Wolfgang Hoderlein
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Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Letzte Woche wurden wir mehr oder weniger alle, so denke ich, von der bekannt gewordenen Absicht der Bundesregierung überrascht, die Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ab dem Jahr 2004 für die alten Länder, also auch für Bayern, zu streichen. Das Erste, was ich dazu vernommen habe, waren die Pressemitteilungen der CSU, soweit sie über den Ticker kamen oder im Internet zu lesen waren.
Während Sie Ihre Zeit darauf verwendet haben, Ihren Protest zu formulieren, haben wir versucht, die Dinge etwas genauer zu ergründen und deutlich zu machen – damit ist im Grunde genommen schon alles gesagt –, dass wir vonseiten der bayerischen SPD – dazu gehören nicht nur die Kolleginnen und Kollegen aus der Landtagsfraktion, sondern, wie ich inzwischen wohl sagen kann, auch die Kollegen aus der Bundestagsfraktion – diese Absicht der Bundesregierung missbilligen und alles tun werden, dass das nicht eintreten wird, meine Damen und Herren.
Wir werden sehen, Herr Kollege Sackmann, was am Ende dabei herauskommen wird. In einem haben Sie Recht: Wenn es nicht stattfindet, dann waren es tatsächlich wir, die das verursacht haben. Aber unsere Heimat ist es auch wert, sich einzusetzen.
Trotzdem sollte das Thema etwas ruhiger und umfassender angegangen werden. Das Thema lautet nämlich nur am Rande „GA“. Im Grunde lautet es: Wohin gehen wir mit der Regionalförderung und der Wirtschaftsförderung insgesamt, und was ist zu tun, um das wachsende Gefälle innerhalb Bayerns durch geeignete Fördermaßnahmen abbauen zu helfen?
Lassen Sie mich dazu ein bisschen in die Historie zurückgehen. Der Planungsausschuss – das ist der
Bund-Länder-Ausschuss, der die Gemeinschaftsaufgabe betreut – hält ja laufend Sitzungen ab. Mein Hauptargument gegenüber der Bundesregierung war: Der Ausschuss hat in diesem Jahr am 24. April in seiner 56. Sitzung darüber debattiert, ob im Zuge der namentlich von Herrn Stoiber und Herrn Clement – was den Letzteren betrifft, so geht es um die Zeit, als er noch Ministerpräsident war – angezettelten Diskussion über die Verringerung von Bund-Länder-Aufgaben insgesamt und damit der Verringerung oder gänzlichen Abschaffung der Mischfinanzierung angesichts der Meinungsäußerungen der beiden Ministerpräsidenten der zwei wichtigsten Länder in Deutschland nicht auch im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Konsequenzen gezogen werden müssten.
Das Ergebnis war, wie ich dem Protokoll entnehme, einstimmig, das heißt es ging über alle Länder hinweg. Dazu gehörten also auch alle westlichen Länder, egal, ob es A- oder B-Länder waren.
Über die Frage der GA sollte man das Thema „Verminderung oder gänzliche Abschaffung von Gemeinschaftsaufgaben bzw. von Mischfinanzierungen“ nicht glauben bewältigen zu können. Ich halte das für eine wichtige Feststellung.
Ich sage Ihnen das in Richtung Stoiber, und ich sage es uns in Richtung Clement eindeutig. Ihre Grundsatzdebatte ist eine Debatte im Rahmen eventuell oder tatsächlich notwendiger Verfassungsstrukturveränderungen in Deutschland angesichts dramatisch veränderter Sachlagen. Das ist eine Debatte, die Jahre in Anspruch nehmen wird. Sie muss man von aktuellen Dingen völlig abkoppeln. Man muss die Debatte über sehr konkrete und sehr aktuelle und unmittelbar wirksam werdende Teilprobleme führen. Dabei muss es um die Frage gehen, ob man regionale Wirtschaftsförderung auch als Bund-Länder-Aufgabe noch machen kann, und man muss antworten: ja oder nein.
Dazu hat der Ausschuss noch in seiner 56. Sitzung im April dieses Jahres ein klares Ja gesagt. Daran habe ich die Bundesregierung erinnert und werde sie in den nächsten Tagen noch einmal daran erinnern.
Damit Sie, meine Damen und Herren von der Union, sehen, dass wir von der SPD uns um dieses Thema nicht nur dann kümmern, wenn der Kittel brennt und die Schlagzeilen sicher sind, erinnere ich daran, dass die Kollegin Dr. Kronawitter mit dem Antrag vom 11. Oktober 2002 – das ist jetzt neun Monate her –, Drucksache 14/10316, gefordert hat, dass vonseiten der Staatsregierung endlich ein Bericht über die GA gegeben wird.
Das hatte damals den Hintergrund, dass man in der vorletzten Sitzung im Mai 2002 im Rahmen des Planungsausschusses schon einmal über dieses Thema geredet hat. Das Protokoll weist aus, dass es dabei bereits einige Leute gab, die das Thema GA mit der Struktur- und Grundsatzdebatte, mit der Verfassungsdebatte verknüpfen wollten, die bereits damals über die Herren Clement und Stoiber angezettelt worden ist. Bezug nehmend darauf haben wir diesen Berichtsantrag gestellt. Ich mahne dringend an, dass dieser Bericht endlich vorge
legt wird. Ich glaube, neun Monate müssten genügen, Zahlen, die jedermann zugänglich sind, aufzubereiten und einer allgemeinen Debatte zuzuführen. Wenn Sie das Thema wirklich ernst nehmen, sind Sie von der CSU im Oktober mit uns im Boot, um endlich anzumahnen, dass dieser Bericht kommt. Meine Damen und Herren, zwölf Monate müssten dazu eigentlich reichen.
Ich sage das deshalb, um Ihnen deutlich zu machen, dass uns von der bayerischen SPD dies wirklich ein wichtiges Anliegen ist. Wenn Sie die Frage GA in Zusammenhang mit der Frage bringen, wie es unserem grenznahen Raum, unserem nord- und ostbayerischen Raum geht, haben Sie in uns die wärmsten Befürworter. Nur kann man dies nicht allein an der GA festmachen, wirklich nicht, von der Größenordnung schon gar nicht. Wir reden von 10 Millionen e. Wenn ich nur die EU-Mittel nehme, so ist es für die Ziel 2- und Ziel 3-Gebiete etwa das Dreifache. Es werden etwa 30 Millionen e sein, um die es dabei geht. Das ist schon einmal ein deutlicher Unterschied.
Aber jetzt kommt ein Punkt, bei dem wir leider nicht mehr zusammen sind. Diesen nenne ich Ihnen seit Jahr und Tag. Dazu haben wir auch entsprechende Anfragen gemacht und die Aufschlüsselung verlangt. Wenn ich mir nämlich anschaue, dass wir in Bayern angesichts der Lage, die Herr Faltlhauser vorhin geschildert hat in der einmaligen, geradezu paradiesischen Situation sind, dass wir neben dem normalen Haushalt über die Privatisierungserlöse gigantische Gelder zur Verfügung haben, ca. 4,5 Milliarden e und wenn ich mir anschaue, wie wir diese 4500 Millionen e – was ist das für ein Wahnsinnsbetrag im Verhältnis zu 10 Millionen e GA oder 30 Millionen e EU-Mitteln – eigentlich eingesetzt haben, wo es keinerlei Auflage, keine Beihilfekontrolle gibt, kein Bundesgesetz, kein Bundesrat, kein Gremium kontrolliert, wo wir als Bayern machen könnten, was wir wollten, wo Sie mit Ihrer Mehrheit machen könnten, was Sie wollten. Was haben Sie eigentlich getan, um diese 4500 Millionen e einzusetzen, um das Strukturgefälle in Bayern abzufedern, meine Damen und Herren?
Herr Kollege Sackmann, Sie sprechen jetzt von den 100 Millionen e des Ertüchtigungsprogramms. Ja, wunderbar, wir haben oft genug darauf gedrängt. Aber was sind 100 Millionen e von 4500 Millionen e! Wenn Sie wirklich nach dem 21. September bereit wären – ich bin nicht so naiv zu glauben, dass Sie das vorher sind –, Ihr Herz und Ihr Hirn für das wirklich objektiv belegbare Problem zu öffnen, dass die einzelnen bayerischen Regionen ökonomisch, arbeitsmarktmäßig und in jeder sonstigen Beziehung auseinander wachsen und dass wir dringend etwas tun müssen, um die Folgen, die das bedeutet – Abwanderung, Überalterung, Transferzahlungen an die Regionen, denen es nicht so gut geht –, abzuwenden, müssen wir die GA unbedingt erhalten und müssen wir die EU-Förderung unbedingt erhalten. Bis 2006 ist sie erhalten. Wir müssen schauen, dass sie über 2006 hinaus erhalten bleibt. Dann müssen wir aber auch die mit Abstand größte Geldsumme, die wir zur Verfügung haben, um diesem Problem beizukommen – das sind die Privatisierungserlöse, immer noch und auch in der
nächsten Legislaturperiode –, endlich massiv und nicht nur punktuell einsetzen, um dieses Generalproblem Bayerns endlich zu lösen, meine Damen und Herren, und dazu fordere ich Sie auf.
