Aber schauen Sie sich einmal die Zahlen an: Oberfranken hat für sich genommen – mal abgesehen von Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz – einen besseren Schnitt bei der Arbeitslosigkeit als alle anderen Länder. Beim Vergleich mit Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bremen, Hamburg oder SchleswigHolstein müssen Sie feststellen, dass Oberfranken besser als die anderen Länder, außer Baden-Württemberg, Hessen oder Rheinland-Pfalz, dasteht, obwohl es eine problematische Region ist. Alle SPD-regierten Länder wären froh, wenn sie die Arbeitslosigkeit von Oberfranken hätten.
Wir machen eine ganze Menge, und das wissen Sie auch. Wir haben das schon x-Mal ausdiskutiert. Ich korrigiere nur Ihre falschen Behauptungen.
Nun zur Pleitewelle. NRW liegt bei den Pleiten – auch gerechnet pro Kopf der Bevölkerung – weit über Bayern. Bei Kirch haben Sie gebrüllt, es handle sich um die größte Pleite Deutschlands. Bei Kirch waren 10000 Arbeitnehmer betroffen, der größte Teil der Arbeitsplätze bleibt erhalten. Babcock hat 22000 Beschäftigte. Das ist erheblich mehr. Wenn Sie nach der größten Pleite in Deutschland fragen, dann muss ich Ihnen sagen: Babcock ist die größte Pleite, die Deutschland in den letzten Jahren erlebt hat, und zwar unter der Verantwortung einer rot-grünen Regierung.
Jetzt erinnere ich an die Sprüche des Herrn Clement in Bezug auf Kirch. Er hat gesagt, die Landesbank habe nicht aufgepasst und die Konstruktionen mit den Toch
terfirmen und Unterfirmen dürfte es nicht geben. Er hat gesagt: Wenn wir hier Kredite geben würden, würden wir das so organisieren, dass wir eine klare Transparenz und einen Überblick hätten. Die West-LB ist bei Babcock nicht nur Kreditgeber, sie ist auch beteiligt und hat Sitz und Stimme im Aufsichtsrat. Was haben wir denn zu lesen bekommen? 300 Tochterfirmen bei Babcock, und kein Mensch blickt mehr durch. Kein Mensch weiß mehr, was los ist, und der Oberschlaumeier Clement blickt schon gar nicht mehr durch. Jetzt ist es vorbei mit seinen Sprüchen. Jetzt ist es vorbei mit den angekündigten Heldentaten. Wie steht es denn nun mit seiner Weisheit? Jetzt ist er so klein mit Hut, und Sie machen immer noch Sprüche. Da kann ich nur noch staunen.
Jetzt kommen wir zur nächsten Zahl, wenn schon ein paar Großpleiten herausgegriffen werden. Bei der Firma Dornier war von der staatlichen Seite her die Bundesregierung mit zwei Dritteln und wir mit einem Drittel dabei. Komischerweise fällt das bei Ihnen durch den Rost. Bei Babcock haben die rot-grünen Regierungen – in Düsseldorf und in Berlin – Millionensummen an Bürgschaften angeboten; das haben wir bei Kirch alles nicht gebraucht. Ich nehme als Beispiele einmal nicht die Großen, sondern die Kleinen: Im Jahre 2000 waren es 22000 Pleiten und im Jahre 2001 32000. Im Jahre 2002 werden es 40000 Pleiten sein, die privaten Haushalte noch gar nicht eingerechnet.
Das ist eine überdimensionale Steigerung der Pleiten. Wenn man unterstellen würde, dass jeder Betrieb, der Pleite geht, einen Beschäftigten hat, wären zusammen mit dem Inhaber 80000 Arbeitsplätze betroffen. Letztlich sind es aber viel mehr. Plötzlich sagen Sie, das gehe Sie nichts an. Warum denn nicht? – Als Herr Schröder Ministerpräsident war und nach seiner mageren Bilanz in Niedersachsen gefragt worden ist, hat er gesagt: Ich kann nichts dafür, ich habe nicht den Zugriff auf die Rahmenbedingungen.
Der Zugriff liegt in Bonn – jetzt in Berlin. Jetzt ist Schröder in Berlin und kann anscheinend wieder nichts dafür. Jetzt ist wahrscheinlich Brüssel verantwortlich, aber auch da sind einige von Rot-Grün in der Verantwortung. Wahrscheinlich ist demnächst die UNO oder wer auch immer verantwortlich. – Verantwortlich ist die Bundesregierung, und die kümmert sich nicht um die Probleme.
Die Beschäftigtenquote ist in Bayern erheblich höher als in anderen Ländern. Würden wir für andere Länder die Beschäftigtenquote von Bayern unterstellen, hätten diese Länder bei der Arbeitslosigkeit erheblich höhere Quoten. Dieser Punkt wird meistens außer Acht gelassen. Das schönste Argument ist immer das mit dem Zuwachs der Arbeitsplätze. Bis 1998 waren die 630-DMJobs nicht in der Statistik der Arbeitsplätze enthalten. 1999 sind sie als sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse in der Statistik. Der Beschäftigungszuwachs, den Sie zitieren, geht zu zwei Drittel – so sagen die Arbeitsämter – auf die 630-DM-Regelung zurück.
Netto hat Bayern einen Beschäftigungszuwachs, und zwar im Wesentlichen als einziges Land. Sie haben 1998 ein Land übernehmen können, das im Aufschwung war und Wirtschaftswachstum gehabt hat. Diese Entwicklung haben Sie erfolgreich abgewürgt. Weil man nicht mehr weiter weiß und Herr Schröder mit der ruhigen Hand nicht mehr weiter kommt, heißt es: Der Hartz muss helfen. Das ist im Übrigen das 41. Gutachten zum Arbeitsmarkt, das diese Bundesregierung hat anfertigen lassen. Alle anderen sind in den Schubladen verschwunden.
Das Hartz-Gutachten bringt nicht viel Neues, mit Ausnahme von einzelnen Themen. Ich muss mich wundern, meine Damen und Herren von der SPD: Hartz propagiert die Ich-AG, bei der ein Arbeitsloser nebenbei bis zu 20000 e verdienen kann, und zwar als Haushaltshilfe, als Aushilfsgärtner, als Aushilfskeller oder in anderen Funktionen. Jetzt frage ich Sie: Warum haben Sie denn das Scheinselbstständigengesetz gemacht? Wir haben gesagt, das sei falsch, weil man vieles, was sich zur Selbstständigkeit entwickeln kann, damit unterbindet. Sie haben als Beispiele angeführt, Haushaltshilfen, Kellner oder Lastwagenfahrer würden als Scheinselbstständige ausgebeutet.
Jetzt aber kommt die „Ich AG“ mit genau diesen Vorschlägen. Sie müssen doch Purzelbäume schlagen, wenn Sie ihrer bisherigen Argumentation treu bleiben wollten. Was war denn jetzt richtig? War die Scheinselbständigenregelung, die Sie gemacht haben, richtig, weil Sie Missbrauch beseitigt, oder ist die „Ich AG“ richtig? Dann eröffnen Sie aber in ungeheuerem Maße und weit mehr als bisher die Missbrauchsmöglichkeiten. Sie laufen hier wie eine Herde Schafe einem Leithammel hinterher und rufen: „Hartz, Hartz“, so wie die Schafe „Mäh, Mäh“ rufen, und zwar ohne darüber nachzudenken, was in dem Papier überhaupt steht.
Das ist seltsam. Ich frage mich auch, warum Sie die 630-DM-Regelung geändert haben. Jetzt kann man bis zu 20000 e verdienen, bei einem zehnprozentigen Steuerabschlag. Was ist denn dann bei der „Ich AG“? Der Beschäftigte, der unter das 630-DM-Gesetz fällt, musste eine Riesenbürokratie durchlaufen. Dann kommt der nächste und sagt: Ich mache eine „Ich AG“, da bekomme ich bis zu 20000 e bei einem zehnprozentigen Pauschalabzug. Warum sind Sie dann eigentlich gegen unsere 400-e- bzw. 800-e-Regelung, wenn Sie bis zu 20000 e gehen und sich dabei mit einem Zehn-Prozent-Abschlag zufrieden geben? Dahinter steckt doch überhaupt keine Logik. Sie laufen den Hartz-Vorschlägen hinterher – ich sage es noch einmal – wie eine Herde Schafe. Ich glaube, Sie haben das Problem noch nicht einmal genügend durchdacht.
Der vorletzte Punkt: Die über 55-Jährigen aus der Arbeitslosenstatistik herauszunehmen und zu sagen, Freunde, euch braucht man nicht mehr, ist sozial mehr als schäbig.
Ich halte das für sozial mehr als schäbig und wirtschaftlich für falsch, weil man die Erfahrungen von vielen Menschen aus dem Arbeitsleben herausnimmt.
Das Letzte in diesem Zusammenhang: Es ist ein hervorragender Vorschlag, Arbeitslose, die ein halbes Jahr arbeitslos sind, bei den Jobcentern des Arbeitsamtes anzustellen. Auf diese Weise könnten Sie in ein paar Jahren die Arbeitslosigkeit nicht nur um 50%, sondern sogar um 100% reduzieren; Sie bräuchten nur alle Arbeitslosen zu Angestellten des Jobcenters zu machen. Auf diese Weise bereinigen Sie die Statistik, aber beseitigen nicht die Probleme am Arbeitsmarkt. Das ist doch ein Witz. Sie meinen, Sie könnten die Bevölkerung zum Narren halten. Die nimmt Ihnen diesen Käse nicht ab. Es ist seltsam, dass man sich mit solchen Vorschlägen überhaupt an die Öffentlichkeit traut.
Sie tragen die Verantwortung für eine verkorkste Steuerreform. Sie tragen die Verantwortung für eine verkorkste Rentenreform. Die Regelung im Zusammenhang mit der Riester-Rente ist Ausdruck einer überragenden Bürokratie. Sie bringen bei der Krankenversicherung nicht mehr als reine Stümperei zusammen. Zu der Haushaltssanierung, von der Sie immer reden, wurde von den Verantwortlichen in Brüssel gesagt, was sie davon halten. Sie hätten den Blauen Brief normalerweise bekommen müssen.
Das Hauptproblem ist: Sie sparen zu Lasten der Investitionen. Zum Thema Arbeitslosenvermittlung haben Sie bisher all die Vorschläge abgelehnt, die eigentlich weitergeführt hätten.
Jetzt kommen Sie mit Larifari, das in der Sache nicht weiterführt und das auch nichts am Zugang zum ersten Arbeitsmarkt ändert. Deshalb fällt es den Gewerkschaften relativ leicht, dem zuzustimmen.
Die Bilanz Ihrer Regierungszeit sieht so aus: Deutschland steht an letzter Stelle, die Investitionen gehen zurück, die Arbeitslosigkeit steigt, die Beschäftigung sinkt, die Nachfrage sinkt. Die Teuro-Kampagne ist ein Manöver, das von Ihren falschen Entscheidungen in der Politik ablenken soll.
Die Konjunkturmotoren Investition und Nachfrage sind von Ihnen gebremst worden. Deshalb steht der Laden, und es läuft nichts. Das sind Ihre Fehler.
Ich kann nur noch einmal zitieren. Schröder hat gesagt: Wenn wir nicht bis auf 3,5 Millionen Arbeitslose herunterkommen, dann gehören wir zu Recht abgewählt. Wenn er in den letzten vier Jahren einmal Recht gehabt hat, dann hat er in diesem Punkt Recht gehabt. Dem sollte auch die Bevölkerung folgen.
Ich mache darauf aufmerksam, dass die Staatsregierung insgesamt sechsundzwanzigeinhalb Minuten gesprochen hat. Das heißt, die Fraktionen haben jeweils sechzehneinhalb Minuten zusätzliche Redezeit. Kollege Dr. Runge hat sich schon auf dieses Konto gemeldet. – Nächste Wortmeldung: Kollege Obermeier.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir dieses Thema, das wir heute diskutieren – den Arbeitsmarkt – im ersten Plenum nach der Bundestagswahl diskutieren würden, dann könnte ich meine Ausführungen sicherlich frei nach den Gebrüdern Grimm mit dem Einleitungssatz beginnen: Es war einmal ein Bundeskanzler Schröder, der den Arbeitslosen Arbeit versprochen hat, aber alles getan hat, damit er dieses Versprechen nicht einlösen muss.
Die Arbeitsmarktzahlen für den Juni 2002 verdeutlichen dies alles noch mehr. Die Regierung Schröder hat den Arbeitsmarkt überreglementiert, anstatt Anreize für neue Arbeitsplätze zu schaffen und damit die Schaffung neuer Arbeitsplätze verhindert. Um dennoch zu beweisen, wie entschlossen diese ruhige Hand dieses Problem kurz vor der Wahl anpacken will, werden nunmehr die Vorschläge einer von vielen Kommissionen, die die Bundesregierung eingesetzt hat, als Allheilmittel, als Wundermittel, wie Kollege Dr. Söder gesagt hat, angepriesen.
Wohlgemerkt: Es handelt sich hier nicht um irgendwelche Ideen oder Vorschläge, die die Bundesregierung entwickelt hat. Es handelt sich um Vorschläge, die andere entwickelt haben. Die Bundesregierung lässt andere die Probleme lösen und pickt sich dann die Probleme heraus, die ihr am besten lösbar erscheinen.
Bei der ganzen Diskussion und der Befürwortung dieser Vorschläge wurde eines übersehen: nämlich, dass mit diesen Vorschlägen nicht die Ursache der Arbeitslosigkeit bekämpft wird. Die Vorschläge dienen ausschließlich der Beschönigung der Arbeitsmarktstatistik. Sie sagen jedoch nichts darüber aus, wie neue Arbeitsplätze geschaffen werden können.
Über eines müssen wir uns im Klaren sein: Das Problem am Arbeitsmarkt lässt sich sicherlich nicht dadurch lösen, dass man nur die Verwaltung der Arbeitslosigkeit verbessert und die Arbeitslosenstatistik schönt. Haupt
problem ist heute nicht die Vermittlung der Arbeitslosen, sondern das millionenfache Fehlen von Arbeitsplätzen.
Ich verstehe nicht die GRÜNEN, die an dem Antrag der CSU kritisieren, dass darin nicht von Arbeitslosen die Rede sei. Wie können die GRÜNEN dann zustimmen, dass ältere Arbeitnehmer, ältere Personen zwischen dem 55. und dem 60. Lebensjahr, lediglich ein pauschaliertes Arbeitslosengeld erhalten? – Es wird sich in diesem Fall innerhalb der Arbeitsverwaltung sicherlich niemand finden, der sich für eine Vermittlung dieser Personen einsetzt. Ich möchte nicht wissen, wie die Opposition über derartige Vorschläge urteilen würde, wenn die CSU in Bayern solche Vorschläge machen würde.
Folge dieses Vorschlags der Hartz-Kommission sind selbstverständlich höhere Ausgaben der Rentenversicherung und damit einhergehend ein stärkerer Anstieg der Beiträge sowie unter Umständen eine stärkere Inanspruchnahme der Sozialhilfe. Das heißt mit anderen Worten: Die Kosten werden wieder einmal auf die Kommunen abgewälzt.
Die Kommission verordnet diesen Arbeitnehmern eine Rente, ob sie das wollen oder nicht. Was das für die betroffenen Arbeitnehmer bedeutet, wenn sie vom Staat auf das Abstellgleis gestellt werden, braucht man hier nicht näher zu beschreiben. Es dürfte wohl allen klar sein, dass sich diese Personen ihr geringes Einkommen mit Schwarzarbeit aufbessern.
Haben Sie sich schon einmal überlegt, was die Vorschläge für die Familien bedeuten? – Wir haben vor einigen Monaten eine Diskussion im sozialpolitischen Ausschuss über die Sozialhilfe geführt, über Anträge der CSU-Fraktion, wie es uns gelingen kann, mehr Menschen, die Sozialhilfe beziehen, in Arbeitsverhältnisse zu bringen. Damals wurden wir als unsozial bezeichnet, weil wir eine stärkere Eigenverantwortung der Sozialhilfeempfänger einforderten und bei Nichtbeachtung stärkere finanzielle Einschnitte gefordert haben. Heute unterstützen Sie, wenn Sie diesen Vorschlägen der Hartz-Kommission zustimmen, noch viel stärkere Einschnitte, weil Sie es zulassen, dass Arbeitslosengeld pauschal bemessen wird, unabhängig davon, wie lange und wie viel jemand in die Rentenversicherung einbezahlt hat.
Sie haben uns damals im Ausschuss als unsozial bezeichnet; ich bezeichne diese Vorschläge, die Sie heute billigen möchten, als einen sozialen Kahlschlag innerhalb der bestehenden Arbeitslosenversicherung.