Protokoll der Sitzung vom 16.07.2002

Sie haben uns damals im Ausschuss als unsozial bezeichnet; ich bezeichne diese Vorschläge, die Sie heute billigen möchten, als einen sozialen Kahlschlag innerhalb der bestehenden Arbeitslosenversicherung.

(Strasser (SPD): Der Schröder hat etwas anderes gesagt!)

Aber diese Vorschläge gehen noch weiter. Alle Verbände fordern eine Entbürokratisierung des Arbeitsmarktes. Hiervon ist in diesen Vorschlägen überhaupt nicht die Rede. Übernahmen von Personalabteilungen bezie

hungsweise die Schaffung von Kompetenzzentren sind sicherlich nicht geeignet, Bürokratie zu verhindern.

Der vorgelegte Dringlichkeitsantrag – ich komme zum Ende, Herr Präsident – zeigt Wege auf, wie man die Probleme auf dem Arbeitsmarkt lösen kann. Stimmen Sie diesem Antrag zu, damit Sie zumindest einmal in dieser Legislaturperiode etwas für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land tun!

(Beifall bei der CSU – Gartzke (SPD): Mit Schlaftabletten schaffen wir das nicht!)

Jetzt hat Kollege Wahnschaffe das Wort. – Ich weise noch einmal darauf hin, dass am Rednerpult tatsächlich ein rotes Licht aufleuchtet, wenn die Redezeit zu Ende ist.

(Heiterkeit des Abgeordneten Leeb (CSU))

Dann sollte man sich kurz fassen und zum Ende kommen.

Herr Präsident, ich werde versuchen, das zu beherzigen. – Herr Staatsminister Dr. Wiesheu, Sie haben heute wieder einmal ein deutliches Beispiel dafür gegeben, wie man Probleme mit Polemik übergehen kann. Sie haben in diesem Zusammenhang von „schäbig“ gesprochen. Schäbig haben Sie sich verhalten, als Sie über Arbeitslose in Bayern, insbesondere in Oberfranken gesprochen haben, als wären sie Luft.

(Beifall der Abgeordneten Frau Steiger (SPD) und Werner (SPD))

Wir haben in Hof eine Arbeitslosenquote von 10%. Sie haben gesagt, die Menschen in anderen Bundesländern wären froh, wenn sie die Arbeitslosigkeit von Oberfranken hätten. Damit diskreditieren Sie gleichzeitig die Arbeitslosen in Franken, und zwar in ganz erheblichem Maße.

(Widerspruch bei der CSU – Kaul (CSU): Das ist unerhört, was Sie machen! – Weitere Zurufe von der CSU – Gegenrufe von der SPD)

Hier wird heute ausgerechnet von denen eine Stellvertreterdiskussion geführt, die 16 Jahre Stillstand und Reformstau in diesem Land zu verantworten haben.

(Beifall bei der SPD)

Diese Leute wollen uns heute Glauben machen, dass sie die besseren Rezepte haben, –

(Zuruf des Abgeordneten Gartzke (SPD) – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

um Arbeitslosigkeit nachhaltig zu überwinden.

(Beifall bei der SPD – Kaul (CSU): Das werden wir erleben!)

Ihre Rezepte zur Überwindung der Arbeitslosigkeit sehen so aus: Lohnfortzahlung verschlechtern,

(Dr. Bernhard (CSU): Wo denn?)

Kündigungsschutz kappen, Teilzeitgesetz aufheben, Schlechtwettergeld stornieren.

Meine Damen und Herren, wenn man Arbeitnehmer rechtlos stellt, wird man keine neuen Arbeitsplätze, sondern nur Unzufriedenheit schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Wer im Bund regieren will, muss in Bayern erst einmal beweisen, dass er es besser kann.

(Beifall bei der SPD – Hofmann (CSU): Der Schröder hat das aber niemals geschafft!)

Meine Damen und Herren, schauen wir uns doch einmal die Bilanz an. Frau Stewens hat wohlweislich nur über den Bund gesprochen. Die Aktivitäten der Staatsregierung hat sie verschwiegen. Herr Wiesheu hat im Grunde nur gegen den Bund polemisiert. Wie sieht denn Ihre Bilanz aus? – Von den Insolvenzen haben wir schon gesprochen. Ob es nun Kirch, Schneider oder die Maxhütte ist, es ist Ihre Bilanz, die Sie zu ziehen haben. Ich darf eine Passage aus der „Süddeutschen Zeitung“ von letzter Woche in Erinnerung rufen:

In Bayern hat sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt in den vergangenen Monaten deutlich schlechter entwickelt als in nahezu allen anderen westlichen Bundesländern.

Hier spielt die Musik, hier sind die Verschlechterungen, hier haben wir deutliche Einbrüche, und das kann man in einzelnen Bereichen auch noch konkretisieren. In Oberbayern, im Kernland, auf das Sie sich so gerne berufen, ist die Arbeitslosigkeit innerhalb eines Jahres um 27% gestiegen. Das ist ein Rekord.

(Willi Müller (CSU): Das ist doch eine echte Milchmädchenrechnung!)

Aber wie gehabt: Frau Stewens führt diese Entwicklung natürlich auf das Versagen der Bundesregierung zurück. Für die Wohltaten sind Sie, für die schlechten Nachrichten ist der Bund verantwortlich. Das ist so einfach, dass es Ihnen keiner glaubt.

Meine Damen und Herren, Sie haben sehr stark auf den Beschäftigungspakt Bayern gesetzt. Heute stehen Sie vor einem Scherbenhaufen, und den haben Sie mutwillig verursacht. Sie haben das Tariftreuegesetz im Bundesrat wider jede Vernunft zu Fall gebracht, obwohl wir in Bayern ein eigenes Tariftreuegesetz haben.

(Kobler (CSU): Ein besseres!)

Dieses Verhalten zeigt doch nur, dass Sie im Augenblick alle sinnvollen Gesetze, die vom Bundestag verabschiedet werden, verhindern wollen. Dazu missbrauchen Sie Ihre Mehrheit im Bundesrat.

(Dr. Bernhard (CSU): Lafontaine lässt grüßen!)

Wir haben in diesen Wochen viel über Pisa gesprochen. Sie haben sich in die Brust geworfen und gesagt, wir seien in Bayern ja so gut.

(Kobler (CSU): Da sind wir auch besser!)

Sie müssen sich aber Folgendes vergegenwärtigen. Bildung schützt vor Arbeitslosigkeit. Das sage nicht ich, sondern das sagt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Köln. Jeder Siebte, der keine Ausbildung hatte, war Anfang der 90er Jahre arbeitslos. Heute ist es jeder Vierte.

(Signal des Präsidenten)

Herr Präsident, ich habe es gesehen, ich führe diesen Satz nur noch zu Ende. 15% der Jugendlichen in Bayern verlassen heute ohne jeden Abschluss die Schule. Das ist das Ergebnis Ihrer Bildungspolitik, und Prof. Baumert, der Leiter der Pisa-Studie, hat gesagt, diesen Kindern entziehe man Lebenschancen.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Kollege Pschierer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Wahnschaffe, lassen Sie mich zunächst einmal ein klein wenig Sachlichkeit in die Diskussion bringen. Sie haben gerade die Pisa-Studie erwähnt. Hier hätten Sie den größten Nachholbedarf. Sie sind nicht einmal in der Lage, die Erhöhung der Arbeitslosigkeit in Bayern in Relation zu den anderen Bundesländern zu setzen. Sie sind das lebende Beispiel dafür, dass die Pisa-Ergebnisse doch Wirklichkeit sind. Wenn die Arbeitslosigkeit von 5% um einen Prozentpunkt auf 6% steigt, sind es halt nun einmal 20%. Wenn sie aber von 10%, wie in Nordrhein-Westfalen oder in anderen Ländern, um einen Prozentpunkt steigt, dann ist es nun einmal 1%.

(Zurufe von der SPD: 10!)

Entschuldigung, 10%!

(Lachen bei der SPD – Zurufe von der SPD: Das kann doch nicht wahr sein! Sie können gleich noch einmal von vorne anfangen! – Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Haben Sie schon ein paar Prozent zuviel? – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schleißheim kommt noch!)

Sie brauchen sich nicht so zu freuen. Ich komme schon noch auf ein paar Punkte zu sprechen, und dann werden Sie noch staunen.

Herr Maget, Sie haben vorhin gesagt, Herr Schröder habe sich getäuscht. Ich sage Ihnen jetzt ganz bewusst: Herr Schröder hat sich nicht getäuscht, er hat andere getäuscht. Ich liste es Ihnen noch einmal auf. Ihr Bundeskanzler ist nicht nur bei der Arbeitslosigkeit mit Ver

sprechungen aufgetreten, die er nicht einhalten konnte. Er hat bei der Regierungserklärung gesagt, er würde die Sozialversicherungsbeiträge von heute 42% auf unter 40% senken. Nichts ist passiert. Wir haben heute immer noch die gleiche Höhe. Gleiches gilt für die Rentenpolitik. Die Stimmen der Bundestagswahl waren noch gar nicht ausgezählt, da haben Sie schon die Rentenerhöhung außer Kraft gesetzt und die Renten nur noch inflationsbereinigt erhöht.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist doch gar nicht wahr!)

Bei der Staatsverschuldung haben Sie in Brüssel darum gebettelt, dass der blaue Brief nicht kommt. Die Gesundheitsreform ist ebenfalls eine Fehlanzeige.