Das heißt, das Vorhaben ist wirklich mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Alle Kriterien, die zu prüfen waren, haben keinen Bestand gehabt.
Die Entscheidung der Regierung von Oberbayern könnte man in dem Falle sogar noch beklatschen. Das Verfahren hat sich dann aber sehr schnell umgedreht.
Was macht die Bayerische Staatsregierung? Obwohl die reguläre Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms ansteht, erstellte sie ganz schnell den Entwurf einer Teilfortschreibung eben zu diesen Einzelhandelsgroßprojekten. Hier wird alles genauso hingedreht, dass dem Vorhaben in Ingolstadt doch zugestimmt werden kann. Jeder einzelne Punkt, der die Bezirksregierung im Falle Ingolstadt veranlasst hat, erst einmal Nein zu sagen, wurde genauso hingedreht, dass man doch auf einmal Ja sagen konnte.
Herr Minister Schnappauf – mittlerweile sind Sie da, ich begrüße Sie sehr herzlich –, Sie haben dann treuherzig verkündet, dass es im Hinblick auf die Wirtschaftsordnung und das Grundgesetz nicht möglich sei, neue Formen des Einzelhandels zu verhindern. Herr Minister, das will auch niemand. Aber darum geht es uns gar nicht. Es geht schlicht und ergreifend darum, dass es nicht sein darf, für ein einziges Projekt und für nur einen Investor die Rahmenbedingungen so beliebig zurechtzubiegen, wie Sie es getan haben. Deshalb ist das, was Sie zu diesem Projekt gesagt haben, nichts anderes als ein plumpes, billiges Ablenkungsmanöver.
Der Ministerrat hat am 06.03.01 und am 29.05.01, zuletzt am 20.11.01 Zielformulierungen zur Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms zum Thema Einzelhandelsgroßprojekte beschlossen. Es ergeben sich Änderungen bezüglich des Verflechtungsbereiches (nunmehr Verflechtungsbe- reich des innerstädtischen Einzelhandels), der maximal zulässigen Kaufkraftabschöpfungsquote sowie der geforderten städtebaulichen Integration des Standortes, wonach nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen auch städtebauliche Randlagen zu akzeptieren sind und akzeptiert werden können.
Das heißt also, es wurden geänderte Beurteilungsgrundlagen herangezogen, obwohl sich das Projekt nur minimal geändert hat. Deswegen kam es jetzt zu einer positiven Entscheidung.
Am 19. Februar dieses Jahres hatten wir hier im Landtag eine Anhörung zur Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms, welche durch das Vorgehen der Staatsregierung und der Regierung von Oberbayern zur Makulatur und zu einer reinen Farce wurde. Das Urteil der Sachverständigen von damals war eine Ohrfeige für
die Bayerische Staatsregierung. Der Fortschreibungsentwurf ist von allen Beteiligten, vom Städtetag, vom Gemeindetag, von den Industrie- und Handelskammern, von den Handwerkskammern, vom Einzelhandelsverband und vom Bund Naturschutz
unisono als untauglich und kontraproduktiv bezeichnet worden. Alle Beteiligten haben Sie, Herr Minister Schnappauf, davor gewarnt, dass mit der Lex Ingolstadt – etwas anderes ist Ihr Machwerk nicht – das Tor für Märkte auf der grünen Wiese geöffnet wird. In Ihrem Entwurf zur Teilfortschreibung gibt es zahlreiche Sonderund Ausnahmebestimmungen, und diese werden sehr schnell zur Regel werden.
Ich nenne nur zwei Beispiele, um aufzuzeigen, was Sie verbrochen haben oder was Sie gerade verbrechen.
Zum einen darf man neuerdings auf die grüne Wiese hinausgehen – darauf hat sich die Regierung in ihrer Beurteilung auch bezogen –, wenn in städtebaulich integrierten Lagen keine Flächen zur Verfügung stehen. Was wird passieren? Es gibt überdimensionierte Planungen. Der Antragsteller beantragt einfach doppelt so viele Quadratmeter, wie er eigentlich braucht, damit hat die Stadt natürlich keine geeignete Fläche in einer städtebaulich integrierten Lage mehr anzubieten. Also darf man dadurch sehr schnell hinaus auf die grüne Wiese.
