Herr Dr. Kaiser, Sie wissen, dass ich Sie in der Zusammenarbeit sehr schätze. Aber heute bedauere ich Sie ein Stück weit. Was Sie an Zahlen und Fakten in massiver Weise vergewaltigt haben, nötigt mir schon einen gewissen Respekt ab.

Bei Prozentzahlen kann man rechnen, wie man will. Wenn ein Unternehmer mit einem Mitarbeiter einen weiteren einstellt, dann ist das eine Steigerung um 100%. Wenn einer zehn Mitarbeiter hat und einen weiteren einstellt, dann ist das eine Steigerung von nur 10%. Ich könnte Ihnen eine Reihe weiterer solcher Beispiele vorführen.

Wichtig ist aber dies: Bayern hat nach Baden-Württemberg nach wie die günstigste Arbeitslosenzahl in ganz Deutschland.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der SPD: Wir ste- hen hinter Baden-Württemberg!)

Ich sagte doch: nach Baden-Württemberg. Bitte zuhören.

Zweitens ist wichtig, dass in Nordrhein-Westfalen, obwohl dieses Land kein Grenzland zu den neuen Ländern oder zu Tschechien ist, die Streubreite der Arbeitslosenquoten wesentlich größer ist als in Bayern. Das sage ich zum Grundsätzlichen.

Ich fange jetzt mit dem Antrag der SPD an. Da heißt es im ersten Absatz der Begründung:

Ministerpräsident Stoiber und die Staatsregierung sind mit ihrer Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik... auf der ganzen Linie gescheitert. Ein „arbeitsmarktpolitisches Modell Bayern“ existiert nicht.

Da kann ich nur lachen. Andere Länder, auch SPD-regierte, würden sich die Finger bis zum Ellenbogen abschlecken, wenn sie Zahlen wie wir vorzuweisen hätten. Aber Sie tun so, als wären wir ein gescheitertes Land.

Deswegen sage ich: So falsch, wie diese Begründung ist, sind weite Teile des Antrags. Deswegen sagen ich Ihnen gleich, dass wir den Antrag ablehnen werden.

(Beifall bei der CSU)

Da ich nicht gerne gegen etwas rede, komme ich gleich auf unseren Antrag zu sprechen. Ich muss eine kurze Analyse voranstellen. Trotz einer demografisch bedingten Entlastung des Arbeitsmarktes von 600000 Personen in den vergangenen drei Jahren – das wird in den Diskussionen immer vergessen – ist die Zahl der Arbeitslosen in der Bundesrepublik Deutschland mittlerweile auf knapp 4,3 Millionen angewachsen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Das ist auch deshalb problematisch, weil zu diesen 4,3 Millionen Arbeitslosen noch 1,8 Millionen verdeckte Arbeitslose kommen, solche, die in Kurzarbeit sind, in AB-Maßnahmen – die sind in dieser Zeit erheblich ausgeweitet worden –, in Umschulung, in Fortbildung und in vorzeitigem Ruhestand. In Deutschland sind also über 6 Millionen Menschen ohne Arbeit. 14,6%. Das ist die Realität.

(Beifall bei der CSU)

Wenn wir die 600000 Personen, die aus demografischen Gründen weggefallen sind, berücksichtigen – bei einem Vergleich mit dem Jahr 1998 müssten Sie das hinzurechnen –, erhöht sich der Anteil von 14,6%, welche die 6 Millionen darstellen, um 1,2%. Meine Damen und Herren, das ist Ihre Bilanz.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wörner? –

Herr Kollege Dinglreiter, können Sie uns die Anzahl der ABM- und sonstigen Stellen nennen, die zum Ende Ihrer Regierungszeit geschaffen wurden und unmittelbar nach der Abwahl Ihrer Regierung nicht mehr existent waren?

(Kaul (CSU): Sie wollten doch halbieren!)

Herr Wörner, solche Zahlenspielereien würde ich gar nicht machen,

(Lachen bei der SPD)

wenn von Ihnen nicht ständig der unsaubere Vergleich mit dem Jahr 1998 gezogen würde. Deshalb muss man das darlegen.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Werner-Muggendor- fer (SPD))

Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, und zwar des Kollegen Spitzner? –

Herr Kollege Dinglreiter, hätten Sie die Güte, Herrn Kollegen Wörner ausführlich darzulegen, dass in der von ihm angesprochenen Zeit die Union permanent von der SPD dafür kritisiert wurde, zu wenig ABM-Stellen angeboten zu haben?

(Heiterkeit bei der CSU)

Diese Frage kann ich nur mit Ja beantworten. Damit ist auch die Frage von Herrn Wörner teilweise beantwortet.

