Protokoll der Sitzung vom 09.10.2002

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Kommunen leiden unter wegbrechenden Steuereinnahmen. Besonders betroffen davon ist die Gewerbesteuer. Bundesweit sind im Jahr 2001 die Einnahmen aus der Gewerbesteuer um 9,2% zurückgegangen. In Einzelfällen waren Rückgänge von 50% und mehr zu verzeichnen.

Nach den Annahmen der Steuerschätzung Mai 2002 soll die Gewerbesteuer im laufenden Jahr bundesweit um 1,3% und im Jahr 2003 um 4,8% steigen. Tatsächlich jedoch setzt sich der Rückgang des Gewerbesteueraufkommens weiter fort. Bundesweit ist das Gewerbesteueraufkommen der Gemeinden im ersten Vierteljahr 2002 gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum nochmals um 11,2% gesunken. Die bayerischen Gemeinden mussten 2001 bei den Nettoeinnahmen aus der Gewerbesteuer einen Rückgang um 7,2% verkraften. Im ersten Halbjahr 2002 blieb die Gewerbesteuer netto gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 11,9% zurück.

Vor diesem Hintergrund wird klar, dass die im Gesetzgebungsverfahren Steuerentlastungsgesetz 2000 prognostizierten Mehreinnahmen der Gemeinden nicht eintreten werden. Gleichzeitig – darüber haben wir heute früh schon diskutiert – müssen die Kommunen vermehrt hohe Ausgabenbelastungen speziell im sozialen Bereich tragen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ursächlich für diese desolate Entwicklung der Kommunalfinanzen sind falsche bzw. unterlassene Weichenstellungen und Lastenverschiebungen der rot-grünen Bundesregierung. Aufgrund der verfehlten Steuer-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik lahmt die Wirtschaft und damit brechen, wie ausgeführt, die Einnahmen für die öffentlichen Haushalte und damit auch für die Kommunalhaushalte weg. Hinzu kommt der rot-grüne Verschiebebahnhof, mit dem sich Eichel auf Kosten der Kommunen Luft verschafft. Ein Beispiel dafür sind die UMTS-Erlöse in Höhe von rund 50 Milliarden e, die der Bund allein einsackt, während die Steuermindereinnahmen aufgrund von Abschreibungen die Kommunen mit bis zu 8,7 Milliarden e belasten. Ein weiteres Beispiel ist die Streichung der originären Arbeitslosenhilfe, die auf die Sozialhilfe durchschlägt. Das kostet unsere bayerischen Kommunen rund 30 bis 35 Millionen e jährlich.

Zu erwähnen sind außerdem das verfassungswidrig zustande gekommene Zuwanderungsgesetz – ich habe es heute früh bereits erwähnt – mit den den Kommunen auferlegten Integrationskosten für Kurse und – das Schlimmste! – das Grundsicherungsgesetz ab 1. Januar 2003, das die bayerischen Kommunen mit geschätzt 250 bis 300 Millionen e belastet – der Bund will dafür gerade mal 34 Millionen e bereitstellen – sowie vieles andere mehr.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, diese Bundesmaßnahmen führen zu weiteren Mehrbelastungen, ohne dass der Bund einen ausreichenden finanziellen Ausgleich bereitgestellt hat. Hinzu kommt auch die heute schon heftig diskutierte, vom Bund erhöhte Gewerbesteuerumlage. Daran hält der Bund offensichtlich fest, obwohl maßgebliche Grundlagen, die der Bund als Begründung für die Erhöhung herangezogen hat, nicht verwirklicht worden sind.

Ein weiteres Manko – auch das ist angesprochen worden – ist die bisher nicht verwirklichte Gemeindefinanzreform, die zwar im Herbst 1998 angekündigt, dann aber weder intensiv in Angriff genommen noch zwischenzeitlich umgesetzt worden ist. Herr Kollege Mehrlich, Sie hätten sich in der Sommerpause, bevor Sie sich mit den Kommunalfinanzen Bayerns befasst haben, im Sommerloch mit diesem Thema intensiver befassen sollen.

(Mehrlich (SPD): 16 Jahre hatten Sie Zeit! 16 Jahre nichts getan!)

Ursache dafür ist, dass die Bundesregierung das Vorhaben lange verschleppt hat

(Zurufe von der SPD)

und erst im Frühjahr dieses Jahres, also dreieinhalb Jahre nach der Ankündigung – auch ein Hinweis auf eine Ankündigungsregierung –, eine Kommission einsetzte, die allerdings noch keine Ergebnisse gebracht hat.

(Zurufe der Frau Abgeordneten Werner-Muggen- dorfer (SPD) und des Abgeordneten Mehrlich (SPD))

Den Kommunen allein auf Landesebene zu helfen, würde bedeuten – und das wollen wir nicht –, den Bund aus seiner bestehenden finanziellen Verantwortung für die Kommunen zu entlassen. Zudem sind auch die finanziellen Spielräume des Landes durch die schwache konjunkturelle Entwicklung und die geringeren Steuereinnahmen äußerst eingeschränkt.

Dennoch unterstützen wir natürlich nach Kräften die Leistungsfähigkeit unserer Kommunen aus dem Staatshaushalt, wie sich daran zeigt, dass fast jede vierte Mark daraus den Kommunen zufließt.

Vor allem aber sind, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, die strukturellen Verwerfungen, die die Gemeinden belasten, nur auf Bundesebene zu beseitigen. Deshalb meinen wir, dass im Interesse unserer Kommunen sofortiges Handeln auf Bundesebene angesagt sein muss.

Bisher hat der Bund – ich erwähnte es bereits mehrmals – nicht viel bewegt.

Darum stellt die CSU-Fraktion den Antrag, dass die Bayerische Staatsregierung dem Bund die notwendigen Handlungsfelder aufzeigt und die notwendigen Kurskorrekturen dort vorgenommen werden. Darüber hinaus sind aus unserer Sicht Soforthilfen, die den Kommunen eine schnelle, sofort spürbare finanzielle Erleichterung bringen, notwendig:

Erstens. So ist es aus unserer Sicht unabdingbar, dass die Gewerbesteuerumlage ab dem Jahre 2003 auf das Niveau vor 2001 gesenkt wird. Die CSU hat dies bereits mehrfach in parlamentarischen Initiativen in diesem Landtag, im Bundesrat und im Bundestag gefordert. Wir haben es gehört: Von SPD und GRÜNEN ist dies abgelehnt worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, nehmen Sie es uns ab und glauben Sie es uns: Dies wäre eine wirksame Soforthilfe für die Gemeinden. Auch die Kommunen, alle Kommunen in Deutschland haben dies gerade wieder gefordert. In ihrem Redebeitrag hat Frau Kellner heute Vormittag ja hier sehr kräftig verkündet, sie werde alles tun, um Ihre Bundestagsfraktion der GRÜNEN in Berlin zu bewegen, diese unsere Forderung zu unterstützen. Das würde also bedeuten, dass dem zum 01.01.2003 eigentlich nichts mehr im Wege stehen dürfte – wenn denn ihr Begehr dort auch aufgenommen wird. Ansonsten müsste ich das zurückgeben, was Sie uns vorgeworfen haben: Sie säßen im Januar da mit eingezogenem Genick und müssten sagen: Es war leider nix! – Ich hoffe aber, dass ihre Initiativen erfolgreich sind. Wir würden uns darüber freuen.

Zweitens. Die Senkung der Gewerbesteuerumlage muss bundesweit beschlossen werden. Bayern soll hierzu erneut einen Gesetzesantrag im Bundesrat einbringen. Wir sind – wie in diesem Hause immer wieder deutlich zum Ausdruck gebracht worden ist – bereit, unseren Anteil von rund 193 Millionen e im Jahre 2003 und 230 Millionen e im Jahre 2004 zu erbringen, wenn – das betone ich besonders, und hier werden wir den Bund nicht aus seiner Verantwortung entlassen – auch der Bund seinen Anteil hierzu erbringt.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Von uns zu verlangen, wir sollen zahlen, während sich der Bund vornehm zurückhält – das kann nicht das Thema sein. Die Diskussionen in den vergangenen Monaten sind ja in diese Richtung gegangen.

Drittens. Außerdem soll Bayern im Bundesrat initiativ werden mit dem Ziel, die Gemeindefinanzen mittelfristig zu verbessern. Die Bundesregierung soll zu gesetzlichen Maßnahmen verpflichtet werden, damit das Aufkommen an Gewerbesteuer nicht weiter erodiert, weitere finanzielle Lastenverschiebungen und -verlagerungen nicht wirksam werden und den Kommunen keine zusätzlichen Belastungen im Rahmen der Sozialhilfe aufgebürdet werden.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, eine bürgerfreundliche Gesellschaft muss unseren Gemeinden, Städten, Landkreisen und Bezirken die finanziellen Möglichkeiten erhalten, die Voraussetzung für ein aktives, selbstbestimmtes Miteinander sind. Wir von der CSU-Fraktion setzen uns dafür ein und fordern die Opposition auf, endlich auch im Interesse unserer Kommunen zu handeln. Da ist allerdings Ihr Dringlichkeitsantrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, der Sache nicht dienlich. Wir werden ihn ablehnen und beantragen gleichzeitig für unseren Antrag eine namentliche Abstimmung.

(Beifall bei der CSU)

Wie Sie gehört haben, ist also namentliche Abstimmung beantragt. – Die nächste Wortmeldung kommt von der SPD. Bitte, Frau Schmitt-Bussinger.

Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich darf eingangs für die Fraktion der SPD ebenso namentliche Abstimmung zu ihrem Antrag beantragen.

Mit Ihrem Dringlichkeitsantrag „Stärkung der finanziellen Situation der Kommunen“ sprechen Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der CSU, zweifellos ein wichtiges Thema an. „Haushaltssperre in München“, „Mehr als 120 Millionen Euro Einnahmenverluste bei der Gewerbesteuer in Nürnberg“, „Investitionsstillstand in Augsburg“ – das sind die Schlagzeilen der großen bayerischen Städte.

In dieser Situationsbeschreibung sind wir uns noch einig, und ich stimme Ihnen, Herr Kollege Ach, in Ihrer Situationsbeschreibung zu. Bei der Ursachenforschung und den dann zu ziehenden Konsequenzen dagegen sind wir weit voneinander entfernt. Es gehört offensichtlich zu Ihren sich ständig wiederholenden Ritualen, Kolleginnen und Kollegen der CSU, dass Sie die Verantwortung für Missstände stets und ausschließlich beim politischen Gegner sehen.

(Beifall bei der SPD)

Auch wenn Sie es weiterhin behaupten, ist es unwahr, dass der Rückgang bei den Gewerbesteuern auf die Steuerreform der rot-grünen Bundesregierung zurückzuführen ist.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CSU)

Das wissen Sie genau und behaupten es trotzdem.

(Dr. Bernhard (CSU): Dann erklären Sie es uns doch einmal!)

Ich verhehle nicht, dass unsere SPD-Landtagsfraktion nicht in allen Punkten mit der Bundesregierung übereinstimmt.

(Zuruf von der CSU: Also doch! – Weitere Zurufe von der CSU)

So haben wir in diesem Hause einen Antrag eingebracht, der von der Bundesregierung die Rücknahme der Gewerbesteuer-Umlageerhöhung fordert. Zu dieser Forderung stehen wir nach wie vor. Wir werden dies auch weiterhin gegenüber der Bundesregierung deutlich machen.

(Ach (CSU): Die hat es aber abgelehnt!)

Wir werden aber auch weiterhin deutlich machen – und dies sehr eindringlich in diesem Hause –, dass wir von der Bayerischen Staatsregierung und der CSU-Fraktion erwarten, dass die Möglichkeiten, die wir hier in Bayern haben, auch ausgeschöpft werden.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie es ernst meinen mit der Stärkung der finanziellen Situation der Kommunen, dann überlassen Sie den Anteil an der Erhöhung der Gewerbesteuerumlage,

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Bernhard (CSU))

den Bayern vom Bund bekommt, den bayerischen Kommunen.

(Beifall bei der SPD – Frau Radermacher (SPD): Genau!)

Im Jahr 2003 wären das nach meiner Rechnung immerhin 171 Millionen e. Damit würde sich auch eine Verringerung des kommunalen Finanzausgleichs von 150 Millionen e, wie Sie es jetzt vorhaben, erübrigen.

Wir werden gegenüber der Bundesregierung auch weiterhin deutlich machen, dass eine Gemeindefinanzreform ein Meilenstein für die Sicherung der Kommunalfinanzen ist. Dabei sage ich aber auch deutlich, dass erstmals wieder nach der Gemeindereform unter Willy Brandt in den Siebzigerjahren eine SPD-geführte Bundesregierung eine solche Reform angeht. Dazwischen lagen 16 Jahre Stillstand, einhergehend mit einer völligen Aushöhlung der Gewerbesteuer und ihrer Reduzierung auf eine bloße Ertragsteuer.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Einnahmenbasis für die Kommunen zu stabilisieren und die Ausgaben zu begrenzen. In diesem Ziel werden wir – und ich gehe davon aus, dass dies das gesamte Hohe Haus tun wird – die Bundesregierung unterstützen. Hier ist Ihre konstruktive Mitwirkung, Kolleginnen und Kollegen der CSU, sehr wohl gewünscht.

In dem heute von der SPD-Fraktion vorgelegten Dringlichkeitsantrag fordern wir insbesondere die Bayerische Staatsregierung und die CSU-Fraktion auf, ihre Verantwortung für die Finanzausstattung der bayerischen Kommunen endlich wahrzunehmen, ihr endlich gerecht zu werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich will hier Herrn Oberbürgermeister Deimer, uns allen bekannt als CSU-Mitglied, zitieren, der sagt: