Protokoll der Sitzung vom 19.03.2002

Ich weiß aus Berichten von jungen Müttern in München, die einen Kindergartenplatz suchen, dass sie vorgeben müssen, in Scheidung zu leben, um eine Chance für einen Kindergartenplatz zu haben.

Gestern hat die SPD eine Pressekonferenz veranstaltet und gefordert, die Personalkostenförderung bei den Kindergärten auf eine neue Grundlage zu stellen, ein

Gesetz zur Förderung von Kindertageseinrichtungen und Tagespflege bis zum 01.01.2005 in Kraft treten zu lassen, und sie hat einen Rechtsanspruch auf Kindergartenplätze gefordert. Da kann ich nur sagen: Hallo, SPD, endlich aufgewacht.

(Widerspruch bei der SPD)

Sie haben anscheinend übersehen, dass die CSU-Landtagsfraktion bereits im letzten Jahr beschlossen hat, 600 Millionen DM für die Kinderbetreuung zusätzlich zu der einen Milliarde DM, die bereits jetzt ausgegeben wird, zur Verfügung zu stellen.

Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung zu den unsäglichen 1,4% Kinderkrippen. Sie haben das Pech, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den GRÜNEN, dass in dem Länderbericht des Bundesfamilienministeriums die Zahl steht, die – –

(Frau Renate Schmidt (SPD): Die Sie gemeldet haben!)

Nein, dort steht, dass Bayern an der Spitze der Betreuung liege.

(Frau Renate Schmidt (SPD): Ich habe mich erkundigt! Das stimmt nicht!)

Sie sollten die Unterlagen des Bundesministeriums lesen. Dies sollte auch die Familienministerin tun, denn Sie scheint nicht gut darüber informiert zu sein, was ihr Ministerium herausgibt.

(Frau Renate Schmidt (SPD): Wenn Blödheit weh täte, würden manche dauernd schreien!)

Heute beherrschen die Damen den Luftraum so sehr, dass nicht einmal mehr Abgeordneter Freiherr von Rotenhan Zwischenrufe macht.

(Heiterkeit bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat vorwiegend Frau Kollegin Dr. Fickler. Allerdings sind die fünf Minuten bald um.

Noch einige kurze Anmerkungen: Von den GRÜNEN wurde heute die Wahlfreiheit gefordert. Dazu ist zu sagen, dass die Bundesregierung gar nichts für die Wahlfreiheit getan hat. Das sieht man an der Rentenversicherung. Es wurden nur die berufstätigen Mütter gestärkt. Für die Mütter und Väter, die sich der Erziehung der Kinder widmen wollen, ist nichts getan worden.

Heute wurde die geringe Kinderzahl der Akademikerinnen beklagt. Werte Vertreterinnen der regierenden Parteien im Bund, Sie haben beschlossen, die steuerliche Anrechnung der Haushaltshilfe zu streichen. Auch das ist vielleicht ein Grund, warum die Akademikerinnen so wenige Kinder haben.

Ich bitte, unseren Dringlichkeitsantrag anzunehmen. Gleichzeitig beantrage ich namentliche Abstimmung darüber und die Ablehnung des Dringlichkeitsantrags der SPD.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Hirschmann.

Herr Präsident, Kollegen und Kolleginnen! Ich will versuchen – wie uns vom Kollegen Dinglreiter angeraten wurde – die Diskussion wieder auf die bayerische Ebene herunterzuholen. Ich möchte das Thema Kind und Beruf um die ehrenamtliche Tätigkeit ergänzen. Auch sie fordert besondere Maßnahmen heraus, zum Beispiel die Ganztagsbetreuung zu realisieren. Ich gehe davon aus, dass es zur Lebensaufgabe werden wird, die CSU zur Erkenntnis zu bringen – ich sage das in aller Deutlichkeit –, wie wichtig die ergänzenden familienbetreuenden Maßnahmen sind. Meine lange Tätigkeit in diesem Hohen Hause und die heutige Diskussion lassen mich das vermuten.

Wenn nur 27% der Frauen mit Kindern unter drei Jahren ihre Kinder nur zu 10% betreuen lassen können, dann ist irgendetwas nicht in Ordnung. Ich kann weder dem Kollegen Unterländer noch der Frau Staatsministerin Stewens zustimmen, die versucht haben, die Probleme auf die Landeshauptstadt München abzuwälzen. Würden Sie im Bayerischen Landtag Ihren Aufgaben nachkommen, hätte die Landeshauptstadt München schon aufgrund der finanziellen Entlastung mehr Möglichkeiten. Sie erfüllen Ihre Pflichten nicht, weil Sie dies nicht als ihre originäre Aufgabe ansehen.

Ich gehe 15 Jahre zurück und erinnere Sie, Herr Kollege Unterländer, an den Kampf in der Landeshauptstadt München, den auch Sie unterstützt haben, als es in Verhandlungen mit dem Land, dem Bund und der Landeshauptstadt München das so genannte Beller-Projekt zur Weiterqualifizierung des Personals der städtischen Säuglings- und Kleinkinderkrippen ging. Warum sage ich das? – Ich sage das, weil Sie in der gesamten Aktuellen Stunde nur auf die Bundesregierung verweisen, aber auf dem anderen Auge blind sind und Ihre landespolitischen Aufgaben nicht wahrnehmen.

(Beifall bei der SPD)

Weiterhin entnehme ich der Diskussion, dass es zum einen Frauen und Mütter gibt, die zu Hause bleiben. Dies wird von Ihnen immer wieder unterstützt, weil nach Meinung von vielen Ihrer Fraktion die Frau nach Hause gehört, weil dies bei der Erziehung wichtig sei. Diesen Teil trage ich mit. Es gibt zum anderen Frauen – von Rabenmüttern wurde bereits gesprochen –, die aufgrund ihrer Ausbildung und weil sie Spaß an ihrem Beruf haben – ich erinnere an die vielen Lehrerinnen –, Beruf und Familie miteinander vereinbaren wollen.

Sollten Sie sich mittlerweile auch zu dieser Sicht durchgerungen haben, müssten Sie die notwendigen Maßnahmen ergreifen und die Ganztagsbetreuung forcieren.

Darunter verstehe ich nicht nur, dass morgens die Schule und danach die Mittagsbetreuung stattfindet – und das war es. Vielmehr müsste das ganze Schulsystem durchforstet werden. In der heutigen Debatte wurde bereits auf die Pisa-Studie hingewiesen, in der auch zum Ausdruck gebracht ist, dass es nicht nur um Wissensvermittlung geht, sondern auch um andere Maßnahmen, nämlich dass die Familien und insbesondere die Frauen entlastet werden sollten, damit sie ihren Wunsch, Familie, Kinder und Beruf zu vereinbaren, realisieren können.

Sie sagten, wir brächten das Thema alle Jahre wieder. Ich sage: Wir werden nicht locker lassen und Sie immer wieder mit dem Thema konfrontieren, so lange Sie die notwendigen Maßnahmen nicht ergreifen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, dass es zu beiden Anträgen eine namentliche Abstimmung geben wird. Diese werden etwa in 15 Minuten stattfinden. Wir haben noch drei Wortmeldungen. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Fischer.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe während dieser Aktuellen Stunde das Protokoll der letztjährigen Aktuellen Stunde zum gleichen Thema durchgelesen. Ich habe von Ihnen nichts Neues gehört.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Weil alles noch so schlecht ist. Es hat sich nichts verbessert!)

Ich habe nur in der Zeitung der KAB vom riesigen Engagement der neuen familienpolitischen Sprecherin der SPD auf Bundesebene, Renate Schmidt, gelesen, wonach man sich jetzt unwahrscheinlich stark für die Familien engagieren werde.

Sie haben von Verbesserungen für die Familien gesprochen. Dazu stelle ich fest, dass es nach wie vor die Steuerreform gibt, die auf Familien und Kinder wenig Rücksicht nimmt. Es gibt genügend Beispiele, dass die einkommensschwächeren Familien von der versprochenen Entlastung in Höhe von 1280 Euro weit entfernt sind. Hinzu kommt die Belastung durch die Ökosteuer. Außerdem gibt es die rentenunfreundliche Politik der Bundesregierung.

(Frau Biedefeld (SPD): Wie bitte?)

Es fehlt nach wie vor an einer gerechteren Berücksichtigung der Leistungen der Kindererziehung in der Sozialversicherung.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Steiger (SPD))

Ich zitiere aus Ihrem Eckpunkte-Papier von 1999. Darin heißt es: „Die eigenständige Alterssicherung von Frauen wird verbessert.“

(Frau Steiger (SPD): Ja, deutlich!)

Es wurden zwar die Renten der Frauen mit niedrigem Lohn stärker angehoben. Davon werden aber Mütter, die sich im vollen Umfang der Betreuung und der Erziehung der Kinder widmen, nur ganz schwach berücksichtigt und begünstigt.

(Frau Steiger (SPD): Falsch!)

Lesen Sie es nach.

Bei dieser Bundesregierung zählen offenbar nur Frauen, die voll im Beruf stehen. Leidtragende sind Frauen, die sich für eine längere Familienphase entscheiden.

(Beifall bei der CSU)

Die werden am wenigsten gefördert, obwohl sie es am nötigsten haben. Wir haben in Bayern gezeigt, welche Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf notwendig sind.

Das Thema Teilzeitarbeitsplätze wurde angesprochen: Mit dem bayerischen Gleichstellungsgesetz von 1996 hat die Staatsregierung gute Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geschaffen. Nach diesem Gesetz muss ein ausreichendes Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen vorgehalten werden, und es müssen flexible Arbeitsplätze angeboten werden.

Wir wenden uns im zweiten Satz unseres Dringlichkeitsantrages erneut an die Gewerkschaften und an die Arbeitgeber, weil es uns um familiengerechtere Arbeitsbedingungen in der Privatwirtschaft und um eine Verbesserung in diesem Bereich geht.

Das Gesetz der Bundesregierung über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge führt zu einer Reduzierung von Frauenarbeitsplätzen. Dieses Gesetz ist kontraproduktiv.

(Beifall bei der CSU – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das sagen Sie, ich behaupte das Gegenteil!)

Sie diskutieren über Familienpolitik. Sie sollten über die Arbeitsmarktpolitik und über die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung diskutieren.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten – Widerspruch bei der SPD)

Ich denke, ich muss eine Minute Verlängerung der Redezeit bekommen.