(Wörner (SPD): Sie haben meine Frage nicht beantwortet!)

Ich möchte jetzt meine Darlegungen im Zusammenhang machen können, weil es immer schwierig ist, wenn man bei der Darstellung von Zahlen und Fakten unterbrochen wird.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Meine gerade gemachten Aussagen zeigen deutlich das Versagen der Bundesregierung und des Bundeskanzlers Helmut Schröder.

(Ach (CSU): Gerhard!)

Gerhard Schröder.

(Zuruf von der SPD: Gerhard Stoiber! – Heiterkeit)

Der Bundeskanzler hat nicht etwa gesagt, dass er die Zahl der Arbeitslosen auf 3,5 Millionen reduzieren will, sondern er hat zwischendurch, im Jahr 2000, gemeint, er

würde 3 Millionen schaffen. Euer damaliger Geschäftsführer Schreiner – damals hieß er noch nicht Generalsekretär –, der von Arbeitsmarktpolitik etwas versteht, hat vor der Wahl gesagt: Wir werden die Zahl halbieren. Ich habe diese Aussage heute noch auf Papier zu Hause und werde sie im Wahlkampf verbreiten. Das macht das Scheitern Ihrer Politik deutlich.

Wir haben durch eine zielgerichtete und effektive Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik, zum Beispiel durch effiziente Regionalförderung und milliardenschwere Zukunftsoffensiven, die auch ins Grenzland eine Menge Geld gebracht haben, sowie durch ein 100-Millionene-Sonderprogramm für Nord- und Ostbayern in Bayern eine Beschäftigungslage geschaffen, die für ganz Deutschland beispielhaft ist. Gäbe es unsere Arbeitslosenzahlen überall, hätten wir so manche finanzielle Probleme nicht. Das regionale Gefälle, das Sie anmahnen, haben wir deutlich zurückgeführt; daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Im Jahr 2001 lagen alle bayerischen Regierungsbezirke unter dem Bundesdurchschnitt – mit einer Ausnahme: Oberfranken lag um 0,1% darüber. Wenn Bayern aus dem Bundesdurchschnitt herausgerechnet würde und dann die Zahlen Oberfrankens mit dem Bundesdurchschnitt verglichen würden, sähe es sogar noch für Oberfranken günstig aus.

(Spitzner (CSU): Selbst in Nordrhein-Westfalen!)

Betrachten Sie einmal die Situation der Arbeitsamtsbezirke Niedersachsens, die zu den neuen Ländern hin ausgerichtet sind. Wir würden uns schämen, wenn unsere Zahlen so massiv schlecht wären. In Oberfranken beeinträchtigt uns nicht nur der Einfluss aus den neuen Ländern, sondern auch aus Tschechien ungeheuer stark. Wir haben nicht nur in der Vergangenheit viele Maßnahmen ergriffen, sondern auch zahlreiche Schritte unternommen, um die zu erwartenden Schwierigkeiten auszugleichen.

Die bayerischen Arbeitsmarktzahlen sind also im bundesdeutschen Vergleich günstig. Wir müssen aber erkennen, dass die miserable Entwicklung auf Bundesebene Bayern nicht unbeeinträchtigt lassen wird. Deshalb müssen wir den unternehmerischen Mittelstand, der nicht nur das Rückgrat der sozialen Marktwirtschaft, sondern auch der bayerischen Wirtschaft ist, einfach stärker fördern. Diese Bundesregierung hat bedauerlicherweise die kleinen und mittleren Unternehmen benachteiligt, die knapp 70% der Arbeitsplätze und mehr als 80% der Ausbildungsplätze stellen sowie 53% der gesamten Wertschöpfung und etwa 46% aller Investitionen tätigen.

Durch die Europäisierung und Globalisierung kommen auf die mittelständischen Unternehmer immer neue Herausforderungen zu. Es gibt immer weniger regionale Märkte, weil sich durch internationale Arbeitsteilung und die rasante Entwicklung, zum Beispiel des E-commerce, die Rahmenbedingungen für Produktion und Absatz verändern. Wir müssen etwas tun, damit sich Klein- und Mittelbetriebe diesen Herausforderungen effizienter stellen können. Wir müssen insbesondere in der Finanz-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik dafür geeignete Rahmenbedingungen setzen. Das ist jetzt in Berlin nicht der Fall. Die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der Bun

desregierung hat den Mittelstand mit erheblichen Belastungen versehen, die zu höheren Kosten und höheren Preisen führen, sich insgesamt auf das Investitionsklima lähmend auswirken und damit die Wirtschaft gebremst haben.