Wir haben Ihnen immer wieder deutlich gemacht, dass das Problem wächst. Wir haben in der Frage Forschung und Entwicklung, in der Frage Technologieförderung, in der Frage Technologietransfer, in der Frage Ausbildung, Fortbildung, Ausbildungsplätze immer und immer wieder deutlich gemacht, dass dieses Gefälle wächst und dass die bisherige Politik der Staatsregierung ausschließlich in Richtung Verfolgung modischer Ökonomietendenzen à la Clusterbildung, Kompetenzzentren usw. geht. Da gibt es alle zwei bis drei Jahre eine neue Welle, es war einmal Just in time, dann lean production, dann dies und jenes. Alle zwei bis drei Jahre kommt etwas Neues, das wird dann auf der PR-Geige gut gespielt, aber es hilft in der Sache nicht. Wir brauchen eine nachhaltige Politik auf den Feldern, in all den Parametern, die dieses Gefälle herbeiführen. Dazu brauchen wir viel, viel Geld, und zwar möglichst Geld, in dessen Verwendung uns niemand hineinredet. Dieses Geld haben wir in Bayern. Wir haben es über die Privatisierungserlöse. Aber Sie setzen es leider nicht ein. Da liegt die Hauptverantwortung. Wir bitten Sie, dieser Hauptverantwortung endlich gerecht zu werden. Wenn es heute nicht ist, dann bitte nach dem 21. September.
Abschließend, meine sehr verehrten Damen und Herren, eines zum Bundeskanzler. Herr Kollege Sackmann, vergessen Sie bitte zwei Dinge nicht. Sie sprechen das Thema Fördergefälle zwischen Bayern und Tschechien an, in der Tat ein Problem. Wenn Sie etwas nördlicher wohnen würden so wie ich, zum Beispiel in Oberfranken, dann wüssten Sie noch besser, dass dieses Fördergefälle ein Problem ist. Dass dieses Thema ein Problem ist, haben wir in Oberfranken schon drastisch erlebt. Es gab ein paar Leute, die schon 1991/92 gesagt haben, dass das schiefgehen wird, dass das Fördergefälle alte Länder/neue Länder zu Verlagerungen mit reinen Mitnahmeeffekten, aber nicht zu einer nachhaltigen Verbesserung führen wird und dass unter Umständen die grenznahen westlichen Räume am Ende die Betrogenen sein werden. Und genau so war es. Die Firmen haben 50 Zentimeter über den ehemaligen Grenzzaun hinaus eine Bruchbude hingestellt, haben ihr Firmenschild daran gehängt – das ist mir erst am Samstag bei einer Familienfeier wieder deutlich geworden – und haben die Zuschüsse kassiert. Die Arbeitnehmer sind drei Kilometer weiter über die Grenze gefahren. Aber geschehen ist im Grunde genommen volkswirtschaftlich nichts. Das Einzige, was wirklich eingetreten ist, war, dass die Staatsausgaben größer geworden und die Staatseinnahmen minimiert worden sind.
Hier hat sich also nicht viel getan. Das einzig Sinnvolle wäre gewesen, eine Art Förderband, wie Verheugen und ich das damals genannt haben, einzurichten und zu sagen: Nehmen wir auf der westlichen Seite den alten Grenzlandstreifen, den 40-Kilometer-Zonenrandstreifen von einstens, und auf der östlichen Seite etwa denselben Streifen, dann haben wir 80 Kilometer, und lassen
innerhalb dieses 40/40-Streifens diesseits und jenseits der Grenze vergleichbare Förderbedingungen gelten. Dann sind die Mitnahmeeffekte weg, dann kann man das mit reinem Pendlerbetrieb nicht mehr machen, und dann überlegt sich jeder, wo sinnvoll eine Förderung stattfinden könnte. Das ist nicht geschehen. Das Geld ist weg, aber die Wirtschaftsprobleme sind dort geblieben. Soweit das Thema Fördergefälle.
Wir werden eine ähnliche Situation in einigen Branchen ohne Zweifel in der Anfangszeit der Osterweiterung erleben. Das ist weiß Gott kein Argument gegen die Osterweiterung. Klar ist auch: Die GA-Förderung allein ist nicht annähernd geeignet, dieses Problem zu beseitigen, sondern das wäre es nur, wenn der Raum nach allen Maßstäben der Vergleichbarkeit in seinen Eigenkräften gestärkt wird. Das beginnt bei der Infrastruktur und hört mit der Mobilität und Qualifizierung der Arbeitnehmer auf, es geht über den Marketingbereich der Unternehmen usw. Für all das brauchte es eine verstärkte Beratung und auch entsprechende Förderprogramme, um diejenigen stark zu machen und nicht nur im Sinne von Zuschussförderung zu fördern, die sich dann einem neuen Wettbewerb öffnen müssen.
Um in die Gegenwart zurückzukommen und diesen Ausflug zu beenden: Viel entscheidender als die GA sind zwei Dinge, die Sie vergessen haben, die aber geschehen sind:
Erstens. Es war Position der Europäischen Kommission, dass zum Jahr 2003 die EU-Förderung für unsere Regionen ausläuft. Dieses Konzept hat im Rat bereits vorgelegen. Ich weiß, wie das gelaufen ist: Wir haben ganz massiv interveniert und erreicht, dass über die Position der Bundesregierung mit der ganzen Kraft, die Deutschland hat, die EU-Regionalförderung bis einschließlich 2006 sichergestellt worden ist. Kein EU-Land wollte das. Nur durch das Gewicht Deutschlands – mit irgendwelchen Kompensationsgeschäften, die ich hier nicht erwähnen will, wie es halt im europäischen Geschäft so läuft – ist das gelungen.
Lieber Herr Kollege Sackmann, meine Damen und Herren von der CSU, hätten wir das nicht, hätten wir ein echtes, x-fach größeres Problem als die Frage, ob wir eine GA haben oder nicht, ob wir sie mit 10 Millionen oder 100 Millionen haben, das wissen Sie ganz genau. Das war allein die Bundesregierung, und ich glaube sagen zu können, mit Unterstützung der bayerischen SPD. Darauf sind wir heute noch stolz. Das sollten Sie, wenn Sie der Wahrheit die Ehre geben wollen, nicht unterschlagen.
Zweitens. Die Position der EU-Kommission, auch des Rates in den Vorverhandlungen in vielen Notizen, war, dass es bei der Wahrnehmung der Freizügigkeitsrechte – anders als bei der Süderweiterung – keine Karenz- und Übergangszeit gibt. Das heißt, eigentlich hätte es, wenn es bei dieser Ursprungsposition aller Gremien der EU geblieben wäre, gelautet: ab 01. 04. 2004 kommt sofort, absolut und ohne Abstrich die Arbeitsnehmerfreizügigkeit. Was wir heute erreicht haben, nämlich dass wir mindestens fünf Jahre – mit Revision sieben Jahre – diese
Freizügigkeit nicht haben, also auf gut deutsch, dass unser bayerischer Arbeitsmarkt bis zu sieben Jahre in dem heutigen Rechtszustand verbleibt, ist allein unser Verdienst.
Ich weiß, dass es viele Wirtschaftsliberale und einige Grünliberale gibt, die das für einen marktfernen und kontraproduktiven Vorgang hält.
Herr Kollege Dr. Runge, ich gehöre nicht dazu. Und weil ich weiß, dass es in dieser Frage eine gelb-grüne Koalition gibt, muss das erwähnt sein; von wegen, GA bei Rot-Grün.
Diese beiden Faktoren – Freizügigkeit einerseits und EU-Regionalförderung 2000 andererseits – sind auf unserem Mist gewachsen. Das sind nachhaltige Maßnahmen für Ostbayern. Da lassen wir uns von niemanden die Butter vom Brot nehmen. Sie fordere ich nochmals auf, das Ihrige zu tun. Das können Sie mit der Kohle tun, um die Sie jeder beneidet, der heute in Deutschland Verantwortung trägt, alle anderen 15 Bundesländer und der Bund sowieso. Dass Herr Eichel nach jedem Strohhalm greift, und sei es nur ein 10-MillionenStrohhalm, ist dem armen Mann nun wirklich nicht zu verdenken. Stellen Sie sich doch einmal die Zinsen vor, die Eichel allein für die Schulden zahlen muss, die in den Jahren 1982 bis 1998 unter Kohl und Waigel entstanden sind.
Ich habe das hier schon zwei- bis dreimal vorgetragen, nicht weil es Ihnen gefällt, sondern weil es wichtig ist. Die Bundesregierung hatte 1982 beim Regierungswechsel Schmidt – Kohl eine Staatsverschuldung in Höhe von ungefähr 310/320 Milliarden. Nach dem Regierungswechsel 1982 betrug die Erblast 310 Milliarden DM. Ich sage nicht, was schuldhaft ist, sondern stelle nur die Fakten fest. Diese Schulden hatten sich in den Jahren von 1949 bis 1982, also von Adenauer bis Schmidt, angehäuft.
Dann kamen 16 Jahre Kohl/Waigel, und als dann 1998 Waigel ging war die Staatsverschuldung der Bundesrepublik Deutschland von 310 auf 1500 Milliarden DM angewachsen. 1200 Milliarden DM Schulden in 16 Jahren!
Das sind traurige Fakten. Der arme Mann Eichel zahlt allein für die Schulden dieser 16 Jahre mehr Zinsen, als der gesamte Haushalt des Freistaates Bayern beträgt. Was das heißt, muss man sich einmal überlegen.
Eichel zahlt für die in den 16 Kohl-Jahren entstandenen Schulden am Tag mehr Zinsen, als in Deutschland die ganze GA ausmacht.
Herr Kollege Sackmann, ich mache Ihnen ein Angebot. Dass Sie mir nicht zustimmen, wundert mich nicht weiter. Ich habe nichts dagegen einzuwenden, wenn wir getrennt abstimmen.
Ich wollte nur noch deutlich machen, warum Punkt 4 wichtig ist. Es geht um die Privatisierungserlöse. Wer für Ostbayern wirklich nachhaltig etwas tun will, muss bayerische Gelder in die Hand nehmen. Wir versuchen, die GA-Gelder zu halten – Sie versuchen, die bayerischen Gelder zu gewinnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es war wieder eine ganz interessante Debatte, denn man hat Schnittmengen in die eine und andere Richtung gesehen. Man hat aber auch Differenzen gesehen. Fangen wir einmal mit dem grünen Koalitionspartner in Berlin an: Lieber Herr Kollege Dr. Runge, liebe Frau Kollegin Gote, es gibt einen Teil Ihrer Politik – es ist kein Problem, das hier anzusprechen –, bei dem Ihre Schnittmengen mit Westerwelle und noch stärkeren Neo-Liberalen bei weitem größer sind als mit uns. Ich bekrittle das nicht, ich habe überhaupt kein Problem damit. Wir haben aber eine ganz scharfe Differenz. Sie nennen unsere Position ideologisch, ich nenne Ihre Position nicht ideologisch, sondern ich sage, Ihre Schnittmenge mit den neo-liberalen Geistern um Westerwelle ist in dieser Frage weitaus größer als die mit
uns. In logischer Konsequenz dessen – im Gegensatz zu Ihnen bewerte ich es nicht – haben Sie die Position zur GA hier ausgeführt. Das ist an sich logisch. Größere Schnittmengen –
Sie können das auch STAMOKAP – staatsmonopolistischen Kapitalismus – nennen, aber dann haben Sie keine Ahnung, was STAMOKAP ist. Da muss Herr Dr. Runge nochmals ran, um auf diesem Feld Aufklärung zu betreiben.
In einem anderen Punkt haben Sie aber völlig Recht – ich habe versucht, das auszuführen –: Die GA, die wir für richtig halten, ist, egal in welcher Höhe, nicht das Instrument, mit dem wir das Kernproblem angehen, über das wir jetzt diskutieren. Das Kernproblem – in diesem Punkt sind wir wieder beieinander – ist, dass wir in den letzten 13 Jahren wachsende regionale Disparität in Bayern haben.
Das ist nicht mehr zu bestreiten. Meine Damen und Herren von der CSU, es schützt Sie, das sich kaum eine Zeitung dafür interessiert, weil sich kaum ein Leser dafür interessiert, aber es ist Fakt. Die negativen Folgen dieser Fakten werden wir, ob wir wollen oder nicht, über kurz oder lang immer stärker spüren.
Jedes Instrument – ich betone: jedes –, das geeignet ist, einen Abbau zu leisten, ist gut und richtig. Die GA ist ein winziges Instrument, viel winziger als etwa der Einsatz der Regionalisierungserlöse es sein könnte. Die GA ist aber wichtig – jetzt bin ich bei Herrn Kollegen Spitzner, der in diesem Punkt Recht hat –, und ich würde sie hier verteidigen, und ginge es nur um 100000 e, weil damit ein Fördertatbestand, der ansonsten von keinem Förderprogramm erfasst ist – würde Bayern das machen, wäre es sofort beihilfeschädlich –, berücksichtigt wird. Von keinem anderen Förderprogramm sind diese Investitionsbeihilfen erfasst; das ist ein entscheidender Punkt.
Nur wenn das Gebiet als GA-Gebiet zugelassen ist, gibt es eine anerkannte Förderzone. Deswegen wäre selbst eine Förderung von nur einem Euro ein Grund, darum zu kämpfen. Anders als die CSU und damit ehrlicher sagen wir aber, macht euch nichts vor, 10 Millionen e sind wirklich nicht der Punkt zur Lösung des Kernproblems. Da müssten wir schon über 500 Millionen e reden, wenn es wirklich darum gehen soll.
Die GA ist nicht wegen ihrer Höhe wichtig, sondern aus den Gründen, die ich genannt habe. Sie ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn es um das Generalproblem geht, das ich hier beschrieben habe. Bitte sorgen Sie nach dem 21. September dafür, dass wir dieses Generalproblem uneingeschränkter als bisher und ohne Scheuklappen angehen können. Dann haben Sie wieder fünf Jahre Zeit bis zur nächsten Wahl; das müsste ausreichend viel Zeit sein.
Noch einmal: Wir sind bereit, Ihrem Antrag zuzustimmen, wenn Sie die entsprechenden kosmetischen Veränderungen vornehmen. Umgekehrt gilt das Gleiche. Die GRÜNEN müssen wir negativ verbescheiden. Wel
che Position Sie zur GA vertreten, habe ich Ihrer Rede entnommen, aber nicht dem Antragstext. Zur Vermeidung des Umstands, dass Herr König noch einmal an die Regionalzeitungen herantritt und sagt, die SPD stimmt dem Ausbau des Flughafens Hof-Plauen nicht zu, müssen wir Ihren Antrag allein aufgrund des vierten Spiegelstrichs zu Hof-Plauen ablehnen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Staatsminister Dr. Schnappauf.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal heißt es in der Politik, es muss drinstecken, was außen draufsteht. Das heißt auch in der Werbung manchmal so. Wo CSU draufsteht, muss auch CSU drin sein.
Hier haben wir es mit einem Fall zu tun, in dem etwas ganz anderes auf dem Papier steht als das, was Sie tatsächlich wollen, etwas komplett anderes.
Herr von Redwitz, die Differenz zwischen dem, was auf dem Papier steht, und dem, was Ihre Intention ist, was in Ihrem Hinterkopf ist, würde in der Katholischen Kirche ein ganz großes Beichtgespräch notwendig machen, um einen vollkommenen Ablass zu erreichen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Hoderlein, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn König? –
Das haben Sie meiner einleitenden Bemerkung nicht entnehmen können.
Ich entnehme Ihrer Frage, dass Sie mich auf einen bestimmten Weg bringen wollen. Sie werden nach 20 Minuten, wenn ich hier vom Rednerpult weggehe, sehen, dass es Ihnen nicht gelungen ist, mich auf den von Ihnen gewünschten Weg zu bringen.
Also, fangen wir mit dem Beitrag des Herrn von Redwitz an.
Der Einfluss von Parteien auf Medien ist in dieser unserer Zeit existent. Ihn zu leugnen, wäre eine Unwahrhaftigkeit. Es war aber eine der Heucheleien, die Sie hier vorgebracht haben, dass es einen derartigen Einfluss ausschließlich durch die SPD gäbe, weil bei der SPD nachzuweisen ist, dass sie über eine Holding an Zeitungsverlagen beteiligt ist; nur deshalb gäbe es den Einfluss einer Partei, und zwar nur auf diese Medien, und das sei von Übel.
Ich kenne ein Land, und in diesem Land regiert eine Partei, und in diesem Land, in dem diese eine Partei regiert, gibt es einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und an diesem Rundfunk hat diese Partei 0,00% Beteiligung in irgendeiner Form. Trotzdem nimmt sie massivsten Einfluss auf das Programm dieses öffentlich-rechtlichen Rundfunks, viel massiver als über jede andere Form der Beteiligung.
Sie selbst wissen am allerbesten, welches Land, welche Partei und welchen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ich meine.
Sie wollen den Menschen suggerieren, durch die Beteiligung einer Partei an einem Verlag würde Folgendes geschehen: Morgens zwischen 8.00 und 9.00 Uhr, vor Redaktionsbeginn, würde der zuständige Parteisekretär anrufen und dem Redakteur sagen, welche Überschrift er zu machen hat. Ich sage Ihnen: Diesen Verlag und diese Redaktion gibt es nicht, aber es gibt ein Land, und in diesem Land eine Partei, und in diesem Land einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wo es jeden Tag mindestens ein Dutzend Mal geschieht, dass von dieser Partei eine Anweisung kommt, was zu senden ist und was nicht. Dieses Land gibt es.
Sie kennen dieses Land, und Sie kennen diese Partei, und Sie kennen diesen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und Sie kennen die Personen, die anrufen, und Sie kennen die Personen, die diese „Befehle" entgegennehmen, und Sie kennen die Personen, die von dieser Partei in diese Funktionen gehievt werden, und das nur zu dem einen Zweck:
nicht um die Qualität des Programms zu erhöhen, sondern um Ihre politische Auffassung zu vertreten, meine Damen und Herren.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Hoderlein, mir liegen verschiedene Bitten auf Zwischenfragen vor,
zunächst von Herrn König, dann von Herrn Hofmann und von Herrn Prof. Stockinger. Wollen Sie diesen Kollegen eine Frage gestatten?
Nein.
Ach, hört doch auf, Leute!
Der Nachtschlafwagen scheint mir ziemlich getroffen zu sein. Was ist denn hier los?
Das ist ja so, wie wenn jemand ein Kilo Adrenalin da reingeschüttet hätte.
Es gibt ein Zweites, das ein großes Beichtgespräch notwendig machen würde.
Sie wollen mit Ihrem Antrag nicht etwa Transparenz oder so Zeug erreichen – wer schaut denn schon ins Impressum? –, sondern Sie wollen erreichen, dass Folgendes geschieht:
Die Partei, der Sie angehören, meine Damen und Herren, und von der bisher in meinen Ausführungen vielleicht auch schon die Rede war – vielleicht auch nicht –, die CSU,
hat es in den letzten zehn Jahren geschafft, als Partei kein einziges Mal einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.
Das ist übrigens die Partei, die für sich im Vergleich mit der SPD und den GRÜNEN die größere Wirtschaftskompetenz in Anspruch nimmt.
Seit zehn Jahren schafft die CSU keinen ausgeglichenen Haushalt, obwohl sie Millionen an Spenden von Leuten bekommt, die Millionen haben.
Diejenigen, die Millionen haben und Ihnen Millionenspenden geben, wollen auch, dass Sie Politik im Interesse dieser Millionen machen, und diese Politik liefern Sie ab, meine Damen und Herren von der CSU.
Sie selbst sind also wirtschaftlich unfähig, was Ihre eigenen Finanzen anbetrifft. Sie lesen aber die Bilanzen anderer Parteien, zum Beispiel die der SPD, und stellen fest: Die SPD hat im Gegensatz zu Ihnen verdammt wenig Spenden.
Sie hat verdammt wenig Spenden, absolut gesehen und im Verhältnis zu ihrem gesamten Haushaltsvolumen, und sie hat sie aus ganz anderen Gründen als Sie.
Die SPD hat aber einen wachsenden Anteil an Erlösen aus unternehmerischer Tätigkeit, den sie in ihre Parteienfinanzierung einbringen kann, insbesondere aus ihren Verlagsbeteiligungen. Das heißt, die Erlöse der Verlagsbeteiligungen der SPD finanzieren inzwischen in einem erheblichen Umfang die SPD. Das wissen Sie; das wissen 99,99% der Wähler vermutlich nicht. Das ist Ihnen ein Dorn im Auge, weil Sie das nicht kompensieren kön
nen. Weil Sie das nicht direkt sagen wollen, verbrämen Sie Ihre Haltung mit einem dieser Texte, die Sie Anträge nennen. Das ist Ihre zweite Heuchelei.
Wenn Sie das wirklich wollen, was Sie hier vorschlagen – ich komme noch im Einzelnen darauf zu sprechen –, müssen Sie sich in einem Punkt ganz genau überlegen, was Sie machen.
Schade, dass der Dings,
der Herr Generalsekretär, nicht da ist. Herr von Redwitz, ich als ewiger Bayernkurierleser meine es mit Ihnen ja gut. Bei der neuen Konstruktion des Bayernkuriers werden Sie von dem, was Sie da vorschlagen, selbst getroffen werden; denn Sie sprechen von direkten und mittelbaren Beteiligungen. Da ist auch der „Bayernkurier“ dran.
Wenn Sie allerdings wollen, dass damit der „Bayernkurier“, der auch in der neuen Form noch Defizit macht und Ihnen auf der Tasche liegt, sozusagen wegrationalisiert wird, und wenn Sie daneben auch noch den „Vorwärts“ kaputtmachen wollen, dann müssen Sie das hier deutlich sagen und dürfen das nicht mit diesen Anträgen verbrämen.
Gehen wir Ihre Ausführungen der Reihe nach durch.
Die SPD ist 140 Jahre alt und hat im Laufe ihrer Geschichte Erfahrungen gemacht. Eine ihrer historischen Erfahrungen noch im 19. Jahrhundert war, dass kapitalkräftige Personen und Organisationen ihr Kapital eingesetzt haben, um im damaligen Meinungskampf via Presse – das war damals ihre einzig nennenswerte Verbreitungsmöglichkeit – ihre Positionen zu vertreten. Es wurde nie bestritten, dass sie das dürfen. Die SPD hatte aber damals keine Möglichkeit, ihre Meinungen in gleicher Weise in den Meinungskampf einzubringen, der damals geherrscht hat; das war ganz offensichtlich. Deshalb musste sie ein strategisches Interesse daran haben, an eigene Zeitungen oder an Beteiligungen an Zeitungsverlagen zu kommen. Dieses Interesse hat sie konsequent verfolgt. Daraus resultieren – von der Weimarer Republik bis hin zur Nachkriegszeit – über 90% der heutigen Beteiligungen der SPD. Die Nazis haben uns Sozialdemokraten diese Beteiligungen wieder weg
genommen, und wir mussten sie uns hart wiedererkämpfen. Das müssen Sie bitte berücksichtigen.
Deshalb wollen wir als geschichtsträchtige Partei uns nicht so ohne weiteres nolens volens von dem trennen, was mit unserer Geschichte, unserem Selbstverständnis und mit unserer Erfahrung zu tun hat. Wir haben nun die Erfahrung gemacht, dass wir keine Möglichkeit haben, unsere Meinung darzustellen, wenn wir ausschließlich kapitalgebundenen Interessen gegenüberstehen, welche sich in der Zeitungslandschaft wiederspiegeln. Das ist die historische Erfahrung der SPD.
Daraus ist über viele Umwege, die hier nicht zu erläutern sind, das geworden, was heute die Medienbeteiligung der SPD ist. Es ist weit weg von dem, was Herr Huber und andere erzählt haben. Deshalb hat auch die einstweilige Verfügung, die wir erwirkt haben, ihren Dienst getan.
Die Wahrheit sieht wie folgt aus: Ich habe hier eine Darstellung des Instituts Format, eines allgemein anerkannten Instituts zur Bewertung von Mediensituationen. Unter den deutschen Verlagsgruppen steht an erster Stelle der Axel-Springer-Verlag und an elfter Stelle die DDVG mit einem Marktanteil von 1,9% – das ist etwas weniger als die zehn, die Sie genannt haben – mit einer Auflage von 434974. Diese Zahlen nenne ich nur für das Protokoll. Die Darstellung ist knapp ein Jahr alt. Das ist der wahre Hintergrund. Es gib ein einziges Blatt – vom Sonderfall „Frankenpost“ sehe ich einmal ab –, bei dem die DDVG eine Beteiligung von über 50% hat. Es ist die „Neue Westfälische“.
Zum Sonderfall „Frankenpost“ will ich Folgendes sagen: Leider kann man hier und heute in der Öffentlichkeit nicht vollends das erzählen, was tatsächlich vorgefallen ist.
Ich bin gerne bereit, es Ihnen unter vier Augen zu sagen. Sie dürfen mir aber glauben, dass keiner daran interessiert ist, die Beteiligung an einem Verlag, welcher solche Zahlen schreibt, wie wir sie kennen, von 30% auf 100% zu erhöhen. Ich kann hier nicht sagen, welche Zahlen geschrieben werden. Wenn die Beteiligung dennoch erhöht wird, dürfen Sie mir glauben, dass es dafür nur einen einzigen Grund gibt: Dieses Verlagshaus und die damit verbundenen Arbeitsplätze sollen in einer schwierigen Situation und in einer schwierigen Region erhalten bleiben. Das war das Motiv und sonst gar nichts.
Herr König, bringen Sie uns morgen einen Investor, der bereit ist, die 70%-Anteile zu übernehmen. Sie können Sie übermorgen wieder haben. Ich sage das nur, damit klar ist, worüber wir hier reden. Eigentlich müsste die DDVG aufs Höchste dafür belobigt werden, statt dass sie von Herrn Huber auf das Übelste beschimpft wird, dass wir nur nach Medienmacht oder Ähnlichem mehr trachten würden.
Ihr Antrag geht in der Sache ins Leere. Nach den Bestimmungen des Grundgesetzes und auch nach fachgutachtlichen Aussagen ist es unbestritten, dass die Parteien als juristische Personen am allgemeinen Erwerbsleben und am Geschäftsleben teilnehmen können. Es stellt sich nur die Frage, ob dazu auch die Medienbeteiligung gehört. Diese Frage ist mehrfach in Symposien und sogar in Dissertationen behandelt worden. Am Ende kommt immer wieder das Gleiche heraus. Dennoch hat die Union diese Kampagne schon 1998 geführt.
Der Bundespräsident hat daraufhin eine Kommission eingesetzt, die das Instrumentarium der Parteienfinanzierung untersuchen sollte. Die Kommission unter Vorsitz von Frau Hedda von Wedel, die nicht unserer Partei angehört, hat auch zu diesem Komplex umfänglich Stellung genommen. Das Elaborat ist wirklich sehr ergiebig. Ich kann es Ihnen zwar nicht insgesamt vorlesen, aber ich komme nicht umhin, daraus zu zitieren, um Ihnen die Seriosität der Quelle und die Klarheit der Ausführungen deutlich zu machen. Im Abschlussbericht wird die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der unternehmerischen Tätigkeit der Parteien auch im Hinblick auf den Medienbereich ausdrücklich bestätigt. Wörtlich heißt es:
Die Parteien sind als Vereine des Bürgerlichen Rechts wie andere juristische Personen auch Träger von Grundrechten, soweit diese „ihrem Wesen nach“ auf sie anwendbar sind (Artikel 19 Absatz 3 GG). Zwar können sich aus der besonderen verfassungsrechtlichen Aufgabe der Parteien, an der politischen Willensbildung mitzuwirken (Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 GG), Einschränkungen dieser Grundrechtsgeltung ergeben. Diese bedürfen aber einer besonderen Rechtfertigung. Allerdings dürfte sich die besondere verfassungsrechtliche Aufgabenzuweisung kaum jemals im Sinne einer völligen Verdrängung der Grundrechtsgeltung auswirken können, also zu einem völligen Verbot unternehmerischer Tätigkeit führen....Parteien sind Träger des Grundrechts der Eigentumsfreiheit, das nicht nur das Eigentum selbst, sondern auch dessen wirtschaftliche Nutzung schützt. Die (erwerbs-)wirtschaftliche Tätigkeit von Parteien ist somit grundsätzlich von Artikel 14 Absatz 1 GG geschützt.
Das gilt für den „Bayernkurier“ und auch für andere.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Hoderlein, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Wenn ich noch Zeit habe, gerne. Zu den Beteiligungen im Medienbereich will ich auch zitieren aus dem Bericht der Parteienkommission unter Vorsitz von Hedda von Wedel, die alles andere als der SPD nahe stehend ist:
Parteien sind unbestritten Träger der in Artikel 5 Absatz 1 GG gewährleisteten Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit. Zum sachlichen Schutz
bereich der Pressefreiheit gehört auch der unternehmerisch-wirtschaftliche Sektor, also die Begründung von und die Beteiligung an Unternehmen, die Presseerzeugnisse herstellen.... Es wäre also widersinnig, Parteien ausgerechnet im Bereich des Pressewesens eine Betätigung verwehren zu wollen.
Auch der verfassungsrechtliche Gesichtspunkt der Chancengleichheit der Parteien kann, wenn eine Partei sich im Bereich des Pressewesens erfolgreicher etabliert hat als andere, darüber hinausgehende Einschränkungen nicht rechtfertigen. Denn der Staat darf die von ihm vorgefundene Wettbewerbslage zwischen den Parteien nicht durch Eingriffe verfälschen. Zu dieser Wettbewerbslage gehört es nicht nur, wenn Parteien aufgrund ihrer programmatischen Ausrichtung
das ist interessant, meine Damen und Herren von der SPD, hören Sie zu! –
eher Bezieher von mittleren oder höheren Einkommen ansprechen und demzufolge in der Lage sind, von diesen auch größere Spenden- oder Beitragseinnahmen zu erzielen. Zu dieser vom Gesetzgeber zu respektierenden Wettbewerbssituation zählt auch ein etwaiger größerer wirtschaftlicher Erfolg, den eine Partei zum Beispiel aufgrund ihrer im Laufe der Parteigeschichte gewachsenen Strukturen hat erzielen können.
Sie von der CSU erzielen Einnahmen aus Spenden von Freunden, die viel Geld haben. Wir erzielen Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit, weil wir von Wirtschaft etwas verstehen. Eins zu eins, meine Damen und Herren!
Zu Ihrem Antrag betreffend die Medienbeteiligung von politischen Parteien, Herr von Redwitz: Wirtschaftliche Tätigkeit ist eindeutig zulässig, und im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit ist auch die Beteiligung im Medienbereich zulässig. Dies gilt für Print- und Funkmedien, soweit sie nicht öffentlich-rechtlich sind. Die einzige Ausnahme davon ist der Fall, dass ein nicht exakt zu bestimmender, unangemessen hoher Anteil an Eigenfinanzierung der Partei aus diesem Sektor erfolgen würde. Das ist aber ganz offensichtlich nicht der Fall, weil der Gewinn, den wir aus der Beteiligung erzielen, unendlich viel niedriger ist als der Anteil aus Spenden, die CDU und CSU zum Beispiel bekommen.
Insofern ist die Rechtslage eindeutig. Die möglichen Beschränkungen sind genauso eindeutig. Die heutige Medienbeteiligung der SPD ist weit davon entfernt, die im Bericht der Parteienkommission gesetzten Grenzen zu erreichen. Damit ist eine uneingeschränkte Beteiligungsmöglichkeit mit der Ausnahme, die ich eben geschildert habe, gegeben. Diese Beteiligungsmöglichkeit ist bei weitem nicht ausgeschöpft.
Das gilt auch für die privaten Hörfunksender, an denen wir teilweise über eine Beteiligungs-GmbH eines Zeitungsverlages mit Anteilen von unter einem Prozent beteiligt sind. Es handelt sich um Werte von 0,02, 0,7, 0,84 oder 0,03. Bei solchen Beteiligungen macht es Spaß, sich darüber lustig zu machen, dass der Einfluss einer Partei auf einen Sender bei 0,029% so riesig sei. Ich habe Ihnen vorher gesagt, wo es in Bayern tatsächlich solche Beteiligungen gibt, und Sie kennen die Partei, die das vollbringt.
Zum Transparenzgebot. Sie werden sich wundern über meine persönliche Antwort. Sie haben schon das gesagt, was Sie bei den Ausschussberatungen – ich habe das Protokoll gelesen – noch nicht gesagt haben. Dort war nämlich noch nicht die Rede davon, dass nach heutigem Recht bereits zwei Mal im Jahr im Impressum die Beteiligungsverhältnisse genannt werden müssen. Dieses Transparenzgebot darf aber nicht nur für eine Beteiligung der SPD oder einer anderen Partei gelten, sie muss auch für die Beteiligungen aller juristischen und natürlichen Personen gelten. Sonst macht das Ganze keinen Sinn.
Davon lese ich in Ihrem Antrag aber nichts. Dann würde auch herauskommen, dass an einem Sender der Unternehmer und Ehemann einer CSU-Bundestagsabgeordneten beteiligt ist. Es wäre also gut, wenn dieser Unternehmer und Ehemann einer CSU-Bundestagsabgeordneten als solcher den Lesern, Hörern oder Sehern auch bekannt wäre und nicht nur die DDVG. Davon lese ich aber auch nichts.
Das Transparenzgebot ist mehr als erfüllt. Zweimal jährlich muss die Beteiligung im Impressum stehen. In welcher Form Sie das Transparenzgebot über die Beteiligung der Sozialdemokratischen Partei hinaus ausgefüllt haben wollen, steht in Ihrem Antrag nicht. Das würde ich gerne lesen. Würden Sie mir klarmachen, wen Sie über die SPD hinaus in dieses Transparenzgebot alles einbeziehen wollen, könnten wir darüber reden. Dass die Beteiligung von Parteien an Medien unstrittig ist, dass der Anteil der SPD an den deutschen Medien im Rahmen der Grundgesetzauslegung liegt und nach der Expertenmeinung der Parteienfinanzierungs-Kommission unstrittig ist, ist auch klar.
Lieber Herr von Redwitz,
ich frage Sie auch nicht, wie Teile des deutschen Adels im Laufe der Geschichte zu ihrem Vermögen, insbesondere zu ihrem Immobilienvermögen gekommen sind.
Das ist ein völlig unsachliche Frage, deshalb frage ich das auch nicht.
Das ist genauso unsachlich und so wenig mit dem Titel, den Sie vorgebracht haben, vereinbar, wie das, was ich eben zum deutschen Adel gesagt habe.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau Stahl.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN ist eigentlich das Geringste, worüber bisher geredet worden ist. Er ist auch nicht der Anlass für diese Debatte. Ich nehme einmal die Überschrift, die die GRÜNEN gewählt haben „Hände weg von ARD und ZDF“ und lasse zunächst den Untertitel weg. „Hände weg von ARD und ZDF“ begreife ich so, dass die GRÜNEN eine Mahnung dergestalt an uns alle oder wen auch immer richten, wonach das öffentlich-rechtliche Fernsehen und der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein hohes Gut für unsere Gesellschaft, für unsere Demokratie sind und dass es nicht in der Macht und im Belieben irgendeiner einzelnen gesellschaftlichen Kraft oder einer Partei steht oder stehen darf, dieses hohe Gut zu gefährden.
So interpretiere ich das Anliegen der GRÜNEN. Dazu kann ich nur sagen: Dem muss eigentlich jeder Demokrat in unserem Lande aus vollem Herzen zustimmen. Aus dem, was die CSU schon vor diesem heutigen Tag und jetzt Herr Kollege von Redwitz von sich gegeben haben, kann ich dieses Grundsatzbekenntnis bei Ihnen leider nicht erkennen.
Die rundfunkpolitische Situation, die wir in unserem Land seit etwa 15 Jahren mit dem geschaffen haben, was wir, entliehen aus einem anderen Bereich, duales System nennen, also das Nebeneinander von öffentlich-rechtlicher Verfasstheit auf gesetzlicher Grundlage mit gesetzlichem Auftrag und von privaten Anbietern auf gesetzlicher Grundlage, aber ohne gesetzlichen Sendeauftrag, dieses Nebeneinander der beiden Formen hat sich nach meiner Auffassung bewährt. Wir stehen dazu.
Die Sozialdemokratie ist eine politische Kraft, die dieses System begrüßt und für richtig hält. Über die Pressefreiheit soll nicht nur in Sonntagsreden gesprochen werden. Sie muss auch im Alltagsverhalten praktiziert werden.
Meine Damen und Herren, wer zum dualen System und zur Pressefreiheit Ja sagt, darf nicht wegen irgendeines einzelnen Beitrags oder wegen einer bestimmten Person Kritik an einem Gesamtsystem üben, das sich bewährt hat. Wer das dennoch tut, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass es ihm um vordergründige parteipolitische Interessen und nicht um die rundfunkpolitische Situation in unserem Land geht.
Ich war immer der Meinung, dass die CSU uneingeschränkt zum öffentlich-rechtlichen System stehe, nicht nur zum dualen System als Ordnungsprinzip. Wenn man sich aber über den Tag hinaus ansieht, was Herr Dr. Stoiber, Herr Huber, Herr Glück und Herr Dr. Söder von sich gegeben haben, bekommt man Zweifel, ob ihre Lippenbekenntnisse zum öffentlich-rechtlichen System auch ihre tatsächliche Meinung widerspiegeln. Herr Dr. Stoiber wollte vor nicht allzu vielen Jahren den ARD-Staatsvertrag aufkündigen. Mit dieser Maßnahme kann man die Öffentlich-rechtlichen nicht stärken. Herr Dr. Stoiber hält die Vielzahl der Sender für entbehrlich. Wer ständig vom Föderalismus und seiner Unterhöhlung redet, kann nicht dafür sein, dass bei der ARD nur der Bayerische Rundfunk und der WDR erhalten bleiben, während die kleinen Sender wegfallen. Das ist keine positive Haltung zum öffentlich-rechtlichen System.
Ich erinnere an den Streit um die Werbegrenze, also um welche Zeit und in welchem Umfang im öffentlich-rechtlichen Fernsehen geworben werden darf. Sie haben in dieser Frage immer herumgestichelt und die Auffassung vertreten, dass das jetzige System zugunsten der Privaten und zuungunsten der Öffentlich-rechtlichen verändert werden soll. Der jüngste Streit ging um die Zulässigkeit der Werbung und die zulässigen Werbeeinnahmen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Wir Sozialdemokraten vertreten hier die gleiche Position wie die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen muss eine bestimmte Zeit für die Werbung auch in Zukunft gesichert werden. Sie, meine Damen und Herren von der CSU, teilen diese Position nicht uneingeschränkt. Das ist ein weiterer Punkt, der Ihre Position zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen unglaubwürdig, zumindest sehr zwiespältig, erscheinen lässt.
Wir erleben alle zwei bis drei Jahre, wenn es um die Ermittlung des Gebührenbedarfs durch die KEF geht, dasselbe Ritual. Immer wieder fordern einzelne Personen aus den Reihen der CSU, diese Gebühren zurückzufahren oder eine Anpassung zu verweigern. Meine Damen und Herren von der CSU, ich habe den Eindruck, dass Sie nur vom dualen System sprechen. In Wahrheit wollen Sie innerhalb des dualen Systems eine schleichende, möglichst unbemerkte Verschiebung des Wettbewerbs zugunsten der Privaten erreichen. Das machen wir nicht mit.
Herr Kollege Huber, vielleicht tun Sie das deshalb, weil Sie in Bayern gewiss sein können, dass sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Bayern trotz der Meinung, die Sie vertreten, nicht an Ihnen für Ihre Untreue gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen rächen wird. Das Bayerische Fernsehen wird mit Sicherheit keine Berichterstattung betreiben, die zu Ihrem Nachteil wäre, denken Sie sich. Mehr möchte ich zu der Frage, ob die Vorwürfe des Herrn Dr. Söder hinsichtlich der ARD-Porträts von Herrn Schröder und Herrn Dr. Stoiber im Hinblick auf eine Ungleichbehandlung oder Einseitigkeit stimmen, nicht sagen. Für mich fällt das letztlich unter die Pressefreiheit. Über solche Einzelfälle sollten wir hier
nicht reden. Dafür gibt es Rundfunkräte. Wir werden es aber nicht akzeptieren, dass Sie einen Beitrag des ZDF oder des WDR anführen, bei dem Herr Dr. Stoiber angeblich benachteiligt worden ist, wenn Sie gleichzeitig tabuisieren und außer Betracht lassen, in welcher Form das Bayerische Fernsehen über Herrn Dr. Stoiber in den letzten Jahren berichtet hat.
Ich würde gerne einmal die drei BR-Porträts über den Kandidaten Stoiber, die im Januar, eine Woche vor der Wahl und kurz nach der Wahl gesendet wurden, einem Medienwissenschaftler vorlegen. Das letzte Porträt lief unter der Überschrift „Der Heimkehrer“. Wenn diese drei Beiträge den beiden ARD-Beiträgen gegenübergestellt würden, läge die ganze Wahrheit über die öffentlichrechtlichen Sender und deren Objektivität oder Nichtobjektivität auf dem Tisch.
Herr Kollege Hofmann, es ist schön, dass Sie bereits am 9.35 Uhr Ihre bewährte Übung des Zwischenrufens aufnehmen.
Herr Kollege Hofmann, das glaube ich nicht. Ich war bereits um 8.50 Uhr hier.
Sie täten besser daran, die drei Beiträge des Bayerischen Fernsehens nicht auf die Waagschale zu legen. Ein objektiver Betrachter könnte sich dann nämlich Ihrem Standpunkt nicht mehr anschließen.
Herr Kollege Hofmann Sie haben in der letzten Sitzung des Rundfunkrats gesagt: „Wir wissen doch, dass der Intendant nicht der Kandidat von Herrn Stoiber war“.
Das ist korrekt. Sie haben gesagt, dass der Intendant als Kandidat nicht der Kandidat des Kandidaten war.
Heute weiß natürlich keiner mehr, dass es damals um den Intendanten des Bayerischen Rundfunks und um den Ministerpräsidenten ging, wenn vom Kandidaten die Rede ist. Das ist aber gar nicht der Punkt. Sie erzählen hier, dass es keinen Einfluss gebe, alles objektiv sei und sich die Parteien zurücknähmen. Außerdem hätte die
CSU mit dem Bayerischen Rundfunk überhaupt nichts zu tun. Das habe ich so in der Zeitung gelesen. Sie können das ja noch nicht einmal Ihren eigenen Leuten erzählen. Herr Kollege Hofmann, wenn es aber so wäre, wie können Sie dann einen solchen Satz sagen? Wenn es keinen Kandidaten des Kandidaten gibt, darf es auch keinen Gegenkandidaten eines anderen Kandidaten geben. Das wäre die Logik. Genau das ist aber nicht der Fall gewesen.
Was Herr Kollege Glück gesagt hat, ist wirklich ernst zu nehmen: Bezogen auf die beiden Porträts sagte er sinngemäß, dass damit die Legitimation der allgemeinen Rundfunkgebühren infrage gestellt werden müsse. Das ist ein offener Affront. Er sagt damit Folgendes: Entweder ihr berichtet in der ARD wie die CSU-Pressestelle über Stoiber berichtet, oder ihr bekommt keine Rundfunkgebühren mehr.
Vor diese Alternative stellen Sie die öffentlich-rechtlichen Anstalten. Das machen wir nicht mit. Wir sagen Ja zum dualen System. Wir sagen auch Ja zur Pressefreiheit. Wir kneifen den Hintern zusammen, wenn wir kritisiert werden. Wir stehen aber zur Pressefreiheit. Ich bitte Sie, nicht nur mit einem Auge hinzusehen, sondern die Gesamtbeiträge aller öffentlich-rechtlichen Anstalten zu betrachten. Gottseidank sind diese Anstalten übers Ganze gesehen in unserem Lande noch ausgewogen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege König, Sie haben verlangt, dass Oberbürgermeister Döhla seine Hausaufgaben machen sollte. Wäre er Ihrem Rat gefolgt, hätte er Grundstücke gekauft, auf denen weiterhin Wiesen blühen und Wälder stehen. Die Planungen für die Startbahn haben geändert werden müssen, was dazu führte, dass die Startbahn jetzt in eine andere Richtung führt, als ursprünglich geplant war. Oberbürgermeister Döhla hätte also grünes Land gekauft, welches dem Flughafen überhaupt nicht genützt hätte. Er hätte die Finanzsituation seiner Stadt damit noch weiter verschlechtert. Das ist Fakt. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.
Nein.
Die Versammlung, in der Sie mit der Behauptung durchkommen, Ihr Antrag sei der weiterführende, müssen Sie mir erst einmal zeigen. Selbst für einen Anfänger in Fragen der Geschäftsordnung ist klar erkennbar, dass Ihr Antrag bewusst verwässernd ist. Sie wissen auch, warum.
Die Kollegen von den GRÜNEN haben hier Argumente vorgebracht, die selbst unter Gesichtspunkten grüner Politik fragwürdig sind. Wenn Sie glauben, dass durch die Verhinderung dieses Flughafens die Absicht der Geschäftsreisenden und der Urlaubsreisenden, zu fliegen, gemindert wird, dann irren Sie sich. Was werden die Menschen in Hof und Umgebung tun? – Sie werden sich in das Automobil setzen und 140 Kilometer nach Nürnberg fahren und anschließend wieder zurück, wobei sie 25 Liter Benzin verbrauchen und die Luft verpesten. Fliegen werden sie jedenfalls trotzdem. Das ist der Effekt, der entsteht. Das Gleiche ist natürlich auch vom Flughafen Leipzig aus möglich. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Verhinderung des Flughafens nicht sinnvoll.
Auch zu sagen, diese Infrastruktureinrichtung ist nicht wirtschaftlich, ist eine seltsame Betrachtungsweise. Würden wir diese Betrachtungsweise bei der Entscheidung über Infrastrukturmaßnahmen konsequent anwenden, dann gäbe es bis heute in keinem Einödhof Deutschlands elektrisches Licht oder Telefon. So etwas rechnet sich niemals.
Sie müssen eine einzige relevante Frage stellen, die lautet: Ist der strukturpolitische Effekt, den man mit einer Infrastrukturmaßnahme erzielt, gemessen am aufgewendeten Geld gerechtfertigt oder nicht? – Ich sage Ihnen, der Betrag von 31,9 Millionen e – das ist der jetzige Stand – ist ein mehr als gerechtfertigter Beitrag zur Erzielung eines strukurpolitischen Effekts in dieser Region, sowohl unter ökonomischen als auch unter touristischen Gesichtspunkten. Das ist der einzige entscheidende Faktor.
Meine Bitte wäre jetzt, dass die Kolleginnen und Kollegen von der CSU das tun, was sie ausgemacht haben, nämlich unseren Antrag, meinetwegen wegen zu hoher Präzision, ablehnen, und sich anschließend mit uns gemeinsam daran machen, die Frage zu klären.
Wir müssen uns vor dem Hintergrund der Frage, welches Geld erbringt welchen strukturpolitischen Effekt, auch damit beschäftigen, was bei dem Terminal in München passiert ist. Dort ist man inzwischen bei knapp 1200 Millionen e angelangt. Vorhin wurde das schöne Bild von den Toiletten gebracht. Die 31 Millionen e sind
tatsächlich ungefähr das, was man braucht, um die Sanierung der Herrentoiletten am Flughafen München durchzuführen. Die Frage der Toilettensanierung ist aber eindeutig von geringerer strukturpolitischer Bedeutung als die Frage, ob in Hof ein Flughafen gebaut wird oder nicht.
Wir reden von einer Summe, die sich in der Größenordnung von 2,5% dessen bewegt, was beim Terminal II der augenblickliche Stand der Kosten ist.
Unabhängig von der Frage, ob Sie unserem Antrag zustimmen, bitte ich Sie herzlich, die Angelegenheit im Interesse der Sache gemeinsam mit uns voranzubringen. Wir versprechen Ihnen, dass wir unsere Möglichkeiten nutzen werden, um in Brüssel das notwendige Geld herbeizuschaffen. Das versprechen wir Ihnen; ob es gelingt, werden wir sehen. Sie wissen, dass ich hier keine rhetorischen Floskeln bringe. Das ist unser Versprechen, und Sie sagen uns bitte unabhängig von dem Getue um den Antrag, dass Sie das Ihre tun werden, um der Region zu helfen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten gestern eine Debatte über die wirtschaftliche Situation in Deutschland und darüber, wie es weitergehen soll. Diese Debatte war aus meiner Sicht recht polemisch, wenig substanziell. Das muss uns nicht weiter verwundern angesichts der Tatsache, dass wir so kurz vor einer Bundestagswahl stehen.
Ich will in Verbindung mit diesem Antrag den Versuch machen, auf die Aussagen des Kandidaten der CDU/ CSU und auf das Wahlprogramm der Union einzugehen, hauptsächlich bezogen auf diese Zauberformel „Dreimal 40“ oder „Dreimal unter 40“, bezogen auf die Staatsquote, die auf unter 40% gesenkt werden soll, auf den Spitzensteuersatz, der auf unter 40% gesenkt werden soll, und auf die Sozialversicherungsanteile. Dazu heißt es auszugsweise im Programm:
Dazu haben wir das Programm „Dreimal 40“ entwickelt. Es steht für niedrige Steuern, stabile Sozialversicherungen, einen sparsamen Staat. Wir werden deshalb die Staatsquote von derzeit knapp 50
schrittweise und dauerhaft auf unter 40 senken. Wir wollen den Spitzensteuersatz auf unter 40 senken. Wir werden alle Spielräume nutzen, um die Beitragssätze zu senken und die Sozialversicherungsbeiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern schrittweise auf unter 40% zu senken.
So weit das Programm.
Meine Damen und Herren, es ist gestern schon angeklungen, und es zieht sich durch alle Debattenbeiträge und durch das, was man in den Zeitungen liest und im Fernsehen sieht: Die beiden Fragen, um die es wirklich geht, werden von den Leuten, die das propagieren – der Kanzlerkandidat vorneweg –, immer verschwiegen. Die erste Frage lautet: Wenn heute der Befund über die Bundesrepublik Deutschland so schlimm ist, wie er angeblich ist, was war dann eigentlich vorher, vor Schröder, bis 1998? Die zweite Frage ist, was für Konsequenzen aus dieser Zauberformel „Dreimal 40“ eigentlich für unser Land und speziell für Bayern erwachsen könnten. Dazu will ich etwas sagen, meine Damen und Herren.
Als Erstes: Der designierte Schattenwirtschaftsminister – – Herr Huber, Sie sind ja auch schon für etwas designiert, habe ich gehört, deswegen sind Sie so interessiert und vertreten die Stelle Ihres Herrn, der sich übrigens gestern – das habe ich im Fernsehen gesehen – mit Gattin Karin im Louvre die Bilder angesehen hat. Das war ganz wichtig. Noch wichtiger wäre es gewesen, hier zu sein, während wir im Landtag über die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Bayerns redeten.
Ja, das habe ich im Fernsehen gesehen. Mit Gattin hat er sich die Bilder angeschaut. Der Herr Ministerpräsident und Abgeordnete Stoiber war leider nicht da, als die Debatte über Bayern lief.
Herr Späth hat gesagt – ich zitiere –:
Wir können im Augenblick bei Steuersenkungen gar nichts versprechen,
Das hat Herr Späth gesagt, also der, der das umsetzen soll, was Herr Stoiber mit der Zauberformel will.
weil wir jetzt erstens Steuerausfälle durch Konjunkturschwäche haben. Zweitens gibt es die Zusage der jetzigen Regierung, den Haushalt auszugleichen wegen der Bedingungen von Brüssel.
Damit meint er den blauen Brief.
Und ich kann keiner Regierung in Deutschland raten, von diesen Stabilitätskriterien wegzugehen.
Soweit Lothar Späth am 25. Februar 2002 im ZDF.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, erste Frage: Was war eigentlich vor Schröder, vor dem Jetzt-Stand?
Da will ich Ihnen jetzt nicht 50, 60 Zahlen vorlegen, die alle nicht sehr gut wären für Sie, sondern mich wirklich nur auf das Wichtigste beschränken.
Erstens. Die Arbeitslosigkeit – einer Ihrer Kritikpunkte – war in allen vier letzten Jahren von Kohl, also 1995, 1996, 1997 und 1998, im Jahresdurchschnitt und in jedem einzelnen Monat – gleich, welche Zahl Sie nehmen – stets höher als in den Jahren 1999, 2000, 2001 bis einschließlich heute, Juni 2002.
Das ist eine Tatsache, an die Sie nicht gern erinnert werden wollen; deswegen bleibt es aber dennoch eine Tatsache.
Was wir daraus schließen können, meine Damen und Herren, ist: All die Konzepte, die Sie jetzt vorschlagen, sind nicht neu. Wenn sie nicht neu sind, sind sie vorher schon einmal angewandt worden, und die Ergebnisse dieser Konzepte, Herr Huber, zeigen sich zum Beispiel in der Arbeitslosigkeit: Indem Sie konsequent Jahr für Jahr schlechtere Zahlen erbracht haben als das, was unter Schröder der Fall gewesen ist.
Daran sieht man, was für eine Ahnung Sie haben!
Zweiter Punkt: Staatsquote. Die Staatsquote liegt jetzt bei 48,5%. Sie war in den Jahren 1999, 2000, 2001 – und wird es auch 2002 sein – niedriger, als sie es in den Jahren 1998, 1997, 1996 und 1995 war. Ganz konkret und ohne Ausschweifungen Ihrerseits: Die Staatsquote ist unter Rot-Grün gegenüber Kohl gesenkt worden. Punktum. Faktum.
Dritter Punkt: Sozialversicherungsbeiträge. Die Sozialversicherungsbeiträge liegen jetzt in der Summe bei 41,3%. Sie sind in 2002, sie waren in 2001, 2000 und 1999, also in allen vier Schröder-Jahren, niedriger, als sie in 1998, in 1997, in 1996 und in 1995 waren. Die Sozialversicherungsbeiträge sind unter Rot-Grün gesenkt worden.
Meine Damen und Herren, angesichts dieser Faktenlage können sich gewiss viele beschweren: Die Arbeitgeber können sich beschweren, die Arbeitnehmer können sich beschweren, die Gewerkschaften können sich beschweren, die Arbeitslosen können sich beschweren, das Volk kann sich beschweren, weil alles nicht so ist, wie es sein sollte. Okay! Aber ein einziger hat den Mund zu halten: nämlich derjenige, der nachgewiesen hat, dass er alles noch viel, viel weniger kann als diejenigen, die ihm gefolgt sind, und das sind die CDU und die CSU, meine Damen und Herren!
Ich berichte nur von Fakten, die durch Ihre Ignoranz nicht zu Nicht-Fakten werden.
Vierter Punkt: Wachstum. Das Wachstum in Deutschland ist zu niedrig – keine Frage. Das Wachstum in der EU ist zu niedrig – keine Frage. Aber wie war denn das Wachstum vorher? Da kann ich Ihnen wieder keinen anderen Befund geben: Ob in 2002, in 2001, in 2000 oder in 1999, gemessen an 1998, 1997, 1996 und 1995 – wenn Sie den Schnitt im Wachstum der letzten Periode mit der jetzigen Periode vergleichen, dann werden Sie feststellen: Das Wachstum unter Schröder war und ist höher als unter Kohl/Waigel in deren letzter Periode.
Faktum, meine Damen und Herren! Und ich habe gesagt: Das Wachstum kann weiß Gott nicht befriedigen. Wir brauchen mehr als 2% Wachstum, damit das eigentliche Fundament zur Überwindung der Arbeitslosigkeit gelegt wird. Aber bitte schön, auch darüber können sich alle beschweren – mit einer Ausnahme: Das sind Sie!
Dann schauen wir einmal, wie es im internationalen Vergleich aussieht. Sie reüssieren – Herr Huber, auch Sie machen es – und hoffen auf die Vergesslichkeit, die Unkenntnis oder was sonst noch der Menschen, der Medien oder wessen auch immer, indem Sie sagen: Schröder hat Deutschland auf den letzten Platz in der europäischen Rangliste geführt.
Ich verbreite hier keine Meinung, sondern ich nenne nur Tatsachen. Deutschland liegt jetzt, im Jahre 2002, auf dem 15. Platz in der EU.
Ein ganz unschöner Befund. Deutschland war davor auf dem 14. Platz, es war im Jahr davor auf dem 15. Platz, es war im Jahr davor auf dem 13. Platz.
Ich fasse zusammen: vier Schröder-Jahre – Ergebnis Wachstum Deutschlands im EU-Vergleich: Platz 13 einmal, Platz 14 einmal, Platz 15 zweimal. – Frau Stewens, schreiben Sie es sich auf, Sie haben einen Stift in der Hand!
Jetzt kommen die vier letzten Kohl-Jahre: 1998, 1997, 1996, 1995: Platz 15 zweimal, Platz 14 einmal, Platz 13 einmal.
Das sind die Fakten: ein genau identischer Befund der letzten Periode Kohl und der letzten Periode Schröder.
Beide sind schlecht für unser Land, aber Sie haben den Mund zu halten, wenn es darum geht, diese Fakten zu kritisieren, weil Sie nachgewiesenermaßen nichts besser gemacht haben.
Beide Ergebnisse sind schlecht für unser Land, ja. Versuchen Sie nur, mit Tricks zu arbeiten. Ich gebe Ihnen dann die Zahlen und die Quellen, damit Sie – Pisa lässt auch hier grüßen – im Grundkurs Politik einigermaßen mitkommen.
Meine Damen und Herren, das alles spricht nicht für Sie.
Ich rede damit nicht die Probleme unseres Landes herunter.
Aber ich sage klipp und klar, dass die meisten von Ihnen erstens nicht neu sind, und dass zweitens die Rezepte, die Sie damals angewandt haben, in der Regel zu schlechteren Ergebnissen geführt haben. Deshalb taugt der Aufguss von Herrn Stoiber nicht für die Zukunftsprojektion unseres Landes, meine Damen und Herren!
Und dann die Zauberformel von der Arbeitslosensituation in Bayern und dem großen Arbeitslosenbeseitiger Edmund Stoiber. Hier kann ich Ihnen allerdings exakte Zahlen leider nicht ersparen.
1992 – Sie wissen, das war, als Sie Max Streibl noch hatten – hatten wir in Bayern – ich nenne die Jahresdurchschnittszahlen ohne die Hunderter – 243000 Arbeitslose; das war das letzte Jahr von Streibl. Im Mai 1993 ist Stoiber in das Ministerpräsidentenamt gekommen. Die Zahl für 1993 – wir wollen sie weder Stoiber noch Streibl anlasten; das machen wir gerecht –: 322000. Die merken Sie sich jetzt einmal. Ab da gibt es nur noch Stoiber. Die Herren Beamten schreiben bitte wieder mit. 322000 Arbeitslose waren das Erbe von Streibl 1993. Ein Jahr später: 360000, dann 355000, 401000, 442000, dann 415000, 384000, 339000, schließlich 332000, und heuer werden es wohl auf jeden Fall wieder um die 350000 sein.
Faktisches Ergebnis – ohne Gequatsche, ohne Drumherum: Zehn Jahre Stoiber bedeuten für Bayern zehn Jahre höhere Arbeitslosigkeit als zu Beginn der Regierungszeit Stoibers, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das sind die Bayern-Fakten!
Nachdem diese Fakten klar sind – für alle, außer für Sie –, wollen wir doch einmal überprüfen, was es in unserem
Land zur Folge hätte, wenn das mit der Zauberformel von „Dreimal 40“ Versprochene tatsächlich eintreten würde. Wir haben also gelernt, dass die Staatsquote beim Abgang Kohls 1998 höher war, als sie jetzt ist: Also unter Schröder ist die Staatsquote gefallen. Wenn Sie aber jetzt von 48,5 auf 40 fallen soll, wie Sie das wollen, dann bedeutet das als Volumen – damit die Leute einmal eine Vorstellung haben, was das heißt – 170 Milliarden e, die dem öffentlichen Kreislauf entzogen werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bundeshaushalt liegt bei knapp 500 Milliarden DM, also bei 250 Milliarden e, wenn wir einmal mit glatten Zahlen rechnen wollen, damit man einmal einen Größenvergleich hat.
Das bedeutet in der Konsequenz – Sie, Herr Huber, geben ja keine genaue Zahl an; Sie wissen schon, warum; obwohl es auch bei Ihnen ein paar Leute gibt, die sich dabei an die Platte fassen –, dass Sie diesen Staat handlungsmäßig nahezu auf Null bringen in Richtung Infrastruktur, in Richtung Bildung, in Richtung innere Sicherheit. Da kann ich Ihnen nur sagen: Wer kann denn das wahrhaft wollen, dass Sie die Ausgaben dieses Staates um ein Drittel kürzen, dass Sie 170 Milliarden e dem öffentlichen Kreislauf entziehen? – Das können nur die wollen, die sich einen armen Staat wirklich leisten können! Und das sind nur ganz, ganz wenige in unserem Land, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wenn Sie das machen, müssen Sie massiv in den Sozialbereich und in die Investitionstätigkeit des Staates eingreifen. Was das für die Konjunktur bedeuten würde, die ohnehin an zu geringer privater Binnennachfrage leidet, wenn Sie den Staatshaushalt in diesem Bereich um – sagen wir einmal – etwa ein Drittel senken würden, was es beispielsweise für die Baukonjunktur bedeuten würde, das kann sich wohl jeder ausmalen.
Da kann ich nur sagen: Das sind Rezepte von vorgestern, das sind keine Rezepte für die Zukunft unseres Landes, meine Damen und Herren.
Noch einmal zur Sozialversicherung mit 41,3%. Da haben wir damals gesagt – mit „wir“ meine ich die politische Klasse, die Ökonomie-Klasse –: Die Lohnnebenkosten sind zu hoch, sie müssen herunter. Das haben wir alle gesagt. Es war auch richtig, und es ist auch richtig. Was ist denn geschehen?
Als Kohl sein Amt antrat, nur als Beispiel, da lag der Rentenversicherungsbeitrag in unserem Land – keiner weiß es mehr, weil die Zeit schnelllebig ist – bei 17,3%, Herr Huber. Und als er ging, war der Beitrag bei 20,3%, Herr Huber. Sie wissen das, das ist das Schlimme, Herr Huber. Das sind drei glatte Punkte nur bei der Rentenversicherung. Und wo ist der Beitrag heute, Herr Huber? – Sie wissen es, er ist bei 19,1%. Wir haben also die Sozialversicherungsbeiträge um über einen Punkt zurückgeführt, meine Damen und Herren, was Sie seit 20 Jahren fordern, aber nicht tun. Und dass wir nicht weiter gekommen sind, liegt an allem Möglichen, aber am allerwenigsten daran, dass die rot-grüne Regierung es
nicht versucht hat. Gut einen Punkt hat sie aber tatsächlich geschafft.
Wir sind noch lange nicht am Ziel, aber das hat sie konkret geschafft. Punkt.
Wenn Sie den Beitrag jetzt auf unter 40% senken, dann haben Sie einen Einnahmeausfall von circa 13 Milliarden e, meine Damen und Herren. Ich sage „circa“, denn auf 500 Millionen hin oder her kann man es nicht genau schätzen. Wenn Sie dem Sozialversicherungssystem 13 Milliarden e entziehen, gibt es nur zwei Lösungen. Entweder müssen Sie von woanders her 13 Milliarden e wieder zuführen, von irgendeiner anderen Quelle einschließlich Wachstum, oder aber Sie müssen den Leistungsumfang der drei Sozialversicherungsbereiche um 13 Milliarden kürzen. Dann sagen Sie das bitte draußen den Menschen: Wir kürzen euch die Renten, wir kürzen euch das Arbeitslosengeld, oder wir kürzen euch die Krankenkassenleistung, oder wir lassen euch mehr zuzahlen.
Sagen Sie das den Menschen, was diese Zauberformel bedeutet. Dann reden wir miteinander. Ich sage Ihnen, was die Menschen sagen werden. Drei Viertel, vier Fünftel der Menschen, die sozialversichert leben und arbeiten und dieses Einkommensniveau haben, werden wissen, was sie darauf zu antworten haben, nämlich: Nein, das ist eine Verschlechterung unserer Situation zugunsten einer Verbesserung für diejenigen, die außerhalb des Sozialversicherungsbereichs liegen, und das ist gerade mal ein Fünftel, meine Damen und Herren.
Und dann der Hammer mit der Steuer. Die Steuern in Deutschland sind zu hoch, haben wir alle gesagt, 1998. Die Lohnsteuer ist zu hoch, die Einkommensteuer ist zu hoch, die Körperschaftsteuer ist zu hoch, die Gewerbesteuer – na gut, das ist örtlich unterschiedlich. Sie alle haben ja nicht Unrecht gehabt. 1998, 50 Jahre Bundesrepublik, 16 Jahre Kohl, hatten wir die historisch höchste Steuer- und Abgabenquote in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Das war Ihr Abschiedsgeschenk, die historisch höchste Steuer- und Abgabenquote 1998. Und was ist seither passiert? – Passiert ist seither, dass die Regierung Schröder den Anfang gemacht hat von dem, was Theo Waigel zehn Jahre lang erzählt hat. Sie hat eine Steuerreform gemacht, die den Versuch fast einer Quadratur des Kreises unternommen hat, nämlich auf der einen Seite dafür zu sorgen, dass die Einnahmesituation des Staates nicht völlig abrupt wegbricht, was verantwortungslos gewesen wäre angesichts der gigantischen Schulden, die unser Land hat, die unsere Enkel und Urenkel noch werden abzahlen müssen, und auf der anderen Seite dennoch dafür zu sorgen, dass die Steuerlast sowohl für die Unternehmer als auch für die Arbeitnehmer sinkt und damit natürlich auch ein Stück mehr Geld in die Geldbeutel der Menschen kommt und dadurch die Binnenkonjunktur angeregt wird.
Die Bundesregierung hat das getan. Sie hat den Spitzensteuersatz gesenkt für die Leute, für die Sie immer schwärmen, sie hat aber auch den Eingangssteuersatz gesenkt. Am 1. Januar 2003 wird eine zweite Stufe kommen und am 1. Januar 2005 eine dritte Stufe. Dann werden wir Ihren Spitzensteuersatz, über den Sie immer reden, von Ihnen 53% über 48% jetzt auf 42% abgesenkt haben, meine Damen und Herren. Das ist eine vernünftige Vorgehensweise, weil es die Balance zwischen Einnahmesituation des Staates und Entlastung der Menschen verantwortungsbewusst wahrt.
Das, was Sie vorschlagen, ist Kamikaze. Wenn Sie, die Sie sich mit 53% verabschiedet haben, morgen 40% machen, wie Herr Stoiber es vorschlägt, dann bedeutet das, dass der Staat, die Bundesrepublik Deutschland, circa 43 Milliarden e Steuerausfälle haben würde. Dann kann die Regierung wiederum nur zwei Dinge tun: Sie kann entweder diese 43 Milliarden e zusätzlich an Schulden aufnehmen mit den erwähnten Folgen für unsere Kinder und Kindeskinder, oder sie muss um 43 Milliarden e zusätzlich den Haushalt zusammenstreichen mit allen Konsequenzen, für Investitionen und soziale Sicherheit.
Beides wollen Sie nicht, wie ich höre. Sie wollen angeblich gleichzeitig mehr für die Familien ausgeben, Sie wollen gleichzeitig mehr für die Bundeswehr ausgeben, Sie wollen gleichzeitig mehr für die Verkehrsinfrastruktur ausgeben. Ja, verdammt noch mal, das ist doch unterhalb des Niveaus von Milchmädchenrechnungen.