Was ist passiert? Nicht alle Kolleginnen und Kollegen wissen darüber Bescheid. 1996 hat Landwirt Kraft – der Name ist ja bekannt – eine ganz normale Baugenehmigung für eine landwirtschaftliche Biogasanlage verlangt und auch bekommen.
Dann, zwei Jahre später, gab es einen Antrag auf Ausweitung der Anlage und die Hinzunahme so genannter Kofermenter für Fette usw. Es war beantragt worden, 9000 Tonnen verarbeiten zu können. Das Landratsamt hat daraufhin eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung verlangt; das war das Letzte, was richtig gemacht wurde. Der Antragsteller hat sich aber dann nicht mehr weiter gemeldet.
Wiederum zwei Jahre später hat der Landwirt nach und nach für immer mehr Stoffe den Eintrag in die so genannte Verwerterdatei beantragt und diesen ohne jede Prüfung auch erhalten. Es kamen so mit der Zeit 85 Stoffnummern zusammen, mit denen die verschiedenen Stoffe zur so genannten Verwertung bezeichnet wurden.
Das muss man sich einmal vorstellen! Dies geschah ohne jede Kontrolle des Betriebes vor Ort. Obwohl vorher keine weiteren Anträge auf Baugenehmigung gestellt worden waren, wurden diese Stoffnummern vergeben und vom Landesamt für Umweltschutz ohne Kontrolle in die Kartei eingestellt. Ich hätte gedacht, so etwas ist in Bayern nicht möglich. Aus meiner Sicht hätte das vielleicht noch in den Ostländern möglich sein können. Ich will da keine Namen nennen, aber dass so etwas in Bayern passieren könnte, hätte ich mir in den kühnsten Träumen nicht vorstellen können.
Nach der Einstellung ins Internet kamen natürlich die entsprechenden Firmen auf den Landwirt zu. Da gibt es so genannte Händler, die mit Abfallstoffen regelrecht dealen, ähnlich wie es auch mit Klärschlamm gang und gäbe ist. Da sind regelrecht Dealer bei den Bauern unterwegs und suchen Dumme, die diese Stoffe noch annehmen und sie irgendwie als billigste Entsorgungsmöglichkeit verschwinden lassen.
Die betreffende Firma hat es fertig gebracht, dem Landwirt rund 5000 Tonnen Material unterzujubeln. Dieser hat im Wissen um die Stoffe, die er entgegen nahm, das Ganze auf die Felder verteilt, die er teils eigenbewirtschaftet, teils gepachtet hatte. Bekanntermaßen stammt die Firma Jakobi, eine so genannte Verwerter- und Händlerfirma, aus Hessen. Da ist für mich die Frage interessant, ob sie diese Praxis bundesweit ausgeübt hat und wie viele Betriebe in Bayern eventuell ähnlich gehandelt haben. Dazu läuft derzeit eine Untersuchung der ganzen bayerischen Biogasanlagen. Ich bin gespannt, was da noch herauskommt.
Interessant ist auch die Frage, wie das passieren konnte. Knackpunkt bei dem ganzen Fall ist der Vollzug der Biogasanlagenverordnung aus dem Jahre 1998, die noch von der alten Regierung stammt. Im April 2002 wurde sie ein letztes Mal geändert und komplettiert. Für den Vollzug dieser Biogasanlagenverordnung ist alleine das bayerische Umweltministerium verantwortlich, und nicht das Landratsamt Ansbach. Die Aufsicht liegt beim Umweltminister, und nur er kann sie ausführen. Ich habe Verständnis, dass man die Betriebe an die lange Leine nimmt, aber die Leine darf nicht so lang sein, dass das Hunderl ums Hauseck rum ist und der Minister immer noch im Lehnstuhl sitzt.
Ich habe Verständnis dafür, dass man bei Bagatellfällen auch einmal ein Auge zudrückt, Herr Minister, aber wenn zum Beispiel bei einem Landwirt – ich bin selber Landwirt – einmal Silosickersaft austritt, dann ist sofort die Polizei da, und bei solchen großen Fällen kneift man die Augen zu.
Wenn dann Hinweise aus der Bevölkerung kommen, vergisst man, das zugekniffene Auge zu öffnen, sondern kneift vielmehr auch noch das zweite Auge zu, und dann sieht man gar nichts mehr.
So muss offenbar der ehemalige Landrat Dr. Schreiber in Ansbach gehandelt haben, der übrigens aus Neuendettelsau stammt, seinen Wohnsitz dort hat und vermutlich öfter an dem Hof vorbei spazieren gegangen ist. Wahrscheinlich ist er so vorbei gegangen, dass er nichts gesehen hat.
Meine Damen und Herren, werden wir wieder ernst. – Die Biogasanlagenverordnung regelt ganz genau, wie vorgegangen werden muss. Nach der Genehmigung einer solchen Anlage müssen bei über 3000 Tonnen Prüfungen erfolgen. Das Landratsamt wusste, dass der Landwirt 9000 Tonnen entsorgen wollte. Da müssen sogar vierteljährliche Prüfungen vorgenommen werden. Die Anlage wurde zwar bereits vor dem Inkrafttreten der Biogasanlagenverordnung im Jahre 1998 genehmigt, in der Verordnung steht aber ganz klar in § 3 Absatz 5, dass im Nachhinein innerhalb von 18 Monaten all diese Anlagen, die bereits vorher genehmigt wurden, zu prüfen sind. Wo bleibt da denn der Vollzug, Herr Minister?
Das Landratsamt hat dann Entsorgungspapiere verlangt; da ist wohl doch noch einer wach geworden. Diese Papiere wurden dann auch brav von dem Landwirt vorgelegt. Ob sie richtig ausgefüllt waren, bleibt dahingestellt. Aber sie wurden ohne weitere Prüfung vom Landratsamt immer nur abgeheftet. Sonst ist nichts passiert.
Klar ist natürlich, dass das nie in diesem Ausmaß hätte passieren können, Herr Schnappauf, wenn Sie Ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen wären und kontrolliert hätten, ob diese Anlage vom Landratsamt vorschriftsmäßig überwacht worden ist und ob die Verordnung vorschriftsmäßig angewendet wurde.
Nach all den Erfahrungen mit BSE haben wir doch gelernt, dass einfach mehr kontrolliert werden muss. Da ist Ihr Verhalten mehr als enttäuschend. Ich sage Ihnen, Frau Ministerin Stamm ist wegen geringerer Verfehlungen und Schlampereien zurückgetreten.
Das hatte lange nicht diese Größenordnung, und das kann man auf keinen Fall auf die gleiche Stufe stellen.
(Dr. Kempfler (CSU): Und Sie haben auch zwei Jahre lang nichts gesehen und gehört in Neuendettelsau!)
(Dr. Kempfler (CSU): Auch geschlafen! – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Wir sind doch nicht bei den Straßen! – Weitere Zurufe von der SPD)
Ich komme nun zu unserem Antrag. Wir möchten erreichen, dass Lehren aus dem Vorfall gezogen werden. Wir brauchen auf jeden Fall eine noch genauere und peniblere Überwachung der Vorschriften aus der Biogasanlagenverordnung. Wir brauchen eine lückenlose Kontrolle, und wir brauchen jetzt nach diesen Erfahrungen ein Zertifizierungssystem, das vor jede Baugenehmigung solcher Anlagen vorgeschaltet sein muss, und wir brauchen natürlich auch eine bessere Ausbildung und mehr Perso
Ich möchte den bayerischen Umweltminister bitten, sich mit dem Bundesumweltministerium in Verbindung zu setzen, um bundesweit sicherzustellen, dass es keine weiteren solchen Fälle gibt und sich das nicht mehr wiederholt. Darüber hinaus möchte ich Sie dazu auffordern, Kontakt mit den anderen Bundesländern aufzunehmen und dort in Gesprächen Ihre Erfahrungen mit diesem Fall einzuspeisen. – Meine Damen und Herren, ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.
Sehr geehrter Herr Präsident, Hohes Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst eine persönliche Anmerkung machen und meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, dass ich heute als Nachrücker und jüngster Abgeordneter am Rednerpult stehen kann.
Der Anlass, warum ich hier stehe, ist bei weitem nicht so erfreulich; er ist schlicht erschreckend. Die Kollegen Vorredner haben es ausgeführt: 5000 Tonnen Giftmüll direkt ausgebracht. Was dieser Mensch zu verantworten hat, ist schlichtweg nicht zu begreifen. Er ist mit extremer krimineller Energie vorgegangen. Es hat eine Vergewaltigung der Natur stattgefunden. Ich kann von meiner Seite aus sagen, dass in diesem Fall nicht hart genug bestraft werden kann und die Rechtsmittel voll ausgeschöpft werden müssen.
Herr Schammann, Sie haben von Abgründen in der bayerischen Verwaltung gesprochen. Ich sage: Vorsicht. Wir waren uns nämlich im Umweltausschuss alle einig, dass es keinen Generalverdacht und keine Generalabkanzelung der aktiven Landwirte geben darf. Unsere Landwirte in Bayern haben die letzten Jahre viel verantworten müssen, wofür sie nichts konnten.
Seitenbemerkung: nach gut informierten Kreisen nur noch drei Monate im Amt, und dann ist das vorbei. Die Kernaussage im Umweltausschuss war: kein Generalverdacht. In der Sache Neuendettelsau waren wir uns einig, weil Biomasse und Biomasseanlagen im Kern wirtschaftlich und ökologisch positiv sind. Deshalb taugt das Thema nicht für den Wahlkampf, so wie Sie es hier praktizieren. Die Sache bedarf vielmehr einer ordentlichen Aufklärung. Sie von der Opposition haben einige Anträge vorgelegt, die zum Handeln auffordern. Ich möchte zunächst einmal klarstellen, dass in einigen Bereichen
Nach dem Bekanntwerden der Vorfälle wurden sofort Sicherungsmaßnahmen eingeleitet. Wenn ich manche Anträge von den GRÜNEN lese, frage ich mich – ich bin von der Qualifikation her Ingenieur –, wie Sie besser wissen können, wie Sicherungsmaßnahmen durchzuführen sind als die handelnden Fachleute vor Ort. Außerdem wurden vom Umweltministerium in Abstimmung mit den Gewerbeaufsichtsämtern in einer Hau-Ruck-Aktion alle Biogasanlagen in Bayern geprüft, um zu testen, ob es sich bei diesem Vorfall um die Spitze des Eisbergs handelt oder um einen Einzelfall im Zusammenhang mit krimineller Energie.
Bisher liegen uns keine Fälle vor. Im Rahmen eines politischen Streits darf man darauf hinweisen, dass es schon ein Skandal ist, wenn sich SPD-Kollegen im Umweltausschuss hinstellen und wüste Behauptungen in den Raum stellen, Herr Wörner, wonach es mögliche weitere Fälle gebe, wofür man aber keine Beweise habe. So verfahren wir nicht miteinander. Entweder Sie haben Beweise, dann legen Sie sie vor, oder Sie lassen solche Aussagen bleiben.
Dann zur LfU-Verwerterdatenbank. Die SPD beantragt, dass die dort aufgeführten Firmen auf ihre Zuverlässigkeit geprüft werden sollten. Die Staatsregierung ist einen Schritt weiter gegangen: Alle Biogasanlagen wurden aus der Datenbank herausgenommen und werden erst neu zugelassen, wenn die Landratsämter die notwendigen Prüfungen durchgeführt haben. Dass natürlich die Landratsämter die Letztverantwortung für die Prüfung vor Ort haben, wagt, so glaube ich, niemand zu bezweifeln.
Einen letzten Punkt zu diesen Aktivitäten sowie zur Offenheit und zur Transparenz: Staatsminister Dr. Schnappauf hat im Umweltausschuss diese Transparenz angekündigt. Soweit ich informiert bin, sind die Daten im Internet schon veröffentlicht. Uns ist wichtig, dass die betroffenen Bürger – um die geht es ja letztlich –, die teilweise wütend und teilweise schwer enttäuscht sind, in die jetzigen Arbeiten entsprechend eingebunden werden. Dafür ist Transparenz und Offenheit wichtig. Staatsminister Dr. Schnappauf wird in seinem Bericht, den er jetzt abgeben wird, sicher noch darauf eingehen.
Für die CSU-Fraktion gibt es sicher eine Reihe weiterer grundsätzlicher Punkte, auf die ich hinweisen möchte: Genehmigungspraxis – sie wurde bereits angesprochen –, die Frage der Fachkompetenz der handelnden Behörden – in dem Fall das Landratsamt –, die Überwachungspraxis, die für Bioanlagen zugelassenen Stoffe, die Eigenkontrolle der Verbände – ein Schlagwort, das grundsätzlich zu beleuchten ist. Ich selbst habe Kontakt mit den Betreibern der Biogasanlagen in meinem Landkreis aufgenommen. Sie sagten mir, es gebe in ihrer
Branche Personen, die herumliefen und Abfall anböten. Wer schnelle Kasse machen möchte, ist dort natürlich willkommen. In ihrer Eigenverantwortung müssen die Verbände ihre schwarzen Schafe outen und brandmarken. Auch diese Eigenverantwortung ist einzufordern.
Letzter Gedanke zu diesen grundsätzlichen Fragen, der mich am meisten beschäftigt; ich habe solche Fragen im beruflichen Bereich auch bearbeiten dürfen. Es stellt sich die Frage der Abfallentsorger. Wir reden beim Fall Neuendettelsau von besonders überwachungsbedürftigen Fällen nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. Dafür existiert ein umfangreiches Nachweisverfahren, das zumindest vielen von den Experten bekannt sein dürfte. Das darf nicht dazu führen, dass Firmen sich darauf verlassen, der Abfall werde von irgendjemandem bei ihnen abgeholt, und sie bräuchten sich nicht darum kümmern, was damit passiere. Sie müssen sich bewusst sein, dass sie bis zur Letztverwertung für diesen Abfallstoff Verantwortung tragen. So ist es rechtlich geregelt, und deshalb müssen sie sich auch um ihre Nachweise kümmern. Ich hoffe, dass dieser Fall durch die Veröffentlichungen in der Fachpresse ein Signal gibt, dass sich die Betriebe ihrer Verantwortung mehr bewusst werden.