Protokoll der Sitzung vom 11.07.2002

Bundesweit ist ohnehin der Trend erkennbar, Integrierte Leitstellen zu errichten, bei denen die Alarmierung der Feuerwehr und des Rettungsdienstes zusammengefasst sind. Darüber hinaus hat sich die EU für die Einführung einer europaweit einheitlichen Notrufnummer 112 entschieden. Bisher gibt es in Bayern 26 Rettungsleitstellen für die Koordinierung von Rettungsdiensteinsätzen. Bei den Feuerwehren finden sich 330 unterschiedliche Alarmierungsstellen, also 24 Feuerwehreinsatzzentralen, 80 Polizeidienststellen und 127 Nachalarmierungsstellen.

Im August 1997 hat das Staatsministerium des Innern aufgrund des Beschlusses des Landtags vom 18.12. 1996 eine Machbarkeitsstudie vorgelegt, die sieben Möglichkeiten aufzeigt. Die CSU-Fraktion hat daraufhin die Projektgruppe „Einheitliche Notrufnummer“ gegründet, um dieses Gesetzgebungsvorhaben zu begleiten. Wir haben uns vor Ort bei den Polizeidienststellen, bei den Feuerwehreinsatzzentralen, bei der Integrierten Leitstelle in München und bei Rettungsdienstleitstellen informiert. Mehr als ein Jahr lang haben wir mit den kommunalen Spitzenverbänden, mit dem Landesfeuerwehrverband und mit dem Roten Kreuz Gespräche geführt. Inzwischen kann bei allen fachlich Betroffenen zum Vorhaben „Einheitliche Notrufnummer 112“ sowie zur Einführung so genannter Integrierter Leitstellen Zustimmung festgestellt werden.

Ich will die Kernpunkte des Gesetzes kurz zitieren. Landesweit wird nur ein einheitliches Lösungsmodell, die so genannte Integrierte Leitstelle am neutralen Standort, umgesetzt. Träger dieser Leitstellen sind Zweckverbände aus den beteiligten Landkreisen und Städten, die auf der Ebene der bisherigen Rettungszweckverbände gebildet werden. Wir haben also lediglich eine Aufgabenmehrung der bestehenden Zweckverbände. Jeder Rettungsdienstbereich wird nur von einer Integrierten Leitstelle betraut. Diese Integrierte Leitstelle übernimmt grundsätzlich alle Alarmierungsaufgaben, also die Notrufannahme und die Erst- und Zweitalarmierung.

Die Auswahl der Betreiber der Integrierten Leitstelle sowie die Entscheidung über den Standort treffen jeweils die Zweckverbände vor Ort. Wir trauen den Landkreisen, Städten und ihren Vertretern zu, dass sie vernünftige Sachentscheidungen treffen. Ob sie einen Privaten beauftragen, können auch sie entscheiden. Sie sprechen immer von der Verlagerung nach unten. Doch wenn wir eine Entscheidung nach unten verlagern, ist es Ihnen auch nicht recht, weil Sie offensichtlich in Wahrheit diese Entscheidung den betroffenen Landkreisen und Gemeinden nicht zutrauen.

Die wesentlichen technischen und personalpolitischen Fragen sind landesweit einheitlich zu regeln. Wir werden alles daran setzen, dieses Konzept stufenweise umzubauen. Die einzelnen Zweckverbände werden sich die Entscheidung über den Standort und über die Beauftragung nicht leicht machen. Sie können dies durch Diskussionen erledigen, aber natürlich auch Gutachten über die tatsächliche Eignung einholen, damit sie im Endeffekt zur günstigsten Lösung kommen.

Der Staat wird sich an den Investitionskosten mit schätzungsweise 40 Millionen e beteiligen. Wir haben die aus

1997 stammenden Zahlen überprüfen lassen. Aufgrund der Kostenentwicklung, der Kostenermäßigungen in manchen Bereichen und Kostensteigerungen in anderen Bereichen glauben wir zusammen mit dem Gutachter, dass die Zahlen noch zutreffen. Wir werden bei den Betriebskosten durch Synergieeffekte Einsparungen erzielen können, da wir künftig weniger parallele Strukturen betreiben müssen. Durch den Betrieb der Integrierten Leitstellen werden systembedingt auf jeden Fall nur minimale Mehrkosten, zum Beispiel bei der Ausbildung, entstehen. Bisher mussten sogar zwei Personen – in der Feuerwehreinsatzzentrale und in der Rettungsleitstelle – ausgebildet werden; auch hier wird sich nichts Wesentliches ergeben. Wir glauben, dass dieser Gesetzentwurf gelungen ist.

Ich trete zum Schluss den Ausführungen der SPD nochmals vehement entgegen. Sie sagen, die Einführung der einheitlichen Notrufnummer für alle Notfälle sei in Bayern gescheitert, und bringen als Beleg, dass die KVB ihre Aufgaben des ärztlichen Bereitschaftsdienstes nicht überträgt. Auch hier verkennen Sie die Sachlage völlig; denn die Heranholung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes ist kein Notfall, sondern der ärztliche Bereitschaftsdienst wird dann geholt, wenn der Hausarzt angerufen wird, aber wegen der Betriebszeiten oder Abwesenheit nicht erreichbar ist. Dies ist kein Notfall-, sondern ein normaler Arzteinsatz.

(Dr. Hahnzog (SPD): Sie haben keine Ahnung!)

Herr Dr. Hahnzog. Für Notrufe sind die Integrierten Leitstellen in vollem Umfang zulässig. Sie mögen vom Fußballspiel eine Ahnung haben, aber mit dieser Materie haben Sie sich nicht befasst.

(Beifall bei der CSU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Hahnzog?

Bitte schön.

Herr Kreuzer, ist Ihnen bekannt, dass ich Mitte der Siebzigerjahre der erste Rettungszweckverbandsvorsitzende in ganz Bayern war?

– Herr Dr. Hahnzog, das ist zu lange her. Entweder haben sich die Dinge geändert oder Sie können sich nicht mehr richtig daran erinnern.

(Dr. Hahnzog (SPD): Schon damals sind diese Systeme verhandelt worden!)

Damit wir nicht aneinander vorbeireden: Auch wir bedauern, dass die KVB nicht eingestiegen ist. Auch wir haben vonseiten der Fraktion und des Ministeriums versucht, sie ins Boot zu holen. Es ist uns nicht gelungen, auch der SPD-Fraktion nicht. Oder haben Sie keine Gespräche geführt? Wenn Sie Gespräche geführt haben, ist es auch

Ihnen nicht gelungen, die KVB ins Boot zu holen. Aber eines wollen wir nicht vergessen: Wir haben trotzdem ein einheitliches Notrufsystem. Wer in Not ist, wählt die Nummer 112. Wer einen Arzt braucht, wählt eine andere Nummer. Deswegen sind Ihre Feststellungen und Ihre Kritik in diesem Bereich falsch.

(Beifall bei der CSU – Dr. Hahnzog (SPD): Wenn sich jemand so aufregt, muss er die Nummer 112 wählen!)

Ich möchte zum Schluss der Projektgruppe und meiner Fraktion, dem Landesfeuerwehrverband, dem Roten Kreuz und den Kommunalen Spitzenverbänden für ihre konstruktive Mitarbeit danken, auch in den Arbeitsgruppen des Innenministeriums, die wir begleitet haben. Dort wurden unter großem Aufwand Einzelheiten ausgearbeitet. Den Verbänden ist im Vorfeld oft vorgeworfen worden: Das wird eine ganz schwierige Sache, weil die nur ihre eigenen Interessen vertreten.

Selbstverständlich haben diese Verbände in diesem Bereich Interessen. Das Bayerische Rote Kreuz betreibt 25 von 26 Leitstellen. Die Feuerwehren haben 127 Nachalarmierungsstellen. Diese Tätigkeit ist ehrenamtlich durchgeführt worden; die Kommunen sind für die Finanzierung zuständig.

Ich kann zum Schluss feststellen: Keiner dieser Verbände hat hier einen Scheuklappenlobbyismus betrieben. Wir haben konstruktive Gespräche geführt und sind uns am Ende einig geworden. Wir alle sagen Ja zur integrierten Leitstelle und zur einheitlichen Notrufnummer 112. Das neue System wird Verbesserungen für die Menschen, die in Not sind, bringen. Ein Notruf wird für sie mit der einheitlichen Notrufnummer 112 einfacher. Die Alarmierung wird schneller, denn sie erfolgt aus einer Hand. Es gibt in der Regel keine Weiterleitung von Notfallmeldungen mehr. Die verschiedenen Organisationen wie Feuerwehr und Rotes Kreuz können in schwierigeren Einsätzen besser koordiniert werden.

Dieses System ist für in Not geratene Menschen eine Verbesserung und erleichtert den Hilfskräften durch eine konkrete und schnelle Alarmierung ihre Arbeit. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist der richtige Weg, und deshalb bitte ich Sie: Lehnen Sie die unnötigen und teilweise falschen Änderungsanträge der SPD-Fraktion ab, und stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu.

(Beifall bei der CSU – Hofmann (CSU): Schuster, bleib bei deinem Leisten! – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Herr Hofmann, und wo bleiben Sie?)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor ich die nächste Wortmeldung erteile, möchte ich in der Diplomatenloge den Botschafter der Tunesischen Republik, Herrn Anouar Berraies, begrüßen, ebenso Herrn Konsul Mahjoub Lamti, den Konsul der Tunesischen Republik in München. Herzlich Willkommen im Bayerischen Landtag.

(Allgemeiner Beifall)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Tausendfreund.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Dieser Gesetzentwurf ist zwar nicht optimal, aber er bringt uns die einheitliche Notrufnummer. Im Notfall zählt jede Minute und jede Sekunde.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Den heutigen modernen, technischen Anforderungen kann nur noch mit einer einheitlichen Notrufnummer genügt werden. Dabei ist auch auf die Gewohnheiten der Bürgerinnen und Bürger einzugehen. Es wird immer mehr mobil telefoniert. Man will keine Rücksicht mehr auf Vorwahlen nehmen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ein plötzlicher Notfall ist immer mit Stress und Aufregung verbunden. Trotzdem darf es dabei nur den einen Gedanken geben: den Gedanken an eine Nummer. Die Nummer 112 ist den Bürgerinnen und Bürgern bekannt und kann ungeachtet jeder Vorwahl angewählt werden. Bei der Nummer 19222 ist es noch anders; das kann technisch auch nicht verändert werden. Diese Selbstverständlichkeit einer einheitlichen Notrufnummer durchzusetzen, war ein höchst schwieriges Unterfangen und ist es offensichtlich immer noch. Zehn Jahre sind eine lange Zeit für ein solches Vorhaben.

Was heute auf dem Tisch liegt, sind nur zwei Drittel dessen, was man eigentlich erreichen wollte. Die Staatsregierung hat einerseits Zeit verloren, auf der anderen Seite gab es natürlich auch Widerstände. Da geht es zum Beispiel um das Selbstverständnis und die Ehre bei den Feuerwehren, die stolz auf ihre Feuerwehreinsatzzentralen sind und diese ungern aufgeben oder mit anderen teilen wollen.

Da geht es auf der anderen Seite auch um das Geld. Das wird gerade bei den eifersüchtigen Machtkämpfen um die Betreiberstellung deutlich. Ich nenne insbesondere das Bayerische Rote Kreuz, das am liebsten die Alleinherrschaft über die Einsatzzentralen und über die integrierten Leitstellen hätte. In diesem Zusammenhang war natürlich der Änderungsantrag der SPD-Fraktion pikant. Nach dem Wortlaut waren alle Privaten davon ausgeschlossen – und damit auch das Bayerische Rote Kreuz –, die integrierten Leitstellen zu übernehmen.

(Wahnschaffe (SPD): Das Bayerische Rote Kreuz ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts!)

Ich hielt diesen Antrag eigentlich für positiv, und deshalb haben wir zunächst zugestimmt. Das war eigentlich der richtige Weg, die Leitstellen in kommunaler Hand zu behalten.

(Beifall der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Mit dieser verwässerten Änderung können wir dem Antrag jetzt nicht mehr zustimmen. Wenn die Körper

schaften des öffentlichen Rechts die Leitstellen betreiben können, dann könnte – solange er noch Körperschaft des öffentlichen Rechts ist – auch der Deutsche Orden die Betreiberschaft übernehmen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Andere Dienste wären wiederum davon ausgeschlossen. Dem Bayerischen Roten Kreuz diese Sonderposition einzuräumen, ist wirklich nicht sachgerecht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn es bei der jetzigen Regelung bleibt, dass Private beauftragt werden können, dann kann ich an dieser Stelle nur an die Landkreise und kreisfreien Städte appellieren, dass sie hier sehr zurückhaltend mit der Beauftragung Privater sein sollten. Wir hätten diese Beauftragungsmöglichkeit am liebsten ausgeschlossen.

Es ist richtig, dass die Einzelheiten vor Ort individuell geregelt werden müssen. Dafür lässt das Gesetz ausreichend Spielraum. Es müssen aber die integrierten Leitstellen und damit ein effektives und schnelles Alarmierungssystem für alle Notrufe, Notfallmeldungen, Informationen, den Rettungsdienst, die Feuerwehr und den Katastrophenschutz zuständig sein. Jede Extrawurst verschlechtert das System.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau!)

Die Feuerwehr im Landkreis München – zufällig komme ich auch aus dem Landkreis München – hat diese Extrawurst zusammen mit Innenminister Dr. Beckstein gebraten. Es hat auch noch andere Landkreise gegeben – Neumarkt, Kitzingen, Memmingen –, die sich das überlegt haben. Dort wird es wohl nichts. Aber im Landkreis München haben wir eine so ehrgeizige Feuerwehr, dass sie ihre Feuerwehreinsatzzentrale als Leitstelle behalten möchte. Diese Möglichkeit wird mit der Ausnahmeregelung, die wir auch gestrichen haben wollen, ermöglicht. Da stimmen wir dem SPD-Antrag selbstverständlich zu. Für die Ehre, die eigene Feuerwehreinsatzzentrale behalten zu dürfen, werden hier keine Kosten und Mühen gescheut. Es wird für den Landkreis München deutlich teurer werden. Das sind aber alles nur öffentliche Gelder.

Mit der massiven Unterstützung unseres Landrates Heiner Janik und dem Innenministerium sollen diese öffentlichen Gelder verbraten werden. Bisher hat er unseren Kreistag dazu überhaupt noch nicht befragt; das ist auch interessant. Das Thema wurde weder im Kreisausschuss, noch im Kreistag selbst behandelt.

Von dieser Stelle kann ich nur sagen: Landrat Janik hat eine interessante Amtsauffassung, möglichst alles am Kreistag und an den gewählten Gremien vorbei zu entscheiden.

(Dr. Bernhard (CSU): Wie der Bundeskanzler!)

Der eigentliche Sinn der integrierten Leitstelle wird verfehlt, wenn die Feuerwehreinsatzzentralen im Einzelfall wieder herausgelöst werden können. Auch der Feuerwehrverband – ich begrüße Herrn Karl Binai in der Diplomatenloge, den Chef des Landesfeuerwehrverbandes – wettert gegen diese Ausnahmeregelung. Ich darf ihn zitieren: