Protokoll der Sitzung vom 26.06.2002

Die Praxis hat inzwischen viele positive Beispiele vorzuweisen. Dort arbeiten Kindertagesstätte und Schule arbeiten vernetzt zusammen. Es gibt aber ein erhebliches Problem, an dem wir gemeinsam arbeiten sollten, nämlich die Bestimmungen des Datenschutzes. Sollte sich eine Einrichtung hinter dem Datenschutz verstecken, haben wir keine Möglichkeit, etwas Positives zu erreichen.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Es gibt andere Möglichkeiten der Zusammenarbeit!)

Unser Ziel ist es deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren – –

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ist Ihnen klar, dass Datenschutz auch etwas Positives ist?)

Selbstverständlich.

Wir sollten aber die positive Entwicklung und die Förderung des Kindes in den Vordergrund rücken. Deswegen müssen wir Kindertagesstätten und Schulen besser miteinander vernetzen. Das heißt, zusammen mit Eltern und Kindern sollen Erzieherinnen in die Schule und Lehrer in die Kindertagesstätten. Ich denke, auf diesem Weg können wir die Schnittstellen-Problematik wesentlich besser angehen.

(Frau Marianne Schieder (SPD): Wo blockiert denn hier der Datenschutz?)

Die Frage, wie dies alles organisatorisch am Besten gelöst werden kann, hängt mit der künftigen Finanzierung der Kindertagesstätten und der Qualitätssicherung – was wir in den Einrichtungen inhaltlich erreichen wollen und was wir miteinander verknüpfen wollen – zusammen. Vorschläge, eine Vorschule einzurichten, lehnen wir ab. Das ist der falsche Weg. Wir lehnen die Vorschulen als neues Instrument eindeutig ab und halten die Weiterentwicklung der bewährten Kindertagesstätten und die stärkere Vernetzung für den besseren Weg. Das bayerische Staatsministerium für Sozial-, Gesundheitsund Familienpolitik hat im Rahmen des Bildungsplanes für Kindertagesstätten den richtigen Ansatz gewählt. Diesen sollten wir weiter verfolgen.

(Beifall bei der CSU)

Ich erteile Herrn Staatssekretär Schmid das Wort.

Staatssekretär Georg Schmid (Sozialministerium) : Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Kollegen Joachim Unterländer sehr dankbar, dass er den Aspekt des Elementarbereichs noch einmal aufgegriffen hat. Auch hier war Bayern Vorreiter. Wir haben bereits 1973 in den Rahmenplan Formulierungen aufgenommen, die die Bildungs- und Erziehungsarbeit in den Kindertagesstätten betrafen.

(Frau Marianne Schieder (SPD): Und dann ans Sozialministerium weitergegeben!)

Liebe Frau Kollegin, es ist doch interessant, dass die anderen Bundesländer diesen Rahmenplan, der bereits 1973 entstand, jetzt angefordert haben, um die eignen Ergebnisse zu verbessern.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): So etwas gibt es auch in den anderen Bundesländern!)

Schimpfen Sie doch nicht schon vorher, sondern hören Sie erst einmal zu.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Sie stellen Behauptungen auf, da muss ich doch etwas dagegen sagen!)

Es ist richtig, auch andere Bundesländer haben einen Rahmenplan. Offensichtlich war der bayerische Rahmenplan aber vorbildlich. Ich kann Ihnen nur berichten, dass andere Bundesländer ihn jetzt als Beispiel anfordern.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist doch nichts Schlechtes!)

Das ist in der Tat nichts Schlimmes, es ist vielmehr etwas Angenehmes. Wenn wir etwas so Gutes gemacht haben, dann spricht das doch für Bayern, Frau Kollegin. Wir leihen es gerne aus, wir verkaufen es gerne weiter.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Zuruf der Frau Abgeordneten Werner-Muggendorfer (SPD))

Wir sind in der Aktuellen Stunde, nicht in einer allgemeinen Gesprächsrunde, Herr Schmid.

Staatssekretär Georg Schmid (Sozialministerium) : Wenn wir nur wenige Zahlen Revue passieren lassen, können wir feststellen, dass wir in diesem Elementarbereich in den letzten zehn Jahren Großartiges geleistet haben. Das gilt für das gesamte Haus. Vor allem in der Finanzierung sind wir sehr gut vorangekommen.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Marianne Schieder (SPD))

Der Freistaat Bayern hat in den Neunzigerjahren 100 Millionen DM hierfür zur Verfügung gestellt. Das ist eine Summe, die sich sehen lassen kann. Wir haben die Öffnungszeiten flexibilisiert, und wir haben jetzt für die Betreuung der Kinder unter drei Jahren und für die Kinderhorte 313 Millionen e zur Verfügung gestellt. Das sind doch Fakten, die für unsere konzeptionelle Lösung sprechen.

Frau Münzel, Sie haben gefragt – und dies ist mir ein ernstes Anliegen –, wie es in Zukunft weitergehen soll. Haben wir auch hierfür neue Überlegungen und Konzepte? – Diese Überlegungen sind notwendig, und wir wollen sie auch machen. Was den Bildungs- und Erziehungsplan anbelangt, haben wir auf der Grundlage dieses Rahmenplans den Auftrag für neue konzeptionelle Überlegungen gegeben. Diese Überlegungen sind notwendig und richtig. Wir haben einen umfassenden Auftrag an das Institut für Schulpädagogik und Bildungsforschung – an das ISB – und Prof. Dr. Fthenakis gegeben. Die Lernziele sollen neu definiert, die didaktischen Methoden überarbeitet werden. Das Selbstverständnis der Erzieherinnen als pädagogische Fachkräfte muss neu dokumentiert und formuliert werden. Auch bei der pädagogischen Fortentwicklung sind wir auf einem guten Weg. Ich darf aber noch eines festhalten, Joachim Unterländer hat eben bereits darauf hingewiesen: Wir wollen den Kindergarten zu keiner Schule machen. Das halte ich für einen falschen Ansatz und für den falschen Weg.

Wir müssen im Bildungs- und Erziehungsplan neue Schwerpunkte setzen. Ich nenne hierzu die Stichworte: interkulturelle Arbeit, Sprachförderung und musikalische Früherziehung. Dem letzten Thema haben wir uns noch in besonderer Weise zuzuwenden. Wir werden auch für die Kinderhorte – das wurde heute noch nicht angesprochen – einen Rahmenplan brauchen. Wir werden die Delphi-Studie von 1998 noch auszuwerten und in diesen Rahmenplan einzubauen haben.

Ein zentraler Punkt sind die Schlüsselqualifikationen. Personale Kompetenz, soziale Kompetenz und Lernkompetenz, all diese Aspekte müssen auch für die Kinderhorte neu formuliert werden.

Bei der Integration von Migranten befinden wir uns auf einem guten Weg, obgleich wir uns dabei auf einen schwierigen Feld bewegen. Oft kommen wir an diese Kinder nicht unmittelbar heran. Wir haben alle Möglichkeiten eruiert, wie wir bessere Kontakte knüpfen können, damit auch die Kinder der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in die Einrichtungen kommen, damit ihre Sprachkompetenz dort ausgebaut werden kann. Wir sind auch auf einem guten Weg bei der Zusammenarbeit mit den Schulen. Es ist richtig, dass wir in Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium in Vorkursen neue Wege gehen, um die Zeit zu nutzen, bevor die Kinder in die Schule kommen.

Frau Bundesbildungsministerin Bulmahn hat angekündigt, wir müssten in den kommenden zehn Jahren an Verbesserungen arbeiten. In zehn Jahren, liebe Freunde, ist es aber viel zu spät. Wir müssen diese Aufgabe jetzt angehen, und das tut der Freistaat Bayern.

(Beifall bei der CSU – Frau Marianne Schieder (SPD): Hoffentlich!)

Nächster Redner ist Herr Kollege Pfaffmann. Bitte, Herr Kollege.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der inhaltlichen Auseinandersetzung wurde hier sehr vieles gesagt. Wir werden im Bildungsausschuss über die Fakten noch ausführlich diskutieren können. Deshalb möchte ich an dieser Stelle ein paar grundsätzliche politische Anmerkungen machen.

Es hat überhaupt keinen Sinn zu versuchen, das Abschneiden Bayerns in der Pisa-E-Studie des innerdeutschen Ländervergleichs oder das Schulwesen in Bayern in toto schlecht zu reden.

(Hofmann (CSU): Endlich! – Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Meine Damen und Herren von der CSU, ich habe Verständnis, dass Sie sich freuen und Ihre Freude darüber ausdrücken. Das ist doch ganz in Ordnung.

(Hofmann (CSU): Endlich eine vernünftige Bemerkung!)

Es gibt aber noch einen zweiten Aspekt, und auf den möchte ich hier hinweisen. Es hat doch keinen Sinn, sich als Schulmeister aufzuspielen, nur weil Bayern in einem Teilbereich der Schulpolitik, nämlich beim Ländervergleich der Pisa-Studie, ein gutes Ergebnis eingefahren hat. Deshalb bitte ich hier um eine konstruktive Debatte. Es ist nicht zuträglich, wenn der Fraktionsvorsitzende der CSU hier anführt, die SPD hätte sich an die Schulpolitik der CSU angeglichen. Das macht keinen Sinn, und das hat mit der Pisa-Studie auch nichts zu tun. Das möchte ich doch einmal deutlich machen. Im Übrigen

können wir nachweisen, dass die SPD-Fraktion in den letzten Jahren mindestens 25 Anträge gestellt hat, die Sie abgelehnt haben, um deren Inhalte anschließend fast wortgleich – ich kann Ihnen die Drucksachennummern zeigen – in die Entschließungspapiere Ihrer Klausurtagungen aufzunehmen. Das muss man hier doch einmal erwähnen. Von wegen die SPD hätte sich angeglichen!

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Fraktion hat vielmehr dafür gesorgt, dass es nicht zu einer ausschließlichen CSU-Politik gekommen ist – das ist auch ihr Job als Opposition. Sie hat dafür gesorgt, dass es zu einem vernünftigen Mix verschiedener politischer Richtungen kam. Auch das hat zu dem Erfolg beigetragen, den die Studie jetzt bescheinigt.

Meine Damen und Herren, es hat überhaupt keinen Sinn, die Ergebnisse der Pisa-Studie parteipolitisch zu missbrauchen. Hiervon rate ich Ihnen dringend ab.

(Glück (CSU): Danke für die Fürsorge!)

Sie haben keinen Grund dafür. Ihre Argumente, sehr verehrte Frau Staatsministerin, sind nur auf den ersten Blick richtig. Das möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen. Sie sagen, die nachgewiesenermaßen schlechtere Abiturientenquote hätte damit zu tun, dass Bayern auch auf die handwerklichen Berufe Wert legt. Auf den ersten Blick mag das richtig sein. Ich gebe Ihnen aber zu bedenken, dass Sie dabei alle Prognosen und Voraussagen der Wirtschaft und der Arbeitswelt unberücksichtigt lassen. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass das heutige Anforderungs- und Bewerbungsprofil immer stärker Abitur oder Fachhochschulreife voraussetzt, und das gilt auch für die Handwerksbetriebe und für Betriebe, die noch vor 20 Jahren mit einem ganz normalen Schulabschluss zufrieden waren. Wenn Sie mit den genannten 28% noch 20 Jahre weiter machen, wird niemand mehr in den Handwerksbetrieben eine Anstellung bekommen, weil auch diese Betriebe dann das Abitur verlangen werden. Das ist keine Prognose der SPD-Opposition hier im Hause, sondern das sind Prognosen von wissenschaftlichen Institutionen, die Sie zur Kenntnis nehmen sollten. Langfristige Konsequenz wird der Import von Akademikern sein, weil die bayerischen Schülerinnen und Schüler in zehn bis fünfzehn Jahren aufgrund der schlechten Abiturientenquote den Bedarf nicht mehr decken können. Auf den zweiten Blick hin, müssten Sie das erkennen.

Voneinander lernen ist die eigentliche Botschaft der Pisa-Studie; man sollte sie nicht parteipolitisch ausschlachten. – Die Pisa-Studie eröffnet eine große Chance, Herr Glück. Das öffentliche Interesse an der Bildungspolitik durch die Pisa-Studie wird wieder in den Fokus der Auseinandersetzung gerückt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist eine einmalige Chance.

Der Ablauf der Aktuellen Stunde – ich bin sofort fertig, Herr Präsident –, erweckt nicht den Eindruck, dass diese

Chance wahrgenommen wird. Die Menschen wollen als Signal der Pisa-Studie ein Kämpfen und VoneinanderLernen anstelle von parteipolitischen Auseinandersetzungen, um im internationalen Vergleich einen besseren Standard für unsere Schülerinnen und Schüler zu erreichen. Lassen Sie uns gemeinsam im Bildungsausschuss darüber reden; das ist der bessere Weg.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat Kollege Nöth das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf zunächst einmal erfreut feststellen, dass heute im Rahmen der Debatte gerade von Bildungspolitikern der SPD-Fraktion scheinbar doch neue Töne angeschlagen werden. Das überrascht. Ich hoffe, dass wir bei den künftigen Debatten nicht enttäuscht werden.