Ein weiterer Punkt bei der Beurteilung der Zulässigkeit ist die Bezugnahme auf die jeweilige Kaufkraftabschöpfung. Hier wird neuerdings zwischen verschiedenen Einzugsgebieten und Sortimenten differenziert. Hier zeichnet sich ein heilloses Tohuwabohu ab. Ich erwähne als Beispiele nur Teppiche auf der einen und Auslegware auf der anderen Seite. Diese Waren sind zwei verschiedenen Sortimenten zuzuordnen. Diese Regelung ist mit Sicherheit nicht gerichtsfest, das haben alle Fachleute gesagt.
Gefährdet ist auch die Nahversorgung in Gemeinden im Stadtumlandbereich. Dort darf neuerdings bei der Beurteilung auch auf die Kaufkraft der angrenzenden Großstädte Bezug genommen werden. Die Folgen dieser Regelung können wir uns alle ausmalen. Mit ihrem Vorgehen sorgt die Staatsregierung für noch größere Wettbewerbsverzerrungen, als es sie bisher schon gibt. In den Stadtzentren sind hohe Mieten zu zahlen und viele Auflagen einzuhalten. Beispielsweise sind Stellplatzablösen zu zahlen und Ähnliches mehr. Alle diese Faktoren sind auf der grünen Wiese nicht gegeben.
Nicht übersehen werden darf auch, dass derzeit besonders in Bayern die Verkaufsflächen explodieren, nicht aber die Umsätze und die Kaufkraft. Die Schere geht immer weiter auseinander. Wir haben zwar immer den gleichen Umsatz, aber immer mehr Quadratmeter. Allein in Bayern sind zwischen 1995 und 2000 2 Millionen Quadratmeter zusätzliche Verkaufsfläche für Einzelhandelsgroßprojekte genehmigt worden. Das entspricht einem Sechstel der gesamten Verkaufsfläche im bayerischen Einzelhandel. Noch nicht mit eingerechnet sind hier alle neuen Projekte von Lidl, Aldi, Norma und Penny, also
Die Folge Ihrer Politik, Herr Schnappauf, sind mehr Flächenfraß und Bodenversiegelung. In Bayern werden ohnehin schon 28 Hektar pro Tag verbraucht. Weitere Folgen sind weniger Arbeitsplätze, mehr Autoverkehr und ein weiterer Verlust an wohnortnaher Versorgung.
In Ingolstadt wird das Vorhaben nach dem doppelten grünen Licht von der Staatsregierung und der Regierung von Oberbayern durchgepeitscht. Steht erst einmal das Projekt in Ingolstadt, dann kann sich jeder darauf berufen und eine Genehmigung für ähnliche Projekte verlangen. Dazu gestatte ich mir ein letztes Zitat, es stammt vom Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Einzelhandelsverbandes, von Herrn Gross. Er sagte in einer Stellungnahme vom 13. März – es ist also noch nicht allzu lange her –, ich zitiere:
Zwischenzeitlich hat die Regierung von Oberbayern in der letzten Woche eine positive landesplanerische Beurteilung zum Factory Outlet Center in Ingolstadt abgegeben. Auch hier wird wieder politischer Druck erkennbar. Die Regierung von Oberbayern wartet die Entscheidung des Landtages über die Richtlinien nicht ab, sondern hat in vorauseilendem Gehorsam nach dem derzeit geltenden Beschluss der Staatsregierung das FOC in Ingolstadt landesplanerisch genehmigt. Auch die zeitliche Absprache ist deutlich zu erkennen. Der Ingolstädter Stadtrat will in einer Sondersitzung am kommenden Montag
über die Änderung des Bebauungsplanes in Ingolstadt entscheiden. Dazu braucht man natürlich die positive Stellungnahme der Regierung von Oberbayern.
Sollte das bayerische Parlament tatsächlich in den nächsten Monaten zu einer anderen Auffassung wie das bayerische Kabinett kommen, ist dann aufgrund eines Kabinettsbeschlusses, eines raumordnerischen Gutachtens der Regierung von Oberbayern sowie aufgrund eines rechtskräftigen Bebauungsplanes und einer entsprechenden Baugenehmigung das Baurecht für das Factory Outlet Center entstanden, was man ohne Entschädigungsleistung gar nicht mehr rückgängig machen kann. Damit ist Ingolstadt als Präzedenzfall durch, und alle weiteren Fälle werden, auch wenn das Parlament die Ausnahmebestimmungen zurücknimmt, vor den Verwaltungsgerichten landen.
