Das auf Vorschlag der CSU-Fraktion vom Landtag gewählte stellvertretende nichtberufsrichterliche Mitglied des Verfassungsgerichtshofs, Herr Dr. Peter Lichtenberger, ist vor kurzem verstorben. Die CSU-Fraktion hat Herrn Dr. Werner Biebel, Generalstaatsanwalt beim Bayerischen Obersten Landesgericht a. D., als dessen Nachfolger zur Wahl vorgeschlagen. Gibt es hierzu Wortmeldungen? – Keine. Besteht damit Einverständnis, dass von geheimer Wahl gemäß § 47 Absatz 3 der Geschäftsordnung Abstand genommen wird? – Widerspruch erhebt sich nicht.
Dann lasse ich jetzt in einfacher Form abstimmen. Wer dem Vorschlag der CSU-Fraktion seine Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU und der SPD. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Das sind die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und die Kollegen Dr. Kaiser und Mehrlich aus der SPD-Fraktion sowie Kollege Hartenstein. Dann ist auch dies so beschlossen.
Abstimmung über Anträge etc., die gemäß § 63 Absatz 6 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden.
Ausgenommen von der Abstimmung wird die Listennummer 28, der Antrag des Abgeordneten Hartenstein betreffend Bekämpfung des internationalen Terrors mit rechtsstaatlichen Mitteln, Drucksache 14/7892. Dieser Antrag soll auf Wunsch des Kollegen Hartenstein einzeln beraten werden. Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen zur Verfassungsstreitigkeit und zu den restlichen Anträgen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste. Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. mit dem jeweiligen Abstimmungsverhalten seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist das
gesamte Hohe Haus. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit übernimmt der Landtag diese Voten.
Von Seiten des Antragstellers wurde Einzelberatung beantragt. Ich eröffne die Aussprache. Die Redezeit beträgt 15 Minuten pro Fraktion. Wortmeldung: Herr Kollege Hartenstein, bitte.
Hartenstein (fraktionslos) : Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eigentlich hatte ich mir erhofft, zu meinem Antrag eine namentliche Abstimmung erzwingen zu können. Leider steht mir dieses Recht nicht zu. Deshalb bleibt es bei Redebeiträgen.
Wer immer die Attentate vom 11. September 2001 zu verantworten haben mag, eines steht fest: Sie sind durch nichts zu rechtfertigen und an Menschenverachtung kaum zu überbieten. Niemand wird folglich ernsthaft bestreiten wollen, dass dem Terrorismus das Handwerk gelegt werden muss. Die Frage aber, wie das am besten geschehen soll, lässt mehrere Antworten zu.
Den Weg, den die USA und deren NATO-Bündnispartner gegangen sind und offensichtlich teilweise weiter gehen wollen, halte ich schlichtweg für verantwortungslos. Bereits die Wortwahl des amerikanischen Präsidenten und dessen Verteidigungsministers im Vorfeld der Kampfhandlungen ließ befürchten, dass es im Krieg gegen Afghanistan nicht nur um Gefahrenabwehr gehen wird. Von „Jagd“, von „tot oder lebendig“ und Ähnlichem war immer wieder die Rede. Das klingt zunächst einmal eher nach Vergeltung oder Rache als nach überlegtem Handeln. Aber auch geostrategische Ziele, die Interessen der Rüstungsindustrie und der Drogenanbau in Afghanistan haben die Entscheidungen der Amerikaner sicherlich beeinflusst.
Für mich steht deshalb in diesem Zusammenhang fest: Es gibt weder einen gerechten noch einen als Reaktion auf terroristische Attentate rechtfertigbaren Krieg. Krieg bedeutet immer: Tot, Verbrechen, Leid und Zerstörung. So sind auch in Afghanistan Tausende unschuldige Menschen allein durch Bombardements getötet worden. Hunderte Taliban wurden liquidiert statt gefangen genommen. Inhaftierten Al-Quaida-Kämpfern ist der Kriegsgefangenenstatus nach dem Genfer Abkommen verweigert worden. Die nach Ansicht der amerikanischen Regierung hauptverantwortlichen Terroristen jedoch blieben bislang ungefasst. Gleichwohl läuft die Kriegsmaschine weiter auf Hochtouren. Welches Land wird wohl das nächste sein: Der Irak, Somalia, die Philippinen oder andere? Wie lange werden sich dabei die
So darf es meines Erachtens nicht weitergehen. Statt uneingeschränkter Solidarität bedarf es massiven Drucks von Seiten der EU auf die Entscheidungsträger in den Vereinigten Staaten. Diese Crew im Weißen Haus mit und um George W. Bush stellt meines Erachtens zunehmend eine Gefahr für den Weltfrieden dar. Selbst der Einsatz einer neuen Generation von Atombomben wird im Kampf gegen den Terrorismus nicht mehr ausgeschlossen. Aber Gewalt erzeugt stets nur weitere Gewalt. Die nicht enden wollenden, inzwischen völlig eskalierten Kampf- und Vergeltungshandlungen zwischen den Israelis und den Palästinensern zeigen das mehr als deutlich.
Wer Terrorismus verhindern will, muss dessen politische und soziale Ursachen bekämpfen. Hier gibt es ein breites Betätigungsfeld. Wer den Terrorismus bekämpfen will, muss rechtsstaatliche Mittel einsetzen. Ich bitte Sie deshalb um Unterstützung zu folgenden Forderungen: sofortige Einstellung aller militärischen Einsätze in Afghanistan, Sicherstellung der Versorgung der gesamten Bevölkerung mit Lebensmitteln, Medikamenten und Schutzvorrichtungen vor Kälte, strickte Ablehnung aller Pläne, die militärische Angriffe auf weitere Länder beinhalten, aktive Unterstützung nicht militärischer Lösungen unter Führung der Vereinten Nationen, Intensivierung der Friedensgespräche zwischen den Religionen und Bekämpfung aller terroristischen Aktivitäten im eigenen Land mit rechtsstaatlichen Mitteln. Meine Damen und Herren, nichts sollte Sie davon abhalten, meinem Antrag zuzustimmen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen zu dem Antrag kurz Stellung nehmen, wobei sich grundsätzlich die Frage nach der Zuständigkeit des Bayerischen Landtags und heute auch des Plenums stellt. Warum Herr Kollege Hartenstein den Antrag für so wichtig hält, dass wir heute darüber diskutieren, entzieht sich meiner Kenntnis; wir haben den Antrag im Europaausschuss bereits ausführlich diskutiert.
Ich stelle fest, Herr Kollege Hartenstein wünscht sich mit seinem Antrag eine heile Welt. Die Beispiele hat er selbst genannt: keine Militäreinsätze, Versorgung der Bevölkerung, keine Militäreinsätze in weiteren Ländern, Unterstützung von nichtmilitärischen UN-Einsätzen usw. Herr Kollege Hartenstein, Sie haben am Schluss Ihrer Ausführungen völlig folgerichtig gefragt: Wer möchte da nicht zustimmen? – Die Antwort gebe ich Ihnen: Das sind wir. Das Problem Ihres Antrags ist, dass Sie die Ursache für den Afghanistan-Konflikt weitgehend – das unterstelle ich Ihnen – gedanklich ausklammern; denn anscheinend wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Anschläge vom 11. September ein singuläres Ereignis gewesen sind. Man fragt sich, ob das schon wieder solang her ist, dass man so gelassen darüber diskutieren kann wie Sie.
Sie kritisieren die Wortwahl des amerikanischen Präsidenten. Da mag man Ihnen beipflichten; festzuhalten aber bleibt, zahlreiche Wünsche von Herrn Kollegen Hartenstein sind so realitätsfern, dass man sie nur verstehen kann, wenn man seine persönliche Einstellung kennt und respektiert, was ich jedenfalls tue. Das soll nicht heißen, dass man dem Antrag zustimmen kann. Eine persönliche Überzeugung lässt sich nicht immer 1 : 1 auf die politische Weltlage übertragen. Ich stelle fest, dass religiöse Fundamentalisten und fanatische Gotteskrieger leider nicht nach den Ansichten unseres Kollegen Hartenstein fragen und dass der religiöse Fanatismus vielleicht niemals nach vernünftigen Gründen fragt.
Eine Ihrer Überlegungen möchte ich in der gebotenen Kürze herausgreifen. Sie wünschen sich die Intensivierung der Friedensgespräche zwischen den Religionen. An sich betrachtet ist das ein Wunsch, dem man weiß Gott nur zustimmen kann. Die Kirchenvertreter bei uns im Lande haben sich, als die ganze Sache aktuell war, durchaus im Sinne des Kollegen Hartenstein ausgesprochen. Nur konnte ich nicht feststellen, dass sich irgendjemand auf den Weg nach Kabul gemacht hat, um dort mit den Gotteskriegern zu reden. Offensichtlich hatte man den Eindruck – und das zu Recht –, dass die nicht mit sich reden lassen.
Ich gebe Ihnen Recht, dass die Zunahme der Zahl von internationalen Konflikten nachdenklich macht. Andererseits muss ich betonen, es kann wohl niemand ernsthaft nachvollziehen, wieso ein Land wie die USA oder auch die Weltgemeinschaft insgesamt – es gab ja eine starke Koalition – einen Anschlag wie den vom 11. September unbeantwortet lassen sollte. Mit Gesprächen allein war die Angelegenheit nicht zu bereinigen, jedenfalls nicht aus unserer Sicht.
Ich glaube, ausreichend deutlich gemacht zu haben, dass wir die persönliche Motivation des Antragstellers akzeptieren und nachvollziehen können, aber den Antrag aufgrund des eben Gesagten ablehnen müssen.
Trotz kräftigen Herumschauens sehe ich keine weiteren Wortmeldungen. Dann ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Bundesund Europaangelegenheiten empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer dagegen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind Herr Kollege Hartenstein und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Ich bitte, die Gegenstimmen anzuzeigen. – Das sind die Fraktionen der CSU und der SPD. Der Antrag ist damit abgelehnt.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nun früher als gedacht zur Beratung des nächsten Tagesordnungspunktes.
Weil sich alle darauf eingestellt haben, dass wir eine Dreiviertelstunde später mit der Beratung beginnen, ist Herr Staatsminister Dr. Schnappauf erst auf dem Weg hierher. Ich denke, wir können aber trotzdem mit der Beratung des sein Ressort betreffenden Dringlichkeitsantrags beginnen. Bis die Vertreter der Fraktionen gesprochen haben, wird der Minister eintreffen, wie ich höre.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Christine Stahl, Dr. Runge, Gote und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Staatsminister Dr. Schnappauf in Abwesenheit! Herr Präsident, an sich richten sich die Worte der Vertreter der Fraktionen auch an die Mitglieder der Staatsregierung. Wir wissen aber auch, dass diese Worte nicht immer ankommen.
Der Landtag hat von Haus aus nicht mehr allzu viele Kompetenzen. Es muss deswegen nicht verwundern, dass wir auf die Barrikaden gehen, wenn diese wenigen Kompetenzen weiter reduziert zu werden drohen oder als reine Formsache betrachtet und abgetan werden. Besonders „hantig“ werden wir aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wenn die Sache auch noch politisch-inhaltlich völlig daneben liegt. Eben dies ist gegeben bei der Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogrammes zum Fachziel Einzelhandelsgroßprojekte und bei der Art und Weise, wie am Beispiel beim FOC in Ingolstadt damit umgegangen wird. Hier handelt es sich um eine klare Missachtung des Bayerischen Landtags. Aus diesem Grunde beantragen wir zu unserem Dringlichkeitsantrag namentliche Abstimmung.
Vor etwa zwei Wochen hat die Regierung von Oberbayern das Projekt FOC in Ingolstadt erneut landesplanerisch beurteilt und ist dabei zu einem positiven Ergebnis gekommen. Diese positive Beurteilung basiert auf dem Entwurf der Staatsregierung zur Teilfortschreibung des LEP. Dieser Entwurf ist, wie wir alle wissen, vom Landtag weder diskutiert worden – es gab lediglich eine Anhörung für mehrere Ausschüsse – noch hat der Landtag diesem Entwurf zugestimmt. Er ist nicht abgestimmt worden. Das heißt, die Regierung von Oberbayern hält sich nicht an die geltende Rechtslage, denn nach der geltenden Rechtslage wäre das Vorhaben in Ingolstadt nicht zustimmungsfähig gewesen, weil es nicht den Erfordernissen von Raumordnung und Landesplanung ent
spricht. Das ist der eine Vorwurf. Der andere Vorwurf lautet, die Regierung von Oberbayern missachtet hier in eindeutiger und eklatanter Weise das bayerische Parlament, indem sie die Zustimmung des Parlaments wohl zu einer reinen Formsache degradiert.
Veranlasst zu diesem Handeln hat die Bezirksregierung – deswegen wäre es schön, wenn der Minister hier wäre – die Bayerische Staatsregierung. Ich darf hier aus einem Bericht über die Kabinettssitzung vom 20.11.2001 zitieren. Hier heißt es so schön:
Auf der Basis des heutigen Beschlusses des Ministerrates kann die Regierung von Oberbayern als höhere Landesplanungsbehörde jetzt die landesplanerische Überprüfung des geplanten FOC Ingolstadt wieder aufnehmen.
Das heißt, die Bezirksregierung macht sich zum Büttel der Staatsregierung, und die Staatsregierung wiederum hat sich zum Büttel der Stadt Ingolstadt und einiger weniger Wirtschaftsunternehmen gemacht.
Ich will kurz auf den Hintergrund bzw. die Geschichte eingehen. Die Stadt Ingolstadt, die sich beim Kauf eines Grundstückes verspekuliert hat, muss dieses Grundstück jetzt dringend verwerten. Dabei ist ihr der Investor Value Retail mit seinem Projekt FOC gerade recht gekommen. Problem war nur, dass das Projekt nicht einmal ansatzweise genehmigungsfähig war, dass es nicht mit den Erfordernissen der Raumordnung übereingestimmt hat, dass der Verwaltungsgerichtshof noch im Mai 1999 die Festsetzung eines Sondergebietes „Gewerbepark Nordost“ für großflächigen Einzelhandel für nichtig erklärt hat und dass zuletzt die Regierung von Oberbayern im Sommer 2000 dieses Projekt für nicht zulässig erklärt hat.
Ich zitiere aus der Presseerklärung der Regierung von Oberbayern zu der eben genannten landesplanerischen Beurteilung, in der es um den Antrag betreffend die Herstellung eines Direktverkaufszentrums mit einer Verkaufsfläche von 9800 Quadratmetern ging. Zitat:
In dem von der Regierung von Oberbayern nun abgeschlossenen Raumordnungsverfahren war zu prüfen, ob und unter welchen Maßgaben das geplante FOC den Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung entspricht. Die landesplanerische Beurteilung hat ergeben, dass das Herstellerdirektverkaufszentrum am vorgesehenen Standort in Ingolstadt den Erfordernissen der Raumordnung nicht entspricht. Insbesondere widerspricht das Vorhaben dem in Aufstellung befindlichen Ziel des Landesentwicklungsprogramms, demzufolge Einzelhandelsgroßprojekte wie auch Factory Outlet Center ausnahmslos nur an städtebaulich integrierten Lagen raumverträglich sind. Darüber hinaus übersteigt die Kaufkraftabschöpfung des Herstellerdirektverkaufszentrums die unter raumordnerischen Gesichtspunkten verträgliche Quote aus dem so genannten Verflechtungsbereich, das heißt den für die Beurteilung maßgeblichen unmittelbaren Ein
zugsbereich um die Stadt Ingolstadt. Schließlich fehlt es dem geplanten Vorhaben auch an der erforderlichen Anbindung an den öffentlichen Verkehr.
Das heißt, das Vorhaben ist wirklich mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Alle Kriterien, die zu prüfen waren, haben keinen Bestand gehabt.