Protokoll der Sitzung vom 24.10.2002

Sie lachen darüber – wenn Sie es genau wissen wollen und sich nicht nur darüber lächerlich machen wollen, dann lesen Sie es nach. Es gibt keinen einzigen Fall, in dem der BR nachweislich seiner Objektivität nicht nachgekommen wäre.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Mein Gott! – Hufe (SPD): Sie sind auch nicht unfehlbar, Herr Kollege!)

Meine Damen und Herren, noch ein Wort zum Dringlichkeitsantrag der SPD.

(Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eigentlich hat Herr Kollege von Redwitz das Wort. Es sollten nicht alle durcheinander reden.

(Maget (SPD): Er soll nicht von einem Antrag reden, den es gar nicht gibt!)

Den Dringlichkeitsantrag der SPD werden wir gleich ablehnen. Er scheint mir mit sehr heißer Nadel gestrickt zu sein und ein bisschen durchs Feld zu gehen.

(Maget (SPD): Sie sollten sich einmal über die Antragslage erkundigen, Herr Kollege! Es gibt keinen Dringlichkeitsantrag der SPD! Sie reden da oben einen Stuss!)

Mir liegt ein Dringlichkeitsantrag von Abgeordneten der GRÜNEN vor – ich korrigiere mich und danke für den Hinweis, Herr Maget.

(Zuruf des Abgeordneten Maget (SPD))

Den Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN lehnen wir ab. – Man kann sich auch einmal versprechen, Herr Maget. Vor allem der letzte Absatz entfällt einen für mich nicht nachvollziehbaren Gedankenzug. Die Zahl der Vertreter des Landtags im Rundfunkrat hat überhaupt nichts mit der Größe des Parlaments zu tun. Wenn Sie wollen, dass Parlamentarier nicht mehr im Rundfunkrat sitzen, dann beantragen Sie dies. Die Vertretung des Landtags im Rundfunkrat mit dem Hinweis zu verkleinern, der Landtag sei kleiner geworden, entbehrt, meine ich, doch wirklich jeder Logik; denn das Parlament verliert nicht seine Bedeutung im Rundfunkrat dadurch, dass es kleiner wird; es vertritt nach wie vor 12 Millionen Menschen dieses Landes.

Abschließend darf ich Herrn Runge, der die GRÜNEN im Rundfunkrat vertritt, heute aber nicht hier ist, dafür danken, dass er sich sehr deutlich und freundlich in einem Erfahrungsbericht ausgesprochen hat, den er über seine Tätigkeit im Bayerischen Rundfunk der „Süddeutschen Zeitung“, Fürstenfeldbrucker Ausgabe, gegeben hat. Darin hat er gesagt, dass es im Rundfunkrat Lagerbildungen eigentlich nicht gibt. Meist fallen die Entscheidungen mit wenigen Gegenstimmen. Ich danke für diese glaubhafte Aussage.

Mir ist aber nicht ganz klar, was die GRÜNEN eigentlich wollen. Ich darf Ihnen sagen, was Cem Özdemir der „Frankfurter Rundschau“ gesagt hat, der immerhin medienpolitischer Sprecher der GRÜNEN-Bundestagsfraktion war. Er plädiert nämlich für mehr Engagement seiner Partei in den Rundfunkaufsichtsgremien und sagt dann wörtlich: Es wäre dumm, wenn die GRÜNEN ihren Einfluss in den Medien nicht nutzen würden; denn über die Medien sind wir groß geworden. Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, ich frage Sie, was Sie eigent

lich wollen. Ich glaube, Sie sollten sich dies erst einmal überlegen, und wenn Sie wissen, was Sie wollen, sollten Sie mit diesem Thema wiederkommen.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt hat Herr Kollege Hoderlein das Wort – auch ein 10-Minuten-Beitrag.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN ist eigentlich das Geringste, worüber bisher geredet worden ist. Er ist auch nicht der Anlass für diese Debatte. Ich nehme einmal die Überschrift, die die GRÜNEN gewählt haben „Hände weg von ARD und ZDF“ und lasse zunächst den Untertitel weg. „Hände weg von ARD und ZDF“ begreife ich so, dass die GRÜNEN eine Mahnung dergestalt an uns alle oder wen auch immer richten, wonach das öffentlich-rechtliche Fernsehen und der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein hohes Gut für unsere Gesellschaft, für unsere Demokratie sind und dass es nicht in der Macht und im Belieben irgendeiner einzelnen gesellschaftlichen Kraft oder einer Partei steht oder stehen darf, dieses hohe Gut zu gefährden.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So interpretiere ich das Anliegen der GRÜNEN. Dazu kann ich nur sagen: Dem muss eigentlich jeder Demokrat in unserem Lande aus vollem Herzen zustimmen. Aus dem, was die CSU schon vor diesem heutigen Tag und jetzt Herr Kollege von Redwitz von sich gegeben haben, kann ich dieses Grundsatzbekenntnis bei Ihnen leider nicht erkennen.

Die rundfunkpolitische Situation, die wir in unserem Land seit etwa 15 Jahren mit dem geschaffen haben, was wir, entliehen aus einem anderen Bereich, duales System nennen, also das Nebeneinander von öffentlich-rechtlicher Verfasstheit auf gesetzlicher Grundlage mit gesetzlichem Auftrag und von privaten Anbietern auf gesetzlicher Grundlage, aber ohne gesetzlichen Sendeauftrag, dieses Nebeneinander der beiden Formen hat sich nach meiner Auffassung bewährt. Wir stehen dazu.

Die Sozialdemokratie ist eine politische Kraft, die dieses System begrüßt und für richtig hält. Über die Pressefreiheit soll nicht nur in Sonntagsreden gesprochen werden. Sie muss auch im Alltagsverhalten praktiziert werden.

Meine Damen und Herren, wer zum dualen System und zur Pressefreiheit Ja sagt, darf nicht wegen irgendeines einzelnen Beitrags oder wegen einer bestimmten Person Kritik an einem Gesamtsystem üben, das sich bewährt hat. Wer das dennoch tut, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass es ihm um vordergründige parteipolitische Interessen und nicht um die rundfunkpolitische Situation in unserem Land geht.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich war immer der Meinung, dass die CSU uneingeschränkt zum öffentlich-rechtlichen System stehe, nicht nur zum dualen System als Ordnungsprinzip. Wenn man sich aber über den Tag hinaus ansieht, was Herr Dr. Stoiber, Herr Huber, Herr Glück und Herr Dr. Söder von sich gegeben haben, bekommt man Zweifel, ob ihre Lippenbekenntnisse zum öffentlich-rechtlichen System auch ihre tatsächliche Meinung widerspiegeln. Herr Dr. Stoiber wollte vor nicht allzu vielen Jahren den ARD-Staatsvertrag aufkündigen. Mit dieser Maßnahme kann man die Öffentlich-rechtlichen nicht stärken. Herr Dr. Stoiber hält die Vielzahl der Sender für entbehrlich. Wer ständig vom Föderalismus und seiner Unterhöhlung redet, kann nicht dafür sein, dass bei der ARD nur der Bayerische Rundfunk und der WDR erhalten bleiben, während die kleinen Sender wegfallen. Das ist keine positive Haltung zum öffentlich-rechtlichen System.

(Beifall bei der SPD)

Ich erinnere an den Streit um die Werbegrenze, also um welche Zeit und in welchem Umfang im öffentlich-rechtlichen Fernsehen geworben werden darf. Sie haben in dieser Frage immer herumgestichelt und die Auffassung vertreten, dass das jetzige System zugunsten der Privaten und zuungunsten der Öffentlich-rechtlichen verändert werden soll. Der jüngste Streit ging um die Zulässigkeit der Werbung und die zulässigen Werbeeinnahmen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Wir Sozialdemokraten vertreten hier die gleiche Position wie die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen muss eine bestimmte Zeit für die Werbung auch in Zukunft gesichert werden. Sie, meine Damen und Herren von der CSU, teilen diese Position nicht uneingeschränkt. Das ist ein weiterer Punkt, der Ihre Position zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen unglaubwürdig, zumindest sehr zwiespältig, erscheinen lässt.

Wir erleben alle zwei bis drei Jahre, wenn es um die Ermittlung des Gebührenbedarfs durch die KEF geht, dasselbe Ritual. Immer wieder fordern einzelne Personen aus den Reihen der CSU, diese Gebühren zurückzufahren oder eine Anpassung zu verweigern. Meine Damen und Herren von der CSU, ich habe den Eindruck, dass Sie nur vom dualen System sprechen. In Wahrheit wollen Sie innerhalb des dualen Systems eine schleichende, möglichst unbemerkte Verschiebung des Wettbewerbs zugunsten der Privaten erreichen. Das machen wir nicht mit.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Huber, vielleicht tun Sie das deshalb, weil Sie in Bayern gewiss sein können, dass sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Bayern trotz der Meinung, die Sie vertreten, nicht an Ihnen für Ihre Untreue gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen rächen wird. Das Bayerische Fernsehen wird mit Sicherheit keine Berichterstattung betreiben, die zu Ihrem Nachteil wäre, denken Sie sich. Mehr möchte ich zu der Frage, ob die Vorwürfe des Herrn Dr. Söder hinsichtlich der ARD-Porträts von Herrn Schröder und Herrn Dr. Stoiber im Hinblick auf eine Ungleichbehandlung oder Einseitigkeit stimmen, nicht sagen. Für mich fällt das letztlich unter die Pressefreiheit. Über solche Einzelfälle sollten wir hier

nicht reden. Dafür gibt es Rundfunkräte. Wir werden es aber nicht akzeptieren, dass Sie einen Beitrag des ZDF oder des WDR anführen, bei dem Herr Dr. Stoiber angeblich benachteiligt worden ist, wenn Sie gleichzeitig tabuisieren und außer Betracht lassen, in welcher Form das Bayerische Fernsehen über Herrn Dr. Stoiber in den letzten Jahren berichtet hat.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich würde gerne einmal die drei BR-Porträts über den Kandidaten Stoiber, die im Januar, eine Woche vor der Wahl und kurz nach der Wahl gesendet wurden, einem Medienwissenschaftler vorlegen. Das letzte Porträt lief unter der Überschrift „Der Heimkehrer“. Wenn diese drei Beiträge den beiden ARD-Beiträgen gegenübergestellt würden, läge die ganze Wahrheit über die öffentlichrechtlichen Sender und deren Objektivität oder Nichtobjektivität auf dem Tisch.

(Hofmann (CSU): Darüber können wir jederzeit diskutieren! Die SPD kommt im Bayerischen Fernsehen besser weg als bei den bayerischen Wählern!)

Herr Kollege Hofmann, es ist schön, dass Sie bereits am 9.35 Uhr Ihre bewährte Übung des Zwischenrufens aufnehmen.

(Hofmann (CSU): Ich war eher da als Sie!)

Herr Kollege Hofmann, das glaube ich nicht. Ich war bereits um 8.50 Uhr hier.

Sie täten besser daran, die drei Beiträge des Bayerischen Fernsehens nicht auf die Waagschale zu legen. Ein objektiver Betrachter könnte sich dann nämlich Ihrem Standpunkt nicht mehr anschließen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Hofmann Sie haben in der letzten Sitzung des Rundfunkrats gesagt: „Wir wissen doch, dass der Intendant nicht der Kandidat von Herrn Stoiber war“.

(Hofmann (CSU): Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt: nicht der Kandidat des Kandidaten! – Heiterkeit)

Herr Kollege Hoderlein, fahren Sie bitte mit Ihrer Rede, nicht mit der Diskussion, fort.

Das ist korrekt. Sie haben gesagt, dass der Intendant als Kandidat nicht der Kandidat des Kandidaten war.

(Hofmann (CSU): Sehr richtig!)

Heute weiß natürlich keiner mehr, dass es damals um den Intendanten des Bayerischen Rundfunks und um den Ministerpräsidenten ging, wenn vom Kandidaten die Rede ist. Das ist aber gar nicht der Punkt. Sie erzählen hier, dass es keinen Einfluss gebe, alles objektiv sei und sich die Parteien zurücknähmen. Außerdem hätte die

CSU mit dem Bayerischen Rundfunk überhaupt nichts zu tun. Das habe ich so in der Zeitung gelesen. Sie können das ja noch nicht einmal Ihren eigenen Leuten erzählen. Herr Kollege Hofmann, wenn es aber so wäre, wie können Sie dann einen solchen Satz sagen? Wenn es keinen Kandidaten des Kandidaten gibt, darf es auch keinen Gegenkandidaten eines anderen Kandidaten geben. Das wäre die Logik. Genau das ist aber nicht der Fall gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Was Herr Kollege Glück gesagt hat, ist wirklich ernst zu nehmen: Bezogen auf die beiden Porträts sagte er sinngemäß, dass damit die Legitimation der allgemeinen Rundfunkgebühren infrage gestellt werden müsse. Das ist ein offener Affront. Er sagt damit Folgendes: Entweder ihr berichtet in der ARD wie die CSU-Pressestelle über Stoiber berichtet, oder ihr bekommt keine Rundfunkgebühren mehr.

(Hofmann (CSU): Das ist Quatsch!)

Vor diese Alternative stellen Sie die öffentlich-rechtlichen Anstalten. Das machen wir nicht mit. Wir sagen Ja zum dualen System. Wir sagen auch Ja zur Pressefreiheit. Wir kneifen den Hintern zusammen, wenn wir kritisiert werden. Wir stehen aber zur Pressefreiheit. Ich bitte Sie, nicht nur mit einem Auge hinzusehen, sondern die Gesamtbeiträge aller öffentlich-rechtlichen Anstalten zu betrachten. Gottseidank sind diese Anstalten übers Ganze gesehen in unserem Lande noch ausgewogen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Prof. Dr. Stockinger.