Genauso wird es kommen. Ich weiß nicht, was sich die Staatsregierung und die Herren von der Bezirksregierung dabei gedacht haben, einfach einen Entwurf zur Grundlage der Beurteilung zu machen und das Parlament zu umgehen.
Ich möchte den letzten Satz aus der Stellungnahme des Einzelhandelsverbandes mit der Überschrift „Wozu Demokratie?“ zitieren:
Wir Teilnehmer der Landtagsanhörung fragen uns, was es für ein Demokratieverständnis ist, erst eine große Anhörung im Bayerischen Landtag zu veranstalten und dann über alle Köpfe hinweg Tatsachen zu schaffen. Fraglich ist zudem, wie vor diesem Hintergrund das laufende Verfahren um die neuen Beurteilungsgrundlagen der Landesplanung sinnvoll abgeschlossen werden kann.
Das sagte die bayerische Wirtschaft. Meine Damen und Herren, wir bitten Sie und fordern Sie dringend auf: Stoppen Sie diesen Amoklauf gegen die Umwelt, gegen den Mittelstand und gegen die Interessen der Bevölkerung. Stimmen Sie bitte unserem Dringlichkeitsantrag zu.
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen uns heute wieder einmal mit dem Thema FOC befassen. Es ist schlimmer gekommen, als wir vermutet haben, und anscheinend brechen jetzt alle Dämme bei den Einzelhandelsgroßprojekten.
Wenn man die alten Plenarprotokolle liest, dann wundert man sich, was noch vor vier, drei oder zwei Jahren oder sogar vor nur einem Jahr zu diesem Thema gesagt worden ist. Es sind hehre Schwüre für den Mittelstand und den Einzelhandel abgegeben worden, und es wurden die besonderen Verhältnisse in Bayern und die Vielfalt des Einzelhandels in Bayern herausgestellt. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Einzelhandel eine hohe Qualität besitze und die Innenstädte liebevoll saniert worden seien. Es wurde das immer schöne weiß-blaue Lied der Innenstädte gesungen. Man ging sogar so weit, Raumordnungskoordinierungssysteme zwischen den Ländern zu fordern, weil befürchtet wurde, dass in Wertheim solch ein schlimmes FOC entstehen solle. Man stand kurz davor, Krieg zu beginnen, und man hatte den Eindruck, der Föderalismus stehe auf dem Spiel.
Das ist aber alles Schnee von gestern, heute besteht eine andere Konfliktlage. Wenn der richtige Investor kommt – was er sonst noch mitgebracht hat, wissen wir nicht –, dann ist all das, was die Protokolle gefüllt hat, Makulatur. Die Blase zerplatzt. Die entscheidende Frage ist, was sich eigentlich geändert hat. Geändert hat sich an der Zustandsbeschreibung nichts. Im Gegenteil. Bei der Anhörung im Bayerischen Landtag hatten alle Fachleute, der gesamte Einzelhandel in Bayern, die Gewerbeverbände, der Städtetag, die Umweltverbände, gesagt, dass genau das Gegenteil richtig wäre.
Wir müssen unseren Einzelhandel, der eine hohe fachliche Qualität besitzt. schützen. Der Druck auf den Einzel
handel ist enorm. Das kann man am deutlichsten an einer Zahl festmachen. Seit 1990 hat sich in Bayern die Verkaufsfläche des Einzelhandels um 30% erhöht, während die reale Kaufkraft inflationsbereinigt um 2% zurückgegangen ist. Das wäre eigentlich ein Alarmsignal. Ich will das nicht weiter ausführen, weil Herr Kollege Dr. Runge die wesentlichen Dinge deutlich dargestellt hat.
Es gibt überhaupt keinen Grund, an der Stellungnahme der Regierung von Oberbayern vom Juni dieses Jahres zu zweifeln. Es ist eindeutig festgestellt worden, dass dieses FOC nach dem geltenden Recht nicht genehmigungsfähig ist. Und was passiert? – Es ergeht ein Kabinettsbeschluss, und sämtliches Recht in Bayern ist außer Kraft gesetzt. Das ist eine eklatante Missachtung des Parlaments.
