Zu den drei K: Ich bin zum Beispiel eine Frau, die sich ganz klar zu den drei K bekennt. Ich habe Kinder, ich koche gern und gehe am Sonntag in die Kirche. Ich habe damit überhaupt keine Probleme.
Hören Sie endlich auf, dies in dieser Art und Weise als verzopft oder blöd in irgendeiner Form zu stigmatisieren.
Wir brauchen eine breite Allianz gegen zunehmende Gewaltverherrlichung bzw. -verharmlosung und gegen Brutalisierung in der Gesellschaft. Dazu gehört für mich auch mehr natürlicher Lebensraum für unsere Kinder. Wo können sich denn unsere Kinder heutzutage noch wirklich austoben, wo ihre Kräfte messen? Das halte ich für ungeheuer wichtig.
Die Erfurter Gewalttat muss sorgfältig analysiert werden. Wir können hier nicht mit einfachen Klischees Antworten geben. Bei der Aufarbeitung der Erfurter Ereignisse, aber auch der Ereignisse von Freising, Brandenburg und Meißen gibt es zwei Dinge, die uns auffallen. Das ist zum einen die Tatsache, dass alle Täter einen leichten Zugang zu den Waffen hatten. Das ist zum anderen der Umstand, dass bei allen Tätern Gewalt verherrlichende Medienprodukte in großer Zahl festgestellt und sichergestellt wurden. Es darf nicht nur um die Verbesserung des Waffenrechtes gehen, sondern es geht insgesamt um einen effektiven Jugendschutz, und zwar auf breiter Basis.
Wir in Bayern waren schon immer davon überzeugt, gerade auch belegt durch die Medienwirkungsforschung, dass es Zusammenhänge zwischen Medienkonsum und Gewaltbereitschaft junger Menschen gibt.
Wir haben dieses Thema in Bayern frühzeitig aufgegriffen und thematisiert. Wir haben dies auch in der politischen Debatte deutlich gemacht und dazu Diskussionen mit allen relevanten Kräften in unserer Gesellschaft geführt.
Leider Gottes hat der Jugendschutz auf Bundesebene mit der rasanten Entwicklung der Medien in den vergangenen Jahren nicht Schritt halten können. Die Bayerische Staatsregierung hat ja schon Mitte der Achtzigerjahre die erste Bundesratsinitiative eingebracht, wobei sie sich für eine deutliche Verbesserung des gesetzlichen Jugendschutzes ausgesprochen hat. Forderungen waren damals das Miet- und Verleihverbot für schwer jugendgefährdende Videofilme sowie Computer- und Videospiele, ein Verbot für reale oder elektronisch simulierte so genannte Killerspiele, bei denen Verletzungsund Tötungshandlungen an Mitspielern simuliert wurden. Sie kennen sicher Paintball, Laserdromespektakel usw. Wir haben auch damals schon die verbindliche Alterskennzeichnung für Computer- und Videospiele gefordert. Mehrere solche Vorstöße im Bundesrat sind gescheitert.
Nach den Ereignissen in Bad Reichenhall – der Kollege Beckstein hat darauf hingewiesen – hatten wir im Februar 2000 – bitte schön! – im Bundesrat mit unserer Bundesratsinitiative Erfolg. Damals ist unsere Bundesratsinitiative angenommen worden, aber sie ist leider Gottes nicht umgesetzt worden. Zwei Jahre danach sind diese Forderungen von der Bundesregierung noch nicht aufgegriffen worden. Hierbei geht es um den Offline-Bereich im Bundesjugendschutzgesetz.
Seitens der Bundesministerin Frau Bergmann wurde – Sie können sich erinnern – eine Diskussion über Discos für 14- bis 23-Jährige geführt. Das war die öffentliche Diskussion damals. Daraufhin hat im Dezember 2001 die Bundesfamilienministerin erklärt, sie komme mit dem Bundesjugendschutzgesetz nicht weiter, die Novellierung werde auf Eis gelegt und in die nächste Legislaturperiode verschoben. Das war leider Gottes die Situation.
Deswegen haben wir unsere Forderungen nochmals bekräftigt. Wir haben zusätzlich ein Verbot des Vertriebs von Videos per Automaten gefordert. Das muss man sich nämlich ganz genau anschauen, weil hier wirklich sehr weite Zugangslockerungen für Kinder und Jugendliche angedacht sind. Diese Lockerungen wollen wir verhindern. Den entsprechenden Gesetzesantrag haben wir per Ministerratsbeschluss vom 7. Mai zusätzlich in die Bundesratsinitiative hineingenommen.
