Protokoll der Sitzung vom 24.10.2002

Der nächste Redner ist Herr Kollege Prof. Dr. Stockinger.

Herr Präsident, Hohes Haus, Herr Kollege Hoderlein! Si tacuisses philosophus mansisses. Das ist das Einzige, was mir zu Ihrem Redebeitrag einfällt. Mit einer anderen Aussage würde Ihrem Redebeitrag zu viel der Ehre angetan. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist aufgrund der Gebührenfinanzierung unabhängig. Ihm wird besonderes Vertrauen entgegengebracht. Deshalb trägt er eine besondere Verantwortung für eine ausgewogene und umfassende Information. In diesem System ist es die Aufgabe der Politik, auf Schieflagen hinzuweisen. Die Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN haben dieser Aktuellen Stunde die Überschrift „Finger weg von ARD und ZDF“ gegeben. Deshalb sei es mir gestattet, einige Beispiele für die Schieflage Ihrer Argumentation und Ihrer Redebeiträge anzuführen, die die Vorredner soeben vorgetragen haben.

Nehmen Sie als Beispiel den Fall Wickert. Gerade seriöse Recherche und Berichterstattung sind der Kernauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Vermengung von privaten Kommentaren und Meinungen mit der Tätigkeit als Moderator ist allerdings dazu geeignet, das Vertrauen des Publikums in die Erfüllung dieses Auftrags zu erschüttern. Nehmen Sie als weiteres Bei

spiel die Nachrichtengewichtung bei der ARD. In der Wahlkampfzeit wurden mehrmals für die Regierung unangenehme Nachrichten in „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ auf Sparflamme gefahren. Oft wurde nur als Wortmeldung gebracht, was für andere Medien, zum Beispiel Printmedien, der Aufmacher war. Als Beispiel nenne ich die Themen „Firmenpleiten“, „Löcher in den Sozialkassen“, „Eichel und das Drei-Prozent-Kriterium der Europäischen Union“. Themen, die der Regierung nutzten, wie die Irak-Diskussion, die Hartz-Vorschläge und Berichte über die FDP und Möllemann, wurden allerdings sehr häufig und sehr prominent in der „Tagesschau“ und in den „Tagesthemen“ platziert.

Ähnlich verhält es sich mit den Kommentaren in den „Tagesthemen“. Bei der Kommentierung innenpolitischer Themen überwiegen die Kommentatoren mit regierungsnahen Meinungen regelmäßig, und zwar deutlich. In der Zeit von Juli bis September 2002 standen 36 regierungsnahen nur 12 oppositionsnahe Kommentatoren gegenüber. Ich möchte konkret Ihre Antwort dazu hören, was es bedeutet:„Finger weg von ARD und ZDF“.

(Hoderlein (SPD): Wie kann es „regierungsnah“ und „oppositionsnah“ geben?)

Lieber Herr Hoderlein, hören Sie doch einmal die Kommentare an und urteilen Sie selbst!

(Hoderlein (SPD): Wie kann es so was überhaupt geben? Wenn es das bei der ARD gibt, gibt es das auch im Bayerischen Rundfunk?)

Ich will mit Ihnen nicht diskutieren, sondern meinen Redebeitrag zu Ende führen.

(Hoderlein (SPD): Entweder gibt es das da und dort oder nirgendwo!)

Ich bitte darum, den Redner sprechen zu lassen. – Bitte, Herr Kollege Stockinger.

Vielen Dank, Herr Präsident, auch dies ist ein Zeichen von Kultur. – Nehmen Sie das Beispiel der Wahlhearings. Von den vier ARD-Wahlhearings war der Bayerische Rundfunk nur für eines zur Hälfte zuständig, ebenso der MDR. Das heißt, 75% der redaktionellen Zuständigkeit lagen bei Sendern, die als regierungsnah gelten. Denken Sie an den peinlichen Auftritt von Günter Grass bei Biolek zusammen mit Kanzler Schröder.

(Anhaltende Zurufe des Abgeordneten Hoderlein (SPD))

Hören Sie doch zu, Herr Hoderlein, und übertünchen Sie nicht das, was ich jetzt gerade anprangere.

(Hoderlein (SPD): Überlegen Sie doch, was Sie sagen!)

Ich habe gerade gesagt: Nehmen Sie den peinlichen Auftritt – –

Bitte, Herr Hoderlein, lassen Sie den Redner doch sprechen.

Denken Sie an den Auftritt von Günter Grass, der peinliche Duz-Serien geliefert und am Schluss mit guten Wünschen für die Kanzlerwahl geendet hat.

(Zuruf des Abgeordneten Hoderlein (SPD))

Bei solchen Vorfällen legen wir den Finger in die Wunde.

