Anschließend musste das Geschäft kartellrechtlich genehmigt werden. Das war nicht in Berlin, sondern in Brüssel zu bewerkstelligen. Herr van Miert hatte Bedenken und wollte Auflagen machen. Über die Auflagen wurde verhandelt. Man hat sie weitgehend akzeptiert. Am Tag vor der Entscheidung ist van Miert mit einer letzten Auflage dahergekommen, die Kirch akzeptiert hat, Wössner aber nicht. Daraufhin hat die Kommission abgelehnt. Damit stand die Frage im Raum: Wer macht es weiter? Kirch hat den Anteil von Bertelsmann gekauft. Damit kam Premiere nach München, aber Kirch trug das ganze Risiko allein.
Im Übrigen war das die Zeit, in der Herr Clement gesagt hat, wenn Kirch nach Nordrhein-Westfalen käme, würde er ihm einen roten Teppich ausrollen. Herr Clement hat Herrn Kirch, ohne jemals eine Unterlage anzusehen, mehrere Milliarden Kredit angeboten, wenn Kirch nach Nordrhein-Westfalen kommt. Den Umzug hätte er ihm auch noch bezahlt.
Das war damals der Standortwettbewerb. Darum wundere ich mich darüber, dass gerade diese Leute aus NRW heute so altklug daherreden und sagen, wir in Bayern hätten einen Fehler gemacht. Das ist doch scheinheilig.
In der Folge wird alles sehr seltsam. Heute geht es darum, wer kommt als Investor. Herr Clement, der die Übernahme durch ausländische Investoren verhindern will, führt Artikel 5 des Grundgesetzes an, aus dem seiner Meinung nach hervorgeht, dass internationale Medienunternehmer in Deutschland keine Sendestationen übernehmen können. Er müsse seine Staatskanzlei beauftragen, den Fall verfassungsrechtlich zu bewerten, sagt er. Dazu kann ich nur sagen, man lese einen Artikel von Herrn Büschemann in der SZ vom letzten Samstag mit der Überschrift: „Kirch, Heuchler und Bösewichter.“ Er schreibt:
Fragwürdig äußert sich auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement: „Es geht nicht an, dass Ausländer beliebige Anteile deutscher TVSender kaufen.“ Und der Kanzler trifft sich im Wirtshaus mit Bankern und Medienbossen, um eine nationale Lösung für das Kirch-Problem zu finden. Ein blamables Szenario. Europas wichtigste Wirtschaftsnation sollte nicht versuchen, den rheinischen Kapitalismus zu renovieren.
Dann lässt er sich über Murdoch und Berlusconi und die gegen beide bestehenden Bedenken aus – davon teile ich durchaus einige, es ist nicht alles ganz einfach.
Deutschland ist aber heute ein Rechtsstaat. Ein Gesetz, das Murdoch & Co. verhindern kann, gibt es nicht. Auch für unerfreuliche Partner gilt das Grundgesetz, das die Freiheit der Presse garantiert, aber auch deren Grenzen nennt. Es wäre ein Mangel an politischem Selbstbewusstsein, wenn Berlusconi und Murdoch mit Zugbrückenmentalität der Zugang zum deutschen Markt verwehrt werden würde.
Zu den Heuchlern zählt er diejenigen – und die zähle ich auch dazu –, die plötzlich sagen: Lassen wir doch alles so, wie es ist. Jetzt kommen plötzlich ARD und ZDF und andere daher und sagen: Kirch ist eigentlich ganz gut, der Kirch soll bleiben, den Kirch muss man halten. Jahrelang haben sie ihn verteufelt, verdammt und verflucht.
Jahrelang hat man versucht, Kirch zu verdrängen und ihm möglichst große Schwierigkeiten zu machen. Jahrelang hat man ihn als Negativfigur hingestellt. Jetzt sagen ARD und ZDF: Wir warnen vor Murdoch, es sollte alles bei Kirch bleiben.
Murdoch hat angeworben von Clement einen großen Anteil am Fernsehsender VOX erworben, als dieser vor der Pleite stand. Das Nachrichtenmagazin „Focus“ hat über den Besuch von Clement 1998 geschrieben:
Rupert Murdoch schickte eine schwarze Limousine mit Fahrer zum Beverly Willshire Hotel in Los Angeles. Dort stieg Wolfgang Clement, Wirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen, in die abgedunkelte Karosse und ließ sich zur privaten Residenz – –
Zwei Stunden lang berieten der Politiker und der Unternehmer unter vier Augen über Murdochs Interesse am deutschen Markt. Das ist riesengroß, sagt Clement. Murdoch würde gerne neben Bertelsmann und Kirch als dritter Medienkonzern in das digitale Fernsehen einsteigen.
Seit 1994 besitzt der Australo-Amerikaner, Herrscher über ein weltweites Imperium von Tageszeitungen, Fernsehsendern und Filmstudios, eine 49,9prozentige Beteiligung am Kölner Fernsehsender VOX.
Clement sagt: Murdoch ist ein hochinteressanter Typ, den man auf Dauer nicht aus Deutschland heraushalten darf.
Jetzt kommt er daher und meint, er müsse Artikel 5 des Grundgesetzes zitieren, um Ausländer zu verhindern. Da muss ich fragen: Was ist das für eine verlogene Bande?
Damit man auch eine Freude an dem Thema hat, muss ich noch einen weiteren Absatz vorlesen. Da heißt es:
und VIVA-Chef Dieter Gorny Mitglied in Clements Reisegruppe, kehrten nicht mit leeren Händen zurück. Zusammen mit dem Wasch- und Haushaltsmittelkonzern Procter & Gamble, die unter anderem Ariel und Lenor herstellen, wird RTL in den neuen Kölner Studios täglich eine einstündige Seifenoper produzieren.
Das ist medienpolitisch eine absolute Innovation, dass man mit einem Waschmittelkonzern gemeinsam eine Seifenoper macht.
Ich stelle fest, dass Herr Clement Herrn Murdoch in einer einzigartigen Weise nachgelaufen ist; heute möchte er davon anscheinend nichts mehr wissen. Das ist seltsam.
Ich würde ihn zudem fragen wollen, was passiert wäre, wenn sich die US-Regierung beim Einstieg von Bertelsmann – die haben riesige Verlage aufgekauft – so aufgeführt hätte, wie hier Schröder und Clement.
Vor ein paar Tagen verkündete Herr Middelhoff, dass er für seine Senderkette RTL große Chancen in Frankreich, England, Spanien und Italien sieht. Da muss ich fragen: Warum nicht? – Dann darf man aber nicht sagen, es darf kein Ausländer in Deutschland senden. Die übrigen Länder in der EU müssen denken: Die Deutschen haben eine seltsame Einstellung, um nicht zu sagen, eine Macke.
Das ist eine ganz seltsame Vorgehensweise. Ich sage noch einmal: Für jeden gilt das deutsche Medienrecht.
Herr Schröder war etwas vorsichtiger. Erst hat er gesagt, er will eine nationale Lösung. Dann hat er sich vorsichtiger geäußert – ich zitiere –:
Im Kampf um die Kirch-Gruppe lehnt Bundeskanzler Schröder eine internationale Lösung nicht grundsätzlich ab. Man müsse vorsichtig sein, private ausländische Investoren abzuwehren, sagte Schröder vor dem Hintergrund einer möglichen Übernahme –