Das Problem gibt es schon lange. Sie hätten es längst angehen können. Ich kann mich noch genau erinnern: Als ich im Jahr 1990 in den Landtag gekommen bin, haben wir eine Anhörung zur Gemeindefinanzreform durchgeführt. Danach ist wieder nichts passiert. Deshalb fordere ich Sie zu einer konstruktiven Mitarbeit und nicht zu gegenseitigem Fingerzeigen auf. Wir werden tun, was wir tun können. Herr Kollege Ach, ich kann mich gut an die Zeit erinnern, als die Union eine Koalition mit der FDP eingegangen ist. Damals haben Sie auch manchmal Ihren Willen nicht durchsetzen können.
Das freut mich, wenn Sie mich loben. Ich bin gern bereit, auch weiterhin konstruktiv mitzuarbeiten, und erhoffe dasselbe von Ihnen. Wir werden dem SPD-Antrag zustimmen, weil er unsere Intention trifft. Den CSUAntrag lehnen wir als nicht sachgerecht und nicht sachorientiert ab. Selbstverständlich fordern wir auch zu unserem Antrag eine namentliche Abstimmung.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst eine Bemerkung zu dem Brief, aus dem Frau Kollegin Kellner bereits das zehnte Mal Auszüge vorgelesen hat. Das ist die praktikabelste Methode, um eine Versammlung völlig zu verwirren, weil man so die Gesamtzusammenhänge nicht darlegen muss.
Jeder, der sich mit der Sache beschäftigt, weiß, dass es damals in der Debatte um die Abschreibungstabellen ging. Die Abschreibungstabellen sollten deutlich verändert werden, und zwar in einer Weise, die wir nicht als richtig erachteten. Wir standen deshalb in einer heftigen
Auseinandersetzung über die Änderung dieser Abschreibungstabellen. Es war nur logisch, dass während der Zeit, in der wir um diese Änderung gerungen haben, auch über die Frage der Anhebung der Gewerbesteuerumlage noch nicht entschieden war. Deshalb ist es sinnvoll gewesen, so lange die Diskussion für uns noch nicht beendet war, zu sagen: So lange die Änderung der Abschreibungstabelle noch nicht feststeht, kann man die Gewerbesteuerumlage noch nicht völlig aussetzen. Darin stimmte man damals überein.
Dann aber war das Thema Abschreibungstabellen dem Bundesfinanzminister auf einmal zu heiß. Er hat sie als zu problematisch fallen lassen und aufgrund des Wegfalls ihrer Geschäftsgrundlage die Anhebung der Gewerbesteuerumlage nicht mehr rückgängig gemacht. Das ist der eigentliche Vorgang. Soviel müssten Sie eigentlich zum Verständnis des Gesamtzusammenhanges vorlesen. Ich haben das schon einmal erläutert. Es wäre fair gewesen, wenn Sie dies der Versammlung wahrheitsgemäß berichtet hätten.
Lassen Sie mich nun ein paar Anmerkungen zur Gewerbesteuer insgesamt machen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum einen haben wir richtig gehandelt, indem wir eine Substanzbesteuerung, die Gewerbekapitalsteuer, abgeschafft haben. Es gibt keinen Vertreter der Kommunen, keinen Oberbürgermeister, der heute der Gewerbekapitalsteuer noch nachweinen würde; denn die Kommunen haben einen hervorragenden Gegenwert dafür bekommen. Sie erhalten 2,2% der Mehrwertsteuer und damit eine dynamisch wachsende Steuer. Der Anteil, der den Kommunen hieraus zugeht, ist sicher.
Es gibt also keinen mehr, der der Gewerbekapitalsteuer nachweint. Die Gewerbeertragsteuer allerdings ist, zugegebenermaßen, heute nicht mehr zeitgemäß. Das hat die Koalition, die am 22. September dieses Jahres leider wieder gewählt wurde, aber nicht frühzeitig erkannt. Erst wir in Bayern mussten in einem Gewerbesteuerforum mit Vertretern aus der Wirtschaft, den Kommunen und der Wissenschaft gemeinsam feststellen, dass die Gewerbeertragsteuer, so wie sie heute besteht, nicht mehr zuträglich ist. Besonders aussagekräftig ist das Beispiel, auf das der ehemalige Oberbürgermeister von Wasserburg hingewiesen hat. Er sagte: Ich habe 700 Gewerbebetriebe, 70 davon sind gewerbesteuerpflichtig, und ganze sieben davon zahlen 90% des Aufkommens.
Genau hier liegt das Problem. Wir brauchen keine Großbetriebssteuer, sondern wir brauchen eine breit angelegte solide Finanzierung der Kommunen. Das ist das Ziel. Allerdings gibt es eine Vielzahl von Modellen, die man jetzt in einer groß angelegten Kommission diskutiert. Ich wiederhole, was ich schon heute früh gesagt habe: Es ist schwer erträglich, dass diese Bundesregierung diese Kommission erst zum zweiten Mal eingeladen hat. Man tagt sehr breit im Europasaal des Bundesfinanzministers. Da passen auch viele Leute hinein: Spitzenvertreter, Unterarbeitsgruppen, Mitarbeiter usw.
(Wahnschaffe (SPD): Sie waren doch früher im Bundesfinanzministerium! Sie haben doch gar nichts getan!)
Ich habe gerade gesagt, dass wir beispielsweise die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft und dafür die Mehrwertsteuer eingesetzt haben.
Noch einmal: In Berlin tagt eine große Kommission bis Mitte des nächsten Jahres, und die Bundesregierung dokumentiert bereits heute, dass diese Arbeit „just for show“ ist. So handelt die Regierung immer: Die sollen ruhig in ihrer Kommission arbeiten, wir wissen bereits, was wir wollen. Das sind doch rausgeworfene Steuergelder für Reisen, für alle möglichen Institutionen. So sollte man mit den Vertretern der Wirtschaft, des Handwerks, der Gewerkschaften und der Politik nicht umgehen.
Wir sind durchaus bereit, hier konstruktiv mitzuarbeiten, um eine neue und solide Basis für die Kommunen zu finden. Die Bundesregierung hat im Übrigen, was die Gewerbesteuer anbelangt, bei ihrer Steuerreform tolle Sachen gemacht. Das wurde hier zuerst abgestritten. Aber nehmen Sie doch einmal die Steuerfreiheit beim Verkauf von Kapitalanteilen. Ich verweise auf ein Beispiel aus München. Da verkaufte eine große Bank einen wesentlichen Anteil an einem Energieunternehmen. Hätte man diesem Verkauf die alte Besteuerung zugrunde gelegt, hätte Oberbürgermeister Ude 115 e Gewerbesteuer eingenommen. Das Jammern hätte dann schnell aufgehört. Das ist die Realität.
Den Kommunen geht durch diese Regelung, die ich immer gegeißelt habe, weil ich sie für völlig falsch halte, Gewerbesteuer in erheblichem Umfang verloren. Diese Gewerbesteuerumlage, das möchte ich noch hinzufügen – bitte keine Zwischenfragen, ich halte es so, wie Sie das auch tun – ist keine feststehende Umlage. Sie steigt, und sie steigt weiter. In diesem Jahr haben wir eine Umlagenerhöhung von 1,5 Milliarden e. Wir werden im nächsten Jahr eine Erhöhung von 2,3 Milliarden e haben. Im Jahr 2004 wird es eine Erhöhung von 2,5 Milliarden e sein. Meine liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, bitte beantworten Sie doch auch einmal die Frage, wie Sie dann mit diesem kontinuierlichen Erhöhungen umgehen wollen. Wenn Sie schon nicht dafür sind, dass die bestehende Erhöhung zurückgenommen wird, wie wollen Sie in den nächsten Jahren mit der weiteren Erhöhung der Gewerbesteuerumlage umgehen? Noch einmal: Die Situation der Kommunen ist heute nicht nur wegen der Gewerbesteuerumlage dramatisch, diese Gewerbesteuerumlage steigt in den nächsten Jahren auch noch kontinuierlich. Diese Opposition aber will bei ihrer Regierung in Berlin nicht massiv vorstellig werden, um diese Erhöhung zu unterbinden. Wir sollten die Bundesregierung aber gemeinsam auffordern, etwas dagegen zu tun. Helft uns, und helft den Kommunen.
Ich wollte auch noch etwas zu der dramatischen Verlagerung von Aufgaben und Lasten sagen. Ich nenne noch einmal die originäre Arbeitslosenhilfe. Ich erwähne auch noch einmal die Frage der UMTS-Erlöse, die die Kom
munen, nach unserer Berechnung, mit 17 Millionen DM belastet haben. Die Kommunen haben nichts davon, sie müssen aber die Steuerausfälle bezahlen. Das Zuwanderungsgesetz bringt ebenfalls entsprechende Kosten mit sich. Auch die Kosten aus der Riester-Rente sind steuerlich angelegt. Das bedeutet: Auch für diese Förderung zahlen die Kommunen 15%. Es handelt sich hier um völlig neue Belastungen, die in den nächsten Jahren noch zunehmen werden. Sie sagen aber kein Wort dazu, was man den Kommunen dafür gibt.
Das ist nicht nur meine Feststellung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition. Dies ist die gemeinsame Feststellung aller SPD-Minister. Sie sagen, so kann es nicht weitergehen. Wir haben von der Bundesregierung hierzu aber keine Antwort bekommen. Ich habe die Staatssekretäre im Bundesfinanzministerium am Montag aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen, ob in dem Koalitionsvertrag von Rot-Grün wenigstens eine Absichtserklärung aufgenommen wird, dass man die Kommunen künftig ohne finanziellen Ausgleich nicht weiter belasten wird. Die Antwort war: nein. Das ist die Realität. Da hilft auch ein Neustricken der Gewerbesteuer nicht, wenn den Kommunen permanent neue Aufgaben angelastet werden.
Am Schluss will ich noch etwas zu dem Vorwurf sagen, wir hätten keine kommunale Finanzreform gemacht. Ich habe hier schon einmal erklärt, dass die Arbeitsgruppe auf Kabinettsebene auf zwei Ebenen vorgegangen ist. Wir haben ein kurzfristiges und ein langfristiges Programm gemacht. Zum kurzfristigen Programm gehörte die Investitionsförderung für kommunale Theater. Das ist abgehakt und erledigt, das ist bereits Realität.
(Frau Radermacher (SPD): Da kann man nur lachen! Das glauben Sie doch selbst nicht! – Hufe (SPD): Wie viele sind denn übrig geblieben?)
Frau Kollegin, ich habe gerade eine Aufzählung gemacht, und ich werde sie wiederholen, damit sie vielleicht auch Ihnen eingänglich ist. Erstens. Die Wiedereinführung der Investitionsförderung für kommunale Theater ist bereits durchgeführt. Zweitens. Die vielfach von den Kommunen geforderte Reform des Sozialhilfeansatzes bei den Schlüsselzuweisungen ist bereits erfolgt. Drittens. Die Übernahme der Belastungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz ist mit 73 Millionen e pro Jahr ebenfalls erledigt. Viertens. Auch der Abbau des Förderstaus bei Artikel 10 ist bereits erledigt. All das haben wir bereits abgearbeitet. Das Einzige, was wir in diesem Jahr 2002 noch umsetzen wollen, ist die Reform der Gastschulbeiträge. Das sind die fünf Kernbereiche eines ersten Pakets zur Reform der kommunalen Finanzen. Ich kann Ihnen sagen, bis auf diesen fünften Punkt haben wir bereits alle Punkte unseres Programms abgearbeitet.
Das ist die Realität. Dann wird das möglicherweise in der nächsten Legislaturperiode eine ganz große Reform, die eine vereinfachende Reform sein muss. Das FAG-Sys
tem ist außerordentlich kompliziert; wir müssen es vereinfachen. Da kann ich nur hoffen, dass nicht nur die Kommunen, sondern auch Sie konstruktiv mitarbeiten. Vereinfachen heißt in der Regel auch, dass man nicht ohne weiteres spitz zuschneiden kann. Da wird es dann Verlierer und Gewinner geben.
Ich will zusammenfassen: Alle Ebenen der öffentlichen Hand sind aufgrund mangelnder Wachstumsraten finanziell miserabel ausgestattet. Die Kommunen sind allerdings diejenigen, die sich am wenigsten dagegen wehren können. Die haben keinerlei Möglichkeiten, zusätzliche Einnahmen zu bekommen. Die müssen Aufgaben übernehmen. Diese Aufgaben sind immer zahlreicher geworden. Kurzfristig müssen wir ihnen helfen. Diese kurzfristige Hilfe leistet die Bundesregierung in gleichem Umfang nicht. Das heißt, es gab noch nie einen Moment, in dem die Kommunen so vom Bund im Stich gelassen worden sind. Das ist protestwürdig.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister Prof. Dr. Faltlhauser, Sie haben darauf hingewiesen, dass die Kommunen für den Wegfall der Gewerbekapitalsteuer einen Anteil von 2,2% an der Umsatzsteuer bekommen haben. Das ist richtig. Sie haben aber auch gesagt, damit sei ein sicheres Element in die Einnahmen der Kommunen gekommen. Die Gewerbekapitalsteuer war das stabilisierende Element bei der Gewerbesteuer insgesamt. Sie haben durch diesen Wegfall die Gewerbesteuer zur reinen Konjunkturbzw. zur reinen Gewinnsteuer degradiert.
Deshalb dürfen Sie sich heute nicht wundern, wenn das Gewerbesteueraufkommen von Jahr zu Jahr und von Kommune zu Kommune schwankt.
Die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage ist deshalb in Stufen vorgenommen worden, damit sie die betroffenen Kommunen nicht wie ein Keulenschlag trifft. Darüber hinaus haben wir hier in diesen Landtag – Sie müssen uns also nicht dazu auffordern, etwas zu tun – einen Antrag eingebracht – Frau Kollegin Schmitt-Bussinger hat darauf hingewiesen –, damit Sie dieses Geld an die Kommunen in Bayern weitergeben.
Ich möchte mich jetzt mit dem befassen, was sich in den letzten Jahren bei den Kommunalfinanzen getan hat. Doch zunächst möchte ich noch darauf hinweisen, dass natürlich jede Bundessteuerreform die Kommunen einschließt. Wer für Steuersenkungen plädiert, der muss auch dafür plädieren, dass die Kommunen anteilig berücksichtigt werden. Trotzdem kann ich hinzufügen: 13,2% beträgt der Anteil der Kommunen am gesamten Steueraufkommen. Aber der Anteil der Kommunen an der Steuerreform beträgt weit unterproportional nur 8,6%.
Doch jetzt zu Bayern, meine sehr verehrten Damen und Herren: Die Verschuldung der Kommunen hat sich seit 1988 in Bayern dramatisch erhöht. Wir sind das einzige Bundesland, in dem die Verschuldung der Kommunen genauso hoch ist wie die Verschuldung des Freistaates, in beiden Fällen rund 20 Milliarden e.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CSU, dies ist die Folge Ihrer Politik. Seit 1988 hat sich die Verschuldung der Kommunen in Bayern um das 2,5-fache gegenüber der Verschuldung des Freistaates erhöht.
Erstmals wieder seit 14 Jahren in Folge konnte die Verschuldung der Kommunen im Jahr 2002 zurückgeführt werden, mit Ausnahme der Kommunen mit einer Einwohnerzahl von 3000 bis 5000 Einwohnern. Dies können Sie leicht in den statistischen Berichten des bayerischen Landesamtes nachlesen.
Der Staatshaushalt ist in der Zeit von 1988 bis 1998 um knapp 50% nach oben gegangen. Hätten Sie die Zuweisungen an die Kommunen in diesen Jahren genauso steigen lassen, wie der Staatshaushalt gestiegen ist, um knapp 50%, dann hätten die Kommunen insgesamt 4 bis 5 Millionen DM mehr bekommen.
Die fehlen natürlich heute, auch wenn sie aktuell jetzt so nicht mehr zu Buche schlagen. Die jetzige Situation hat doch nur den letzten Tropfen ins Fass und damit das Fass zum Überlaufen gebracht. Das Fass gefüllt haben vorher Sie mit Ihrer Politik in Bayern.