Protokoll der Sitzung vom 19.03.2002

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Hahnzog (SPD))

Für einen solchen Unfug, Herr Kollege, habe ich kein Verständnis. Der Minister wird sofort erscheinen. Ich sehe keinen Grund, einem solch unsinnigen Antrag zuzustimmen. Wir werden diesem Antrag, auch wenn der Minister jetzt gleich erscheint, nicht zustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Meine Damen und Herren! Der Antrag ist formell gestellt worden. Ich lasse nun darüber abstimmen. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die CSU. Der Antrag ist somit abgelehnt. Ich bitte nun, in die Tagesordnung einzutreten. Herr Wörner, bitte schön.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Offensichtlich interessieren den Verbraucherschutzminister in Bayern die Verbraucher überhaupt nicht und die ausführenden Organe noch viel weniger.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CSU)

Wenn es ihn interessieren würde, wäre er hier.

(Herrmann (CSU): Da kommt er doch! – Ach (CSU): Wieder einmal ein Sturm im Wasserglas!)

Ist ja wunderbar.

Herr Minister, ich stelle zunächst fest, es ist schön, dass Sie doch noch an Ihrem Arbeitsplatz erscheinen. Außerdem stelle ich fest, dass eine Forderung unseres Antrages, nämlich die Verbraucherschützer mit Laptops auszurüsten, mehr als gerechtfertigt ist. Sie haben Ihren auch vor sich auf dem Tisch stehen, warum also nicht die Verbraucherschützer, die vor Ort für die Menschen prüfen und testen sollen? Warum werden die Verbraucherschützer schlechter ausgerüstet als die Minister, die das eigentlich nicht bräuchten, weil sie ihre Mitarbeiter haben?

(Lachen bei der CSU)

Kolleginnen und Kollegen,

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

der Antrag der SPD-Fraktion kam zustande – –

(Zahlreiche Zurufe von der CSU)

Sie können so weitermachen. Es amüsiert mich, dass Sie – –

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege Wörner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Haedke?

Nein, ich gestatte nicht.

Wir haben den Antrag gestellt, weil wir nicht nur durch Presseberichte, sondern durch eigenes Erleben der Sache auf den Grund gehen konnten. Ich habe einen Tag lang Verbraucherschützer begleitet. Die Feststellungen waren sehr schlimm. Ich kann dazu nur bemerken: Verbraucherschutz darf nicht an der Stalltüre enden, sondern er muss im Laden auf der Theke und in der Gaststätte auf den Tellern enden. Wer diese Kette unterbricht, handelt fahrlässig am Verbraucher.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wer gesehen hat, wie in manchen Gaststätten mit hochwertigen Lebensmitteln umgegangen wird, die wir beim Erzeuger zu schützen suchen, kann nur den Ausdruck „Pfui Teufel“ dafür finden. Wenn man sieht, wie der Pilz in den Kühlungen wächst, wenn man sieht, wie das Fett aus den Fritteusen tropft, und wenn man sieht, wie dreckig die Bierhähne sind, kann man nur sagen, dass wir zu wenig prüfen.

Eine Forderung des Antrags ist, dass mehr Lebensmittelüberwacher eingestellt werden, weil alleine im Raum München 3020 Betriebe zu überwachen sind

(Unruhe bei der CSU – Glocke der Präsidentin)

und nur 2000 Prüfungen stattfinden können. Von diesen 2000 Prüfungen sind wiederum eine ganze Reihe Wiederholungsprüfungen. Es existieren also eine Unzahl nicht geprüfter Betriebe. Ich füge ausdrücklich hinzu, dass ein Großteil der lebensmittelverarbeitenden Betriebe sauber ist. Wir dürfen aber nicht übersehen, dass von 1695 Gaststättenbetrieben, die zu kontrollieren sind, nur 953 geprüft und 1022 Mehrfachverstöße entdeckt worden sind. Mit der mangelnden Ausstattung und dem wenigen Personal kann nicht mehr getan werden.

Hinzu kommt, und das ist das Ärgerliche: Die Lebensmittelüberwacher sind eigentlich der verlängerte Arm der Staatsanwaltschaft. Manche Landräte – warum auch immer – hängen den Verbraucherschützern einen Maulkorb um. Der Verbraucherschützer muss den Vorgang, ehe er Anzeige erstattet, dem Landrat vorlegen.

(Sinner (CSU): Wie heißt der Landrat?)

Dieser Landrat

(Willi Müller (CSU): Welcher Landrat?)

entscheidet, ob angezeigt wird. Was soll das? Will er verhindern, dass gewisse Dinge an den Tag kommen? Um was geht es ?

(Willi Müller (CSU): Sagen Sie doch den Namen! Das sind lauter Verdächtigungen ohne Anhaltspunkte!)

Ich verstehe, dass Sie den Namen gerne wissen möchten, um diejenigen in die Pfanne zu hauen, die so etwas erzählen. In Nürnberg zum Beispiel haben Sie die Steuerbeamten in die Pfanne gehaun, anstatt diejenigen, bei denen es notwendig wäre. So nicht, mein lieber Kollege.

Ich stelle fest: Wir bräuchten – ähnlich wie in Dänemark, die sind weiter – ein Gütesiegel. Die Unternehmen in Dänemark werden jährlich zweimal geprüft. Wer bei der Prüfung – ähnlich wie beim TÜV – durchkommt, bekommt ein Gütesiegel. Wer es nicht schafft, bekommt es nicht. Der Kunde weiß also genau, auf was er sich einlässt, wenn er das Lokal oder den Laden betritt. Solche Dinge sollten wir übernehmen. Herr Minister Sinner, wir sollten ernsthaft über den Verbraucherschutz reden und echte Gütesiegel einführen. Wir sollten nicht nur Plaketten einführen, sondern geprüfte Gütesiegel. Nur so erreichen wir, dass der Verbraucher die Ware erhält, die er erwarten kann.

Wir wollen die bayerische Wirtshauskultur pflegen. Darin sind wir einig. Dazu bedarf es vermehrter Überprüfungen und eines Gütesiegels. Im Übrigen werden Ihnen das die Wirte danken, weil das ein Markenzeichen ist. Wir sollten uns mit dieser Anregung auseinandersetzen und sie nicht einfach abtun.

Kolleginnen und Kollegen, es fehlt an der EDV-Ausstattung. Nach wie vor sind die Überwacher nicht vernetzt. Ich will mit einem konkreten Beispiel zeigen, was das heißt: Es wird festgestellt, dass eine Lieferung Ananas mit einem Pflanzenschutzmittel hochkontaminiert ist und eigentlich nicht in den Handel dürfte. Aufgrund der fehlenden Vernetzung dauert es immerhin fünf bis sechs Tage, bis der Überwacher das weiß. Es stellt sich heraus, dass die Lager nicht alle gemeldet sind. Wenn endlich entdeckt worden ist, wo die Chargen gelagert worden sind, sind die Ananas längst verkauft und beim Verbraucher. So etwas können wir uns nicht leisten. Deshalb ist es wichtig, die personelle Ausstattung zu ertüchtigen. Dieser Versuch ist gemacht worden. Wegen der schäbigen Bezahlung für die ausgebildeten Meister werden wir nicht die Fachkräfte bekommen, die wir bräuchten. Die EDV-Ausstattung hinkt nach wie vor massiv hinterher.

Die Lebensmittelüberwacher sollen nicht nur ständig überprüfen, sondern auch beraten. Ich habe erlebt, dass sie das ganz toll machen. Sie schreiben nicht sofort einen Strafzettel, sondern sie beraten den Wirt, wenn es sich um einen Erst- oder Zweittäter handelt. Ich habe festgestellt, dass die Lebensmittelüberwacher sehr viel Geduld haben – für meinen Geschmack manchmal sogar zu viel. Bei der Beratung bekommt der Wirt oder der Lebensmittelhändler genau gesagt, was zu tun ist. Meistens muss die Kühlung höher gestellt werden; denn dort wird gespart.

Nun stelle ich, Herr Minister Sinner, zu meiner Überraschung fest, dass Ihr Haus offensichtlich einen Sonderweg plant. Für die Lebensmittelüberwacher ist zwar kein Geld vorhanden, aber es sind 500000 Euro vorhanden – wenn diese Information stimmt –, um ein privates Unternehmen mit der Beratung der Wirte und Lebensmittelhändler zu beauftragen. Ein bisschen Blauäugigkeit ist schon recht. Glauben Sie denn ernsthaft, dass ein Wirt einem privaten Prüfer die Hygieneprobleme offen legen wird?

Herr Minister, ich empfehle Ihnen: Nehmen Sie dieses Geld und stellen Sie mehr Lebensmittelüberwacher ein. Bezahlen Sie die so, dass denen ihre Arbeit wieder Spaß macht. Dann haben wir eine sichere Überwachungskette vom Stall bis zum Teller der Verbraucher.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Wortmeldung: Herr Kobler.

Frau Präsidentin, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der Meinung, dass es aufgrund der Bedeutungslosigkeit und Leere dieses SPDAntrages in keiner Weise des Herbeizitierens unseres Staatsministers Sinner bedurft hätte.

(Beifall bei der CSU)

Die Niveaulosigkeit Ihrer Darstellung des Verbraucherschutzes ist kaum mehr zu überbieten. Ich möchte klar und deutlich für meine Fraktion feststellen: Sie haben mit Ihrer Aussage, dass man in den Kühlanlagen mehr oder minder nur Pilzkulturen wachsen sieht, unsere bayerische qualifizierte Gastronomie und das Nahrungsmittelgewerbe in einer ganz ungeheuerlichen, pauschalen Form verunglimpft, die ich im Namen der CSU-Fraktion zurückweise.

(Beifall bei der CSU – Maget (SPD): Bist du dazu autorisiert?)

Die Wichtigkeit und die hohe Priorität des vorsorgenden Verbraucherschutzes sind vonseiten der Gesellschaft und unserer Fraktion, der Politik und der Wirtschaft unumstritten. Die Bayerische Staatsregierung hat im letzten Jahr mit der Errichtung des Verbraucherschutzministeriums schnell gehandelt.

Herr Kollege Wörner, dieser Antrag wurde Mitte des letzten Jahres gestellt und in vier Ausschüssen ausführlichst behandelt. Dieser Antrag bringt nichts Neues.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Biedefeld (SPD))

Sogar Ihre Kollegin Lück hat bestätigt – wenn ich das aus dem Sitzungsprotokoll zitieren darf – , dass diese Punkte bereits weitgehend erledigt sind. Sie tun mit Ihren Aussagen und mit Ihrem Antrag nichts Gutes für den Verbraucherschutz. Sie wollten hier einfach noch einmal einen Schlagabtausch, wobei mit der in Nummer 1 Ihres Antrages dargestellten Zentralisierung des

Verbraucherschutzes in keiner Weise etwas zu gewinnen ist.

Ich weiß nicht, wovon Sie in Ihrer Zentralisierungswut geritten werden: Sie wollen den Verbraucherschutz beim Verbraucherschutzministerium belassen und nicht, wie es in der Umstrukturierung im Gange ist, in Kompetenzzentren bei den Landratsämtern die Veterinäre und Gesundheitsämter zusammenfassen. Das ist wesentlich effizienter. Sie müssen doch wissen, dass wirklich sehr positive Kommentare über das gute Zusammenwirken abgegeben werden. Hier ist bereits seit 1996 die Eingliederung der Gesundheitsämter in die Landratsämter im Gange, und jetzt werden diese Kompetenzzentren für Verbraucherschutz und Ernährungsberatung geschaffen.

Die Umwidmung der Lebensmittelüberwacher in Verbraucherschützer, die Sie im zweiten Teil der Nummer 1 Ihres ersten Antrages fordern, ist der falsche Weg. Damit erreichen Sie überhaupt nichts. Ein Lebensmittelfachmann hat einen engeren Bereich abzudecken als der Verbraucherschützer. Der Verbraucherschutz dehnt sich auf alle Lebensbereiche aus. Neben dem Thema Ernährung bezieht sich vorsorgender Verbraucherschutz auf alle Produkte, auch auf angebotene Dienstleistungen, beispielsweise im Versicherungs- oder Immobilienbereich oder von Reisen. Dort ist überall der Verbraucherschutz gefragt. Daran müssten Sie erkennen, dass Ihre Wortkosmetik nicht auf den richtigen Weg führt.

Wir sind der Überzeugung, dass die Berufsbezeichnung weiterhin den Begriff Lebensmittel enthalten muss. Das Aufgabenfeld des Verbraucherschutzes ist aufgrund dieser breiten Palette fast unüberschaubar. Ich weiß nicht, was Sie reitet, die Lebensmittelüberwachung mit dem Verbraucherschutz gleichzusetzen. Sie sind heute die Antwort auf diese Frage schuldig geblieben.