Denken Sie auch an die Nachbereitung des zweiten Duells. Wir bekamen einen Beitrag zu sehen aus Eberswalde. Eine nette Moderatorin hat in einem Café junge Leute nach ihrer Meinung gefragt. Meine Damen und Herren, diese Moderatorin – Sie können es im Internet nachlesen – war die Lebensgefährtin des brandenburgischen Ministerpräsidenten Platzeck. Ich möchte den Aufschrei in der bundesdeutschen Presse hören, wenn der Bayerische Rundfunk auf die Idee gekommen wäre, eine solche Berichterstattung mit einer Moderatorin aus dem Umfeld des Bayerischen Ministerpräsidenten und Kanzlerkandidaten zu machen.

(Hoderlein (SPD): Gibt es keine Kinder von bayerischen Ministern im Bayerischen Rundfunk?)

Darauf müssen wir hinweisen, und genau das wollen Sie nicht hören. Deswegen echauffieren Sie sich hier so. – Bei der Besetzung von Spitzenpositionen im Bayerischen Rundfunk ist im Gegensatz zu anderen öffentlichrechtlichen Sendern nicht nach dem Parteibuch zu verfahren.

(Lachen bei der SPD)

Wer nord- und westdeutsche Sender kennt und weiß, was dort gang und gäbe ist, muss besonders die Tatsache würdigen, dass den Vorsitz des Rundfunkrats des Bayerischen Rundfunks noch nie eine Person innehatte, die zu den Vertretern des Bayerischen Landtags gehörte.

(Hoderlein (SPD): Fernsehdirektor Fuchs auf dem Plakat der CSU-Abgeordneten Grabmair!)

Auch das muss einmal gesagt werden, weil Sie es nicht wahrnehmen wollen.

Nun zur Forderung der GRÜNEN, die Vertretung der Staatsregierung und des Landtags durch Repräsentanten gesellschaftlich relevanter Gruppen zu ersetzen. Es ist festzustellen, dass Rundfunkräte nicht in Sendungen eingreifen können. Befürchtungen, dass dadurch manipuliert werden könnte, gehen ins Leere.

(Zuruf des Abgeordneten Starzmann (SPD))

Der vorhin schon erwähnte Professor Badura

(Zuruf von der SPD: Den kennen wir!)

hat während der Medientage in einem wirklich bemerkenswerten Beitrag festgestellt, dass es schwer falle, den Parteien den Zutritt zu irgendwelchen Räumen des Gemeinschaftslebens und der staatlichen Ordnung zu verwehren. Hierzu gehört ausdrücklich der Rundfunk.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Herr Kollege, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Herr Präsident, da hier so viele Unterbrechungen waren, darf ich vielleicht den letzten Satz noch vortragen. – Die Forderung der GRÜNEN, die Vertreter des Bundes und der Länder im Fernsehrat und im Verwaltungsrat des ZDF und die Vertreter der Staatsregierung und des Landtags im Rundfunkrat des BR zu ersetzen, widerspricht dem Geist des Grundgesetzes; ich verweise auf Artikel 21.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war vorher auch so!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, diesen Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der CSU – Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie quatschen doch!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir können hier nicht überzeugend für die Rundfunkfreiheit sprechen, wenn wir nicht einmal die Redefreiheit derjenigen respektieren, die hier am Pult stehen. Wir müssen da schon glaubwürdig bleiben.

(Prof. Dr. Stockinger (CSU): Vielen Dank!)

Als Nächster hat Herr Kollege Hufe das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die Debatte für eines gut ist, dann dafür, dass sie gezeigt hat, dass sich Prof. Stockinger als Medienpolitiker endgültig disqualifiziert hat. Was er jetzt und hier zum Besten gegeben hat, ist weit entfernt von dem, was Medienpolitik im Freistaat Bayern ausmacht und was Sie als Rundfunkrat wissen sollten. Sie sollten wissen, wo Kritik hingehört, wo Programmkritik hingehört, und wo wir darüber reden, was im öffentlich-rechtlichen Rundfunk akzeptabel ist oder nicht.

(Prof. Dr. Stockinger (CSU): Ihre Arroganz ist ja durch nichts zu überbieten!)

Ja doch, durch die Dummheit der Redner, die vor mir hier gesprochen haben.

(Starzmann (SPD): Allenfalls durch Stockinger!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, manchmal ist es ganz gut, sich die Ausgangslage für eine Debatte, wie wir sie heute führen, vor Augen zu führen. Stoiber hat die Bun

destagswahl verloren, und Sie mit ihm, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Leeb (CSU): Und die bayerische SPD!)

Das kann passieren. Es kommt aber noch schlimmer. Stoiber wollte 40 plus X; er hat nur 38,5% bekommen. Er hat das zweitschlechteste Ergebnis für die Union seit 1949 eingefahren.

(Leeb (CSU): Und Sie das schlechteste!)

Das heißt, sogar Strauß war besser. Stoiber hat die Union nicht zur stärksten Fraktion geführt, sondern die SPD ist stärkste Fraktion geworden. Die Union hat nicht die meisten Stimmen.