Einen Tag zuvor, am 6. Mai, fand eine Beratung statt, zu der Bundeskanzler Schröder die Ministerpräsidenten eingeladen hatte. In der Beratung mit den Länderchefs konnten wir als Freistaat Bayern einen definitiven Erfolg verbuchen. Der Bundeskanzler hat nämlich endlich ein generelles altersunabhängiges Vermiet- und Verleihverbot begrüßt. Dann ist endlich die Bund-Länder-Arbeitsgruppe installiert worden, um ein absolutes Herstellungsverbot für schwer jugendgefährdende Bildträger auszuloten und die Vollzugspraxis von § 31 des Strafgesetzbuches zu überprüfen.
Genau das waren die Dinge, die wir auch in der Bundesratsinitiative 31 schon seit zwei Jahren eingefordert hatten. Lediglich der Vertrieb per Automaten war damals noch nicht dabei.
Ich möchte noch Folgendes sagen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Die Erfurter Tragödie ist eigentlich zu gravierend, als dass sie sich für politische Grabenkämpfe eignen würde. Aber ich kann der Bundesfamilienministerin die sachliche Kritik leider Gottes nicht ersparen. Bekanntlich gab es am 3. Mai in einer Blitzaktion die Novellierung des Bundesjugendschutzgesetzes. Seinerzeit war als einzige bayerische Forderung auf Beschluss des Bundesrates die verbindliche Alterskennzeichnung aufgenommen worden. Das muss man schlicht und einfach sehen. Sonst war nichts aufgenommen worden. Jetzt hat der Bundeskanzler Gott sei Dank ein Machtwort gesprochen. Die Frage an die Bundesregierung ist legitim: Warum erst jetzt? Letztlich wären vier Jahre Zeit gewesen für ein ganzheitliches überschaubares Regelwerk, auf das sich Eltern verlassen können. Wie gesagt, auch die Jugendministerkonferenz hat dazu qualifizierte Vorschläge unterbreitet.
Auf eines möchte ich noch relativ kurz hinweisen. Wir haben in Bayern schon immer ganz großen Wert auf qualifizierten erzieherischen Kinder- und Jugendschutz gelegt. Stichwortartig nenne ich einige Beispiele dafür.
Da ist unser allgemeines Kinder- und Jugendprogramm, das Sofortprogramm Jugend und Gewalt. Zahlreiche Aktivitäten der präventiven Familien- und Elternbildung werden gefördert. Da ist die wertvolle Arbeit – Herr Kollege Maget, vielleicht nehmen Sie sie zur Kenntnis, statt Zeitung zu lesen;
die wertvolle Arbeit und Vernetzung der Erziehungsberatungsstellen mit Eltern, Kindertagesstätten und Schulen.
Ich nenne weiter die verbandliche und offene Jugendarbeit, die Maßnahmen der ambulanten Erziehungshilfe, zum Beispiel die sozialen Trainingskurse, die Antiaggressionskurse und last but not least die qualifizierten Projekte der Aktion Jugendschutz, zum Beispiel das Konfliktlösungsmodell „Mediatoren statt Gladiatoren“.
Wir sind das einzige Land in Deutschland, das die Jugendsozialarbeit in eine Regelförderung überführt hat. Der Maßstab dafür sind soziale Belastungsfaktoren, also viele Arbeitslosenhilfeempfänger, Sozialhilfeempfänger, eine hohe Trennungs- und Scheidungsquote oder Kinder, die nicht Deutsch sprechen.
Besonders aktuell und innovativ ist der Elterntalk, um Eltern fit zu machen für den Bereich Medienfragen,
denn, meine Kolleginnen und Kollegen, der Medienkonsum der Kinder muss von den Eltern kritischer begleitet werden. Eltern wissen oft nicht, was in den Kinderzimmern tatsächlich vorgeht. Wissenschafter der Ruhruniversität Bochum haben festgestellt, dass 27% der Mütter und 16% der Väter keine Ahnung haben, mit welchen Computerspielen sich die Kinder die Zeit vertreiben. Das ist ein alarmierendes Signal, und hier muss die Erziehungsverantwortung und die Erziehungsverpflichtung der Eltern eingefordert werden.
Unser Haus hat an der Universität Regensburg bei Herrn Professor Lukesch ein Forschungsprojekt in Auftrag gegeben mit dem Titel „Analyse und Wirkung der Gewalt in den Medien auf Kinder und Jugendliche“. Ich werde dazu am 17. Mai mit Herrn Professor Lukesch eine Pressekonferenz abhalten.
Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die Politik Gewaltphänomene nicht im Alleingang bewältigen kann. Die Diskussion darüber muss überall in unserer Gesellschaft geführt werden, in den Familien, in den Schulen, am Arbeitsplatz. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir innerhalb der Bayerischen Staatsregierung mit unseren Maßnahmen dazu einen wichtigen, wertvollen Beitrag geleistet haben und weiter leisten müssen.
Dann sage ich es Ihnen. Frau Stewens hat kritisiert, dass Kollege Dürr Herrn Glück nicht zugehört hat. Dazu muss ich sagen: Unsere Aufgabe ist es nicht, Herrn Glück zu huldigen. Wir haben ihm genau zugehört, und er hat, was die Frauen anbelangt, alle Vorurteile bestätigt, die man gegen die CSU haben kann.
Aber eigentlich habe ich mich zum Redebeitrag der Frau Ministerin Hohlmeier gemeldet. Ich möchte noch einige Gedanken zur Schule sagen. Ich bin nicht der Meinung, dass die Schule der erste Ansprechpartner ist, wenn es um Gewalt und Gewaltbereitschaft geht. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Es ist auch ein Problem der Kinder und Jugendlichen, aber hauptsächlich ein Problem der Erwachsenen.
Ich möchte davor warnen, sofort allein die Schule in den Fokus zu nehmen und zu sagen: Da muss sich alles
ändern. Schule muss auch einen Teil dazu beitragen, und dieser Verantwortung wird sie sich stellen, aber das ist letztlich nur ein Teil des Ganzen.
Da möchte ich schon einmal hinterfragen – jetzt geht diese Ministerin auch –: Was machen wir denn eigentlich in unseren Schulen? Welche Kinder sind in unseren Schulen wirklich noch gut aufgehoben? Wer fühlt sich in unseren Schulen noch geborgen? Welches Kind kann noch unbeschwert in die Schule gehen, ohne dass es Beruhigungsmittel nimmt, ohne dass Ritalin verabreicht wird?
Sehr viele Kinder in unseren Schulen sind einem ungeheuren Druck ausgesetzt, sie werden mit Nachhilfe getriezt – sage ich einmal. Sie weinen schon, wenn sie einmal eine Zwei oder eine Drei in einer Schulaufgabe oder Probearbeit haben. Um andere Kinder kümmert sich überhaupt niemand. Für sie gibt es keine häusliche Unterstützung, weil die Eltern das nicht können und das nicht wollen. Der Grund ist auch total unerheblich.
Was machen wir mit den Kindern, die die geforderten Leistungen nicht erbringen? Wir sortieren sie in verschiedene Schubladen ein. Spätestens nach der vierten Klasse entscheiden wir, für welche Schulart ein Kind geeignet ist. Ich möchte gar nicht abstreiten, dass Sie von der CSU das vielleicht sogar gut meinen, dass Sie der festen Überzeugung sind, dass das der richtige Weg ist, sozusagen für jedes Kind die richtige Schulart. Aber haben Sie sich eigentlich einmal klargemacht, was Sie damit den Kindern antun? Jedes Mal, wenn ein Kind ein Ziel nicht erreicht – das Ziel ist das Gymnasium, es scheitert, das Ziel ist die Realschule, es scheitert –, entsteht das, was Sie gesagt haben, Herr Kollege Glück: seelische Verletzungen. Selbst wenn noch so oft darauf hingewiesen wird, dies sei die richtige Schulart: Jedes einzelne Kind wird das als Niederlage empfinden und seelische Verletzungen davontragen.
Wenn ich es richtig im Kopf habe, wiederholen 30% der Schülerinnen und Schüler eine Klasse. Das ist eine Niederlage, auch wenn wir noch so oft sagen: Das ist nur gut für dich. Dazu kommt der hohe Prozentsatz der Kinder, die keinen Schulabschluss haben, bei den ausländischen Kindern 25%. Viele Kinder wechseln die Schulart, und Durchlässigkeit besteht fast nur von oben nach unten. Kaum jemand schafft den Weg von der Realschule zum Gymnasium, sondern meistens geht es von Gymnasium zur Realschule und dann zur Hauptschule. Auch das wird immer wieder als Niederlage empfunden.
Die Reformpädagogik hat versucht, diesem Dilemma in der Schule abzuhelfen, die Schule als Lebensraum für die Kinder zu gestalten. Da sind sehr gute Ansätze verwirklicht worden. Aber dann gab es in den letzten Jahren die berüchtigten Studien Timss und Pisa, und sofort wurde die Reformpädagogik als „Kuschelpädagogik“ diffamiert. Das finde ich schlichtweg ein Elend.