Es gab keine Debatte im Bayerischen Landtag, nicht ein einziger Ausschuss hat sich mit dem Verfahren befasst. Wir haben eine Anhörung erzwungen, die ein Ergebnis hatte, das nicht eindeutiger hätte ausfallen können. Diese Anhörung ist nicht einmal ausgewertet. Das Protokoll liegt nicht vor, aus dem wir zitieren könnten. Wir sollen uns zum ersten Mal mit diesem Thema am 25. April im Umweltausschuss befassen. Danach befassen sich noch andere Ausschüsse und das Plenum des Landtags damit. Ich sage noch einmal: Das ist eine eklatante Missachtung des Parlaments.
Jetzt weiß die Regierung schon alles besser. Ich frage mich, auf welcher Rechtsgrundlage das basiert. Auf welcher Rechtsgrundlage kann die Regierung von Oberbayern ihre Meinung ändern? Wir richten Enquete-Kommissionen ein und haben beispielsweise heute Morgen gehört, dass die Länderparlamente gestärkt werden sollen. Wenn wir aber unsere eigenen Rechte nicht einmal wahrnehmen und uns selber nicht ernst nehmen, dann geschieht es uns nicht besser. Wenn so in Bayern gehandelt wird, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn der Landtag nicht ernst genommen wird. Das wird erhebliche Auswirkungen auf die Landesplanung haben. Es betrifft vielleicht nicht so sehr Ingolstadt, aber Eichstätt, Pfaffenhofen, Dachau und Freising. Alle diese Städte haben kein Mitspracherecht in dieser Sache. Die Kaufkraft wird von diesen Städten abgezogen. Wir müssten doch der Anwalt der anderen sein. Ich weiß nicht, ob sich die Stadt Ingolstadt das richtig überlegt hat. Das FOC wird keine Gewerbesteuer einbringen, und mit mehr Arbeitsplätzen ist auch nicht zu rechnen.
Wir müssen die neuesten Untersuchungen zur Kenntnis nehmen. Ich nenne als Stichwort Oberhausen in Nordrhein-Westfalen. Dort ist das größte Einkaufszentrum in ganz Deutschland entstanden. Es wurde 1998 eingeweiht, und wir wissen jetzt, dass sich die Zahl der Arbeitsplätze im Einzelhandel in der Region nach vier Jahren halbiert hat. In dem Einkaufszentrum sind zwar neue Arbeitsplätze entstanden, aber in anderen Regionen ist die Zahl der Arbeitsplätze zurückgegangen. Die Bilanz ist eine Halbierung der Arbeitsplätze.
Lassen Sie mich zum letzten Punkt kommen. Ich erinnere daran, wie oft Staatsminister Dr. Beckstein hier im Landtag erklärt hat, die Kommunen, die FOCs erlaubten, müssten die Konsequenzen tragen und mit einer Kürzung der Städtebauförderung rechnen. Dieses Risiko müsse auch Ingolstadt eingehen. Ich frage mich, auf welcher Rechtsgrundlage das geschehen soll, wenn das FOC genehmigt wird.
Langer Rede kurzer Sinn: Wenn dieses Beispiel heute Schule macht, können wir uns von der Landesplanung vollständig verabschieden. Es gibt keinen Grund, dass irgendein Bürgermeister die Landesplanung oder die Stellungnahmen der Regierung, Abteilung Landesplanung, überhaupt noch ernst nimmt. Diese Stellungnahmen gehören in den Papierkorb. Ich kann den Bürgermeistern nur empfehlen, alles in den Papierkorb zu werfen, was von den Abteilungen für Landesplanung oder Regionalplanung kommt, weil wir den Bezugsfall in Ingolstadt haben.
Staatsminister Dr. Schnappauf hat dies mit der Gewerbefreiheit begründet. Wenn ich die aber absolut setze, dann brauche ich keine Landesplanung mehr. Die landesplanerischen Beurteilungen und sonstigen Stellungnahmen aus dem Hause Schnappauf sind nur noch wert, in den Papierkorb geworfen zu werden.
(Frau Radermacher (SPD): Herr Hofmann, da komme ich grade richtig! – Gegenruf des Abgeordneten Hofmann (CSU): Ich habe solange gewartet. – Heiterkeit)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Runge und Herr Kollege Gartzke haben den Rechteverfall im Freistaat Bayern beklagt.
Sie haben auf die Zielbestimmung der Veränderung des LEP und der Teilfortschreibung des LEP hingewiesen. Dazu sind mehrere Dinge festzustellen: