Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Selten zuvor haben Zahlen eine so klare Sprache gesprochen wie bei der Pisa-E-Studie. Liebe Frau Münzel, auch ich habe in der Presse ein paar Zitate gefunden. Eines davon heißt: „Der Süden spielt in der internationalen Liga.“ So hat die „Augsburger Allgemeine“ geti
telt und damit den Nagel genau auf den Kopf getroffen. Die SPD-Versuche, das bayerische Ergebnis schlecht zu reden, sind eher peinlich als hilfreich.
Hören Sie doch, was alles auf der Bundesebene gesagt wird. Akzeptieren Sie die Spitzenstellung Bayerns und ziehen Sie die Konsequenzen daraus. Das ist für die bildungspolitische Diskussion wesentlich hilfreicher als parteipolitische Reflexe unter dem Gesichtspunkt des Bundestagswahlkampfs.
Bayern liegt im Vergleich mit den Bundesländern klar vorne. Es liegt auch international über dem OECDDurchschnitt. Auch die bayerischen Gymnasien schneiden sehr gut ab. Ihre Bilanz kann sich wahrlich sehen lassen. Bayerische Gymnasien liegen bei der Lesekompetenz klar über dem Durchschnitt. Sie erreichen gegenüber Bremen einen Vorsprung von etwa 46 Punkten. Wer weiß, dass 30 Punkte etwa den Vorsprung von einem Schuljahr ausmachen, der weiß auch, dass 46 Punkte eine ganze Menge sind. Dabei ist es auch wichtig, dass der Unterschied zwischen guten und schlechten Lesern in Bayern am geringsten ist.
In der Mathematik sieht es ähnlich gut aus. Auch hier übernimmt Bayern den Spitzenplatz in Deutschland. Es kann im internationalen Vergleich gut mithalten. In den Naturwissenschaften stehen die bayerischen Gymnasien auf dem dritten Platz hinter Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg.
Jetzt komme ich auf die Kritik der SPD. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering nimmt diesen einen Teilaspekt heraus, um von einem differenzierten Bild zu sprechen, welches Pisa ergäbe. Das ist schon mehr als der berühmte Strohhalm, an den man sich aus bildungspolitischer Verzweiflung klammert, um vom eigenen Versagen abzulenken.
Wer sich objektiv mit diesem Themenkomplex beschäftigt, wird feststellen, dass Bayern bisher erst in der neunten Jahrgangsstufe schwerpunktmäßig mit den Naturwissenschaften begonnen hat. Andere Länder tun dies früher. Bayern hat aber bereits Konsequenzen daraus gezogen. Mit der neuen Stundentafel für das Gymnasium wird das Fach „Natur und Technik“ eingeführt, um bereits grundständig bei den Kleinen die naturwissenschaftliche Kompetenz aufzubauen. Daneben wird das Fach Informatik eingeführt, und Chemie wird in dieser neuen Stundentafel ebenfalls deutlich aufgewertet. Diese Akzente hat Bayern bereits zu einem Zeitpunkt gesetzt, als man Pisa allenfalls mit einer italienischen Baubesonderheit in Verbindung gebracht hat. Daneben setzen wir bei der neuen Stundentafel des Gymnasiums auf eine intensivere Sprachförderung. Der Beginn der zweiten Fremdsprache wird auf die sechste Jahrgangsstufe vorgezogen.
Nur soviel zur Zukunftsperspektive, Frau Münzel: Ich möchte darauf hinweisen, dass die CSU-Fraktion als Konsequenz aus der Pisa-Studie eine Arbeitsgruppe eingerichtet hat. Herr Glück und Herr Schneider haben bereits zahlreiche Perspektiven genannt, über die weiter nachgedacht wird, und diese Gedanken müssen konsequent weiterverfolgt werden, um auch das bayerische Schulsystem trotz Spitzenstellung in Deutschland weiterzuentwickeln.
Noch ein paar Worte zur Abiturientenquote. Diese scheint immer mehr das Standardargument für die angebliche Schwäche der bayerischen Bildungspolitik zu werden. Eine Steigerung der Abiturientenquote führt eben ab einem gewissen Punkt zu einer Änderung des Anforderungsniveaus. Das haben im Übrigen nur die SPD-Bildungspolitiker nicht erkannt, sehr wohl aber viele Pisa-Kommentatoren in der Presse erkannt.
Der bayerische Ansatz, über die berufliche Bildung ebenfalls den Hochschulzugang zu ermöglichen, ist richtig, wichtig und notwendig, und das darf auch nicht verschwiegen werden. Wir setzen auf eine optimale Förderung in verschiedenen Schularten und haben bei allen Änderungen und Strukturdiskussionen immer auf die Durchlässigkeit des Schulsystems von unten nach oben geachtet. Wir sollten deshalb gemeinsam das gute bayerische Schulsystem weiterentwickeln. Die Opposition möge sich daran konstruktiv beteiligen und nicht wie bisher auf jede bildungspolitische Forderung, die an den Bildungsausschuss herangetragen wird, einfach aufspringen.
Ein Erklärungsansatz der nordrhein-westfälischen Bildungsministerin lautete, dass Nordrhein-Westfalen angesichts des Strukturwandels gut abgeschnitten habe. Man höre und staune. Das hört sich allerdings eher nach „Augen zu und durch“ an. Wo bleiben denn da die Handlungsansätze? Frau Schieder hat jetzt den Leistungsgedanken entdeckt. In vielen SPD-regierten Bundesländern kann man ihn jedoch noch nicht finden. Deshalb kommentiert die „Augsburger Allgemeine“ wiederum folgerichtig:
Es wirkt geradezu lächerlich, wie SPD und Grüne die Erfolge der unionsgeführten südlichen Bundesländer im Pisa-Schulvergleich kleinzureden versuchen.
Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Bayern befindet sich im gehobenen Mittelfeld. Zusammen mit Baden-Württemberg liegt es deutlich vor dem Rest Deutschlands.
In der Fußballersprache würde man von einem UI-Cupoder UEFA-Cup-Platz sprechen. Ziel ist natürlich die Meisterschaft oder die Champions League. Die, die in der Tabelle hinten stehen – so lehrt der Fußball – kommen nur schlecht aus dem Abstiegsstrudel heraus, wäh
rend Mannschaften, die in einem geringen Abstand zur Spitze liegen, leichter nach vorne kommen können. Die bayerische Bildungspolitik hat diesen Ehrgeiz.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als sich die Kultusministerkonferenz für einen Ländervergleich innerhalb der Pisa-Studie entschieden hatte, wollte man vor allem ein Instrument schaffen, um voneinander lernen zu können. Ich habe derzeit den Eindruck, dass es bei diesem Ländervergleich mehr um eine Bildungsolympiade geht, nämlich nur um Platz und Sieg. Statt Vorschläge zu machen und auch Konsequenzen für die bayerische Bildungspolitik zu ziehen, mutet uns die Kultusministerin das Ergebnis, das sie gestern in einer Pressekonferenz veröffentlicht hat, heute in dieser Aktuellen Stunde noch einmal zu. Frau Ministerin, ich hätte von Ihnen schon erwartet, dass Sie auch im Fünf-Minuten-Takt wenigstens einige Konsequenzen für die Schulpolitik in Bayern aufzeigen.
Ein Kritikpunkt ist sicher auch die niedrige Abiturientenquote. Dazu hört man von Ihnen bei der CSU immer nur, Sie seien für Klasse statt Masse.
Dabei sollten Sie längst gelernt haben, meine Damen und Herren von der CSU, dass auch Masse Klasse sein kann. Wir wollen Finnland und Irland mit den Hochschulzugangsquoten von 89% als Maßstab setzen oder mindestens den OECD-Durchschnitt von 45% heranziehen.
Die Pisa-E-Studie bescheinigt der bayerischen Schulpolitik massive soziale Selektion. Darauf wurde schon wiederholt hingewiesen. Die Bildungsabschlüsse für das Gymnasium werden in Bayern vielfach vererbt. Ich wiederhole: Gerade bayerische Kinder aus den Oberschichten haben eine zehnmal höhere Chance, ein Gymnasium zu besuchen, als Kinder aus Facharbeiterkreisen.
Meine Damen und Herren der CSU, Herr Schneider, Sie, die Sie von Bildungsanstrengungen und Leistungsförderung für die Starken und die Schwachen reden, müssten sich eigentlich fragen, warum in Bayern 20% derjenigen, die die Gymnasialreife erreicht haben, den gymnasialen Abschluss nicht erreichen. Wo bleibt denn die Förderung, wenn 20% der Schülerinnen und Schüler an die Hauptschule zurück müssen?
Ich kritisiere die soziale Auslese, da auch später meist kein Ausgleich erfolgt. Wir alle wissen, was auf dem Ausbildungsstellenmarkt los ist. Absolventen von Schularten, die in der Hierarchie unseres Schulwesens weiter unten angesiedelt sind, haben weniger Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Wir haben immer wieder hohe Investitionskosten für die Nachförderung, damit auch diese Jugendlichen eine Ausbildung bekommen.
Das Berichtssystem „Weiterbildung“ weist uns außerdem darauf hin, dass die Beteiligung an der Weiterbildung im späteren Leben vom Schulabschluss abhängt. Uns geht es also vor allem um die frühe Bildungsbeteiligung. Sie ist ein wichtiger Indikator für ein leistungsfähiges Bildungssystem. Das Heranführen bildungsfernerer Schichten an höhere Schulabschlüsse muss auch in Bayern zum Maßstab für die jetzt anstehenden Reformen gemacht werden.
Hier wurde immer wieder vom zweiten Zugang zum bayerischen Abitur gesprochen. In diesem Zusammenhang wurde auf die weiterführenden Schulen hingewiesen. Ich möchte an die letzte Diskussion im Plenum erinnern und darauf verweisen, wie sehr die weiterführenden beruflichen Schulen derzeit unter der Budgetlücke leiden. Gerade bei den Fachoberschulen und Berufsoberschulen investieren Sie nicht in die weiterführende berufliche Bildung und überlassen die Jugendlichen ihrem Schicksal, die diesen Weg suchen wollen. Eine annähernd hohe Abiturientenquote wie anderswo wird in Bayern nur mit den beruflichen Schulen erreicht. Deswegen sollten Sie diese Schulen nicht vernachlässigen.
Im Übrigen zeigt Baden-Württemberg, dass es möglich ist, eine hohe Abiturientenquote und zusätzlich hohe Absolventenzahlen bei den weiterführenden beruflichen Schulen zu haben.
Abschließend, Herr Sibler, ist zu sagen: Wer heute noch behauptet, eine höhere Abiturientenquote sei nur durch Leistungsabsenkung zu erkaufen, hat aus dem internationalen Vergleich überhaupt nichts gelernt.
Spitzenländer von Pisa bestätigen, dass es nicht schadet, wenn mehr Schülerinnen und Schüler zu den Besten gehören. Für uns ist der internationale Vergleich das Maß der Dinge. Der internationale Standard sollte Ziel der Reformen sein.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, dass ich im Zusammenhang mit den Auswirkungen, den Konsequenzen und politischen Schlussfolgerungen, die wir aus der Pisa-Studie und den Konsequenzen von Pisa-E ziehen, einen Teilbereich anspreche, der in der Diskussion zunächst sehr stark im Vordergrund stand, nämlich die frühkindliche Entwicklung. Dabei ist über die Kinder
tagesstätten und die Schnittstellen zur Schule zu reden. Ich finde es bemerkenswert, dass insbesondere Vertreter der Oppositionsparteien in Interviews, in Statements und bei den Diskussionen hier im Haus den Kindertagesstätten in unserem Land nicht zugebilligt haben, dass diese gute Arbeit leisten, sondern sie wurden im Gegenteil als Hauptursache für Probleme dargestellt.
(Frau Marianne Schieder (SPD): Das ist eine Unverschämtheit, Herr Unterländer! – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das stimmt doch nicht!)
Jetzt, nachdem sich die Ergebnisse in Bayern positiv gestalten, sagen Sie nichts mehr über die Kindertagesstätten.
Wir müssen in diesem Zusammenhang klar sehen, dass sich Entwicklungsdefizite von Kindern und Jugendlichen nicht erst mit dem Eintritt in die Schule und in das Gymnasium ergeben. Vielmehr werden Sprachentwicklung, Sprachbildung und soziale Kompetenz, die für das schulische Leben wichtig sind, in den ersten Lebensjahren bis zum Eintritt in die Schule entwickelt. Deshalb ist es notwendig, den Schwerpunkt der Konsequenzen auf die frühkindlichen Einrichtungen zu legen.
Wir meinen, dass zum Erlernen von Sprachkompetenz, zur Entwicklung von sprachlichen Fähigkeiten und für den Umgang mit der Schrift – ohne die Vorverlegung der Alphabetisierung zu wollen – die Kindertagesstätten sehr nötig sind. Die Frage, die sich nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar aus der Pisa-Studie ergibt, heißt: Wie können wir die Schnittstelle zwischen Kindertagesstätten und Schulen verbessern?
Die Praxis hat inzwischen viele positive Beispiele vorzuweisen. Dort arbeiten Kindertagesstätte und Schule arbeiten vernetzt zusammen. Es gibt aber ein erhebliches Problem, an dem wir gemeinsam arbeiten sollten, nämlich die Bestimmungen des Datenschutzes. Sollte sich eine Einrichtung hinter dem Datenschutz verstecken, haben wir keine Möglichkeit, etwas Positives zu erreichen.